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Franz Liszt begann die Arbeit an seinem Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-Dur im Jahre 1839, vollendete es jedoch erst zehn Jahre später. 1857 gelangte das Werk unter der Leitung des Komponisten, mit seinem Schüler Hans von Bronsart als Solisten, inWei- mar zur Uraufführung. Bronsart, ein Lieblingsschüler Liszts in Weimar, dem dieses Konzert auch gewidmet wurde, hat viele interessante Einzelheiten über den Lisztschen Unterricht überliefert: „Wie im Spiel, so im Unterricht stand der Hörer wie der Schüler vor den wunderbarsten Offenbarungen des Genies. Eine Lehrmethode, sozusagen Schab lone, gab es für Liszt ebensowenig wie für jeden bedeutenden Künstler, er leitete jeden nach dessen besonderer Eigenart, und diese stets mit Sicherheit zu erkennen, war eben Sache des alles überragenden Genies. In der Technik war es die Elastizität und Unab hängigkeit aller Gelenke voneinander bei gleichzeitigem .Federn'derselben miteinander (selbstverständlich cum grano salis, sozusagen .unmerklich'), worauf sowohl Kraft als Tonschönheit - der sogenannte schöne Anschlag - beruhen mußte. Er äußerte gelegent lich das Paradoxon: Die Hände müssen mehr in der Luft schweben, als an den Tasten kleben, oder: Um Beethoven zu spielen, muß man mehr Technik haben, als dazu gehört!“ Wie auch das Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur zeichnet sich das A-Dur-Konzert durch poe tischen Ideen- und Empfindungsgehalt, harmonischen Reichtum und virtuosen Glanz aus. Es spiegelt vor allem aber die lyrische, romantische Seite der Lisztschen Natur wider und ist einsätzig angelegt (die einzelnen Abschnitte der Komposition mit unterschied lichen Zeitmaßen gehen unmittelbar ineinander über). Durch Liszts „Erfindung von Motiven als plastische Einheiten, fähig zur unendlichen Umformung im Verlaufe eines Werkes“ wurde er zum Schöpfer jener neuen Form, die (nach Richard Wagner) „in jedem Augenblick diejenige ist, die nötig ist“. Ein melodisch geprägtes, etwas weltverlorenes Hauptthema, das zu Beginn von den Holz bläsern eingeführt wird, bestimmt in mannigfachen rhythmisch-metrischen und harmo nischen Umformungen die gesamte Komposition. Besonders ein unruhiges Moll-Motiv und ein verklärter Zwiegesang zwischen Cello und Klavier ragen unter den Variant- themen heraus. Es kommt zu starken Gegensätzen und fast dramatischen Entwicklungen, wobei das Soloinstrument bedeutsam hervortritt. Neben verinnerlichten, stimmungs vollen Episoden stehen pomphafte, virtuose Steigerungen. Am Schluß wird das Haupt thema mit höchster Klangentfaltung zu einem triumphierenden Marsch umgestaltet. „Die Arbeit geht sehr langsam vorwärts und will mir nicht gelingen“, heißt es in einem Brief Peter Tschaikowskis an seinen Bruder Anatol während der Komposition des Klavier konzerts Nr. 1 b-Moll op. 23. „Grundsätzlich tue ich mir Gewalt an und zwinge meinen Kopf, allerlei Klavierpassagen auszutüfteln.“ Diese Zeilen zeugen von der unerbittlichen Selbstkritik, die der Meister immer von neuem an sich übte, von seiner schöpferischen Unzufriedenheit, die es ihm stets schwer machte, an seine künstlerische Leistung zu glau ben. Aber auch der berühmte russische Pianist Nikolai Rubinstein, Direktor des Moskauer Konservatoriums, dem Tschaikowski das Werk ursprünglich widmen wollte und von dem er technische Ratschläge für die Gestaltung des Soloparts erbeten hatte, lehnte es mit ver nichtenden Worten als völlig unspielbar und schlecht ab, was sich der Komponist sehr zu Herzen nahm. Und doch sollte gerade das 