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Mkikmtz-ZkitW Amtsblatt Inserate, welche bet der bedeutenden Auflage det Blattes eine sehr wick same Verbreitung finden, ( »erden mit 10 Pfg. dl« Spalten-eile oder der«» Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionelle« Theile, die Spaltenzeile M Pfg. .Meißerih.Zeitung" erscheint wöchentlich drei- malPlienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich V4 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postgn- palten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- stellungen an. für die Königliche Kmishmxtmannschafi WpMiswnld'e, sowie für di- Migüchm Amtsgerichte md die Stadtrüthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem Verantwortlicher Redacteur: Paul Jehne in Dippoldiswalde. Nr. 88. Sonnabend, den 27. Juli 1889. 55. Jahrgang. Air Schuldstagr im Prozesse des Venera! Koulanger. Man darf, ohne der Uebertreibung beschuldigt zu werden, sagen, daß die politische Welt wohl kaum je ein widerwärtigeres Schauspiel gesehen hat, als es sich gegenwärtig in Frankreich in dem gegen den General Boulanger angestrengten Strafprozesse abspielt. Der Mann, der sich wie der Retter, der Heiland Frank reichs geberdet und allen Ernstes Anspruch auf den höchsten Posten im französischen Staatswesen macht, ist des Attentats auf die Staatsverfassung, des Kom plotts mit geschworenen Feinden der Republik und der Unterschlagung von ihm seiner Zeit als Kriegsminister anvertrauten Staatsgelder angeklagt! Soll man nun annehmen, daß die herrschenden französischen Republi kaner in ihrem Zorne über den verhaßten Gegner Boulanger weit über das Ziel hinausgeschossen und gegen Boulanger eine Anklage konstruirt haben, für welche sich keine genügenden Unterlagen in Boulangers Thun und Treiben finden, oder ist Boulanger wirk lich ein Verschwörer, ein Verbrecher, ein Betrüger? Es wird unter Umständen sehr schwer sein, Boulangers Schuld oder Unschuld zu beweisen, denn der Prozeß gegen den General ist vollständig mit den großen politischen Streitfragen in Frankreich verwickelt und so kann man schon jetzt in Frankreich das ungeheuerliche Schauspiel beobachten, daß die Thaten, welche Bou langers Gegner demselben als Staatsverbrechen und gemeine Vergehen anrechnen zu müssen glauben, von seinen Anhängern gerade als rühmliche und noth- wendige Handlungen des „Retters des Vaterlandes" ausgegeben werden. So kommt es auch, daß die republikanische Presse den Exgeneral Boulanger ein- müthig verurtheilt und von einer Schamrüthe schreibt, die Boulangers schändliches Treiben als Kriegsminister jedem französischen Patrioten in das Gesicht treiben müsse, während die Boulangistenblätter den gegen den General angestrengten Prozeß als ein Lügengewebe und einen gemeinen Racheakt hinstellen, ja Boulanger selbst hat mit seinen beiden Vertrauten Dillon und Rochefort erklärt, daß sie es unter ihrer Würde hielten, auf die Anklageschrift, die eine bloße Schmähschrift sei, irgendwie einzugehen, und daß sie demnächst von dem französischen Volke, das heißt, von den nächsten Wahlen, ihre Freisprechung erwarteten! Tatsächlich ist auch Boulanger bereits in nahezu hundert französischen Wahlkreisen als Kandidat aufgestellt worden und seine Anhänger geberden sich, als ob der gegen ihren Herrn und Meister eingeleitete Prozeß demselben gar nichts schaden könne. Soviel ist aber doch sicher, daß auf einer Seite der sich befehdenden Parteien eine ver brecherische Frechheit und Gemeinheit obwalten muß, denn entweder sind die Anklagen Boulangers und seiner Helfershelfer begründet, und dann sind eben die Boulangisten Verschwörer, Beutemacher, Stellen- jäger und Diebe, oder die Anklagen sind nicht be gründet, nun, so wären eben die Leiter des gegen wärtigen republikanischen Frankreichs ganz infame Schurken und selbst für die Anklagebank reif. Oder sollten in Frankreich die politischen Sitten bereits so weit gesunken sein, daß jede Partei jedes Mittel für erlaubt