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VoiglliinWitr Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche BezirfSqericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterdcrq, Schöneck und Mühltroff. ZmemlWebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-Preis, welcher prLallwersaä» zu entricht« ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Königl. Gericbtsämtcr und Ätadträthe, für welckc der Loigtländische Anzeiger Amtsblatt lst, Heftchen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann^ in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehausseegeldcr-Eiunehmer Holzmüller. Donnerstag. ^D-8» 23. April 1861. In einer Streitfrage kommt sehr viel daraus an, wer sein Urtheil darüber abgiebt, ob ein dabei stark Betheiligter oder Unparteiischer, ein Freund oder Gegner, ein unberufener Schwätzer, oder ein sachkundiger, angesehener und ge achteter Mann. Nun ist die Hauptstreitfrage unserer Tage seit länger als Jahresfrist: „Kann das Papstthum, d. h. die Einrichtung in der römisch-katho lischen Kirche, nach welcher an der Spitze derselben ein Papst, ein Mann stehen soll, der als Statthalter Christi auf Erden, angeblicher Nachfolger des Apostels Petrus rc., als unfehlbares Oberhaupt die römisch-katholische Christenheit in Glaubenssachen zu regieren hat — kann diese Einrichtung, dieses Papstthum ohne weltliche Macht, ohne Länderbesitz bestehen?" Die französ. Flugschrift: „Der Papst und der Congreß" hatte dieß zu Weihnachten vor'm Jahre schon bejaht, eben so die franz. Zeitungen; aber weil die franz. Regierung bei der Bejahung selbst stark betheiligt war, so mißtrauete man ihrer Beweisführung. Wir Protestanten wollen grundsätzlich von einem Papstthume überhaupt nichts wissen, natürlich noch weniger von einer weltlichen Papstesherrschaft, uns konnte es daher Niemand verargen, wenn wir gegen die Einziehung des Kirchenstaats höchstens einzuwenden hatten, daß er nun einmal 45 Jahre zu Recht bestehe. Aber wenn von uns Protestanten, wie dieß auch Nr. 29 Jahrgang 1860 des Voigtl. Anz. geschehen ist, nachgewiesen wurde, daß es in den ersten Jahrhun derten nach Christus gar keinen Papst gab, bis 755 keinen Kirchenstaat, daß dieser Kirchenstaat, anfänglich Lehns-, dann souverainer Staat, bald um fänglicher, bald kleiner, wie jeder andere Staat, zeitweise verloren wurde und erst seit 18 l5 in seinem gegenwärtigen Umfange bestand — dann konnte man uns katholischer Seits einhalten: „Ihr seid Partei in der Sache?" Gar Man cher mochte auch denken, .dem Voigtl. Anz. stehe in dieser großen Frage eben so wenig ein Urtheil zu, wie jedem andern Zeitnngs- oder Wochenblatte. Aber, siehe da! In München lebt einer der gelehrtesten katholischen Theologen, einer der entschiedensten Verfechter der Oberherrschaft der katholischen Kirche, Döllinger, seit 34 Jahren Professor an der Universität München, als Lehrer und Schriftsteller eine Autorität, d. h. hoch angesehen und geschätzt, entschiedener Gegner unseres evangelischen Glaubens und starrer Anhänger des Papstthums — dieser Mann hat sich öffentlich auf die entschiedenste Weise gegen die welt liche Herrschaft des Papstes ausgesprochen. Das will mehr sagen, als wenn Pariser Flugschriftenschreiber dieß thun; hier gilt keine Verdächtigung, kein Miß trauen. Das ungeheure moralische Gewicht, welches Döllinger durch seine ge wichtigen Entscheidungsgründe in die Wagschale geworfen hat, wiegt alles auf, was der Bischof von Orleans, der Graf v. Montalembert, die Katholiken im englischen Parlament, in der 2. Preuß. Kammer für die weltliche Papstmacht gesagt haben. Diese wichtigste Frage unserer Tage ist dadurch als entschieden zu betrachten. Kann auch der gegenwärtige Papst als solcher,'wie wir Nr. 32 des dießj. Voigtl. Anz. nachgewiesen haben, nicht freiwillig auf den Kirchenstaat verzichten, und weiß es auch nur der Himmel allein, wie diese Frage gelöst werden soll und wird, so ist sie doch im Bewußtsein aller denkenden Menschen