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1869 Dienstag, den 19. Januar Vierteljährlicher Pränumerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgcbühren für den Naum einer gespaltenen Corpuszcile 8 Pf. — Annahme Non Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Tagesgeschichte. Die „S. Z." bemerkt: Für die nächsten Landtagswahlcn hat noch keine Partei ihre Vorbereitungen getroffen. Der „Franks. Ztg." wird aber aus Leipzig geschrieben, der Ausschuß der Volkspartei in Sachsen werde demnächst eine Laudesversammlung berufen, auf der insbesondere die Wahlfrage und die Fragen der Vereinsgesetzgebung und der Gewerbsgenoffenschaften besprechen werden sollen. Ob die Volkspartci von dem Wahlkampf sich vollständig enthalten, oder über all wo eine Aussicht auf Erfolg, und wäre es nur ein agitatorischer, vorhanden, sich hetheiligcn werde, darüber habe die Landesversamm lung zu entscheiden. Der Generalmajor von Hake, Lommandant der 4. Jnfantrie- Briaadc (Regiment Prinz Georg und Nr. 107, Zwickau) ist um seine Pensionirung eingekommen. Dem Stabstrompeter Wagner vom Garde-Reiter - Regiment ist anläßlich seines am Neujahrstag stattgehabten 25jährigen Dienst jubiläums vom Osfizicrcorps des Regiments nachträglich ein werth- voller Taktirstock verehrt worden. Meißen, 11. Jan. „Das größte Segelschiff" schreibt das hie sige „Tagebl.", „welches auf unsrer Elbe existirt, ein« böhmische Zille, 100 Ellen lang und 14 Ellen breit, beladen mit einem ganzen größeren Lastzug Braunkohlen, 42 Lowry L 200 Ctr. — 8400 Ctr., passirte am Sonnabend früh auf der Fahrt von Außig nach Ham- hurg unsere Brücken. Außer dem Steuermann hatte es nur noch 2 Mann zur Bedienung." Das Comitee für die im Schützenhause zu Leipzig vom 30. Mai d. I. an stattfindcnde allgemeine Ausstellung sämmtlichcr in das Mühlenfach, sowie zur Bäckerei und Landwirthschaft gehörenden Ma schinen, Utensilien und Producte hat jüngst erst den Beschluß ge faßt, den Anmcldungstermin für die Abhaltung der Generalversamm lung deutscher Müller uud Mühleninteressenten stattfindende obener wähnte Ausstellung bis Ende Februar 1869 zu verlängern. Die An meldungen sind deshalb rechtzeitig an den Mühlenbcsitzer Eisenreich, Neuschönefeld-Lcipzig zu richten. Die Ausstellung verspricht nach den jetzt schon bemerkten Anzeichen eine sehr große und bedeutende zu werden. Oelsnitz, 12. Jan. Gestern früh hat ein Knabe, der Reifen in den Pfortentcich legen sollte, unter der dünnen Eiskruste desselben den Leichnam eines neugcbornc« Kindes weiblichen Geschlechts ge funden. Der Leichnam ist gerichtlich aufgehoben worden und wird heute secirt werden. — 13. Jan. Bei der gestern stattgefundenen Section des hier gefundenen Kindesleichnams hat es sich ergeben, daß das Kind ge lebt hat und ermordet worden ist. Es haben sich Jngulationen und Schädelbrüche vorgefunden. Heute ist die unnatürliche Blutter ent deckt, die ältere Tochter des erblindeten Schuhmachers Knörnschild. Nach einigem Leugnen hat dieselbe Alles gestanden. In Lindenau bei Leipzig fiel vor—einigen-LLochen ein 2Vs Jahr altes Kind in ein Faß mit zerkochten und noch ganzen heißen Kartoffeln, welche zum Schweincsüttern bestimmt waren; es verbrannte sich dabei so, daß cs vor Kurzem gestorben ist. Letzten Freitag verunglückten mehrere Arbeiter auf der Nord bahn bei Bodenbach. Die Arbeiter hatten viele kleine Bau-Lowrys zusammengestellt, um sie zusammen sortzuschieben, und setzten sich, da das Gleis etwas Fall hatte, darauf, indem die Lowrys allein fort- liefcn. Leider aber gleiste die erste Lowrys aus, die andern fuhren durch einander, die Ärbeitcr stürzten herunter, 3 blieben sofort todt und 2 wurden die Beine zerfahre». Mittweida, 15. Jan. Am vergangenen Sonntage ereignete sich hier der Unfall, daß eine 78jährige Frau bei einem Gang in den Keller stürzte und in sehr gefährlicher Weise den Arm brach. Die selbe ist heute an den Folgen des Falles gestorben. Am 11. d. M. fand man in der Elbe unweit