Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerlNio»r>Prei» 22j Siidergr. (f THIr.) viettößährtich, Z Ldir. sür das ganze Iadr, ohne Erhöhung, in allen Lheiien der Preußischen Mönarchi-. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Comp., Iügerßraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 126. Berlin, Sonnabend den U). Oktober 1844. Belgien. Vlaemische Märchen. Vor Jahresfrist wiesen wir auf die große Masse deutscher Brüder hin, die in dem kleinen Belgien wohnen, indem wir Proben aus den damals eben er schienenen niederländischen Sagen von Wolf als die sichersten Beweise für die nächste Blutsverwandtschaft mittheilten, die namentlich klar darlegtcn, wie im deutschen Niederland das alte Heibenthum mit seinen bezaubernden Elfen und Niren, mit den auf Erlösung harrenden weißen Frauen, mit den grau- bärtigen Zwergen und gewaltigen Riesen, mit dem im Sturm dahin brausenden wilden Jäger und all den Gestalten der alten Götterwelt eben so unvergessen scp, wie im deutschen Oberland. Wir begrüßten zugleich freudig die eben stattgefundcne Eröffnung der belgisch-deutschen Eisenbahn, als das sicherste Mittel, die so lange vom Herzen Deutschlands loSgeriffencu Brüder den Puls schlag der Mutter wieder empfinden zu lassen; und wenn cS auch eine Zeit lang schien, als sollten all diese Hoffnungen einer festere» Verbindung nur schöne Träume sepn, so dürfen wir doch jetzt die sichere Zuversicht hegen, daß sie in nächster Zukunft i» die Wirklichkeit treten werben, deren großartige Folge» für Deutschland imd Belgien unberechenbar sind. Je inniger dann die einmal geschlossene Verbindung werden wird, um so lieber wird man auch dann den verwandten Tönen deS BzuderstammeS lauschen, der in seiner Heimat bedeutsame Anstrengungen macht, sein uraltes Bruderrccht geltend zu mache», und in Sage, Märchen und Lied wohlbekannte Klänge uns hcrübcrscudct. Wenn wir darum zuerst einen Blick auf die belgische Sage, als das sichere und älteste Zeugniß der Verwandtschaft, warfen, so mögen jetzt einige Mär chen folgen"), die mit nicht minder vernehmlicher Stimme verkünden, wie wenig man dort die gemeinsamen Jugcndträume vergessen hat. I. DaS Märchen von Dreizehn. Da war einmal ein Schmied, und der hatte einen Knecht, und der Knecht hieß Dreizehn, der hatte so eine» starken Arm, daß der Amboß unter dem Schlage seines Hammers bersten mußte oder brach. Er war unbezahlbar wegen seiner Kraft, denn er konnte so viel schaffen, als dreizehn gewöhnliche Menschen; aber er konnte auch so viel essen, und darum wurde er Dreizehn genannt. Einst rief ihn der Schmied bei Seite und sprach: „Dreizehn, Junge, ich bin allzeit mit dir zufrieden gewesen, du hast mir allzeit als ein braver, getreuer und arbeitsamer Knecht gedient, aber ich habe nicht mehr Arbeit genug für dich und du mußt die Hälfte der Zeit mit gekreuzten Armen dastehen. Du kannst schmieden für dreizehn Mann, und ich habe nur Arbeit für fünf; das wäre noch daS Mindeste, aber du kostest mir zu viel Essen. Da, Dreizehn, da ist dein Lohn und noch ein gut Trinkgeld ebenem, daß du dir in Geduld einen anderen Dienst suchen kannst." Dreizehn nahm das Geld und sprach nichts, aber er wischte sich mit dem Rücken seiner Hand eine Thräne aus dem Auge und ging