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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.08.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190808300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19080830
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19080830
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-30
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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BrzuffS-Prei» ü, Leipjia und »ce»rl« ount uns«, Träger »n» koediteor» in« Ho« gebracht» ilutgad» t tour margea») vlertelMrltch 3 M.. manatlich I Vi.; «u«g,be > (morgen« unr abend») viertel- jahrli» <SV «onatlich I.SOVL, vnr» bt» choN ,a begtehe»: st mal täglich) mnerdald Deutlchland» und »er deutichen Kolonien »iertellahrlich 5,25 M. monatlich 1.7L M. »utjcht. Post, destellgeld, ür Oesterreich SL 66 k, Ungarn 8 U merteljälirlnch Jerner n> Bel» aien, Dänemark »en Donaustaaiea, Italien, Luremburg, «tiedrrlande, N»nv«ge», Nvst- land. Schwede»^ E chwetg »ob Svemtnu In alle» übrigen Staate» a« direkt durch die trved. d. Bl. erbältliL «donarmrnt-Bnnalrra« > Auguüo»vlatz 8, bei unleran Trägern, iTUiaien, Spediteure» n»d Annahmestellen, lowte Postämtern nu» Briefträgern. Die ringeln» Nummer koste! ,0 viedaktio» »ab «rvedUtou» Iodarmtlgastr dl Televban Nr. 14692. Nr. I4SW, Nr. 1««94. Nr. 240 Morgen-Ausgabe 8. Wp)MrTMblaü Anzeiken-Prri» für Jnterar« »u« teipjig und Umgebung di« öaelvalten« Petu-rile 25 Pi., stnanzielle «njeigea SO Pl., Neklamen IM.; von autwärt« 30 Pl., Reklamen 1.20 M.; vom Susland 50 Pl., finanf. An feigen 75 P'.. Neklamen TLO M. Inserat«», vehdrdenin amtlichen Teil 40 P'. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend exst. Pvst- aebühr. Gelchäsilanzeigen an bevor-ugie: Stelle im Preil« erhöh!. Rabatt nach Tar Iesterteilte Austräge können nicht gurnch- aejogen werden. Für da« Erscheinen an baltimmtea Tagen und Plätzen wird kein« Saranti« übernommen Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und -es Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Annahmei Pugustulplatz n, bei sämtlichen Filialen u. allen Snnoncen- Stpedüionao de» Ja» und Autlande«. Sauvt-Filiale verlin: Karl Duncker, Herzogl. Bagr. Hosbuch» Handlung, Lützowstrake 10. (Telephon VI, Nr. 460V). Pauvl-Mltale Dreüden: Seeftratze 4,1 (Telephon 4S2t). 102. Jahraany. Sonntag 30. August 1908. Dar wichtigste. * Ueber einen Kirchenkonflikt in Meiningen meldet uns ein Privattelegramm. lS- Dtschs. R i * Der Verbandstag Deutscher Gewerbe- und Kauf mannsgerichte wurde gestern geschlossen. * Der 49. Allgemeine Deutsche Genrssenschaftstag wurde gestern geschlossen. * In M a r o k k o soll es zu einem Konflikt zwischen dem b a f i» di sch en Minister des Aeußern und Deutschland gekommen sein. lS. Ausl.) -"Französische Kolonialtruppen batten in Tongking einen Kampf mit chinesischen Seeräubern. lS. Ausl.) * InRußland wurden wieder eine große Anzahl politischer Verhaftungen vorgenommen. lS. Ausl.) * Im Großen Preis von Badcn (50 MO und Goldpokal des Groscherzogs von Bälden) siegte Weinbergs „F a u st" unter W. O'Eonnor. lS. Sport.) Gin Schlaglicht. Es gibt Situationen, an die man sich so gewöhnt, daß man schließlich gor nicht mehr weiß, ob sie normal sind oder nicht. Die Seele des Meir ichen besitzt eben eine ganz