durch Döllmger im Grundsätze nunmehr entschieden. Eben so gewaltiges Auftehen, wie Döllingers Aussprüche in der kirchlichen, macht eine Flugschrift, die in Frankreich erschienen ist, in der politischen Welt. Bor längerer Zeit hatte Prinz Napoleon im französ. Landtage eine von Frei- finmgken und nebenbei Wühlerei strotzende Rede gehalten, in der er unter andern auch die Herrlichkeit und Glückseligkeit der gegenwärtigen Regierung in Frauk- ' > —— - ' ' . —. -1 '7'. reich aus allen sieben Schellen pries, dagegen die 18 Jahre von 1830 bi- 1848, da Frankreich von Louis Philipp regiert worden, namentlich die angeb lichen ärgerlichen Mißhelligkeiten in der Familie dieses Königs, beißendstark tadelte. Darauf hat nun in diesen Tagen ein Sohn Louis Philipps, der Herzog von Aumale, der sich Heinrich von Orleans unterschreibt, in einer Flugschrift geantwortet. Dieß ging aber nicht leicht. Die Presse in Frankreich muß sich vor den Staatsanwaltschaften noch viel mehr in Acht nehmen, als bei uns, und jede Flugschrift muß erst, ehe sie der Buchdrucker oder Buchhändler ausgeben und verkaufen darf, 24 Stunden vorher dem Staatsanwalte zur Genehmigung vorgelegt werden. Es war vorauszusehen, daß der Buchhändler kaum ein paar Stunden Zeit zum Verkaufe haben könnte, bis die Polizei kommen und sie wegnehmen würde. Deshalb wurde die Flugschrift nicht iu Paris, sondern in einer kleineren Nachbarstadt in aller Stille unter dem ungefährlichen Titel: „Briefe über die Geschichte Frankreichs" gedruckt. Der Staatsanwalt, mit dem wir nicht theilen Möchten, sah den Titel an, meinte, es handle sich um eiu ge schichtliches Werk und ließ die 24 Stunden verstreichen, ohne sie durchzuleseS' und die Exemplare wegzunehmen. Mit dem Glockenschlage nach dem Verlaufe der 24. Stunde verkaufte nun der Buchhändler in Paris die Schrift. Viele Leute wußten dieß, und in Kurzem rannte alle Welt nach dem Buchladen, daß binnen einigen Stunden 40,000 Exemplare verkauft waren. Gleichzeitig war sie in ganz Frankreich verschickt worden, und als endlich der Minister Wind davon bekam und sieben Polizeier auf einmal in den Buchladen stürzten, waren die Vögel ausgeflogen und nur noch wenige Exemplare da. So war die Polizei hintergangen. Diese Flugschrift enthält, wie Jeder leicht erräth, keine Schmei cheleien, sondern ein wahres Sündenregister der Regierung Louis Napoleons; daß sie aber so reißend begierig gekauft und gelesen wird — ein Exemplar wird jetzt schon mit 5 Thlr., ja bis mit 25 und 50 Thlr. (!!) bezahlt, das ursprüng lich etwa so viel Groschen kostet — scheint uns ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit. Für jetzt und thatsächlich schadet es den Napoleons wohl nicht, aber eine moralische Schlappe ist's doch. Fast eben so großes Aufsehen hat hauptsächlich in Ungarn ein Schriftstück gemacht, das der tapfere General Benedek, Oberbefehlshaber des österreichischen Heeres in Italien, an seine Soldaten herausgelassen hat. So ein Haudegen legt die Worte nicht auf die Golbwage, und so hat denn auch der wackere Benedek seinen Soldaten auseinandergesetzt, die Hauptwühler in Oesterreich seien Advokaten und Aerzte ohne Praxis rc. „und listige, feige Magnaten." Dieß haben ihm die ungarischen Magnaten (der hohe ungar. Abel) höchlich übel genommen und eine Erklärung in Form eines offenen Sendschreibens an ihn erlassen, worin sie den Vorwurf der Feigheit entschieden zurückweisen. Benedek ist selber Ungar und kennt seine Leute; es wird ihm deshalb schwerlich in den Sinn gekommen sein, alle ungar. Magnaten in einen Topf werfen zu wollen, er hat sich wahrscheinlich nur undiplomatisch ausgedrückt. Sachfen. Leipzig, 21. April. Gestern hat der Stadtrath das durch den Tod des Professors Dr. Stallbaum erledigte Rectorat der hiesigen ThomaS- schule lnit dem sowohl hier als auch in weitern Kreisen hochgeachteten Cvnrector vr. LipsiuS besetzt. Die übrigen Mitglieder deS Collegium- find in die zunächst höhern,Stellen befördert worden.