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Amts- und Anzetgeblatt für das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Schandau und den Stadtqenltinderath zu Hohnstein. Die „Sächsische Elb-Zeitung" erscheint Mittwoch nnd Sonnabend und lg dnrck alle PoilanäaUen, sowie durch die Erpedltlo» dieses Blatte» sttr IN Ngr. vlcrlel- sährlich zu beztehcu. — Inserate sttr da» Mittwoch»dlatt werden bis Dienstag früh !) Uhr, liir das SonnabendSblait späteilenS bis Freitag früh !> Nhr er beten. — Preis fitr die einmal gespaltene SorpuSzeile oder deren Raum t Ngr. — Auswärts werde» Inserate sltr die Elbzeltuna angenommen in Hohnstein bei Herrn Hesse, in Dresden und Leipzig in den Annoncen-Durcaur der Herren W. Saalbach, Rud. Mosse und Haasengein L Bögler. 1873 Schandau, Mittwoch, den 18. Juni Politische LLeltschau. O Unzweifelhaft verdankt der deutsche Reichstag die Läugc sciticr Session nnr der Furcht vor den Svziatdcnwkrnlen lind Ullrainonlaticn. Akan bangt vor dein Anöfall der nächsten Wahle» nnd sticht da her mit diesem Reichstage noch so viel als möglich Gesetze in Sicherheit zu briugcn. So ganz nnbc- gründet ist diese Sorge nicht, denn mehr wie einmal hat man es schon erlebt, dass Extreme sich berühren, also Sozialdcmalratcn nnd Ultramoutanc einander die Hände reichen. Erst neuerdings spielte dieser Falt im Breslauer Wahlkreise; Forlschritismänncr, Ra tional-Liberale, Frcicouscrvativc und Conscrvative ver einigten sich zur Durchbriugung ciucs ualioilalgesitttttc» NcichstagSabgcorduclcu, wurden aber gleichwohl voll den verbündcicn Ultramontancn ilud Sozialdeiiiokralcii geschlagen. Haben wir auch bei nnö in Sachsen solche Koalitionen weniger zu fürchten, da Misere Laudbcvöllcr- nng nicht von römischen Priestern eorrnmpirt wird, so liegen in zahlreiche» a»dcrc» Gcgc»de» Dcutsch- laiidö die Vcrhältuissc cbciiso iliigniistig, wie im Brcö lauer Wahlkreise; namciltlich ist dies der Fall i» Obcr- schlcsic», der Rhciiiproviiiz, Wcstphalcu, Baier» »»d mehrere» aildercii Dislrittcii, so daß i» dieser Bezieh- u»g immcrhi» Borsicht die Ni'utlcr der Weisheit gc- nalmt wcrdcii kam,. Der ritterliche Bischof von Mainz, der Pnblicisl Görg, die Herren Reichensperger, Windlhorst, Wagener, Glaser, Haber nnd wie die Hcißsporcn des UttramoutauiSimw alle heißen, haben seit Jahren mit de» Sozialdemokraten gclicbängclt und sic z» kirren gcsnchl. Augcublicktich ist zwar ein ZciNmgSkricg zwischen beide» Parteien entbrannt, aber weiß man denn, zn welchem Zwecke lind in welcher Absicht? Möglich, daß ma» gerade den Wahle» gegen über diese Feindschaft heuchelt, mn die Gegner ciuzu- schläfcrn. In den „christlich-socialen Blattern" er tönt nämlich ein Waruruf vor jeder Gemeinschaft mit de» Sozialdemokraten. Es wird ans die Bcrsammlmig der Sozialisten z» Frankfurt gedeutet, wo mau gottes lästerliche Vergleiche zwischen Jesu Christo nnd dcm In den Lassalle gezogen; ferner wird auf die Bicrlrawallc nnd sonstigen Pöbcl-Exccssc der letzten Monate hin- gcwicscu und ansdrücklich gesagt: „Das Proletariat der großen Städte nnd