erstaunliche Anpassungsfähigkeit und es gibt keine Sage, die so wenig der Pivchologic entspricht, wie die vom Schwert des Damokles. Fast über uns allen hängt, von der Aussicht auf das Lebensende ganz abgesehen, irgendein solches Schwert des DamoklcZ, und an diese beständige Drohung gewöhnen wir uns und leben in mehr oder minder ungetrübter Seelenruhe weiter, weil eben die Natur dem Menschen „den lrolden Leichtsinn" verliehen hat, ohne den wir die Prü fungen des Lebens nicht zu ertragen vermöchten. Diese AnpcsiuugS. iöhigkeit an icknvierigc Situationen verdunkelt oft unseren Blick und wir sind uns schließlich gar nicht mehr bewußt, daß die Lage, in der wir uns befinden, eine nicht völlig natürliche ist. In solchen Situationen geschieht cs nun, daß irgendein Ereignis gleichsam ein Schlaglicht auf unsere Um gebung wirst und uns gewaltsam zu der Erkenntnis bringt, daß diese Umgebung doch ganz anders ist, als wir sic uns verstellten. Wir sehen in dieser plötzlichen Erhellung alle Konturen, wie sie wirklich sind. Ein solches Schlaglicht hat die parteiamtliche Kundgebung, die gestern in dem offiziellen Organ der Konservativen über den Fall Schücking erschienen ist, auf die innere Politik geworfen. Das Partei organ erklärt, daß die Beurlaubung des für den Fall Schücking zustän digen Regierungspräsidenten die konservative Partei befremde. Die bis- herige dienstliche Behandlung des „sogenannten" Falles Schücking sei der Partei als völlg korrekt erschienen. Wenn wirklich die Beurlaubung des Regierungspräsidenten auf politische Motive zurückgcführt werden könnte, so „würde dies eine peinliche und in den Analen der preußischen Verwaltung immerhin so seltene Erscheinung sein, daß der Sachverhalt seinerzeit zur völlig authentischen Klärung gebracht werden müsse." Das Partciblatt kündet dann noch an, daß die Konservativen im Landtag zur Klärung der Angelegenheit interpellieren werden und bebt hervor, daß „die Autorität und Selbständigkeit des preußischen Saatsdicnstcs wich tig genug sei, um nicht ohne jede fremde Rücksicht gewahrt werden zu müssen." Ohne jede fremde Rücksicht, das heißt: ohne Rücksicht auf die Blockpolitik. Angesichts dieser Erklärung darf zunächst an das Sprich wort erinnert werden, daß nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Ohne Zweifel wird es der bewährten taktischen Geschicklichkeit des Fürsten Bülow gelingen, Oel auf die empörten Wogen zu gießen. Ehe die Angelegenheit wirklich zur Besprechung kommt, vergehen min destens drei Monate und inzwischen werden sich die Konservativen und die Liberalen beide beruhigt haben. Es wird sich dann mehr um eine Formalität handeln, welcher man mit einer „erregten" parlamentarischen Debatte genügen wird. Der Block wird durch den Fall Schücking sicher nicht gesprengt werden, uns es wäre auch unnatürlich, wenn cs geschähe. Denn schließlich handelt cs sich hier doch nur um die Ungeschicklichkeit eines Mandarinen, die inzwischen die notwendige Korrektur er fahren hat. Trotzdem ist die Veröffentlichung deshalb interessant, weil sie wieder einmal die grundsätzlichen Unterschiede beleuchtet, die die.Konservativen von denLiberalen trennen. Da schreibt ein mittelbarer Staatsbeamter ein Buch, das nicht etwa unqualifizierbare Angriffe auf die Regierung enthält, sondern nur sachlich, wenn auch in scharf