Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 04.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192207047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220704
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-04
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 04.07.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dienstag, 4. Jnli 1922 Nr. LÄ 21. Jayrg. Fernsprecher: Ncdalition 32723 — Geschäftsstelle 32722 «vo,'ilchcklilio»to: Dresden Nr. 11797 SiiMftd Redaktion und Geschastssteller Dresden-A. tü, Holbelnstraste 4S V«<«a»vreis> BierleNskirlt« frei ins Hau» SÄ ur. -wetmonatlick ÄI.8» I llnzeigenPretSi Die eingekpaltene Betttielle 8 für Familien- imd BereinSanzeigen. Stellen, uns M!et„«suitze 4.8» .V. Die PeM-Nes-vn-zooe -m ledLt monatlich I I .ff. auSschNcjchch je 4 ^ Zuschlag für «ai und Juni 1922. Ikuizel. I liouellen Teil. S» mm breu, 18 s». Für Inserate mit besonderer PlaztermigSvorschrtft auf ob>ae Preis- ÄS Prozent Zuschlag. 0sserte,igcdühr: jül Mimmer 1 X. Di« Sächsische «olkszeuu»,, erichenu wöcheniiich icchSmal. s Selbstabholer S X. bei Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Im Falle HLHerer Gewalt oder beim Ausbleiben der Papieclieserungen usw. erlischt jede Verpflichtung aus Srsüllung vott Anzcigen-Auslrägen und Leistung von Schadenersatz. Eprechslunde der Redaktion:»—«Uhr nachm. Nicht ausdrücklichzurückverlanateund I Für undeutlich geichrtebene sowie durch Ferniprecher ausgegebene Anzeigen mit Rückporto nicht versehene Linsendungen an dieRedaMon werden nicht auibewahrl. s lönnen wir die PeranlwoMichkett tür die Nichltgleu der Textes nicht übernehmen. /lnnahme von GeschüsiSmizeige» bis I» Uhr, von Famttienanzeigen bis 11 Uhr vormittags. — Annahmestellen i» DreSde«, Schmidt'Iche Buchhandlung. Inhaber P. Beck, Schloßstraße ä. in Bautzen- Frans Kurjat An der Petritlrche 1 Sieg der christlichen Liste bei den Dresdner Elternratswahlen Bei den am gestrigen Sonntag in Dresden stattge» fundcnen Elternratswahlen haben die Anhänger der chri,» lichrn Schule abermals einen Sieg davongrtrage«. Sie erzielt«« 445 Vertreter, während anf die Listen der An hänger der weltlichen Schule nur rund 400 Vertreter entfallen. An einer neuen Demonstration am Dienstag, den 4. Juli, rufen die drei sozialistischen Parteien und die sozialdemokratischen Gewerkschaften in einem Ausrns, den der „Vorwärts", die „Freiheit" und die „Rote Fahne" ver öffentlichen, auf. Es sollen bei dieser Demonstration die Forde rungen der Gewerkschasten und sozialistischen Parteien an die Regierung zum Gei eh zum Schuhe der Republik zur Abstimmung gebracht werden. Die Stillegung des Strastenbahnbetriebs wird von 1 bis 5 Uhr dekrediert, die der Eisenbahn von 3 bis 3,30 Uhr. Endlich fordert der Aufruf dazu auf, keine schädlichen Störungen der öffentlichen Ordnung und des Verkehrs eintreten zu lasse». Diese letzte Forderung klingt ganz schön, ist aber mit der Tatsache nicht in Einklang zu bringen, denn die Forderung den Eisenbahnbetrieb für eine halbe Stunde stilliegen zu lassen, bedeutet die völlige Lahmlegung des Verkehrs für den ganzen Tag. Wir sind auch der Meinung, daß es jetzt mit den Demon strationen genug sein könnte. Wir glauben nicht, daß es im Sinne des ermordeten Ministers Rathcnau liegt, daß durch derartige Demonstratiope» das deutsche Wirtschaftsleben empfind lich gestört