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Sächsische Slaalszeilung Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachsen Ankündigung««: Die 32 wm breite Grvndzeile oder der«« Raum 38 Pf, die 66 mm breite Grundzetle oder deren Raum im amtlichen Teile 70 Pf., unter Ein gesandt 1RM. Ermäßigung aus GeschästSanzeigen, Familiennachrichten und Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- Erscheinung-tages. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: GeschästSstelle Nr. 21295 — Schristleitung Nr. 14574, Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140« Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verkausslists von Holzpslanzen auf den Staatsforstrevieren, verantwortlich für die Redaktion: I. v.: vr. Friß Klauber in Dresden. Dresden, Sonnabend, 22. Juni Nr. 143 1S2S Sie politische Aussprache über die Madrider und pariser Verhandlungen in Deutschland. Der Soungplan vom Kabinett angenommen. Die Kabinettssihung. Berlin, 22. Juni. Unter der Leitung deS RcichSauß««- Ministers, der an Stelle deS erkrankten Reichs kanzlers den Vorsitz führte, fand gestern vor, mittag eine KabinettSsttzung statt. In ihr be richtete der Reichsaußenminister vr. Strefe. mann iibrrdie Tagung deSBölkerbundS. rats in Madrid und über die dort und in Paris geführten politifchen Be- fprechungen. Im Anschluß an diesen Bortrag nahm das Kabinett Stellung zu dem Bericht deS Sachver- stSndigcnauSschusseS vom 7. Jun» d. I. Als Ergebnis der Beratungen faßte das Reichs, kabinett folgenden Beschluß: Die ReichSregierung ist bereit, den am 7. Juni d. I. in Paris von den Sachverständigen unterzeichneten Plan für die Lösung deS RcparattonSp roblemS alS Grundlage für die «onserenz der Regie- ruugen anzunehmrn. Im notwendige« Zu sammenhang hiermit ist gleichzeitig die Gesamt- liquidation der noch schwebenden Fragen aus dem Weltkriege herbeizujühren. Oie kommende Aussprache im Reichstag. Reichsaußenminister vr. Stresemann hatte, wie weiter aus Berlin gemeldet wird, eine Besprechung mit den Führern der Regierungsparteien, in der die Dispositionen für die heute beginnende Aus- spräche zum Etat des Auswärtigen Amtes fest- gelegt wurden. Danach wird Reichsfinanzminister vr. Hilfer ding das Wort nehmen zum Kriegslasten- etat. Hiernach ist beabsichtigt, zunächst die Ver treter der Opposition zum Wort kommen zu lassen. Im Anschluß daran wird Reichsaußenminister vr. Stresemann erwidern und gleichzeitig die notwendigen Aussührungen zu seinem Etat machen. Ein näheres Entgehen auf die Reparationsfrage soll nach Möglichkeit der- mieden werden. Auch die Regierungsparteien, die dann das Wort nehmen, wollen sich in dieser Frage Zurückhaltung auferlegen. Am Montag abend soll die Aussprache zu Ende geführt werden. Die Regierungsparteien werden wahrscheinlich einen Antrag einbringen, wonach der Reichstag den Beschluß der Reichsregierung zur Kenntnis nimmt. Tie für heute vormittag anberaumle inter- fraktionelle Besprechung über die Frage der Arbeitslosenversicherung ist verschoben worden. Sie soll heute nachmittag 4 Uhr statt- finden. Stresemann spricht erst am Montag. Wie «ns kurz vor Redaltionsjchlnß gemeldet wird, hat sich an den ursprünglichen Dispositionen des Reichstages für die Durchführung der Beratungen über den auswärtigen Etat eine Änderung erforder lich gemacht. Reichsaußenminister Vr. Strefe- mann, der heute mit einer längeren Rede zur Tebatte Stellung nehmen wollte, ist infolge der Anstrengungen, die die Madrider Reise und die anschließenden Besichtigungen in Barrrlona mit sich brachten, gesundheitlich so ge chwächt, daß er auf jeden Fall, nach dem Rat der Ärzte, nicht vor Montag daS Wort ergreifen kann. Kundgebung für Völkerbund und