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Mussolinis Bruder verlangt Revision „EMirM - bas «berste LebeMM Berlin, NN. Dez. (Eigene Drahtmeldung.j Der Bruder des italienischen Ministerpräsidenten, Arnolds Mussolini, verössentlicht im „Popolo d'Jtalia" eine Jahresbetrachtung mit der Uebcrschrift „Gerechtigkeit für die Völker", in der er u. a. erklärt, daß nur eine Revision der Friedensverträge das politische und wirtschaftliche Gleichgewicht wieder Herstellen und die Völker auf die Dauer versöhnen könne. „Es gibt Grenzen", schreibt Arnolds Mussolini, „die nicht Bolksgrenzen sind. Sie scheinen mit Ltachcldraht gezogen. Es gibt Völker, deren Arbeits- und AnfstiegSwille er» stickt wird durch die furchtbare Aussicht, daß ganze Generationen zu arbeiten haben, um die Kriegsschuld zu begleichen. In dieser Atmosphäre müssen die besten Absichten in nichts zergehen. Der Kommunismus hat in solchen Völkern leichtes Spiel mit seiner Propaganda. Die heutigen Schwierigkeiten seien nur zu überwinden, wenn sie auf allen Gebieten bekämpft würden. Die Revision der Friedensverträge bedeutet eine Revision der Werte. Fern von der trüben Atmosphäre des Jahres ISIS könne jetzt die durch die Schicksalsfälle und Erfahrungen gewitzte Menschheit erkennen, daß die Soli darität das oberste Lebensgesetz unter den Völkern bilde." Ser polnische Snnenmlnlstor -unter!»»!' Sattowitz» SO. Dez. Zu dem Besuch des polnischen Innen ministers in Ostoberschlesien meldet die RegterungSpresse, es sei Skladkowski gelungen, die „falschen deutschen Alarmnach richten" über die polnischen Gewalttaten während der Wahlen zu „demaskieren". Obwohl sich der Minister nur wenige Stunden in den Kreisen Pleb und Rybnik aufgehalten hat, will er die Unrichtigkeit der deutschen Anschuldigungen sestgcstellt haben. Ein polnischer Polizeibcamter, den man an geblich im Oktober verprügelt hat, erhielt vom Minister ein Weihnachtsgeschenk von 500 Zloty, während die in Wirklichkeit geschädigte» Deutschen natürlich leer ausgingen. In Hohen- birken soll der Minister festgestellt haben, dast nur ein ein ziger Deutscher, der dazu noch bezahlter Agent sei und die dortige Bevölkerung aufgcbetzt habe, verprügelt worden sei. Die übrigen Geschädigten seien keine Deutschen s?i, da sie mit dem Minister polnisch gesprochen hätten. Der Deutsche Volksbund habe kein Recht, ihre Interessen zu vertreten. Der Minister hat inzwischen die Rückreise angetreten. Auf die erneuten Verdrehungsversuche der polnischen Presse im Zusammenhang mit dem Mtnisterbesuch näher einzugehen, er übrigt sich. Das vorliegende authentische Material Uber die Vorgänge in Ostoberschlesien ist so erdrückend, dast alle Ver suche, nachträglich die Tatbestände umzusälschen, zwecklos sein müssen. Am -en Vorsitz im Bölkerbun-srat Genf, 80. Dez. Nunmehr beschäftigt sich auch das .„Journal de Gensve" mit dem Vorsitz im Völkerbunds rat. Nach einer Berliner Meldung des Blattes hat Reichs- austenminister Dr. Curttus bereits auf den Deutschland zustehenüen Vorsitz auf der Januartagung des Vülkerbunds- rats verzichtet und den englischen Außenminister Hender- son ersucht, an seiner Stelle im Januar den Vorsitz im Völkerbundsrat zu übernehmen. Dieser Beschluß der deut schen Negierung ist nach Meinung des Blattes darauf zuriick- zusnhrcn, dast es nach deutscher Ausfassung für Deutschland unmöglich sei, gleichzeitig Richter und Partei in einer Sache vor dem Völkerbunbsrat zu sein. Eine amtliche Bestätigung des Verzichtes der deutschen Präsidentschaft auf der kommenden Ratstagung liegt im Völkerbundssekretariat nicht