wird. Vor allem aber liegt eS ganz sicher nicht im Interesse der Republik und des Reiches, daß derartige Störungen des Wirtschaftslebens so rasch hintereinander vorgenommen werden. Die Demonstrationen sind im übrigen völlig überflüssig, weil der Rcichsrat bis dahin das Gesetz zum Schuhe der Republik durchberaten haben und dem Reichstage bereits zngegangen sein wird. Wozu also derartige unnütze Ansregungen der Massen, die unter allen Umständen in der heutigen erregten Zeit nicht ohne Gefahr sein können. Das dem so ist, gibt der Aufruf der soziali stischen Parteien insofern selbst zu, als ausdrücklich zur Anfrccht- erhaltung der Ordnung ermahnt wird. Wir sind jedenfalls der Metz,um«, daß diese Demonstration eine völlig überflüssige ist. Der Schutz der Republik Zum Verständnis für das am Dienstag den 4. Juli dem Reichstag zugehende Gesetz zum Schuhe der Republik oienen folgende Ausführungen eines geschähten Mit arbeiters. Tie Ministerpräsidenten der deutschen Länder haben in der vergangenen Woche dein Rufe des Reichskanzlers Dr. Wirth ent sprechend sich in Berlin eingefunden und haben Kenntnis ge nommen von dem durch die Reichsregicrung vorbereiteteil Gcseh zum Schuhe der Republik. Die Ministerpräsidenten haben sich mit den Motiven des Gesetzes, seinen Bestimmungen im einzelnen einverstanden erklärt. Lediglich der bayerische Ministerpräsident Graf Lerchenfeld war, wie wir erfahren, der Ansicht, daß einige Bestimmungen des Gesehes besser in die Hoheit des Landes ge legt würden, als sie durch das Reich vertreten zu lassen. Es hat aber den Anschein, daß der von Bayern vorgetragene Ge dankengang keineswegs besagen soll, man werde das Gesetz in seiner Gesamtheit bekämpfen. Wir glauben vielmehr, daß in kürzester Zeit sich die bayerische Regierung davon überzeugen wird, daß dieses Gesetz eine der beste» Handhaben gerade für eine bayerische Negierung bietet, um dann einzugreifcn, wenn wieder einmal die Existenz des Staates durch Putsche bon links auss Spiel gesetzt wird. In der Form des Gesetzes, die uns bekannt geworden ist, verden auch weite Kreise der bürgerlichen Parteien Hemmnisse sehen. Es ist nämlich zum Schluß des Gesetzes, es sei das der 8 14, eine Definition zu gebe» versucht worden für das, was unter den im Gesetz wiederholt gebrauchten Worten „Republikanische Staatsform" zu begreifen sei. Es heißt in dieser Definition ungefähr: „Man versteht darunter den Inbegriff all jener Rechts normen, die den heutigen Staatsgcdanken in seinem Unterschied gegen die frühere Staatssorm darstellen". Hinter dieser auf den ersten Blick nicht ganz durchsichtigen Definition verbirgt sich folgende Konsequenz, auf die wir rechtzeitig Hinweisen wollen, um nicht hinterher irgend einer Illoyalität bezichtigt zu werden: Wenn nur der „Unterschied gegenüber der früheren Staatssorm" als „republikanische Staatsform" anzusehen wäre, so würde dem nach den scharfen Strafen, die durch dieses Gesetz verhängt werden sollen, die Anwendungsmöglichkeit versagt bleibe», wenn sie sich zu richten hätten gegen solche Leute, die etwa im Sinne einer Räteregierung wirken würden. Es ist richtig, daß das Gesetz geschaffen werden muß, nm den Staat zu schützen gegen die zurzeit aktuellste Gefahr, gegen die A-igrisse anf ihn und seine Regierung, die hervorgehen aus Kreisen, die der radikalen Rechten angehören. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, daß Satz für Satz dieses Gesetzes gegen diese Seite allein anwendbar sein soll. Gerade die Tatsache, daß die Entstehungsgeschichte dieses Gesehes für alle Zukunft verbunden sein wird mit den rechts radikalen Angriffen, muß davor znrückhalten, zu vergessen, was von linksradikaler Seite gesündigt worden ist und noch in Zu kunft gesündigt werden kann. Nun kommt noch als Hauptpunkt die Nnmestie. Wir wisse», baß die Bestimmungen über die Amnestie, die dieses Gesetz bringen wird, keinesfalls lediglich ein Kompliment vor den Forderungen -er Gewerkschaften und der verein Schien Sozialisten bringen wird. -Die SPD. die nun schon in einigen Jahren etwas von der Regierungspraxis gelernt hat, ließ durch den „Vororts" erkläre», baß die ausgestellten Forderungen natürlich noch be>chcochen werden können, während die radikale Linke nichts von einein Nach- geben wissen will. Die Amnestie wird sich auf die Unruhen des Jahres 1921 beziehen. Sie schließt alle Rohheitsdelikte von einer Begnadigung aus. Sie faßt aber auch den Kreis der Delikte äußerst eng, die der Begnadigung unterworfen werden könne», indem sie nur jene Leute begnadigt, deren Straftaten vor die Zuständigkeit eines außerordentlichen Gerichtes gehörten. Soweit Bayern gerade wegen der Amnestie dem Gesetz seine Zu stimmung nicht geben wollte, ist zu sagen, daß Bayern die i» der Verordnung des Reichspräsidenten ans dem Jahre l92l vorgesehenen außerordentlichen Gerichte gar nicht eingesetzt hat. Mit der Geschäftslage des Reichstages befaßte sich am Freitag abend der Aeltestenrat. Er kam dahin überein, daß der Montag sitznngssrci bleiben soll. Am Dienstag soll die Beratung des Arbeitsnachweisgesehes zu Ende gesührt werben und am Mittwoch beginnt die erste Lesung des Gesetzes zum Schutze der Republik in Verbindung mit einer Interpellation der Linksparteien bctr. die monarchistischen Umtriebe. Noch am Mittwoch abend soll da.> Gesetz zum Schutze der Republik dem Nechtsansschnß überwiesen werden. Dagegen soll die Aussprache weiter gesührt werden. Man hofft init dieser Aussprache bis Donnerstag abend fertig werden zu können. Möglicherweise wird sich aber die Aussprache auch noch bis Freitag ausdehnen. Dann soll eine Panse eintreten, um dem Steuerausschnß sür die Be ratung der Zwangsanleihe und dem Rechtsansschnß die nötige Zeit der zur Beratung stehenden Vorlagen zu schassen. rn Wsrt an die Lan Bon Staaisminister a. D. Sieger Wald Die Getr-üdeumlage war in de» letzten Wochen vor der Ermordung Dr. Rathenans zum Mittelpunkt der inneren Politik geworden. Auf der eine» Seite litten die landwirtschaftlichen Organisaiioncn alles anfgeboten, »m eine neue Getrcideumlage zu verhindern, während anf der anderen Seite die Verbraucher sich mit derselben Entschlossenheit für die Beibehaltung der Ge- treideumloge cinsetzten. Die beiderseitigen Auffassungen stan- sich so schroff gegenüber, daß die Gctreideumlagc sich zu einer inneren Krise auswnchs und uns nahe an die Auflösung des Reichstags gebracht hatte. In der Zentrumspartei besteht für die Abneigung der Landwirtschaft gegen die Fortsetzung der Zwaicgswirtschaft im Getreide weitgehendes Verständnis. Es liegt nahe, daß nach achtjähriger Getrcidezwangswirtschaft der Landwirt endlich wie der Freiheit laben möchte. Dazu kommt, daß den Landwirten im vorigen Jahre in Aussicht gestellt ist, es handle sich in 