ab. Gerade wie er hinaus kam, ging ein Reisender vorbei, der nach einem starke» Kerl suchte, um ihn zu miethen. Ec sah Dreizehn, und sein Gesicht stand ihm an. „Wie ist dein Name?" fragte der Reisende. — „Man nennt mich Dreizehn, mein Herr, weil ich so viel esse; aber kann ich viel essen, hab' ich auch viel Kraft." — „Das ist's gerade, was ich habe» muß", sagte der Reisende; „willst du in meinen Dienst treten, so will ich dir zu essen und trinken geben, aber ich muß durch große und schwarze Wälder reisen, und ich rechne auf deine Kraft, um mich vor den wilden Thiercn zu beschützen." — „Wenn'S weiter nichts ist", sagte Dreizehn, „so glaube ich, daß ihr von mir nicht sollt zu klagen haben, denn ich schlage mit meiner Faust einen Bären wie eine Fliege todt." Und Dreizehn trat in den Dienst des Reisenden. Nach langer Reise, während welcher Dreizehn sowohl seine Eßlust als seine Kraft bewiesen hatte, waren sie durch den Wald gelangt, und der Reisende, welcher nun von allen Gefahren befreit war, suchte seines Knechts, der bereits seinen Beutel stark angegriffen hatte, los zu werden. Er dankte ihn deshalb ab, und Dreizehn befand sich aufs neue außer Dienst. Nachdem er lange gesucht halte, kam er endlich zu einem Bauer, der ihn mielhete. Den ersten Abend, da er bei den anderen Knechten des Bauers am Tische saß, aß er so viel, daß für seine neuen Kameraden nur wenig übrig blieb. Sie ertrugen das geduldig und dachten, daß es der weite Gang sep, der ihm so *) Aus: rVosLvs. dluveum voor uesersultvebv auSIteiüskunäe, uitxe^vveu. Soor 1. V, rVvIs. Ler-te «u tveeSe «Leeerinx. viel Eßlust gemacht; aber als sie sahen, daß es alle Tage dasselbe Lied war, da thaten sie sich gegen ihn zusammen und suchten ein Mittel, um ihn leben- big oder todt vom Hose zu bringen. Der Bauer dagegen war sehr zufrieden mit ihm, weil er ausnehmend gut arbeiten konnte, und fing bereits an, daran zu denken, einige seiner alte» Dienstboten fortzuschicken. Da sagten einmal die Knechte zu ihm: „Dreizehn, du mußt den Brunnen reinigen, während wir aufs Feld gehen." Dreizehn stieg in den Brunnen nieder, und während er emsig beschäftigt war, de» Schmutz auSzuschöpfcn, waren die Knechte still genaht und ließen auf einmal einen großen Mühlstein in den Brunnen nieder- plumpen. Sie dachten nicht anders, als Dreizehn wäre todt; aber ganz und gar nicht! Der Mühlstein mar mit dem Loch ihm über den Kopf gefallen und lag auf seine» Schultern, und Dreizehn that, als ob er nichts gefühlt hätte. Er arbeitete immer fort, ohne einmal anfzusehcn, woher wohl die Last möchte gekommen sepn, und als er fertig war, kam er aus dcni Brunnen hcraus- gekrochen und rief den Knechte», die sich vor Verwunderung nicht erholen konnten: „Seht doch einmal, Jungen, was für einen schönen Kragen ich um habe!" Als die Knechte nun sahen, daß,sie aus diese Weise seiner nicht los werden konnten, suchten sie ein besseres Mittel. Nicht weit von dem Hofe stand eine Mühle, wohin seit lange schon Niemand zu gehen wagte, weil da Teufel wohnte». „Wart", sagten sie zu einander, „wir wollen Dreizehn mit einem Sack Korn »ach der Mühle senden, da kommt er sicher nicht wieder zurück; denn Alle, die vor ihn, dahin gingen, sind da erwürgt worden." Gesagt, gethan. Sic riefen