pointierter Darstellung, die Gebrechen der Verwaltung kritisiert. Auf Grund dieser Broschüre wird ein Disziplinarverfahren „zum Zweck der Dienstentlassung" gegen den Verfasser eingeleitet. Der Regierungspräsident, von dem diese Ver fügung ausgeht, nimmt also an, daß er sich „der Achtung und des Ver- trauens, die sein Amt erfordert, unwürdig" erwiesen habe. Es wird außerdem dem Bürgermeister zum Vorwurf gemacht, daß er aus den Händen der freisinnigen Partei eine Kandidatur angenommen habe, und schließlich wird, obwohl der preußische Ministerpräsident sich nicht lange vorher gegen die Anwendung des Zeugniszwangs ausgeprochen hat, gegen den Redakteur eines süddeutschen Blattes dies inquisitorische Ver fahren eingcleitct. Alles dies finden die Konservativen „völlig korrekt", während wir nicht verhehlen können, daß wir es geradezu ungeheuerlich finden. Wir möchten nur einmal sehen, wie sich die Konservativen ge» bärden würden, wenn dies Verfahren sich gegen einen Landrat, gegen ein Mitglied ihrer Partei gerichtet hätte. Sichre würden sie di« rauhesten Töne jener urwüchsigen Entrüstung anschlagen, die ihnen in ähnlichen Fällen stets zu Gebote steht. DaS Nachspiel des Falles Schücking zeigt eben einmal wieder, daß die politische Anschauung der konservativen und der liberalen Gruppen unvereinbar ist. Der Block wird nach wie vor nur eine taktische For mation bleiben, mit der von Fall zu Fall manövriert werden kann, aber eine wirkliche Annäherung der Parteien, eine innere Konsolidierung wird sich kaum erreichen lassen. In letzer Linie handelt es sich hier um Fragen der Weltanschauung, und die Gegensätze lassen sich wohl gelegent lich überbrücken, aber nicht dauernd cmsgleichen. Nach Lloyd Georges Heimkehr. Festzustellen, wie es denn eigentlich gewesen, hat in bescheiden-stolzer Weise Rauke einmal als den Zweck seiner GeschästSforschung bezeichnen Festzustellen, wie cs denn eigentlich gewesen, wird auch anläßlich der Fahrt des englischen Schatzkanzlers nach Deutschland gut sein, von der er, wie von England herüber verlautet, befriedigt über die ihm zuteil gewordene Aufnahme hcimgekehrt ist. Man kann noch nicht sagen, welche Rolle diese Fahrt einmal in der englischen Politik oder für das cnglisch-deutschc Verhältnis spielen wird. Also: Lloyd George war nach Deutschland gekommen, nm die deutsche Alters- und Invalidenversiche rung zu studieren, aber er war auch geneigt, über eine Einschrän - k u n g der S e c r ü st u n g c n Englands und Deutschlands sich zu unter halten. Es ist möglich, daß er oder seine Presse das später ablcngnen wird. Es ist auch möglich, daß die deutsche Regierung keinen Grund hat, diesen Ablcugnungsbcmühnngcn cutgcgeuzutretcn, ja vielleicht ge neigt ist, dem Engländer goldene Brücken zu bauen. Damit werden aber jur den kritischen Beobachter die entgegengesetzten Verlautbarungen nicht aus der Welt geschafft, mit denen wir von der deutschen und eng lischen Presse geradezu überschwemmt worden sind. Nach den quellen- kiirischen Rcgekn waren diese Verlautbarungen authentisch. Sie gingen von Lloyd George und seinen Sekretären aus. Es ist auch bekannt, daß, wenn Lloyd George den von ihm in die Oeffentlichkcit lancierten Plan in seinen Besprechungen in Berlin vorgebracht hätte, man ihm freundlich zugchört nnd der betreffende deutsche Beamte