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Schönburger Tageblatt und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für de« Mdtmth zu Waldenburg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kausmann Max Liebezelt; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsburg bei Herrn Juchha'.ter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Calluberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursoorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgaffe 255. LS. Mittwochs den 20. April 1887. Wittcrungsanssichten für den 20. April: Windrichtung um Nordwest. Veränderliches, theilweise nebliges Wetter, Regen nicht ausgeschlossen. Temperatur wenig verändert. Bekanntmachung. Nachdem die Einschätzung des steuerpflichtigen Einkommens im hiesigen Orte beendet und das Ergebniß derselben den Betheiligten bekannt gemacht worden ist, so werden in Gemäßheit der in ß 46 des Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 enthaltenen Bestimmungen alle Personen, welche allhier ihre Beitragspflicht zu erfüllen haben, denen aber der ausgefertigte Steuerzettel nicht hat behändigt werden können, hiermit aufgefordert, wegen Mitthcilung des Einschätzungsergebnisses sich bei der hiesigen Ortssteuer-Einnahme anzumelden. Altstadt-Waldenburg, am 15. April 1887. Der Gemeinderat h. Panitz, Gem.-Vorst. "Waldenburg, 19. April 1887. Der Pariser Revancheapostel Paul Deroulede hat aus Familienrücksichten seinen selbstgeschaffencn Posten j als Präsident der französischen Patriotenliga niederge- . legt, jener Verbindung, deren Lebenszweck es ist, die , Revancheidee und die der Wiedergewinnung von Elsaß- . Lothringen wach zu halten. Die Patriotcnliga hat viel von sich reden gemacht. Deroulede, der sie schuf, ! als sich lein Verleger für seine Gedichte mehr fand, j hat die Gabe eines colossalen Reclametalentes, und ; das hat er weidlich zum Besten der von ihm ins , Leben gerufenen Verbindung ausgenützt. Er hat es, i gestützt auf den Revanchegedanken, verstanden, der ! Patriotenliga einen halbofficiellen Nimbus zu verleihen. Wo in Paris nur etwas Besonderes sich ereignete, wo > es galt, eine Tagesgröße zu feiern und „patriotische" Reden zu halten, immer war die Liga mit ihrem An führer auf dem Posten, der niemals vergaß, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Mehr aber noch! Wenn die Patriotenliga eine Festlichkeit abhielt, um der Revanchelust einen neuen kräftigen Impuls zu ver leihen, dann fanden sich in der Regel Vertreter der hohen Behörden ein, die damit den Einfluß und die Machtstellung der Liga anerkannten. Man hätte viel leicht von maßgebender Stelle Deroulede's ganzes Werk kaum der Beachtung für werth gehalten, wenn es nicht auf den Revanchcgedanken basirt gewesen wäre. Da mit aber trägt sich der Pariser, wenn er nichts Bes seres zu thun hat, gar zu gern, also blieb den ver schiedenen Ministerien sammt und sonders nichts weiter übrig, als Herrn Deroulede die geziemende Aufmerk samkeit zu erweisen, und das hat den guten Mann ge waltig eitel gemacht. Er hat mit allen Kräften und hundert und aber hundert Reden gegen das deutsche Reich gearbeitet, wenn er es von Zeit zu Zeit auch für angemessen hielt, einzuflechten, es sei jetzt nicht an der Zeit, zur Politik der That überzugehen. Politische Bedeutung hat Deroulede nicht im Min desten gehabt; politisch war er ein Phantast, das be weist seine bekannte Reise durch Italien, Rußland und die nordischen Länder „um