Frieden. Reichsminister vr. Wirth spricht. Berlin, 22. Juni. Gestern abend fand im Rahmen des Kongresses des Weltbundes für Frauenstimmrecht eine große öffentliche Kundgebung für Völkerbund Und Frieden statt. Nach kurzer Begrüßung der Vorsitzenden Ruth Morgan-Amerika überbrachte Reichsminister vr. Wirth die Grüße der ReichSregierung. Er erinnerte an den am Freitag vom ReichSkabinett gefaßten Beschluß und sprach die Hossnung a«S, daß die bevor- stehtnde Zusammenkunft der europäischen Staatsmänner zu einer endgültigen Liqui- Vierung des Weltkrieges sühren möge. Ls wäre die schönste Frucht dieses Sommers, wenn die Völker dann in den nächsten Jahren ge meinsam an den Ebnungen des Friedens arbeiten könnten. Zweifellos sei staats bürgerlicher Fortschritt nur möglich, wenn jede Frau und jeder Mann sich zunächst der Frei, heit, Selbständigkeit und kulturellen Pflege ihres eigenen VolkStums zuwende. Darüber hinaus hat aber der Weltbund erkannt, daß über den Staaten der große Gedanke der Völkergemeinschaft bestehe. vr. Wirth erklärte, daß daS deutsche Volt für den Frieden gewonnen sei, wenn es mög lichst bald die volle Freiheit de» deutschen Bode«» und de» deutiche« Volkes erhalte. SS wäre für Europa der größte Fortschritt, wen« daS deutsche Volk im Glück seiner wiedergewonnenen Freiheit de« übrigen Staatsmännern die Hand zum ewigen Bunde deS Friedens reichen köunte. Er sei bereit, gemeinsam mit ten Völkern für den ganzen vrdball das Reich des Friedens, des Rechts un) der Freiheit aus- jurtchten. Im Verlause der Tagung wurde beschlossen, einen dringenden Appell an alle Völker sowie an die internationalen und nationalen Organisationen zu richten, die sich für die Cache des Fliedens und der Gerechtigkeit einsetzen, daß sie von ihren jeweiligen Regierungen und voin Völkerbund die Unterschreibung der Fakultativklausel des internationalen Ständigen Gerichtshofes, die schleu nige Ratifikation des Kell oggpaktes sowie eine wirksame Einschränkung der Rüstungen aller Art fordern, Ferner nahm der Weltbund eine Resolution an worin er alle Methoden, welche der Vor bereitung eines zukünftigen Krieges und insbesondere eines Gaskrieges dienen könnten, aufs schärfste verurteilt. Die Mitglieder wurden in'diesem Sinne auf- gefordert, bei ihren Regierungen für die schnelle Ratifikation des Genfer Protokolls von 1925 gegen den Gebrauch von Giftgasen ein zutreten. Kompromißlösung für das Republilschu-gesetz. 92. Reichstagsjitzung am 21. Juni. Auf der Tagesordnung fleht die zweite Beratung der Vorlage, durch die das Gesetz über den Ber- lehr mit unedlen Metallen, das am 30. Juni d. I. ablaufen würde, verlängert werden soll. Die ursprüngliche Regierungsvorlage sah zahl- reiche Änderungen des Gesetzes vor, die vom Volks- wirtschastlichen Ausschuß aber abgelehnt worden sind. Tie Vortage wird nach kurzer Beratung in zweiter und dritter Lesung in der AuSschußsassung angenommen. ES folgt die zweite Beratung der Boi läge, durch die das Gksetz zum Schutze der Republik »im drei Jahre verlängert wird. Der Rechtsaus schuß hat der Regierungsvorlage zugestimmt. Der Vertreter der Wirtschaftspartci, Abg. Drewitz, erklärte sich grundsätzlich gegen das Republikschutz, gesitz. beantragte aber als Kompromißlösung die Verlängerung des Gesetzes nur bis zum 31. De zember 1930 Nach Schluß der Aussprache, an der sich samt- liche Parteien beteiligt haben, werden die Ab stimmungen vorgenommen. Der nationalsozialistische Antrag auf Aufhebung deS Republikschutzgesetzes wird im Hammelsprung Wit 244 gegen 128 Stimmen abgelehnt. Dagegen stimmte mit den Regierungsparteien auch die Wirtschaslspartei Der Antrag der Wvtjchastspartei, die Gel tungsdauer bis zum 31.Dezember 1930 zu