1821/22 wohl um die letzte Gctreideumlagc. Ueberdieö haben sich dein vierjährigen Umlagcgesctz große Mängel herausgebildet: zunächst wurden nur den getreidcanbaucndcn Landwirten Opfer auferlegt, während alle anderen Zweige der Landwirtschaft sür ihre Erzeugnisse völlig freien Preis erzielten. Weiterhin wurde der Preis des UmlagegetreideS stark sür da? ganze Jahr fest gesetzt und auch dann noch nicht geändert, als inzwischen eine Preisrevolution anf allen Gebiete» eingetrcten war, wie sie seit her die deutsche Geschichte nicht gekannt hat. So kam es, daß, während früher Stickstoffpreis und Weizenpreis ungefähr gleich standen, der Landwirt im Frühjahr 1922 eftva das Fünffache für Stickstoff zu zahlen hatte, was er für das Ilmlagegetreide bekam. Das ist die eine Seite des Bildes. Andererseits sagten die Ver braucher: wir haben im letzten Winter teilweise 400 M. für den Zentner Kartoffeln bezahlen müssen gegen 4 M. im Frieden, nur müssen gegenwärtig 20 Nt. für das Pfund Zucker bezahlen, gegen 20 Pf. in der Vorkriegszeit. Nach solchen Erfahrungen kann eine freie Wirtscl)aft im Brotgetreide ohne neue Erschütterungen des Volkskörpers nicht in Frage kommen. Breite Schichten des deutschen Volkes- sichren ohnehin schon ein Entbehrungsleben, wo ben die Entente und auch nicht geringe Kreise des deutschen Volkes (Sozialrentner, Kleinrentner, viele Arbeiter, untere Be amte usw.) keine Vorstellung haben. Im bolkswirtscl/aftlichen Ausschuß, der die Getreidcnmlage zu beraie» hatte, war man sich denn auch darüber einig, daß für die Minderbemittelten verbilligtes Brot bereit gestellt werden müsse. Uneinig dagegen war man sich über das Wie. Die Ver treter der Landwirisckxrft glaubten zunächst durch Schaffung einer Broireserbc die Getreidcnmlage hintanbalten zu können. Dieser Gedanke hätte sich nur daun als durchführbar erwiesen, wenn in kurzer Zeit ein Vorrat von etwa 2 Millionen Tonnen hätte beschafft werden können. Dann hätte anf das ehemalige fride- rizianische Magazinspstem zurückg-egriffen werden können, durch das mit größeren Gctreidercservcn mäßigend auf den Preis ge wirkt wurde. Diese Brotreserve ließ sich aber bei der gegenwär tigen Gesamtlage unserer Wirtschaft nicht durchführen. Gegen wärtig lönnn wir auch bei Brotgetreide nur von der Hand in den Mund leben. Weiter wurde von landwirtschaftlicher Seite die Meinung vertreten, nicht die Landwirtschaft allein, sondern die Gesamtheit müsse zur Brotverbillignng für die Minderbemittel ten durch besondere Leistungen bcrangezogen werden. Persön lich vertrat ich von jeher folgenden Standpunkt: Die Landwirt schaft muß für die Brotverbilsignng ein Opfer bringen. Dieses Opfer darf ihr aber nicht allein zugemntct werden. Hohen Ein kommen und größerem Vermögen muß vielmehr eine besondere Brotsteurr auserlegt werden. Leider ließ sich auch dieser Ge danke gegenwärtig nicht verwirklichen, und zwar aus außenpoli tischen Gründen. Die Besprechungen in Genua und die Verhand lungen mit der Reparationskommission in Paris standen im Auge »Rick einer solchen Steuer entgegen. Dieses Verfahren wnrx von der Entente als erneut« Subsidienwirtsck>aft ange sehen werden. Zuzugeben aber ist, daß es für die Zukunft nicht mehr tragbar erscheint, daß der Landwirtschaft allein eine Brot- Verbilligung anferlegt wird. Dagegen ist die in der Landwirischaft umlaufende Behaup tung. daß alle