Deutschland herum," wo er überall gegen das Deutschthum predigte. iWo sich rabiate Deutschfeinde zusammengefunden, bereiteten sie dem Präsidenten der Patriotenliga auch wohl einen großen Empfang; aber Alles das schloß doch nicht aus, daß die ganze Rundreise eitel Narrheit war. Selbst in Paris haben die vernünftigen und besonnenen Leute diesen Ausflug für eine dumme Herausforderung Deutschlands erklärt, die nicht den geringsten Sinn habe. Der französischen Regierung sind die Familien rücksichten Deroulede's somit augenscheinlich sehr ge legen gekommen, denn sie beseitigen einen ihr öfters unbequem gewordenen Schreihals. Freilich, der Eine geht und der Andere wird kommen. Die Pariser müs sen irgend eine Spielerei haben, und an Leuten, die geneigt sind, durch Erfindung einer solchen von sich reden zu machen, fehlte es an der Seine nie. So wird auch jetzt an Bewerbern um die Gunst der Pa riser kein Mangel sein, und für den einen Deroulede werden sich ein halbes oder ein ganzes Dutzend neue Derouledes präsentiren. Der Zug, von sich reden zu machen, steckt in den Franzosen nun einmal drin, und Niemand wird ihn herausbringen. Wir glauben deshalb auch nicht an eine wirkliche Auflösung der Patriotenliga. Ruhiger wird man viel leicht werden, nicht mehr ganz so laut schreien, mehr geschieht nicht. Mag sie auch ruhig weiter bestehen, für das deutsche Reich bietet sie trotz aller Renomma- gen ebensowenig eine wirkliche Gefahr, als ernste Män ner den Lärm von Phantasten zu fürchten haben. Skandal können sie machen, weiter nichts. Dafür haben die Pariser Ligisten auch schon ein Meisterstück geliefert, durch die Beschimpfung König Alfonso XII. von Spanien in Paris, als d .ser nach seiner Ernen nung zum Chef eines deutschen Ulanenregimcntes nach der Seine kam, durch Beschimpfung deutscher Fahnen rc. Sind Leute, deren Treiben die Verachtung der ehrlichen Männer aller Nationen getroffen, zu fürch ten? Gewiß nicht! Darum stehen wir auch Paul De roulede's Abdankung sehr kühl gegenüber und sagen von ihm nur: Er handelte, wie ein Patriot, der sein Vaterland wahrhaft liebt, nie handeln wird!" Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm besuchte am Sonntag Abend die Vorstellung im Opernhause. Montag Vormittag nahm derselbe den Vortrag des Grafen Perponcher entgegen, arbeitete mit dem Geh. Rath von Wilmowski und empfing den russischen Militärbevollmächtigten Ober sten Kutusoff. Vor dem Diner unternahm der Kaiser eine Spazierfahrt. Fürst Bismarck ist am Sonntag Abend mit dem Grafen Wilhelm Bismarck von Friedrichsruhe in Ber lin angekommen. Montag Nachmittag empfing der Kaiser den Reichskanzler in Audienz. Minister von Puttkamer ist am Sonntag aus Italien wieder in Berlin angekommen. Der bayerische Justizminister vr. von Fäustle ist am Herzschlag verstorben. Der Minister, der am Sonntag noch Geschäfte erledigte, ist nur 59 Jahre alt geworden. Er war 1857 in den bayerischen Ju stizdienst eingetreten und wurde 1871 Minister. Er war ein treuer Anhänger des deutschen Reiches. Die Berufung eines allgemeinen Parteitages der freisinnigen Partei soll der „Lib. Korr." zufolge in naher Zeit erfolgen. Ueber die Berathungsgegen- stände desselben ist Genaueres noch nicht bekannt. In erster Reihe dürften natürlich die letzten Reichstags wahlen zur Sprache kommen. Die Bundesrathsausschüsse haben Montag den Nachtragsetat berathen und die Vorlage angenom men. Wahrscheinlich kommt sie schon in nächster Woche im Reichstage