mit seiner per sönlichen Meinung nicht zurückgchalten hätte. Aber Lloyd George hat den Plan gegenüber dem Staatssekretär des RcichsamtS des Innern, mit dem cr verkehrt, nicht vorgebracht und das Rcichsmarincamt in Berlin nicht ausgesucht. Man pflegt, wenn man nicht ganz Besonderes auf dem Herzen hat, den Gast den Gesprächsgcgenstand bestimmen zu lassen; es war also nur natürlich, daß, als der englische Gast seinerseits den Plan uicht vorbrachte, die deutschen Wirte davon schwiegen. Immer hin aber hat der bedeutsame Plan sehr nahe an einer Erörterung unter hohen Beamten beider Länder gestanden. Man wird gut tun, sich sür den Fall einzurichten, daß die jetzt n'cht benutzte Gelegenheit doch noch einmal gesucht Der Plan ist hocbo.ücutsam um'. sensationell. Nicht einmal in den Verträgen mit den deutschen Verbündeten, mit Italien und Oesterreich, sind Bestimmungen über das Maß der Rüstungen enthalten, etwa nach der Richtung, daß aas eine Land diele Truppe nnd das andere Land jene Truppe besonders pflege und io gleichsam eine Arbeitsteilung cin- träte. Jedes Land rüstet sich und sucht sich möglichst stark zu machen, ja es bleibt sogar der Fall einer kriegerischen Verwickelung unter den Vertragsbcteiligtcn des Dreibundes nicht außer acht; nur so sind die Felsenbefcstigungen an der deutsch-österreichischen Grenze, die den deut schen Jtalienreisendcn in die Augen fallen, zu erklären. Daß nun zwei ganz auf eigenen Füßen stehende und durch keinen Vertrag verbundene Mächte, wie England und Deutschland, sich verabreden, den Fortschritt der Rüstungen zu verlangsamen, ist etwas, was zunächst ganz außer halb neuer deutscher Staatsknnst zu liegen scheint und wofür man in dem Lebenswerke Bismarcks wohl vergeblich eine Parallele suchen würde. Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht Bismarck sich auch diese Möglich keit durch den Kopf habe gehen lassen, nnd als Realpolitiker auch einen solchen Vorschlag einiach beurteilt hätte, von welcher Seite man ihn an fassen müsse, um einen Vorteil für Deutschland herauszuholcn. Jn- zwi'chcu zeigt sich, daß über die Rüstungsfrage in England nicht nur zwischen Konservativen und Liberalen, sondern auch innerhalb der libe- ralcn Partei Meinungsverschiedenheiten bestehen. Lloyd George soll jetzt, um die Altersversicherung ohne neue Steuern wrdern zu können, die Herabsetzung der Kosten des Landhccrcs erstreben. Die llnter- dachbringnng der sozialpolitischen Gesetzgebung ist ja der dienstliche Ausgangspunkt für die Erwägungen Georaes gewesen, ob Ersparnisse im Rüstungswcscn vorgcnommen werden können. Es wäre denkbar, daß er für diesen Zweck zunächst die Flotte, dann das Landhccr ins Auge gefaßt hat. Befanden sich die Erwägungen Lloyd Georges wirklich in einem derartigen Stadium der llnfcrtigkeit und des Werdens, io braucht man es nachträglich nicht zu bedauern, daß Deutschland nicht in diese Erwägungen hincinffezoacn worden ist. Dns heutige Aegypten. Der Reorganisator der Verwaltung Aegyptens, Evclin Boring, be vollmächtigter Minister und Generalkonsul am Nil, dem dann die Ver dienste um das brinsche Schutzland Baronet- und Pecrswürde brachten, Lord Eromer also läßt jetzt in die Studien blicken, die ihm in stattlichem Reigen von Jahren die offizielle und eigene Arbeit im Pharaonciilandc gab. 1877 kommt er von Indien, wo