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5S. Jahrgang. AK 215. Donnerstag, 8. August 1915. vtzu,--Gebühr g,rl«tiihrl. lür Dr„. w> d«> tilgltch ,we«. «Itg,rZun»gung<an Lonn.u.Momogrn nur iinm-»2^0M.dur- Annahme iiit» bi» s.» vr. 8,1 «inmattger Zu ll,>I»ng durch dl« Post zRIoI>n«B«Ilelli>eId). >u»>and: Oester- rrich-Uugani 5,«» Ar., Schwri, b.S» Sr«,., Men 7.17 Sire. — sio-dnick nur mit deutlicher OrreNen- «naab« i^vreedner " zuIWg.-Un- «rlanzl, SchrNipück» mrd nichlausderorchrt. 18SS Druck und Verlag von kiepsch ä: Reichardt in Dresden. ,7i»7»t»ciu»chu Telegrmnm-Sldress«: Nachrichten Dresden. Sammelnummer für sLintl. Telephonanschlüsse: 85341. Nachtanschluß: 20011. Drei^ülg -SönSant- Zckokolade Lckokvla-e Äidker-Aekokvlaöe l>re4EH- ^akno, Dessert. Nuzeisett-Prelse «« «nktln- dt-urrren dt» nachm. » Uhr, Sonn ton, nur viirienstraS» »S von N dt, >/.l Utzr. Die (etwa dl, auf die me- «tle l.vo m. — An- rllndigunaen t, «um- mern nach «»»». und Setrrtagen er-e-t« «nzeiaen-Pretle. — IlUiwLrtig« 8ustri,e nur »egen voraus bezahlung. 2ede»B«l«,dlaillvPf. HauptgeschSflSstelle: Martenstratze 88/40. Sk Vsrsilbsrn, VsrAolcisn, Vsrrinksn usw., nsursilliciis I^slsIIfärbunKsn Ä vresUns»» Vs^nLekelungssnslalt OHO v01"rdlLir, vi-ssclsn-^.. ^alkensli-alZs 1—3. . ^6M8prsciisr 27359. Reue Fortschütte der Verbündeten Mich der Weichsel. zortsetzimg de» russischen Mclzuger nördlich Zubienla und Cholin. — Berlnftrelche und doch vergebliche Angriffe der Aaliener an der ganzen Front. — Die Parlameatskontrolle in Srouveich. — Der SchssisNnngel in England. Lefterreichisch-ungarischer Kriegsbericht. Wien. Amtlich wird vcrlautbart den 1. August 1915 mittags: Russischer Kriegsschauplag. Zwischen Weichsel «ud Bug leisteten die schritt weise weicherldeu Russe» in gewohnter Art an ocrschicdeucu Stellen erneuert Widerstand. ES kam nördlich Dubicnka und Eholm, an der Swinka nud an der Linie Leuczna— Norvo-Aleraudrija z« stärkeren Kämpfen. An manchen Teile» der Front unternahm der Gegner, um unser Nach- -rängcu einzudämmen, kurze Gegenstöße. Aber er ver mochte nicht staodznhalte«, wurde geworfen nnd setzte um Mitternacht den Rückzug gegen Norden fort. Der aus dem linken Weichselufer gelegene West- teil von Jwangorod ist in unseren Händen. Die gegenüber der Radomka-Mündung anf dem Oftufer der Weichsel stehenden deutschen Kräfte machten abermals Fortschritte. Zwischen Wladimir,Wolq« Ski nnd Lokal zer sprengten unsere Truppen ei« Kosakcn-Regiment. Süd westlich Wladimir-Wolqnöki find große Brände sichtbar. In Ostgalizie« nichts Neues. Italienischer Kriegsschauplatz. Im Görzisch«« wnrbeu in der Nacht zum 8. August am Plateanrande wieder mehrere vereinzelte italienische Angriffe abgcmiese», so südlich Sdraussiua und östlich Palazzo, wo die feindliche Infanterie zweimal mit dem Bajonett angriff, jedoch beide Male unter schweren Verlusten zurückgeschlageu wurde. Am Nach mittag des S. August versuchten die Italiener bei Rege« und Nebel nach heftiger Artillerievorbereitung einen aber maligen Vorstob gegen unsere Stellungen auf dem Monte Del Sei Bnsi. Auch dieser Angriff wurde abgeschlagen. Im Kärntner und Tiroler Grenzgebiet kam es in einige« Abschnitte« zu lebhafterer Artillerictätig- keit. Die gegen de« Cellonkosel augesetzte italienische In fanterie zog sich, La sie von ihrer eigenen Artil lerie beschossen wurde, ans Len Westrand der Höhe zurück. Ei« Angriff von zwei feindliche« Kompagnie« gegen die Grenzbrücke südlich Schluderbach und ein stärkerer italienischer Angrisf aus Le« Col di Laua sBuchensteinj wurden abgewtefe«. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: iW.T B j v. Höser, Felümarschall - Lcutuant. Ne „Stimme der russische» Srde". Ilm die „Stimme der russischen Erde" vernehmen zu können, hat der Zar, wie er in seinem Reskript an Goremykin erklärt hat, die Einberufung der Duma ge wünscht. Das klingt sehr schön, die Tatsache, daß schon vorher aus den Kreisen der Dumamitglieder die Ein berufung der sogenannten russischen Volksvertretung ge fordert worben ist, kann aber dadurch nicht verschleiert werden. Freilich ist nicht anzunehmen, daß die russische Regierung den Wünschen der Volksvertreter nachgegeben haben würde, wenn sie in diesem kritischen Augenblick nicht das lebhafte Bedürfnis empfunden hätte, einen Teil der Verantwortung für die kommenden Ereignisse von sich ab zuwälzen und all den Gärungen, die hier und dort im russischen Reiche zutage getreten sind, ein Ventil zu öffnen. In russischen Blättern ist darauf hingewiesen worben, welch verzweifelte Aehnltchkeit Rußlands heutige Lage mit der nach der Schlacht von Mukden habe. Die Niederlagen im japanischen Kriege hatten in Rußland die Revolution zur Folge: damit der auch in Rußland für recht wahrscheinlich erachtete Fall von Warschau nicht ähnliche Wirkungen aus übe, hat man die Duma einberufen. Das Ministerium Goremykin-Ssasonow, das mit der ungeheuren Blutschuld dieses Krieges belastet ist, glaubt über die in Aussicht stehenden Rückschläge leichter htnwcgzukommen, wenn die Duma durch scheinbare Zugeständnisse und hohle Phrasen von vornherein in einen Kriegstaumel versetzt worben ist. Das und nichts anderes ist der Grund für da» plötzliche Erwachen der Sehnsucht nach der «Stimme der russischen Erde" beim Zaren. Man hat auch alle Vorsorge getroffen, Liese Stimme so ertönen zu lassen, wie eS dem Beherrscher aller Rcnßcn und denen, die hinter ihm stehen, angenehm und erfreulich ist. Jedenfalls ist cs kein Zufall, daß die Opposition von N2 Abgeordneten an der Eröffnung der Tagung nicht teil nahm. Diese Volksvertreter waren offenbar der Ansicht, daß es für sie heilsamer sei, die heilige Eintracht der Herren im Taurischen Palast nicht durch ihre abweichenden Mei nungen zu stören und hatten allen Grund zu dieser An nahme. Ist doch die russische Negierung nicht gar schüchtern gewesen in ihrem Bestreben, auch dem linken Flügel der Dumamitglicder den neuen Geist cinzupflanzen. Wo dies nicht ohne weiteres gelang, wo der Gesinnungswechsel nicht rasch genug vonstatten ging, da haben die Herren Gorcmn- kin und Ssasonow nachgeholfen, indem sic den betreffenden Volksvertretern einen Luftwechsel verordnetcn und ihnen Gelegenheit gaben, im nördlichen Asien über die Seg nungen russischer Kultur nachzudenken. Ob die sibirische Atmosphäre wirklich günstige Rückwirkungen aus die poli tischen Ansichten der Verschickten haben wird, ist ja freilich sehr zweifelhaft. Einerlei, für die heilige Eintracht in der Duma war gesorgt. Damit nun aber auch wirklich alles klappte nnd kein irgendwie „verdächtiger" Abgeordneter in die Versammlung der russischen Volksvertreter sich cinschlich, hatte man, wie mir bereits gemeldet haben, die Vorsorge getroffen, bei fast allen Dumamitglicdern Haussuchungen veranstalten zu lassen, ja man hat sie auf ihrem Wege zur Tagung polizeilich bewacht und kontrolliert. Und keiner der Herren hat es wagen können, dagegen Einspruch zu er heben. „Freiheit, die ich meine..." — aber Gorcmnkin und Ssasonow konnten nun sicher sein, daß ihre schön ge drechselten Phrase» ein Echo Hervorrufen würden, das ihnen angenehm in den Ohren klang. Um so bemerkenswerter ist es, daß trotz aller gewiß recht rücksichtslos angewandter Negickünstc eine Mei nungsverschiedenheit zutage getreten ist, die nicht leicht übersehen werden konnte. Rodzianko, der Dumapräsidcnt, sprach in seiner Eröffnungsrede davon, daß zur Herstellung der völligen Einigkeit aller Bevölkerungsklassen ein Ge sinnungswechsel und sogar eine Aendcrung in der augen blicklichen Verwaltung des Reiches ldie unbequeme Abge ordnete nach Sibirien verschickt!) vonnöten sei. Goremykiu aber meinte, über innere Zustände zu sprechen sei jetzt nicht die Zeit, es gelte jetzt nur dtc weitestgehende Entwicklung der Kräfte der Nation hcrbeizuführen. Damit nun aber die Duma den guten Willen der Regierung erkennen könne, wurde bas alte, schon so oft gebrochene