Dreizehn und sagten: „Du mußt diesen Sack mit Korn nach der Mühle tragen, um zu mahlen, denn wir haben kein Mehl mehr." — „Gut", antwortete Dreizehn, packte den Sack mit Korn unter seinen Arm und ging nach der Mühle. Ader als er dahin kam, sah er wohl hundert schwarze Köpfe mit Hörnern aus den Löchern liegen, die lachten, als sie ihn von fern kommen sahen. Er war sehr verwundert, so viel Volk auf der Mühle zu scheu, und dachte: „Das ist gut, die Männer sollen meinen Sack hcraufhvlen hclfcu", und als er näher kam, rief er: „Jungen, holt mal meinen Sack herauf!" Aber die Teufel sprachen nichts und rührten sich nicht. „Kommt gleich, mir zu helfen, ihr Taugenichtse!" rief er, „oder ich werfe den Einen nach dem Anderen von der Mühle herunter!" Aber die Teufel guckten ihn an, ohne sich zu rühren. Als Dreizehn sah, daß man ihm nicht helfen wollte, ward er böse, setzte seinen Sack auf den Boden und kletterte zur Mühle hinein. Da standen alle die Teufel bereit, um ihn anzugreifen, und starrten ihn mit Augen wie feurige Kohlen an; auch erhoben sie ein höhnendes Gelächter, denn sie glaubten, daß sie bereits im Besitz ihrer Beute wären; aber Dreizehn, der nicht wußte, was Angst war, war nicht faul und packte eine» von den Teufeln beim Schwanz. Zuerst schlug er ihn mit dem Kopf gegen eine» Balken und dann warf er ihn mit solcher Kraft die Mühlentreppe von oben bis unten hinunter, daß der Teufel den Fuß brach und mit lautem Geheul davonlief. Da wendete sich das Blatt, und all die anderen Teufel, die ihn erst verhöhnt hatten, waren der eine hinter ein Rad, der andere hinter einen Sack gekrochen, und zuletzt war auch nicht einer mehr zu sehen. Aber Dreizehn holte sic wieder hervor, um sein Korn zu malen. Da waren Teufel, die den Sack heraufzogen, andere, die die Mühle in Bewegung setzten, andere, die den Sack annahmen und das Korn mahlten, und eins, zwei, drei! hatte Dreizehn sei» Korn und ging nach Hause. Die Knechte standen ganz stumm, als sie ihn vor dem Hecken stehen sahen iitit seinem Mehl unten» Arm. Nu» wußten sic nicht mehr, wie sie ihn los werden sollten; aber sie strengten nun alle Kräfte an, um seinen Eifer zu übertreffen und ihn aus der Gunst ihres Herrn zu verdrängen. Da mußten einst Bäume nach dem Hofe gebracht werden, die im Walde gefällt waren. Alle Knechte waren des Morgens früh still mit dem Wagen davon gefahren und ließen Dreizehn schlafen; sie waren schon lange weg, als er erst wach wurde. Als er nun endlich seine Augen aufthat und sah, daß seine Kameraden fortgegangen waren, ohne ihn z» rufen, sagte er zu sich selbst: „Ach! die eifersüchtigen Kerle meinen mir einen Possen zu spielen und möchten gern mit ihren Bäumen eher zu Hause sepn als ich, aber wart! ich will sie lehren falsch sepn!" und er stand auf, nahm Pferd und Wagen und fuhr hinterbran Auf der Hälfte des Weges sicht cr bereits die Knechte mit ihrer Fracht zurückkehrcn, hält still, reißt einen Eichbaum aus und legt ihn quer über den Weg. „Laßt sie nun nur kommen", sagt er und fährt ruhig fort. Als die Knechte mit ihrem geladenen Wagen Dreizehn entgegcnkamen und be reits ausrechneten, wie lange cs noch dauern würde, ehe er nach Hause käme, da rieben sie ihre Hände und lachten sich ins Fäustchen. Aber Dreizehn sagte