er des Generalgouverneurs, seines Vetters Lord Norlbbrook, fleißiger Privalsekrctör war, zum erstenmal nach Aegypten. Er wird Kommissar bei der Verwaltung sür die öffent liche Schuld. Schon 1880 ist er, 89 Jahre alt, Gcneralkontrolleur der ägyptischen Finanzen. Und die Unterbrechung, die hier sein Sckxifsen erfährt — sein Ausstieg ist rasch und glänzend: nach Indien kehrt er bereits als Minister zurück —, währt knapp drei Jahre: seit 1888 müht er sich, abermals am Nil, ausschließlich um das Land der Sphinxe. Seine Studien sind fast die Frucht eines Lebens. Und was sie an Historischem, was sic au Positiven! sür die Zukunft bergen, wird man nicht allein in England lesen; auch dem Deutschen, dem Lord EromcrS Werk „Tas heutige Aegypten" durch Karl Siegismunt» in Berlin nun mehr vermittelt ist, wird cs sicherlich neu und nützlich sein. Rose berichtet („Life of Napoleon"), daß der Entthronte in seinem ersten Gcspräck>c mit Sankt Helenas Gouverneur Aegypten das wich tigste Land der Erde genannt habe. Und Lord Eromer, der Engländer, der überdies an die frühe Einschätzung Aegyptens durch die Alten Thucydides und Gellius erinnert, teilt heute noch gleiche Meinung mit dem Franzosen. Wobei der bevollmächtigte Minister Englands, der all die Jahre als seiner Regierung Diener in Norbafrika wirkte, den hüb- schenMut erbringt, dieseMeinung auf ganz persönliche Art zu teilen. Das Vorwort, das er dem Doppclband mitgibt, könnte nicht knapper, in der Knappheit nicht bezeichnender sein: „Ich bin für den Inhalt dieses Buches allein und vollständig verantwortlich. Es hat nicht den geringsten amtlichen Charakter. London, 31. Dezember 1907. Eromer." So sind cs halb Studien des Gelehrten, Aufzeichnungen des privaten Forschers, selbständige Meinung eines Politikers, den im Arbeitskabinctt nach Er- ledigung diplomatischer Geschäfte die Interessen seiner Regierung nicht weiter irritieren. Lord Eromer. Englands Minister, erwägt Aegyptens Zukunft. Hier sind zwei Möglichkeiten: britische Provinz in engstem Sinne, oder völlige Autonomie des Landes. Nnd Lord Eromer stimmt für Autonomie. Sie wird vielleicht erst in Dezennien, vielleicht nach einem Jahr hundert erst überhaupt diskutabel sein. Unerläßlich dünkt noch heute wie morgen dem Lord das Heer, das Englands Wünschen und Aegyp- tens Wohlfahrt nötigen Nachdruck leiht. „Wenn ich in Betracht ziehe die besonderen Verwicklungen des ägyptischen Regierungssystems, die Zügellosigkeit der lokalen Press«, die Unwissenheit und Leichtgläubig keit der großen Masse der ägyptischen Bevölkerung, das Nichlvorhan- densein ägyptischer Staatsmänner, die fähig sind, die ägyptische Gesell schaft zu zügeln und die sehr komplizierte Regierungsmaichine zu führen, die Verminderung des von den britischen Beamten und dem diplomatischen Vertreter Englands ausgeübten Einflusses, die unver meidlich aus der Räumung sich ergeben würde, nnd die erwiesene Un fähigkeit internationalen Handelns in Verwaltungsangelegcnheiten, so erscheint cS mir unmöglich, sich der Tatsache zu verschließen, daß höchst wahrscheinlich ein vollständiger Umsturz erfolgen würde, wenn die britische Garnison jetzt zurückgezogen würde. Es mag sein, daß in zu künftiger Zeit die Äegypter fähig gemacht werden können, sich ohne die Anwesenheit einer fremden Armee in ihrer Mitte und ohne