anderen Produktionszweige frei seien, während die Landwirtschaft allein Opfer bringen solle, durchaus falsch. Richtig ist vielmehr, daß die Kohle mit 40 Proz. Sondersteuer und 12 M. MobuungSabgabe Pro Tonne für BerginannSsiedlnngen be lastet ist; dadurch sind nicht nur die Gewinne des Bergbaues anßerordenilich begrenzt, sondern auch den Bergarbeiterlöhnen engere Schranken gezogen. Die Eisenindustrie muß ihre Erze größtenteils- vom Ausland beziehen und sie bei der schlechten Valuta teuer bezahlen. Trotzdem konnte sie nicht Weltmarkt preise fordern, sondern bekam den Preis vom Eisenwirtschafts- bnnd in Verbindung mit dem RcichswirtschaftSminister zngespro- chen. Die AnSfuhrindustrie muß sodann eine soziale Ansfuhr- abgabc leisten, die in diesem Jahre ebenso hoch sein dürft«, wie das Opfer, das- die Landwirtschaft durch die Getredeumlage tragen soll. Auch der städlischc HanSbcsitz ist durch die Zwangswirtschaft, die sich recht gut beseitigen läßt, in seinen Einnahmen außer ordentlich beschränkt. Schließlich erhalten die deutschen Arbeiter. Angestellten und Beamte heute meist nur den dritten und vier ten Teil der Löhne, die ihre Kollegen in Amerika und anderen valntastarken Länder» beziehe». Auch sie müssen bei solcher Sach lage große OiEer a»k sich nehmen. Die Vorlage der Neichs-regiernng leidet an einem großen Fehler. Dadurch, daß statt dec gesamien landwirtschaftlich be nutzten Fläche erneut die Getreideanbaufläche zur Grundlage der Umlage genomme» wurde, liegt in dem Gesetz eine produktions hemmende Tendenz. Dann bildet das- Gesetz eine Unaerechtigkeit sür die überwiegend Gelrcideaubauenden im Vergleich zu den übrigen Landwirten, die für Kartoffeln, Zuckerrüben, Fleisch usw. den völlig freien Preis bekommt. Im volkswirtschaftlichen Aus schuß des- Reichstages- suchte man an Stelle der Gctrcidcanlian- släckie die gesamte nutzbare Fläche zu setze»; das- war leider nicht mehr möglich. Die Länder wandten ein, das Getreide sei seit acht Jahre» nach der Anbaufläche bemirtscl>aftet worden. Jetzt, wenige Wochen vor der neuen Ernte, sei eine Umstellung nicht mehr möglich. Da aber die Länder sür das- Lieferungssoll die Haftung zu übernehmen haben, tonnten ihre Einwände nicht bei seite geschoben werden. In den Verhandlungen wurde an Verbesserungen dnrchzu- sctzcn versucht, was möglich war. Erzielt wurde im Aus-schuß, insbesondere anf Betreiben der Vertreter der Zenirnms-partci: 1. Der äußerste Preis, der sür den Augenblick politisch erreichbar war (die Preisfrage drohte »och im letzten Augenblick zur ReichS- tagsauflösling zu führen). 2. Eine gerechtere und für die Land wirtschaft günstigere Preisgrniidlaae. Voriges Jahr galt der Preis sür das ganze Jahr, dieses Jabc wurde er lediglich für die erste Ablieferungsperiode für ei» Drittel der Umlagemengc festgesetzt. Für de» Rest der Ablieferungsmenge l>rt eine Kom- missio» in Verbindung mit dem Reichsernäbrungsministcr de» Preis den »-'ränderten Gesamtperhältnisse» entsprechend festzu- sctzen. 3. Die Vcrsorgnngs-berechligung tritt künftig nur noch ans Antrag ein. Damit soll verhindert werden, daß reiclw Leute, die manchmal an einem Tage mehr verdienen als- manch kleiner Landwirt im ganzen Jahre, nicht mehr Anspruch auf verbillig tes Brot haben. 