der Kötitzer Schiff mühle den Leichnam des Hausbesitzers Jacob aus Weinböhla. Der selbe hatte am frühen Morgen des vorhergehenden Tages Getreide zur Mühle gebracht, um es zu mahlen. Während einer Arbeit, die die Knappen am Wellschiffe hatten, war Jacob plötzlich verschwun den. Erstere meinten, er sei ins Dorf gegangen, bis sie durch das lange Außenbleiben desselben, sowie durch die spätere Nachfrage der Angehörigen Jacobs annehmen mußten, daß ihm ein Unglück begeg net sei, was sich denn auch Tags darauf bestätigte. Jacob hinter- lätzt außer seiner Frau noch 6, zum Theil unerzogene Kinder. (K. Z.) Zu Mühlhausen im Elsaß besteht eine industrielle Gesellschaft zur Verhütung von Unglücksfüllen in Fabriken, deren Jahresbericht die Regierung den Handelskammern mit dem Wunsche mitgctheilt hat, ob sich nicht auch in Sachsen eine ähnliche auf Selbsthilfe be ruhende Einrichtung ins Leben rufen ließe; die dortigen Fabrikin spectoren sind nämlich nicht vom Staate bestellt. Die Leipziger Han delskammer hat einen aus den Herren vr. Heine, Adv. Wachsmuth und Stadtältester Härtel bestehenden Ausschuß zur Begutachtung der Sache niedergcsetzt, Dird aber schon demnächst Näheres über jene französische Gesellschaft veröffentlichen. Die durch den Krieg von 1866 veranlaßten Ausgaben Preußens belaufen sich nach einer in der Budget-Commission gemachten Berech nung auf 140—150 Mill. Thlr. Wien, 15 Jan. Hauptmann Guenther hat einen russischen Obersten, weil derselbe die östreichische Artillerie gröblich geschmäht hatte, im Duell erschossen. Aus Italien wird geschrieben, Mazzini, der wieder Auferstan dene, und Garibaldi wollen Arm in Arm das Jahr in die Schran ken fordern. Wollte der Himmel, Bismarck und Beust lernten auch im neuen Jahre Arm in Arm gehen (d!L., wenn sich die Völker mit cinhän- gen!), Preußen und Oestreich könnten der Welt Frieden gebieten. Es sieht aber nicht so aus. Bismarcks Zeitung (N. A. Z.) über schüttet Tag für Tag Beust mit den furchtbarsten persönlichen An klagen; sie sagt ihm, als sächsischer Minister habe er sich unbedenk lich stylistischen Uebungen hingebcn können, aber „als Leiter Oestreichs fehle ihm das Verständniß für die Verhältnisse eines Großstaates." Der jüngste Artikel schließt: „Die Verantwortlichkeit für die Menge von Frivolitäten und muthwilligen Provokationen, welche sich der Herr Reichskanzler über Preußen erlaubt hat, fallen nun auf das kaiserliche Oestreich zurück und trüben dessen politische Be ziehungen zu fremden Mächten. Der Herr Reichskanzler macht sich nicht klar, daß es ein anderes Ding ist, einen Galanteriedegen, ein anderes Ding, ein Kaiserschwert zu schwingen. Der Galantcricdegcn verursacht im gefährlichsten Falle persönliche Wunden; dieSchwin- ungen eines Kaiserschwertes führen zu Völkerkriegen. Doch für diesen Unterschied scheint dem Herrn Reichskanzler der Verstand zu fehlen." — Das Jahr 1889 ist ein interessantes Secularjahr, auf das wir die besondere Aufmerksamkeit der Leser und Leserinnen lenken möch ten. Vor 100 Jahren, also 1769, sind viele große Männer auf die Welt gekommen, z. B. Napoleon Bonaparte, der durch sein Genie sich vom Advokatensohn zum Kaiser aufschwang; in demselben Jahr wurden geboren seine berühmten Heerführer Marschall Ncy, der Bravste der Braven, und Marschall Soult, merkwürdigerweise auch seine beiden Gegner vom Schwert und der Feder, der Herzog von Wellington und der alte Arndt. Auch der größte Naturforscher Alex. v. Humboldt, hat 1769 das Licht der Welt erblickt. Wenn cs wahr ist, daß große Männer nur alle 100 Jahre geboren werden, dann sind wir Lebenden zwar zu früh geboren, ohne den Herrn v. Beust u. A., die auf eine Ausnahme Anspruch machen können, zu nahe treten zu wollen; glücklicherweise sind aber 1869 die hundert Jahre vollständig abgelaufen und es können uud dürfen nun wieder große Männer geboren werden. Wir wünschen allerseits bestens Glück, doch möchten wir freundlichst gebeten haben: nur keinen Schlachtenkaiser.