Versprechen einer Autonomie für die Polen und die anderen Nationalitäten des russischen Reiches erneuert. Das alles klingt recht schön und — verpflichtet nach bekannter russischer Tradition zu gar nichts. Immerhin, Goreuihkin hat davon gesprochen, in der Februartagung der Duma tat er es noch nicht. Das beweist, daß die russische Regierung sich heute bei weitem nicht mehr so sicher fühlt wie damals. Am 9. Februar hat Ssasonow freilich auch erklärt, Latz die russischen Heere „fest auf ihr Ziel losmarschiertcn", während er jetzt eine end gültige Lösung auf die Fragen, die das russische Volk mit Sorgen erfüllten, nicht abgebcn zu können erklärte. Der Krlegsminister sprach sogar von den „Ergebnissen, die Deutschland in militärischer Hinsicht über die anderen Staaten stellten", und dem möglichen „Rückzug der russi schen Heere auf neue Stellungen". Das alles klingt ganz anders, als die Fanfaren, die im Februar im Taurischen Palast geschmettert worden sind. Wenn dennoch die Duma die Reben der Minister mit lautem Beifall begleitete, wenn sich kein auch noch so schüch terner Widerspruch, keine auch noch so sanfte Kritik hervor wagte, so erklärt sich das ganz einfach aus dem Umstande, daß es heute in Rußland noch viel gefährlicher ist als sonst, eine eigene Meinung zu haben und sie in der Oeffentlich- kcit laut auszusprechen. Außerdem ist es ganz zweifel los, daß die lügenhafte Phrase von der „teutonischen Gefahr", von der Rußland mit Hilfe feiner „tapferen" Verbündeten Europa befreien wolle, einen gewissen Eindruck gemacht hat und die Schleusen der Begeisterung bei den Abgeordneten geöffnet hat. Man fühlt sich in Ruß land seit Kriegsausbruch als Kulturträger und ist be geistert, das immer wieder aufs neue versichert zu be kommen. So schmerzlich früher das Gefühl war, von den Freunden im Dreiverband für nicht ganz voll angesehen zu werden, so laut stimmt man setzt in den Ruf ein, im Namen der Kultur zu kämpfen, weil man glaubt, durch diese lauten Rufe bas peinigende Gefühl der eigenen Rück ständigkeit überwinden und die himmelschreienden Beweise furchtbarer Barbarei, die das russische Heer geliefert hat, übertöncn zu können. Uns kann ein derartig kindisches Bemühen nur ein Lächeln entlocken. Ter russische Soldat, der meist weder lesen noch schreiben kann und nur sehr unklare Begriffe von Deutschland hat, kämpft nicht um eine Idee. Das geknutete russische Volk ist wahrlich «och nicht fähig, sich aus der Idee der «Befreiung Europas vom teutonischen Joche" die innere Kraft zur Fortsetzung des Krieges bis zur „völligen Besiegung des Feindes" zu schöpfen. Diese Erfahrung werden auch die Intelligenzen in der Duma, die in dem Schauspiel der Duma-Eröfsnung die Rolle der „Stimme der russischen Erde" übernommen haben, noch machen müsse», und dann werden alle noch so skrupellosen Rcgiekünste der Regierung nicht mehr ver hindern können, daß diese Stimme anders klingt, als heute. * Zu dem Verlaus der Duma-Erössnnng bemerkt die „Köln. Ztg": Dtc Eröffnungssitzung der Ncichsdilma ist, den russischen Berichten zufolge, so vcr laufen, wie man erwarten konnte, wenn man sich die inneren Zustände des Landes wie die Stimmung und die Wesensart des VotkcS vergegenwärtigte. Daß sie genau wie die beiden großen Sitzungen im August 1911 und Fe bruar 1913 äußerlich eine eindrucksvolle Kundgebung wer den würde, zumal die Negierung als Zeitpunkt mit Vor bedacht den crinncrnngsreichen Tag der Mobilmachung ge wühlt hatte, stand für jeden fest, der russische Verhältnisse und Art kannte. Ter Nnssc, der in seinem weiten Lande mit kalten Wintern und heißen Sommern in hohem Maße vom Klima abhängig ist, erwartet nicht nur die Förderung seiner persönlichen Lcbcnsvcrhältnissc, sondern auch die Verwirklichung seiner politischen Ideale von dem Eintritt äußerer Umstände: tatkräftige Mitarbeit liegt in seiner weichen, passiven Natur nicht. Nur so sind die durch die Geschichte der russischen Volksvertretung in