verlängern, wird mit den Stimmen der An tragsteller und der Regierungsparteien ange nommen. In namentlicher Abstimmung wird die so ge änderte Vorlage dann mit 25« gegen 124 Stim men in zweiter Beratung angrnommrn. Es folxt die erste Beratung der Vorlage, durch die die Pachtschutzordnnng bis zum 31. März 1930 verlängert wird. Abg. Tempel (Soz.) bedauert, daß die end- gültige gesetzliche Regelung des Pachtschutzwesens wiederum ein halbes Jahr verzögert wird. Die Sozialdemokratie stimme der Vorlage nur in der Erwariung zu, daß schleunigst ein soziales Pacht recht geschaffen wird. Die Vorlage wird in allen drei Lesungen an genommen. Die Novelle zu den Gesetzen über den ge- werblichen Rechtsschutz und der Gesetz entwurf über eine Vereinigung der Grundbücher werden dem Rechtsautschuß überwiesen. Der Geschäftsordnungsausschuß legt hierauf den Bericht vor über Anträge aus Genehmigung zur Strafversolgung verschiedener Abgeordneter. In 12 Fällen beantragt der Ausschuß die Zurückweisung der Anträge. Da- gegen beantragt er die Genehmigung des Antrags des Oberstaatsanwalts beim Landgericht III Berlin wegen Durchführung von Borführungsbefehlen gegen den nationalsozialistischen Abgeordneten Strasser. Im Verlaufe der sehr erregten Dcbatle nimmt auch der Abg Strasser das Wort. Als Strasser die Redewendung gebraucht, daß er es ablehne, sich über den Begriff Ehre mit Vaterlandsoerrätern und Zuhältern zu unterhalten, stürmen die Sozial- demokraten unter Rusen der Empörung ge^en die Tribüne vor. Die Nationalsozialisten kommen von der anderen Seite Es droht einen Moment zum Handgemenge zu kommen. Präsident Löbe kann sich schließlich in dem Lärm verständlich machen und den Abg. Strasser au- dem Saale weisen. Er erteilt dabei auch dem Abg Schirm er (soz.) einen Ordnungsruf. Gegen die Stimmen der Nationalsozialisten, Christlichnationalen, Deulschnattonalen und Kom munisten wird der Ausschußanlrag aus Genehmigung der Vorführung und Verhaftung des Abg. Strasser angenommen. Gegen 5 Uhr vertagt sich das Hans auf Sonn- abend, 12 Uhr. Auf ter Tagesordnung sehen die Etats des Auswärtigen Amts, der besetzten Gebiete und der Kriegslasten. VereitfieüungSlredit an das Reich in Höhe von 210 Millionen RM. Berlin, 22. Juni. DaS Reich hat mit «inem Bankenkon- fortium unter Führung deS Bankhauses Mendelssohn ». Eo., Berlin, dem im übrige« die Deutsche Bank und die ReichSkrrdit. aktlengesettschaft in Berli« ««gehöre», einen Btrritstr!l««gSIredit vo« 21» Willio«»« R«. vereinbart. Die Sinräum»»» diese- Kredite» ist dem deutschen Konsortium dadurch ermöglicht worden, daß eS seinersrit» e n »sprech ende Kre dit vereinbarungrnmlt einem amerika nischen Konsortium getrossen hat, welche» von dem Bankhaus« Dillon, Read u. Eo., New Aork, gcsvhrt wird, und dem im übrige« daS Bankhaus HaniS, ForbrS «. Eo.. New York, und die Chase SeruritirS Corporation, New York, angehörrn. Der Kredit läuft ein Jahr, der Zinsfuß beträgt 7^ Proz. Außerdem wird eine BrreitstellungSprovision von 1 Proz. gewährt. König Alfons nach London abgereifi. Madrid, 22. Juni. König AlfonS von Spanien ist am Freitag zu einem kürzeren Aufenthalt nach London abgereist und wird sich anschließend zum Sommerausenthalt nach Santander begeben. Macdonalds Au-en- programm. Die neue englische Regierung geht mit be wundernswerter Frische an die Arbeit. Man brauchte sich in London nicht lange mit schwierigen Koalttronsverhandlungen aujzuhalten. Deshalb ist auch der Unterschied zwischen den Programmen der alten und der neuen Regierung handgreiflich. Ge wiß kann auch Macdonalds Kabinett die Welt nicht innerhalb von drei Tagen umwandeln Aber die englische Politik hat er mit klarer Entschieden heit auf das neue Geleise