vor, jedoch must in jedem ^alle der Darstellung des „Journal de Gcnsve" aus das entschiedenste entgegengetreten werben. Nach den Bestimmungen des Völkcrbundspaktes handelt es sich bei der Behandlung oer deutschen Beschwerden gegen Polen vor dem VölkerbundSrat keineswegs um ein Verfahren zwischen Deutschland und Polen, sondern lediglich um ein Klageverfahren gegen Polen vor dem Völkcrbundsratals solchem. Die deut schen Beschwerden stellen satzungsgemäß, nachdem sie auf die Tagesordnung des Völkerbundsratcs gesetzt sind, nicht mehr eine deutsche Angelegenheit dar, sondern sind zu einer Sache des gesamten Völkerbundsrates gewor den, vor dem sich Polen nunmehr zu verantworten hat. Durch einen Verzicht aus die deutsche Präsidentschaft darf unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, als ob Deutschland sich in dem Klageocrfahren neben Polen als Partei ansieht. Ueber die jetzt vor dem Völkerbundsrat schwebende Beschwerde gegen Polen hat überdies der VölkerbundSrat in seiner Gesamtheit mit Einschluß des deutschen Rats- mttgliebes zu entscheiden. Dr. ßeldt frrtert Ausgestaltung des RMsrats Freie Bahn der privaten Initiative! In diesen Tagen beenden wir ein Jahrzehnt wirtschaft licher Entwicklung unseres Vaterlandes, von dem wir lange Zeit gehofft hatten, es könnte mit ihm der Wiederaufbau end gültig abgeschlossen werden. Leider hat sich erwiesen, dast die Maschine des Wirtschaftslebens, die seit der Umwälzung immer mühseliger und unvollkommener arbeitete, nunmehr einem Mechanismus gleicht, bei dem die Näder nicht mehr richtig inetnanüergreifen und dessen Kessel durch Ueberhitzung unter so starkem Drucke steht, daß eine Explosion zu befürchten ist. Diese schweren Abnutzungserschetnungen haben sich erst in den letzten beiden Jahren in ihrer ganzen Stärke äusgewirkt. Zunächst schien es, nachdem die Inflation über wunden worden war, als ob tatsächlich eine Gesundung ein- treten würde. Der reiche Zustrom von Auslandsgelder» während der Schonzeit des Dawesplanes kurbelte die Wirt schaftsmaschinerie an. Erzeugung und Umsatz stiegen gleich mäßig. Im Jahre 1927 befanden wir uns im Zeichen einer ausgezeichneten Konjunktur. Aber schon im Jahre 1928 zeigte es sich, daß es sich hier um eine Scheinblüte handelte. Mit den Ausländsanleihen stiegen die Zinsverpfltchtungen uud bliebcn schließlich zusammen mit den Amortisationssumme» nach dem Versiegen des Stromes der Auslandsgelder allein übrig. Zu dieser Last gesellten sich die stetig wachsenden Tribute. Mit den Zins- und Tributverpflichtungen trans ferierte Deutschland ferner zugleich seine wirtschaftliche» Schwierigkeiten auf bas Ausland. So begann im Jahre 1929 die Krise der internationalen Absatzmärkte. Gleichzeitig ver schärfte sich die deutsche Krise im Laufe des Jahres 1989 und wird gegenwärtig durch eine ArbeitSlosenziffer von fast vier Millionen gekennzeichnet. Man hat die verschiedenartigsten Erklärungen für die schwere Depression herangezogen. Die Rcichsregierung legt den Nachdruck auf die Krise der Welt wirtschaft, die die Folge eines umwälzenden Strukturwandels des ganzen Gefüges des aus der Vorkriegszeit überkommenen Produktions- und Absatzsystems sei. Aber diese Erklärung berücksichtigt nur eine Komponente. Sie vergißt, daß die deutsche Krise, wie sich aus ihrer ganzen Entstehung ergibt, zwar unter den Störungen des Weltmarktes leidet, aber tm übrigen ein recht eigenwilliges Leben bewiesen hat. Ihre schlimmsten Ursachen sind zweifellos die Trtbutzahlun- gen, die jährlich ein volles Drittel der schon lange unzuläng lichen Kapttalblldung