4. Wurden in der Kleiesrage für die getreide- ablieferndcn Landwirte Vergünstigungen erzielt. Es- besieht Einigkeit darüber, daß in wenige» Tagen die;e so schwierige Materie im votkswirischaftiichen Ausschuß des Rcichk-tages nicht allseitig befriedigend gestaltet werden konnte, Hoffentlich stehen wir das- nächste Jahr nicht wieder vor ähnlich anormalen Verhältnissen wie gegenwärlig. Wir Hessen viel mehr, daß daun der Brolgctreideverkehr freigegeben werden kann Das- Eine itebl jedenfalls fest, daß auf einer ähn'iebe» Grund lage wie in diesem Jahre, die Zentrum spane: an euer gesetz. lichen Regelung des Brotgetreideverkehrs nicht me!>r inilarbeiiel. Womit dcr volkswirtschaftliche Ausschuß in den letzten Tagen sich zu beschäftigen batte, war Ressortspoliiit, nicht aber Staats- and.Wirtschaftspolitik. Letztere aber ist notwendig. Schon vor zwei bis drei Monate» hätten Zwai.gsanleibe vle- treidcninlage, Knnstdüngerlieferung, Kohlenversorgiingssragen lieben lleberschichten im Bergbau, Wohnungsabgabe nebst Bau stoffwirtschaft und Taisonüberschichte» im Wingewerbe im kombi nierten Zusammenhänge dem Reichstage vorgelegt -verden sollen Dann hätte sich die Lage in den letzten Wochen gar »ich! wie ge schehen kcraus-bilde» können. Entschuldbar ist die llnteriassnng allerdings- ans- zwei Gründen: Zunächst weil der Eh s der Reichs- regicrimg, dcr Reichskanzler, lange Zeit von Deutschland ab wesend in Genna sein mußte, und dann, weil du:- Reichs-ernäh- rungS-ministeriunl lange Zeit »»besetzt war. A is diesen Erfah rungen muß für die Zukunft gelernt werden. Der Mord an dem Reichsminister Dr. Ralhenan hat sodann auch die Fuucge der Getreideumlagc anßerordeniiien kompliziert, insbesondere auch eine Verständigung zwischen Zentrum und links sehr erschwert; ein Zusammengehen aber zwischen dem Zentrum und rechts war nicht möglich, einmal weil dasür im Reichstag keine Mehrheit vorhanden ist, und dann auch deshalb nicht, n-eil das praktisch znmal nach der Ermordung Rathenans bestimmt die Neichstags-anstösung bedeutet hätte. Eine solche konnte aber kein vernünftiger Mensch wollen, ins-besondcrs auch die Landwirtschaft nicht. WaS hätte eine Reichstagsagfiösmuz gebracht? 1. Die Ge gcnsätze im deutschen Volke wären anf die letzte Stütze getrieben, das deutsche Volk wäre in seinem inneren, langsamen Gesun dungsprozeß wieder um ein volles Jahr znrüctgeworfen worden 2. Es- wäre ein unübersehl>arcr, gewaltiger Marksturz eingeirc- ien. Nach drei Monaten hätte das- deutsche Volk seine politische Arbeit wieder an- bedeutend ungünsiigercr Stelle als- heute be ginnen müssen. 3. Die mühsam errungenen Ergebnisse der Außen politik wären zerschlagen worden. 4. Der neue Reichstag würde, insbesondere auch von landwinsciwftlichen Gesichtspunkten auS gesehen, eine viel ungünstigere Zusammensetzung erfahre» hal'e», als der heutige sie heit. 5. Ein noch mehr sozialisiisch-orientierter Reichstag »nd eine ähnlich zusammengesetzte Regierung hätten keine Aussicht gehabt, jemals eine internationale Anleihe zu er, halten. Ich alaube. die Gcsamtlage nickt ans- engen parieipolitischen und interesscnpolitischc» (Gesichtspunkten, sondern vom Interesse des Gesamtsstaates und des Volkes behandelt zu haben. Be mühen wir uns also allseitig, statt weiterer AuScinanderreihnngS- politik soziale Sammlungs-Politik zu betreiben. Bei dieser fahren wir ohne Zweifel alle besser als bei einer reinen Interessen- Politik
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite