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24. Deeember 1854 Nr 3«L Sonntag ' ui)s (' « DciiMt Mgmmt Mmg. NM »r<i« str da« Mertel- - " 1'/. THIr.. jede ein- «Wahrheit und Recht, Freiheit und Sesth I» lür Ke» «-um e.ne.Z..l. j-liw Nuumrer 2 Rgr. ' 2 Uigr. Preußen und der Decembervertrag. — Leipzig, 23. Dec. Der jähe Abschluß des Decembervcrlrags hat natürlich die leitenden Kreise in der preußischen Hauptstadt nicht angenehm icherrgscht. Man hiklqgt sich und wol nicht ganz m>t Unrecht, daß Oester- reich in demselben Moment, wo es seinen deutschen Verbündeten durch einen neuen Vertrag neue Verpflichtungen zu seinen Gunsten abgenommen, nach einer andern Seite hi» Verbindungen einging, an denen selbständig mitverhandelnd theilzunehmen es jenen keine Gelegenheit verschaffte, und daß es eben, dadurch seinerseits Verbindlichkeiten übernahm, welche das Wirk samwerden der seinen deutschen Bundesgenossen auferlegten Verpflichtungen zu beschleunigen drohen, ohne doch gleichzeitig und unmittelbar diesen Leh rern an den Rechten und- Vortheilen der neuen Situation einen entspre chenden Antheil zu sichern. Allein solche Verstimmungen, ob begründet oder nicht, dürfen nicht entscheidend sein für Entschließungen, von denen wesent lich« Interessen d«S Staats, von denen dessen ganze gegenwärtige und zu- künfüg« politische Lage abhängt. Was muß Preußen thun oder was kann «»unterlassen? Das ist die Frage, die nach der durch die beiden diploma rischen Acte vom 26. Rov. und 2. Dec. geschaffenen Lage unter Zugrunde- ktgung der zwingenden Interessen und der gebieterischen Verpflichtungen 'Preußens gegen sich selbst wie gegen Deutschland ohne Aufschub, ohneNe- benrücksichten, glatt und klar entschieden sein will. Eins scheint festzuste- hen: Preußen kann auf keinen Fall länger neutral bleiben. Am 1. Dec. Mochte eine unentschiedene Zwischenstellung inmitten der kriegführenden Par- teien, wie sie Preußen bisher beobachtet, noch möglich und Manchem sogar räthlich erscheinen; seit dem Bekanntwerdcn des österreichischen Vertrags mit den Westmächten kann kein Preuße und kein Deutscher länger eine solche N«utralität Preußens wünschen, wenn er nicht entweder völlig verblendet und in politischen Ding«» unerfahren oder mehr russisch- als deutsch, und PVSUßischgefinnt ist. Denn die nächstbevorstchende praktische Folge des De- «emberverlrags muß von zwei Dingen eins sein: entweder der alsbaldige Beginn von Friedensconftrenzen oder eine solche Ausdehnung des Kriegs, welch« über kurz oder lang auch Oesterreich in unmittelbare Betheiligung daran verwickel» wird. In dem erstgenannten Falle, welcher dann eintritt, wenn Rußland die Präpositionen der drei Mächte des Drcemberbündnjffes ^annimmt, wird also durch gemeinschaftliche Verhandlungen dieser lehtern mit Rußland die künftige Lage Europas in Bezug auf Rußlands Stellung zu diesem neu geregelt und festzestellt werden. Nicht blos türkische und russische, auch, nicht blos österreichische und englisch, französische, sondern all gemein europäische und daneben wesentlich deutsche Interessen werden dabei „in Frage kommen. Kann Preußen sich von diesen Verhandlungen fernhal len, ohne seinem Recht als europäische, seiner Pflicht als deutsche Groß macht das Aeußerste zu vergeben? Also, je mehr man in Berlin einen nahen Frieden wünscht und hofft, desto schneller muß man dazuthun, sich den der fünften Großmacht gebührenden Platz auf dem künftigen europäi schen Friedenscongresse offenzuhalten. Freilich wird man dies schwerlich können, ohne auch auf die andere Möglichkeit gefaßt und vorbereitet zu sei», daß nämlich im Augenblick noch kein Friede zustande komme, sondern der Krieg in größerm Maßstabe fort gesetzt werde. Will Prerrßcn seine Stimm« im Interesse des Friedens mit Erfolg geltend machen, so kann es dies unter den gegenwärtigen Umstanden , «ur noch dadurch, dqß es gleich Oesterreich die förmliche Verpflichtung über- »rimmt, nöthigenfalls auch an der Erzwingung desselben sich activ zu betMligcn. Aber steht denn «ine solche Hineinziehung Preußens in den Krieg, die Fort dauer dieses lHtrrn angenommen, überhaupt noch zu vermeiden? Der Ver trag vom 2. Dec. enthält unter andern Punkten auch einen, wodurch Oester- «ich sich verpflichtet, jeden Angriff der Russen auf die Donqufürstenthü- Mr mit Waffengewalt abzuweisen, dagegen einen Angriff von den Fürsten thümern aus gegen Rußland den Truppen der Türkei oder ihrer Verbün deten nicht wehren zu wollen. Die Westmächte werden nicht säumen, von diesem Zugestgndniß Gebrauch zu machen, falls Oesterreich mit seiner of- ftnsivrn Mitwirkung zögern sollte; ja, Oesterreich selbst wird vielleicht wün- schen) zu dieser ipdirecten Hülfcleistung gezwungen zu sein; denn nach den neuen Verträgen desselben mit Preußen und Deutschland hat es im Fall eines Angriffs der Rüssen auf die Fürstcnthümcr (der dann kaum auSblei- bep kann) auf den bewaffneten Beistand dieser beiden Mächte zu rechnen. Somit könnten Preußen und Deutschland sich plötzlich in den Krieg mit Rußland verwickelt sehen, ohne nur das geringste Gegenzugeständniß dafür von Seiten der andern kriegführenden Theile, den geringsten Einfluß auf den Gayg der militärischen Operationen oder der später« Friedensunterhand. lung?« sich gesichert zu haben. Die prsreRothwendigkeit also zwingt Preu- ßey, nunmehr ein festes Pechällniß zu den Westmächten und zu Oesterreich, gl» im Kriege gegen Rußland befindlichen Staaten, einzugehen, um für die Verpflichtungen, denen es ohnehin sich nicht mehr entziehen kann, wenig stens auch die entsprechenden Rechte und Vorthrile einzutauschen. Preußen müßte denn angesichts der nicht länger zu verschiebenden Entscheidung sich definitiv für Rußland erklären wollen, ein Gedanke, den doch wol im Ernst kein preußischer Staatsmann hegen möchte. Neutral bleiben kann es auf keinen Fall länger. Eine andere Frage ist: ob Pr«ußen einfach dem Vertrage von» 2. Der. bcitrcten, ob es nicht vielmehr im Wege selbständiger Verhandlungen mit den Westmächten, sowie mit Oesterreich, für seinen Beitritt zuvor solch« Zu geständnisse sich ausbedingen solle, wie sie seine eigenen und di« in sein«» Machtbereich fallenden deutschen Interessen erheischen. Was wir darunter verstehen, haben wir so oft schon des Weilern auSgcführt, daß wir jetzt nicht umständlich darauf zurückzukommen brauchen. Wie es scheint, hat man in Berlin wirklich eine solche Idee erfaßt, und di« Wahl des Hrn. v. Usedom für die betreffende specielle Sendung nach Landon könnte wol als . ein günstiges Zeichen dafür betrachtet werden, daß man damit mehr als eine blaße abermalige Vermittelung zu Gunsten Rußlands (wie manche Blätter diesen Schritt deuten), daß man eine Geltendmachung echtpreußt- scher und echtdeutscher Interessen bezwecke. Aber wird es dazu noch Zeit sein? Unter einer Voraussetzung — ja! aber wol auch nur unter der einen. Preußen muß nicht blos ebenso viel, sondern mehr bieten als Oesterreich; so