umgestellt, und man wird wohl schon im Laufe der nächsten Monate die Wirkung davon spüren. Zunächst ist die Ar- beiterregierunz zur Zurückziehung der englischen Truppen aus Deutschland durch Beschlüsse ihres ParteitageS verpflichtet. England wird mit Frank reich und Belgien über ein gemeinsames Vor gehen verhandeln und wartet daS Ergebnis dieser Verhandlungen ab. Tas bedeutet natürlich den Aufschub von einigen Wochen. Es liegt aber auch im Interesse Teutschlands, da ja mit dem Abrücken der englischen Truppen allein die Be freiung des besetzten Gebietes noch nicht ge geben wäre. Sollten sich aber Frankreich und Belgien sträuben, dann allerdings würde Eng land auch allein handeln und so die Verantwortung für die Fortdauer der Besetzung den anderen über lassen. TaS weiß man heut« schon in Paris und Brüssel, und daraus erklärt sich wohl auch die Bereitwilligkeit, mit der man dem ReichSaußen- minister in Paris einen guten Empfang bereitete. Die Position am Rhein ist auf Grund der prinzi piellen Einstellung der neuen englischen Negierung unhalibar geworden. Ter nächste wichtige Schritt Englands in der Weltpolitik wird der Beginn einer maritimen Ab rüstung sein. Tie Unterredung zwischen Macdonald und Tawes war natürlich mehr als eine zufällige Prioatunterhallung. Sie hat von vornherein neue Richtlinien zwischen England und Amerika fest- gekegt. Macdonald will eine wirklich fühlbare Ab rüstung, und er muß sie wollen, weil er sonst das Vertrauen seiner Wähler enttäuschte. So erklärt sich die Ankündigung, die kein Kabinettsbeschluß mehr umwerfen kann, daß es zwischen England und Amerika zu keinem Wettrüsten kommen dürfe, daß beide Länder auf dem Standpunkt der Parität die untere Grenze der nöligen Rüstung suchen wollen und daß nicht mehr Marineoffiziere, sondern friedens- sreundliche Politiker al-Sachverständige für diese Ab- rüstungesrage zu gelten haben. Kein Zweifel, daß unter solchen Vorbedingungen ein ganz anderer Seist in die kommende englisch-amerikanische Ab rüstungskonferenz einziehen wird, als er in den früheren von der imperialistischen Politik Baldwins beherrschten Konferenzen waltete. Aus keinem Ge biete aber wie gerade auf dem der Abrüstung ist das praktische Beispiel zweier Großmächte von so ausschlaggebender Bedeutung In demselben Maße wie bisher England in Gens die Sabotage der Abrüstung unterstützte, wird es künftig aus selten der vorwärtsdrängenden Mächte stehen. Bekannt- lich hat Teuljchland in Genf den Mehrheits beschlüssen der Vorbereitenden Abrüstungskommilsion nicht zuslimmen können und sich den Appell an die eigentliche Abrüstungskonferenz Vorbehalten. Man sieht jetzt, wie recht eS daran getan hat. Hatte eS tn Genf England noch gegen sich, so wird es bet der kommenden Konferenz auf Englands Unterstützung rechnen können. So allmählich scheint die Welt nun doch vorwärtskommen zu wollen, selbst in der Abrüstungsfrage. Am unbequemsten ist der Wandel der englischen Politik in jeder Beziehung jür das militaristische Frankeich. ES verliert jetzt die moralische Rücken deckung. die es bei seinem imperialistischen Auf treten bisher in London zu finden sicher sein konnte. ES wild sich auch der Verpflichtung schwerer entziehen können, die fakultative Klausel deS fländigen Gerichtshofes zu unterschreiben, wenn England, wie Macdonald beabsichtigt, seinerseltS die Unterzeichnung vollzieht. SS handelt sich um die bindende ErNärung, vor allen drohenden kriegerischen Konflikten erst den internationalen ständigen Gerichtshof anzmusen. Freilich muß Macdonald hierfür erst daS Einverständnis der Dominien einholen, wird eS aber voraussichtlich bekommen, da Bedenken gegen die Unterzeichnung weniger i« den Kolonien als im Auswärtige«