1875 beendete b-Moll-Konzert eine der allerbekanntesten und beliebtesten Schöpfungen Tschaikowskis werden. Der Komponist widmete es nach der Ablehnung Rubinsteins dem deutschen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, einem großen Verehrer seiner Musik. „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes erwiesen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist“, schrieb Bülow, der das Konzert bei der Uraufführung am 25. Ok tober 1875 in Boston spielte und es in Amerika und Europa zu größten Erfolgen führte. „Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer großen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll - in dem Sinne nämlich, daß sich Absicht und Ausführung überall decken.“ Seitdem ist der große Erfolg diesem an das Erbe Schumanns und Liszts anknüpfenden wie auch Elemente der russischen Volksmusik aufgreifenden und doch ganz persönlich geprägten Werk stets treu geblieben. Eingängige, sinnenfreu dige Melodik und originelle Rhythmik, aufrüttelndes, lebensbejahendes Pathos und musi- kantischer Schwung, stilistische Eleganz und virtuose Brillanz sind die Eigenschaften, die es zu einem Lieblingsstück sowohl des Publikums als auch der Pianisten aller Län der werden ließen. Mit einer außerordentlich schwungvollen selbständigen Einleitung beginnt das Werk, das von Hörnerfanfaren eröffnet wird. Eine durch Violinen und Violoncello vorgetragene schwelgerische Melodie wird vom Soloinstrument zunächst mit rauschenden Akkorden begleitet, dann von ihm aufgenommen und ausgeschmückt und schließlich nochmals ori ginal in den Streichern gebracht. Das Hauptthema des folgenden Allegro con spirito ist einem ukrainischen Volkslied nachgebildet, das der Komponist von blinden Bettelmusi kanten auf dem Jahrmarkt in Kamenka bei Kiew gehört hatte. Ihm steht ein innig-gefühl volles Seitenthema kontrastierend gegenüber. Ein buntes, glanzvolles Wechselspiel zwi" sehen Solopart und Orchester mit mehreren virtuosen Höhepunkten kennzeichnet den Verlauf der hauptsächlich von Motiven des zweiten Themas getragenen Durchführung des Satzes. Lyrisch-kantabel ist der Anfangsteil des in Liedform aufgebauten zweiten Satzes: Von Violinen, Bratschen und Celli zart begleitet, bläst die Flöte eine sanfte, anmutige Melo die. In den lebhafteren, scherzoähnlichen mittleren Teil fand ein modisches französisches Chanson „II faut s'amuser, danser et rire“ (Man muß sich freuen, tanzen und lachen) Ein gang. Der Schlußteil führt dann wieder in die verträumt-idyllische Anfangsstimmung zurück. Von sprühendem Temperament, kraftvoll-tänzerischer Rhythmik ist das stark durch ukra inische Volksmusik inspirierte Finale, ein Rondo, erfüllt. Neben dem feurigen, fröhlichen Hauptthema, dessen Melodie einem ukrainischen Frühlingslied entstammt und das zu wilder Ausgelassenheit gesteigert wird, gewinnt im Verlaufe des Satzes auch das gesang liche, ausdrucksvolle zweite Thema Bedeutung. Ein hymnisch-jubelnder, wirkungsvoller Schluß beendet das Werk. Dr. Dieter Hartwig VORANKÜNDIGUNG: 22. November 1966,19.30 Uhr, Steinsaal 2. KAMMERMUSIKABEND Werke von Giovanni Gabrieli und Anton Bruckner Anrecht D und freier Kartenverkauf 26. und 27. November 1966, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Heinz Rögner, Berlin Solist: Julian von Kärolyi, München (Klavier) Werke von Hans Werner Henze, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966/67 - Künstlerischer Leiter: Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 39/160 III 9 5 1,5 1066 It G 009/61/66 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1966/67