hält, wenn sie dadurch nur zu Macht und Einfluß gelangen kann? Ist dies der Fall, so wird die Schuldfrage Boulangers vom juristischen Stand punkte gar nicht entschieden, sondern Boulanger wird dann einfach nur nach den Empfindungen, also nach Haß oder Zuneigung, abgeurtheilt, die seine Richter für ihn hegen. Ist aber in Frankreich die politische Moral noch nicht so tief gesunken und läßt man dem Rechte, der Freiheit und der Ehre die Rolle spielen, die ihnen in jedem politischen Prozesse, wenn er ehr lich geführt sein soll, zukommen, dann muß in Bou- langerS Prozesse auch die Wahrheit an den Tag kommen und die Schuldigen zermalmen. Diesem Pro zesse würde dann ein wahrer GesundungSprozrß im » * O öffentlichen Leben Frankreichs, auch zum Segen für Europa, folgen. Ist es aber nicht möglich, die Schuld frage im Prozesse klar und scharf zu entscheiden, so ist der Prozeß ein sehr gefährliches Experiment und dazu angethan, die französische Republik rasch in gefährliche Bahnen zu drängen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 26. Juli. Das Winterkorn ist auf unsren Fluren vollständig abgemäht, theilweise wohl eingefahren, wartet aber größtentheils immer noch auf beständigere Witterung, um völlig auszu trocknen. Wohl thun zeitweise Wind und Sonne ihr Werk, aber immer wieder öffnen die Wolken ihre Schläuche und vereiteln die Hoffnung der zur Einfuhr bereiten Landleute. Wiesen, Klee- und Krautfeldern kommt freilich der Himmelssegen zu gut, und so läßt das Wachsthum der Futterkräuter nichts zu wünschen übrig. Dem Wanderer, dem es an gutem Schuhwerk und einem tüchtigen Schirm nicht fehlt, kann die im Allgemeinen niedere Temperatur zum Fortkommen wohl recht sein, aber die Aussicht leidet ungemein; dennoch ist die Reiselust rege und unsere Züge sind von Aus flügler» stets recht gut besetzt. Die Ferienkolonisten befinden sich, soweit wir davon Kunde erhalten haben, recht wohl und gedeihen in der frischen Gebirgsluft bei freundlichen Wirthen und theilnehmenden Freunden, die sie unter den Sommerfrischlern stets finden, recht erfreulich. — Nächsten Montag unternimmt Herr Kantor Hellriegel mit dem Kirchenchor einen Ausflug nach Altenberg, bei welcher Gelegenheit sowohl in der dor tigen Kirche, als auch in einem Gasthose einige Ge sänge aufgeführt werden. Vor Abgang des Abend zuges wird dieser Chor auch in Kipsdorf einige Lieder singen. * Der freiwilligen Feuerwehr zu Pretzschen dorf, welche sich nach dem Referate in der letzten Nummer dieses Blattes gelegentlich des Brandes bei dem Gutsbesitzer Eckert in Röthenbach am 14. vor. Mts. die erste Löschprämie von 30 M. erworben hat, ist außerdem mit Rücksicht auf ihre beim Löschen des gedachten Brandes entwickelte lobenswert he Thätigkeit die Anerkennung der Königlichen Brandversicherungs- Kammer durch die König!. Amtshauptmannschaft Dip poldiswalde ausgesprochen worden. — Für rechtzeitiges Erscheinen am Brandplatz und erfolgreiche Löschthätigkeit gelegentlich des am 15. vor. Mts. bei dem Gutsbesitzer Zimmermann in Pretzschen dorf entstandenen Brandes hat die kgl. Brandversiche rungskammer der Spritze der Gemeinde Röthenbach, sowie der Spritze der Gemeinde Friedersdorf Prä mien nach Höhe von 30 M. und beziehentl. 25 M. bewilligt. -j- Frauenstein, 25. Juli. Se. königliche Hoheit Prinz Friedrich August traf gestern mit seinem Ad jutanten Freiherrn v. Wagner, inkognito reisend, hier ein und hielt im Rohland'schen Gasthause Einkehr. Beide kamen von Brand und ritten nach Sayda und Schloß Purschenstein. Nach eingenommenem Mittags mahle begab sich der Prinz unter Führung des Herrn Nohland nach der Schloßruine, auf welcher er sich an der herrlichen Fernsicht ergötzte. * Holzhau. Am 22. d. Mts. ist der hiesige 22 Jahre alte Bretschneider Oskar Woldemar Göhler beim Schneiden von Klötzern mit dem rechten Zeige finger in die Gattersäge gekommen und derart verletzt worden, daß Herr vr. Schramm in Bienenmühle zur Ablösung des betreffenden Fingers