Jnimslicortc gleicht einer offe nen Tomic mit Dynamit; cs braucht uur ciu Fuukc hiueiuzufallcn und die Explosion erfolgt unter Trüm mern und Flammen!" Darauf bleibt dcuu der in Berlin erscheinende „Neue Sozialdemokrat" die Ant wort nicht schuldig. Er sagt: „Die Pfaffen lassen cs sich angelegen sein, gegen die liberalen Kapitalisten als Inden, Freimaurer und Ansbcntcr ic. losznzichcn; die Arbeiter katholischer Gegenden werden dadurch oft verleitet, zu übersehen, wie die Pfaffen cs sorg fältig vcrmcidcn, sich dahin zu äußern, daß jedem Ar beiter der nugckürzlc Ertrag seiner Arbeit znkonunl und jeder Gcmiß ohne clitsprechcndc Arbeit eine Bc- ranbnng des Volkes ist. Wenn die Arbeiter als echte Sozialisten ihre» vollen Arbeitsertrag bcansprnchcn, dmm gcrathc» nicht nur der ZiuS und Unlcrnchmer- gcwinn der Jude» imd Frcimanrcr, sondern auch die Sporteln der Scclcnhirtcn in Gefahr." Diese AuS- eimmdcrsetzmig sicht freilich wie Feindschaft aus, durch die ma» sich jedoch »ich! täusche» lasse» darf. Ustra- montaue »»d Sozialdcmokratcu verfolge» ein gemein sames Ziel: die Herrschaft des Staatcs an sich zn reißen. So wenig mm anch die Sozialdemokraten den Ultramontancn und umgekehrt die Ultramontancn den Sozialdemokraten diese Herrschaft gönnen, so stehen sic doch im Kampfe gegen die jetzigen staatlichen Einrichiungcn Schulter an Schulter. Mim kauu cs daher wohl begreiflich finden, wenn die Ncichörcgicrnng den nächsten Wahlen mit einiger Beklommenheit cnt- gcgcnsicht nnd mit dcm jetzigen Reichstage noch Ge setze zu vereinbaren flicht, deren Znstaistckommcii spä ¬ ter sehr fraglich wäre. Zn diesem Zwecke ist, da der Schlnß der Rcichsiagsscssion Ende diese« Monats er folgen soll, eine nochmalige Eiubcrnstmg des dculschcn ParlamculS im nächsten Herbst oder Winter in Ans sicht genommen. In voriger Woche bewilligte der Reichstag nnr diejenigen Urlaubsgcsnchc, welche dnrch Kranlhcit mo- livirt wnrdcu, lehnte dagegen die dnrch geschäftliche Abhaltungen begründeten ab. Ob diese Maßregel die gcwünschtc Wirlnug haben wird, sicht freilich dahin. Rächsldcm genehmigte man 478,000 Thlr. znr Er- Weiterung der Dicustlokalc im anSwärUgcn Amte, über wies mehrere Titel des RnchlragSctalS pro 1878, wo durch »och ei» Mehr von 10,158,800 Thlr. gefordert wird, der Audgcttommissivn z»r Vorbcralhmig imd beschloß, von der Berathmig des Mililärgcsctzcö i» dieser Session Abstand zn nehmen. Ferner beschäftigte sich der Reichstag mit dein Anträge Schulze-Delitzsch wegen Vermeidung de« gleichzeitigen Tagens der ciu- zclmm Landcsvcrlrclungcn mit dem Reichstage, sowie wegen rechtzeitiger Fcriigstcllnng des Acralhuugdmatc- rial«, welche Anträge fast einstimmige Aimcihmc san den. Abg. Lasker begründete hierauf den Antrag, die Sitzungen des Reichstag« künftighin möglichst in die Monate Oclobcr bis Dezember zn verlege». Nach dem Fürst Bismarck sein Einverständnis; hiermit cr- ltärt, fand anch dieser Antrag'mit erheblicher Majo rität Annahme. Am Berliner Hofe soll jetzt dnrch mancherlei Um stände eine Vcrslimmnng cingclrctcn sein. Die Reise