wegnchmen. Die sich fortwährend steigernde materielle Schädigung unseres Wirtschaftskürpers hat aber zugleich zu einer schweren organisatorischen Erkrankung ge führt. Sie wird am besten gekennzeichnet durch das immer stärkere Anwachsen des öffentlichen Aufwandes von 7ck Mil liarden im Jahre 1913 auf nunmehr 26L Milliarden im Jahre 1930. Dabei Ist es seit 1928 nicht mehr gelungen, die ReutMÄuntgeduns m> das bäurische Volk München, 89. Dez. Zum Jahreswechsel wendet sich der bayrische Ministerpräsident Dr. Heldt mit einer bedeutsamen Kundgebung an das bayrische Volk. Er weist auf die Bestrebungen des politischen Umsturzes in großen Teilen der Welt und auf seinen Wegbereiter, den geistigen Umsturz, hin, der den Kampf aus der ganzen Linie bereits ausgenom men habe und selbst vor dem Heiligsten nicht zurückschrccke. Die banrtsche Regierung werde alle Kraft daran setzen, die Not zu lindern. Zur Verhütung noch größeren Elends sei sie auch ent schlossen, jeden Umsturzversuch im Keime zu ersticken, gleichviel von welcher Seite er unternommen werden sollte. Dr. Heldt weist auf den verhängnisvollen Irrtum jener Kreise bin, die als Schwächepunkt im Verfassungsbau des Reiches die bundesstaatliche Gewaltenteilung erblicken wollen. Die Mängel des Verfassungslebens bestünden nicht in der Ge- waltenteilung zwischen Reich und Ländern, sondern vielmehr darin, daß die Reichsgewalt als solche einer hinreichend starken Grundlage entbehre. Sie ruhe allzu einseitig auf dem Retchsparlament, das als getreues Spiegelbild der parteimäßigen Zerrissenheit des deutschen Volkes für sich allein kein festes Fundament für eine starke Reichsgewalt bilden könne. Hier sei der schwache Punkt im Retchsbau zu suchen, und hier gelte es, Hand anzulegen. Dr. Heldt fordert als Tragpfeiler für die Bildung einer starken Reichsgewalt die Erhebung des Reichs rates zur gleichberechtigten zweiten gesetzgebenden Kammer nach dem Vorbild d«S BnndeSrateS» Gewährleistung einer größeren Stetigkeit der ReichS- regierung und Ausbau der verfassungsrechtlichen Machtvoll kommenheiten des Reichspräsidenten. Die Ver fassung dürfe nur in den allcrnotwenbigsten Fällen geändert werden. Es sei Bayerns Aufgabe, im kommenden Jahr und in Zukunft den Zerstörungsversuchen schärfsten Widerstand zu leisten. Srr BuMSral ln Men «nelnnlnt LertrSge ml» NeuMand Wien, 89. Dez. Am Dienstag erstattete BundeSrat Dr. Hugelmann im österreichischen Bunbesrat Bericht über die Beschlüsse des Nationalrates auf Genehmigung des HandelS- üertrageS »wische« Oesterreich u»d de« Deutsche» Reich, de» deutschösterretchischen Abkommen« über den kleinen Grenz verkehr und des deutsch-österreichischen Vertrages über die Rechtshilfe in Zollsachen. Er erklärte dabei, es sei sehr bedeut sam. daß nunmehr endlich die handelspolitischen Verhältnisse zwischen den beiden Staaten umfassender als früher geregelt würben. Es sei doch so, wie es schon zwei Kanzler formuliert hätten: Eine Nation in zwei Staaten. Schöner und besser wäre es allerdings, wenn der Weg zu einem Ausbau der handelspolitischen Beziehungen gegangen würde, wie er zwischen Staaten am Platze sei, die von einem Volke bewohnt werden, die durch eine tausendjährige Ge schichte, durch das auf vielen Schlachtfeldern vergossene Blut, durch das in der Nachkriegszeit erlittene Unrecht und die ge meinsamen Leiden verbunden seien. Bundesrat He mala erstattete sodann Bericht über den Beschluß des Nationalrates auf Genehmigung des deutsch- österreichischen Vertrages über Sozialversicherung. Der Bundcsrat beschloß, gegen alle diese Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, so