allein kann es seinen verspäteten Zutritt quittmachen und Zugeständnisse erlangen, welche man ihm sonst (da man seines defensiven Beistandes in gewissen Fällen durch das Novemberbündniß ohnehin sicher ist) schwerlich so leicht machen wird. Wenn allerdings Preußen sich zu einer ehrlichen, entschiedenen und unverzögerten Offensive gegen Rußland erböte, wenn es den Deutschen Bund in derselben Richtung mit sich fortzöge, dann dürften die Sachen anders stehen, dann würden die übrigen Mächte sich wol bereit zeigen, den Kreis der von Rußland zu fodernden Zugeständnisse auch nach jener Seite hin zu erweitern, wo die wichtigsten Interessen Preußens und des ganzen Norddeutschland liegen. Aber freilich, ein solches Auftreten Preußens würde eine grundsätzliche Umkehrung seiner auswärtigen Politik voraussetzrn ... eine solche halten wir für undenkbar ohne eine völlige Aen- derung seines ganzen politischen Systems. An den Eintritt einer so ent scheidenden Aendcrung würden wir daher (trotz aller Sendungen.nach Pa^ ris und London) erst dann glauben können, wenn wir die Leitung der preußi schen Angelegenheiten auf eine ganz andere Basis gestellt sghpn. . NW. ' 'M !! l n !. 1 u > Deutschland. N Frankfurt a. M., 2l. Dec. Die Sendung des in diesen Aagm von Hannover hier eingelroffenen hannoverschen KriegSraths Flügge wird in auswärtigen Blättern, namentlich in einer hannoverschen Cvrrespon- denz der Kreuzzeitüng, irrthümlicherweise mit den von den vereinigten Bun destagsausschüssen vyrzubereitendcn Schritte» behufs einer militärischen Be reitschaft der Bundescontingente in Zusammenhang gebracht. Denn wie man hört, ist der Zweck seiner Mission kein anderer, als nochmals auf eine Berücksichtigung der Wünsche Hannovers hinsichtlich des von der Mi litärcommission modisifirte» .Entwurfs einer Bundeskriegsverfaffüng hinzu wirken. Hr. Flügge hat sich zunächst mit dem hannoverschen Gesandten, Grafen v. Kielmäunsegge, sowie dem Bevollmächtigten Hannovers bei der Bundesmilitärcommissio», Obersten v. Bennigsen, einem Bruder des früher« hannoversHen Ministerpräsidenten, in Verbindung gesetzt. Preußen, tt Berlin, 22. Dec. Die ersten über die voraussicht liche Aufnahme der Mission des Hrn. v. Usedom bekannt gewordenen Andeutungen versprechen derselben «in sehr zweifelhaftes Resultat. Zn Pa ris war man schon am Ist. Dec. von der Mission und ihrem hauptsächli chen Zweck unterrichtet. ES ist dies durch die pariser Correspondenzen der Jndöpendance Helge von jenem Tage erwiesen. Pies« schienen allerdings d«n evsyturllen Theil der Mission, nämlich die Unterzeichnung des D«c«mber- Vertrags in anderer Korm , bei der z. D. Preußens besonder« Posttipu ge wahrt würde, nicht zu kennen. Hie strengste und am weni-sHn willkom- mene Auffassung der Mission, wie sie hier gleich anfangs hcrvortrqt, ließ de» außerordentlichen Gesandten dje augenblickliche Nichtunterzeicknung des Deeembervertrags durch Preüßtft «klären, zu gleicher Zeit in Abrede stel len , daß Preußen sich von dem Westen trennen wolle, und zum Beweise freundlicher Gesinnung ein specielle» Bündniß mit dem Weste» anbiclen. Diese Annahme schien durch den schon gestern erwähnten eventuell«» Ver such eines etwas modificirten Beitritts zum Decemberbündniß einen minder schroffenAuSdruck zu erhalten. Würde sich nun aber auch da» ungünstige Resultat bewähren, das hier von den betreffenden Gesandten der Mission in allen ihren Theilen prophezeit sein soll, so steht doch kein Bruch mit den