des Kaiser« nach Wien ist, ärztlichem Rache zufolge, auf unbestimmte Zeit vertagt nnd Fürst Bismarck wurde mehrere Tage lang vom Kaiser nicht cmpsangcn. Als cs wieder geschah, raintte» sich die Hof-Wcltcr- bcobachtcr doch noch zu, daß weder der Kaiser noch der Furst über ihre Unterredung große Freude ge habt hätten. Die Dinge in Frankreich werde» al« Ursache dieser Hofslimnumg bczcich»ct. Graf Arnim, der dcnlsche Botschafter in Paris, versäumte zur Zeil der letzte» Krisis i» der Rattcmalvcrsammlimg, d»rch ciitsprechciide Berichte »ach Berlin die Sachlage im richtigen Lichte erscheine» zn lassen, was mn so schwe rer in die Wagschalc fällt, al« die gegen Thier« stim mende Majorität sehr gering war und man fast mit Sicherheit annchmcn darf, daß die Hnltnng Deutsch lands ans die Absiinmiiing mancher bis zmn letzten Angcnblickc schwankender Depntirlcr nicht ohne Ein- änß geblieben sein würde. Fürst Bismarck soll da- :übcr äußerst erzürnt gewesen sein mid vom Kaiser die Eutlassnug Arnim'« gefordert haben. Rnn hat letzterer aber an der Berliner Hofpartci eine Stütze nnd znr Entlassung ist's vorläufig nicht gekommm; aber Arnim erhielt „Urlanb bis ans Weiteres". Was weiter folgen wird, muß abgcwartct werden. Ans Oesterreich wie aus Italien liege» Nach richte» vo» Belang nicht vor. Im ersteren Staate iiält man sich mit siimnzicllcn Operationen, nm nach Nützlichkeit die Wunden zu heilen, welche der Wiener Börscntrach dem Lande geschlagen. Nebenbei geht die Wahlagitation ihren rnhigen Gang. In Italien kann das Parlament nicht leben nnd nicht sterben. Schon angc dnrch Abwesenheit der meisten Dcvntirtcn bc chlußunfähig, gcnirt sich die Regierung gleichwohl, zur Anflösnng desselben zn schreiten, obschon sic damit so wohl dem Lande wie dcm Parlament selbst einen Dienst crwicsc. Die jetzige Kammer ist viel zu altersschwach, als daß man von ihr noch günstige Ncsnttalc erwar te» könnte. Das Land bedarf frischer Kräfte and da zu siud Neuwahlen erforderlich. Es gicbt in Frankreich seit achtzig Jahrcn keine Regierung, die nicht stet« die Unabhängigkeit dcr Presse im Munde geführt nnd gleichzeitig jede freiere Rcg- mig derselben nnterdräckc» zn müssen geglaubt hätte. In dieser Bezichnng gleicht anch die dritte Republik dcm Regiment Napoleon'« kll. und Nouhcr'S wie ein Ei dcm anderen. Davon wissen jetzt wieder die frei sinnige» Blätter ei» Lied zn singen. Das Verbot des „Eorsairc", welches dicscr Tage dnrch Bcnlv, den Mi nister des Innern, crsolgle, brachte denn anch die seit dcm Stnrzc Thicr« etwas llcinlantc Linke derartig in Anfrcgnng, daß sic mittctst einer Jnlcrpellation wegen dcr Untcrdrücknng dicsc» Blattcs sich z» einem ener gischen Verglich ansrasstc, das Ministcrimn ans dem Sattel zn heben. Im Verlaufe dcr Debatte verlas Gambetta cm Rundschrcibcu des Minister« an die Präjcctcu, worin cr dieselben anffordcrt, ihm dicjcni- gcu Journalc zn nennen, die sich bereit finde» wür de», gegen Gcldinttcrstütznngcn dcr Rcgicnmg Dienste zn leiste». Ist das »icht dasselbe System dcr Kor- rmnptio», wie cs a»f dcm Programm