verschreiten mußte. Lungkwitz. Der hiesige Gasthof ist dieser Tage mit sämmtlichem Inventar an Herrn Fleischermeister Böhme in Colmnitz verkauft worden. Herr Böhme übernimmt die Bewirthschaftung am I. September. Dresden. Nachdem die Granit-Einfaffungsarbeiten am König Johann-Denkmal auf dem Theaterplatze in den letzten Tagen beendet sind, steht dasselbe völlig fertig da und bildet eine neue prächtige Zierde der Residenz. — Am 24. Juli hat man in Dresden mit dem Abbruche des ehemaligen Archivgebäudes begonnen. Die Abbruchsarbeiten dürften sich bei der Stärke der Gewölbe und Mauern nicht leicht gestalten. Mit dem Archivgebäude verschwindet ein Zeuge zahlreicher Hof festlichkeiten, denn dasselbe wurde früher als Opern haus benutzt. — Dem Pirnaer Anz." wird aus Dresden ge schrieben, daß bei den Kapellen beider sächsischer Gre nadier-Regimenter ein Wechsel in der Direktion ein zutreten hat. Herr Musikdirektor Ehrlich nahm seinen Abschied, während Herr Musikdirektor Trenkler plötz lich sistirt wurde, weil er beschuldigt ist, bei Lieferungen von Instrumenten, Musikalien rc. Extravergütungen, genommen zu haben. Der Vorfall — Herr Trenkler wurde, wie man hört, beim Regiments-Obersten durch zwei Feldwebel verhaftet — erregt in der Residenz peinliches Aufsehen. Es wird übrigens auch noch von dem bevorstehenden Rücktritt eines anderen bekannten Leiters einer Dresdner Militärkapelle gesprochen. Bischofswerda. Leichtfertiges Umgehen mit einem Revolver veranlaßte einen bedauerlichen Unglücksfall. Ein zu Besuch hier anwesender junger Mann wurde von seinem Freund aus Unvorsichtigkeit in den Kopf geschossen; der Zustand des Verletzten soll ein sehr bedenklicher sein. Die Kugel konnte bis jetzt nicht ent- - fernt werden. Sebnitz. Für die Fabrikation künstlicher Blumen ist die kommende Wintersaison aller Voraus sicht nach um so günstiger, als die diesen Fabrikaten so vortheilhaste gegenwärtige Mode eine stetige zu bleiben verspricht. Es sind, wie mitgetheilt wird, nicht blos vom Inland«, sondern auch vom Auslande be trächtliche Ordres gemacht worden, welche zu allerdings gedrückten Preisen, die dem Fabrikanten nur einen be scheidenen Nutzen lassen, zur Ausführung gelangen. Das letztere gilt namentlich für sogenannte Maffen- waare; für bessere Blumen, die in ihrer Ausführung wirklich kunstvoll zu nennen sind, hat sich der Preis dagegen gesteigert. Oederan. In einer außerordentlicher General versammlung des ländlichen Spar- und Vorschuß vereins zu Oederan, eingetragene Genossenschaft, wurde die Umwandlung des Vereins in eine Aktien gesellschaft und die Auslösung der Genossenschaft be schlossen. Das Geschäft der Genossenschaft geht nach dem Stande des letzten Rechnungsabschlusses am 1. Februar d. I., aus die zu begründende Aktiengesell schaft, also auch mit dem ca. 80,000 M. starken Reserve fond über und nimmt seinen ungestörten Fortgang. Die Aktiengesellschaft soll am 1. September d. I. ihre Thätigkeit beginnen. Die bisherigen Mitglieder er halten an Stelle ihrer Stamm - Antheile Aktien der neuen Gesellschaft. Das Aktienkapital soll 250,000 Mark, zerlegt in 250 Aktien ü 1000 M., auf Namen lautend, betragen und dürste von den Mitgliedern voll gezeichnet werden, so daß der gesammte Nutzen der Genossenschaft nur deren Mitglieder zu Gute geht. Die Beschlüsse waren einstimmig. Zwickau. In der Kirche im benachbarten Marien thal wurde am vergangenen Dienstag eine Jüdin durch die Taufe in die christliche Kirche, evang.-Iuth. Bekenntnisses, ausgenommen. Markranstädt. Seitens der königl. Amtshaupt- mannschast war der städtischen Verwaltung die sofortige Beschleußung unserer Stadt ausgegeben worden unter dem Hinweis auf die bei dem Mangel einer Beschleußung entstehenden Uebelstände und unter gleich zeitiger Bezugnahme darauf, daß der Aufnahme einer Anleihe zu gedachtem Zwecke seitens der vorgesetzten Behörde keine Bedenken würden entgegengebracht wer den. Der Stadtgemeinderath hat indessen die Noty- s