keiner Weise berechtigten Hoffnungen zu erklären, die man in den weite sten Kreisen des Volkes an den Zusammentritt der Reichs- duma knüpft. Es kommt hinzu, daß es für den Russen ein Herzensbedürfnis ist, seiner Erregung in Worten Luft zu machen, daß er gern und in gewählter Ansdrucksweisc spricht, daß er leicht der Suggestion unterliegt. So war es denn möglich, daß im Taurischcn Palais die Wogen der Begeisterung hoch gingen, und von Ministcrbank und Rednertribüne hochtrabende Worte von unausbleiblichen Siegen und unbedingter Vernichtung des Feindes fielen, in demselben Augenblick, in dem das russische Nordheer, auf beiden Flanken hart bedrängt, verzweifelt um die Möglichkeit eines halbwegs geordneten Rückzuges kämpft. Worte, nichts als Worte! „Hlas Ngroda" in Budapest schreibt in Besprechung der Erklärungen des Ministerpräsidenten Goremykin in der Duma betreffend die Ausarbeitung der Gesetzentwürfe für die polnische Autonomie: Schöne Worte, aber nur Worte. Gleichzeitig verkündet Goremykin, daß die Polen-' frage im ganzen Umfange erst nach dem Kriege gelöst wer den könne. Daß die russische Regierung Versprechungen anszutcilen beginnt, ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß es mit den Russen schlecht steht. Nur wenn es mit Rußland tatsächlich bergabging, wurden Versprechungen ge macht, die nie erfüllt wurden. Die Polen wissen aus ihrer Geschichte, was ein russischer Sieg für das polnische Volk bedeuten würde. Die Geschichte bestimmte der polnischen Nation ein anderes Schicksal, als der russischen Bnreaukratie aus der jetzigen schwierigen Lage herauszuhclfen. Die pol nische Nation soll eine Schntzmancr bilden für die Kultur und die bürgerliche Freiheit Mitteleuropas vor der russi schen Tschinomikwirtschaft. Die Lage in Polen. Der militärische Mitarbeiter des „Daily Tele graph" schreibt: Die beunruhigendste Nachricht ist das Borrücken der verbündeten Heere unter der Führung Mackensens. Dieser gefährliche Heerführer hat trotz aller technischen Schwierigkeiten und Verluste in den Kämpfen einen ununterbrochenen Druck auf die Schlacht linie von 50 Meilen Länge ausgeübt. Sein Angriffsvlan bezweckt eine wirkliche Umzingelung. Leider wird bestätigt, daß auf Mackensens linkem Flügel die verstärkte öster reichisch-ungarische Armee des Erzherzogs Joseph Fer dinand in Lublin etngedrungen ist und den rechten Flügel der Armee Alexejew umgebogen hat, währen- auf dem russischen linken Flügel die Deutschen einen ähnliche» Geländegewinn hatten nnd die Eisenbahn nach Kiew ab- schnitten. Mackensens Truppen dringen auf einer Linie vor, die nur 160 Meilen südlich der Bahn Warschau—Brest- Litowsk verläuft, einer Lebensader der russischen Verbin dungslinien für das Weichsclhcer. sW. T. B.) Die russische Niederlage an der beßarabiiche« Grenze. Kk. Das Budapester Blatt „Az Est" meldet aus Buka - re st: Ein Bericht aus Burdujeni besagt: In der Nacht zum Sonntag erlitten die Russen auf der ganzen Linie eine große Niederlage. Sic wurden von den österreichisch-unga rischen Truppen mit dem Bajonett angegriffen und aus ihren befestigten Stellungen geworfen. Die Russen ließen auch sehr viel Kriegsmaterial zurück. Anschläge anf russische Eisenbahnen, ick. Das in Pc tri kau crschctlGndc Blatt „Dzicnnik Narodowi" veröffentlicht eine Warschauer Meldung, wonach gegen die Warschauer Eisenbahn mehrere Attentate ver übt wurden. Der Straßenbahnvcrkchr in Marschau ist seit einigen Tagen nach 8 Uhr abends eingestellt. Stürmischer Verlaus des russische« Städtetoges. d. Dem „Hamburger Fremdenblatt" zufolge ist der in Moskau abgchaltcne Kongreß des All russischen S t ä d t cv c r b a n d c s zur Bekämpfung der Teuerung sehr stürmisch verlaufen. Es herrschte tiefgehende Unstimmigkeit über die innerpolitischen Ausgabe» und die Nesormforderungen. Die Entschließungen dcS Kongresses sind von der Zensur gestrichen worden, worüber in der liberalen Presse große Unzufriedenheit herrscht. I^iniiZoxspun^rgz