dc« letzten Kai serreichs stand? Trotzdem Benin die Echtheit dieses Rundschreiben« zngab, vermochte die Linke keinen Er folg zu erringen. Ja die Koalition dcr monarchischim Parteien Hal sich noch verstärkt, den» während Thiers dnrch eine Majorität von nnr 10 Stimmen gestürzt wnrdc, billigte die Versammlung mit MU gegen 815 Stimmcu das Verfahren de« Minister«. Die Blülhc- zcit einer schamlosen Reaktion wird also sehr bald über ganz Frankreich sich aiiSgcbrcitct haben. Mac Mahon sitzt aus dcm goldcncn Stuhl und träumt dabei die lieblichste» Diugc, mcrlt aber kaum, daß cr sich in ciucu Bienenschwarm gesetzt hat. Die Kuabcm Jc- romc, Lnln, Plon-Plon, Heinrich nnd wie sic sonst noch heißen, saugen jetzt schon an, ihm fürchterlich zn wer den. Der Präsident wollte dicscr Tagc cinc große Hccrschan abhaltcn, aber da kam Plon-Ploii nud wollte durchaus mitspiclcu. Da« autäut tvrriirla dcr bona- partislischcu Familie köuulc Störenfried werden, dachte Mac Mahon, und bcslctltc die Hccrschan ab. Da- ranf ward dcr Marschall-Prüsidcnl zu einem großen Wcttrcnueu ciugcladc». Er versprach, zu kommen, wciin Plon-Plon hübsch zii Hause bliebe. Flug« stürzte Nouhcr zu dem Gefürchtete«, verhieß ihm alle mög- lichcm Erfolge für die Ziikiiuft, wcuu cr sich jctzt uoch cinigc Zeit still uiid sittsam verhalte. Dcr Prinz folgte niid Mac Mahon wohnte dcm Wettremicn bci. Mil andcrcn Worlcn: in dcr bonaparlislischcu Parlci ist Zwiespalt ansgcbrochcn; die Eincii wollen die so fortige Prollanürnng dc« Kaiscrrcich«, die Andere» halte» diese» Umsturz dcr Dinge für uoch zu riskant, niid vcrtröslcu ans die ZMtmst. Mac Mahon imd Ronhcr gchörcn zn dicscn Vorsichtigcrn und sind übcr da« nngcstume Drängen ihrer Freunde entrüstet. „Fern im Süd da« schöne Spanien" mit seiner neubackenen Födcrativ-Rcpnblik besprachen wir bereits im Leitartikel dcr letzten Nnnuncr nnd füge» heute nnr zur Jlluslririmg dcS dortigen Wirrwarr« hinzu, daß die noch uichl 14 Tagc allc Schöpfung schon das iünflc Ministerium sei» cigcu ucnnl. Möglich, raß cö dcm sechsten Platz gemacht, indem wir diese Zeile» schreibe». Da Hörl dc»» selbst das variatio clvlvctat ans! I» Holland habe» die Wahlc» znr zweite» Kam mer, soweit bi« jetzt bckamil, 10 Liberale mid 11 Ul- lramoulane a»ö de» Urne» befördert. I» dcr atthi- ncsischc» Aiigclcgciihcil will man mit dcr größten Energie z» Werke gehen. Dcr pcnsionirtc Gcncral- lenlnant von Swictc», cin altcr Velcraii dcr iiidischcn Aruiec, ist wieder in activcic Dienst getreten, nm dem nächst die Operationen ans'« kräftigste z» eröffnen. Die Engländer, sonst zmn Sterben langweilige Patrone, sind von dem Besuch dc« persischen iwchah vie clcktrisirt. Scho» vor seiner Ankunft wimmelten die Zeitungen von Zuschriften übcr den Einpfang, dcr dcm orientalischen Herrscher gebühre; verschiedene Städte gehen mit dein Plane um, ihn zum Ehren bürger zn ernennen. Der Mann, welcher imtcr dcr hohen Schafscllmützc des Schah steckt, verdient wohl weniger dicsc Anfmcrksamkcitcn, als dcr Nachbar dc« indischen 'Reiche«. Es ist nicht gnt, wenn „dcr König