baß sie ge nehm i g t sind. Mer Ml Millionen NMeigMr an Mriagrn überwiesen Berlin. S9. Dez. DaS Reich hat de« Lande Thüringen an Polizcikosten bis einschließlich Januar S ISS 990 Mark über wiese«. In dieser Summe find die Zinsen noch nicht ein begriffen, jedoch besteht Einigkeit darüber, daß diese ge zahlt werden. Dl« Summe der Zinsen soll nach mündlicher Rücksprache i« Berlin errechnet werben. NrenMe Beamt« und Nationalsozialismus Berlin, 89. Dez. In einer kleinen Anfrage mehrerer nationalsozialistischer Landtagsabgeordneter wurde auSgesührt, der Berliner Polizeipräsident Grzesinskt habe öffentlich in einer sozialdemokratischen Versammlung festgestellt, „daß die Behauptungen, die NSDAP, wolle den gewaltsamen Um- stürz, ungerechtfertigt find". Aus diese Behauptung gründet sich aber, wie die Anfragenden weiter sagten, der Ministertal- beschluß, der -en Beamten die Zugehörigkeit zur National sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei verbiete. DaS Staatsmtntsterium wurde gefragt, ob eS bereit sei, diesen Beschluß aufzuheben. Wie der amtliche preußische Pressedienst mitteilt, beantwortete der preußische Ministerpräsident die Anfrage mit et«e» Ausgaben mit den Einnahmen in Uebereinstimmung zu halten. Seit dieser Zeit wachsen mit den Ausgaben die Defizite der öffentlichen Körperschaften. Der sich in diesen Ziffern ausdrückende Umbau des auf privatwirt schaftlicher Grundlage ruhenden Steuer staates in einen sozialistischen Versorgung«- staat kann nicht einmal äußerlich als gelungen angesehen werden, weil er zugleich die Sicherung des Gleichgewichtes in der Ausgabenwirtschast der öffentlichen Körverschaften zer stört hat. Es klingt paradox, baß Deutschland gerade unter dem Druck der Reparationen diejenigen Grundlagen seiner Wirtschaft verlassen hat, die es einst groß und leistungs- fähig gemacht haben: die selb st verantwortliche Tätigkeit der schöpferischen Persönlichkeit in jedem Stande, sei es der des Industriellen» des Kaufmannes, des Angestellten oder de« Arbeiters. Die wachsenden Schwierigkeiten der Nach- kricgsperiode haben zusammen mit dem Staatssozlaltsmus a« Stelle der privaten Initiative, Verantwortlichkeit. An passungsfähigkeit und dem Fleiß des einzelnen Massen organisationen und das immer wettere Ein dringen des Staates in die Sphäre der freien Wirt schaft gefördert. Der Staat sollte den Nöten der Gegenwart abhelfen. Die Inflation raubte einem großen Teil unseres Volkes den bisher bestehenden Schutz der Existenz durch Ber- mögensbesitz und erhöhte so das seit Kriegsende bestehende Gefühl der allgemeinen Lebensunsicherhett. So erklärt sich der Ruf nach immer weiterem Ausbau der Sozialver sicherungen, der von seiten der Massenorganisationen der Arbeitnehmerschaft erscholl. Der Erfolg dieser Forderungen ergibt sich aus der V e r z w a n z I g fa ch u n g der StaatS- zuschtisfe zu den öffentlichen Sozialkörperschaften seit 1918. Die durch daS Anwachsen der Lasten in Ihrer Existenz be drohte Privatwirtschaft antwortete ihrerseits mit Kartellie rung und Vertrustung, um einen vom Gesetz des freien An gebots und der Nachfrage losgelösten Preis zu sichern, der dt« neuen Steuern und Lasten tragbar machte. Weniger begttn- stigte Wirtschaftszweige konnten nur mit Staatshilfe über Wasser gehalten werden. So wuchs im Interessengegensatz der Massenorganisationen naturnotwendig die wirtschaftliche Macht des Staates, der sich zum Schlichter bet AuS- elnandersetzungen auswarf. Natürlich, um einen gefährlichen Machtkampf der Jnteressenorgantsattoueu »« vermeide«. Die