fremde Hilfe in Zivil- und Militärangelcgenheiten selbst zu regieren; aber diese Zeit liegt noch in grauer Ferne." Und Eromer betrachtet ein an deres Problem: Aegyptens Neutralisierung. Er erinnert an die Schweiz, die ungefährdet bestehen darf. Indes Aegypten liegt nicht im Herzen Europas, im Herzen moderner Kulturen, die zugleich das -Lchrilthalten des kleinen neutralen Staats bedingen: „Es kann nicht genug betont werden, daß Neutralisation, unter welchen Bedingungen auch immer, gänzlich ungeeignet ist, die ägyptische Frage zu lösen. Die Lösung dieser Frage würde nur wenig, wenn überhaupt, dadurch ge fördert werden, daß lediglich Garantien gegen fremde Einmischung in Aegypten gegeben würden. Tie Hauptschwierigkeit würde unberührt bleiben. Diese Schwierigkeit ist, zu entscheiden, wer intervenieren soll im Falle, baß eine fremde Intervention unerläßlich wird. Wenn es wünschenswert erachtet würde, Wettbewerb und Ncbenbuhlcrjchai. zwischen den verschiedenen Wachen der hauptstädtischen Feuerwehr zu vermeiden, so könne das Ziel dadurch leicht erreicht werden, daß man allen verbietet, beim Feuerlöschen zu helfen. Das praktische Resultat würde kaum als zufriedenstellend betrachtet werden. Dieses aber ist das politisciu: System, das durch die Neutralisation Aegyptens hcrbei- gcführt würde. Jedes Mitglied der europäischen Feuerwehr würde verpflichtet sein, seinen Schlauch nicht auf einen ägyptischen Brand zu richten, um es zu vermeiden, die Empfindlichkeit seiner Nachbarn zu verletzen. Inzwischen könnte und würde wahrscheinlich das ganze Ge bäude der ägyptischen Zivilisation vernichtet werben zum unermeßlichen Schaden nicht nur der eingeborenen Bewohner Aegyptens, ionderr auch der großen Zahl Europäer, die ruiniert wären, wenn bas Land in Anarchie unb Barbarei znriicksiele. Das Unvermögen internationalen Vorgehens zur wirksamen Bekämpfung schlechter Regierung in andc- rcn Teilen der ottomanischen Besitzungen dient als warnendes Bei- spiel hinsichtlich Aegyptens." Und Lord Eromer stimmt nochmals für Autonomie: England soll Erzieher sein . . . Ueber den Zukunstsproiekteu wird man im Siudium des Eromer- scheu Werkes nicht das Historische vergessen, das im Eingang der Lord aufrollt. Eromer setzt mit den siebziger Jahren ein. Innere und äußere Kämpfe, die Verhandlungen mit dem Khedive, die Steuerrefor men, Kriegszüge, Nilcxpeditioncn, Meuterei in der ägyptischen Armee, - und Englands endgültiges Dominieren: noch einmal wird alles, in den Zusammenhängen erfaßt und knapp geschildert, mit lebendiger Deutlichkeit klar. Und wird der Deutsche uicht überall beistimmen innerhalb der historischen Entwicklung bcr letzten Jahrzehnte wird cr zum wenigsten den Standpunkt des — Engländers verstehen. Deutsches Reich. Leipzi-i, 30. 2.ugusi. * Tas Kaiserpaar in Straßburg. Die Fürstlichkeiten begaben sich gestern kurz nach 9 Uhr nach dem Paradefelde, die Kaiserin in einem ü la Daumont gefahrenen offenen Wagen mit Spitzenreitern, in dem auch die Kronprinzessin und die Prinzessin Eitel Friedrich Platz ge nommen hatten, geleitet von einer Eskadron deS 3. Schlesischen Tra- goner-Regiments Nr. 15. Ter Kaiser folgte gegen 9^ Uhr im Auto mobil. Tas Wetter ist trübe, cs regnet leise. Die Parade auf dem Polygon war trotz des RegenS von sehr zahlreichem Publikum besucht. Später ließ der Regen etwas nach. Mit dem Kaiser, der die Uniform eines Generalseldmarschalls mit dem Mantel trug, ritt der Kronprinz und seine drei Brüder. Die Kaiserin hatte mit der Kronprinzessin und der Prinzessin Eitel Friedrich in einem sechsspännigen offenen Wagen Platz genommen. Der Kaiser übergab zunächst die neuen Feldzeichen an die Obersten der betreffenden Regimenter und begrüßte dann die Kriegervereine. Darauf ritt der Kaiser an der großen Tribüne vorbei, vom Publikum lebhaft begrüßt. An der Parade nahmen der König von Sachsen, der Großherzog von Baden, der Herzog von Sachscn- Eoburg-Gotha und Herzog Albrecht zu Württemberg und viele hohe Offiziere teil. Es sand nur ein Vorbeimarsch der Truppen statt. Die Infanterie defilierte in Rcgimentskolonne, die berittenen Truppen im Schritt. Das Publikum brachte den Truppen, die trotz des aingeweichteu Bodens Vorzügliches leisteten, Ovationen dar. Tic Parade stand unter dem Kommando des Generals der Infanterie Ritter Hcntichel von Gilgenheimb. Der Vorbeimarsch endete kurz nach 12 Uhr. Nach der Kritik und der Entgegennahme militärischer Meldungen setzte der Kaiser sich au die Spitze der Fabnenkompanic und der Standartencskadron und kckrte unter dem Jubel der Bevölkerung in die Stadt zurück. Gegen -'41 Uhr trafen die Kaiserin, die Kronprinzessin und Prinzessin Eitel Friedrich vor dem Kaiserpalast ein. * Brasilianer bei den deutschen Kaisermanövcrn. Gestern nacht isi der brasilianische Kriegsmimstcr Hermes da Fonseca mit den anderen zur Teilnahme an den Kaisermanövern «ungeladenen brasiliani schen Offizieren auf dem Dampfer „Eap Blanco" in Hamburg eilige- troffen. Zum Empfang begaben sich gestern vormittag der prcußi'che Gesandte Gras Götzen, Senator Westphal nnd der brasilianische Ge sandte in Berlin Dr. da Eosta Motta an Bord. Um 11 Uhr sand ein von der Südamerika-Linie gegebenes Abschiedscsscn statt, wonach die brasilianischen Offiziere mit dem Mittagszugc nach Berlin abfuhrcn. * Das neue Münzgesetz. Im Rcichssclmtzamt ist dem „B. T." zu folge der Entwurf des neuen Münzgesetzcs sertiggcstellt, der entsprechend den verschiedenen im Reichstage gefaßten Resolutionen die bisherigen Gesetze dzw. Novellen zusammcnfaßt und die unübersichtlich gowordene Materie vereinheitlicht . " Dernburgs Abschiedsrede von Lüdwcjt. Bei seiner Verabschie dung hielt Staatssekretär Dernbnrg >n Swakopmund eine Rede, in der er seinen Dank für die Aufnahme, die er überall gesunden habe, ausdrückte. Er sagte dann weiter, einige wenige bittere Wahrheiten seien ja anzusührcn. Südwcst sei nicht reich, aber ungewöhn lich produktiv und ein sicherer Produzent für fleißige Menschen, denen cS sichere Existenz nnd Wohlstand biete. Die KrisiS fei eine natürliche Folge des Krieges und einige Vorsicht ini Kreditgeben notwendig. Der Wunsch der Bevölkerung noch größerem Anteil an der Verwaltung und Verantwortung solle durch Einrichtung von Handelskammern, Land- Wirtschaftskammern, Schulen und einer kommunalen Kreditanstalt ge währt werden. Tic Verordnungen für die Eingeborenen sollen bestehen bleiben. Die Erzfunde seien io günstig, daß nur erstklassige Produkte daraus zu erwarten leien. DaS Land verdiene durchaus seinen guten Ruf. Der Gouverneur sei das Muster eines echten Südwestafrikancrs.
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