zur Debatte, wo aber natürlich Com missionsverweisung beschlossen werden wird. Bei dem Kaisermanöver in Westpreußen soll nach einem Graudenzer Blatt das Haupttreffen am 8. September bei Königsberg unter dem Oberkom mando des deutschen Kronprinzen stattfinden. Beson ders soll die Wirkung und Leistungsfähigkeit des Re- petirgewehres beobachtet werden. An hervorragender Stelle constatirt die „Nordd. Allg. Ztg.", daß Kaiser Alexander von Rußland und Minister von Giers in der Auswärtigen Poli tik völlig einer Meinung seien. „Diese Politik ist eine friedliebende und gegen Deutschland vielleicht gleichgiltige, aber sicher nicht feindliche. Die französi sche Presse schmeichelt sich und den Revanchepolitikern in Frankreich mit der Hoffnung, es werde zwischen Deutschland und Rußland ein Krieg ausbrechen, und dann sei der Moment für Frankreich gekommen, auch seinerseits Deutschland anzufallen. Wir halten es mehr für Frankreich, als für Deutschland nachtheilig, wenn es der Pariser Presse gelingt, diesen Jrrthum in der öffentlichen Meinung zu befestigen und auszu bilden." Weiter schreibt das Organ des Reichskanz lers: „Der Häuptling der PatriotenIHa, Deroulede, hat, angeblich wegen eines Trauerfalles und aus Fa milienrücksichten, den Vorsitz der Liga niedergelegt. Um so größere Thätigkeit entwickelt nach wie vor sein Gesinnungsgenosse, der Kriegsminister Boulanger. Die „Kreuzztg." schreibt: Der Norddeutsche Lloyd hat über die bisher mit den Reichs-Postdampfern gemachten geschäftlichen Erfahrungen einen Bericht er stattet, ans welchem hervorgeht, daß die Voraussetzungen, welche man bei Subventionirung neuer Dampferlinien nach Ostasien und Australien hegte, zutreffend waren und sich zu erfüllen beginnen. Insbesondere hat der Güterverkehr bisher alle billigen Erwartungen erfüllt. Auch das preußische Abgeordnetenhaus nimmt heute Dienstag seine Arbeiten nach den Osterferien wieder auf. Zur Berathung stehen aber nur Peti tionen. Dem Reichstage ist der Gesetzentwurf betreffend die Einrichtung eines orientalischen Seminars wieder zugegangen. Die Kosten sollen darnach vom Reiche und von Preußen zur Hälfte getragen werden. In Hagenau ist der dortige Hauseigenthümer Buch- ! Halter Fuchs als des Hochverrathes angeschuldigt verhaftet und nach Straßburg gebracht worden. Die Erweiterung des Bahnnetzes im äußersten Südwesten des Reiches durch die neu zu schaffen den Linien Leopoldshöhe-Brenner und Weizen-Immen dingen ist, so unbedeutend dieselbe an Länge der Stre cken erscheint, von hoher strategischer Bedeutung. Die Annahme, daß bei einem Angriff Frankreichs auf Deutschland ein Einfall von Belfort aus in den Ober- Elsaß, speciell in der Richtung auf Mülhausen, ver sucht werden könnte, ist eine allgemeine und durch die strategischen Verhältnisse wohl begründete. Da der Ober-Elsaß durch keine Festung geschützt ist, so ist es nothwendig, daß der strategische Aufmarsch der zum Schutz des Ober-Elsaß bestimmten Armee sich in möglichster Beschleunigung vollziehe. Die einzige Zu führungslinie auf dem rechten Rheinufer und den etwa bei Mülhausen gedachten Aufmarschraum ist aber die badische Staats-Eisenbahn Heidelberg-Basel, bis zu deren letzter Station vor der Schweizergrenze, Leopoldshöhe. An diese 250 Kilometer lange wichtige Linie münden von Osten her nur drei Zuführungs linien ein, und zwar in den Punkten Heidelberg, Karlsruhe und Offenburg; auf dem ganzen 120 Kilo meter langen südlichen Theil der Linie, von Offen-