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VsigÜimWtr Anzeiger. Amtsblatt I «S 9. Rovembrr 1881 Sonnabend. Nir das Kömalicke Berirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträche M ' ' Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. Zweiundflebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diele« Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher Abonnement-preiS, welcher kl-üuuw»r»»ä-> zu entrichte» ik auch bei Beriebuna durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittag« 11 Uhr eingehen, werden in die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen^ lväter ^narbende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Nßr. für die gespaltene LorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Kür die auswärtiaen könial' Gerichtsämter und Stadträthe, sür welche der Voigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Älrgermeister Leh- yur oie Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Lhauffeegelder-Einnehmer Holzmüller. Der wunderschöne October und mit ihm bis jetzt der November, welcher dem Wetter nach immer noch besser ist, als sein Ruf, haben uns Heuer eine Menge von Kranken gebracht. Die Masern, glücklicher Weise meist gutartig, sperren die Kinderwelt hin und wieder auch Erwachsene, ein, während unter den Letzteren die für die Uebergangsjahreszeiten unvermeidlichen Katarrhe, Rheu matismen, Husten und Schnupfen, stark verbreitet sind. Der Wafsernoth hat der wenige Regen durchaus nicht abgeholfen, wenn gleich den Wintersaaten we sentlich unter die Arme gegriffen; die Wassermühlen leiden Noth und mit ihnen die, welche Getreide in Fülle, aber kein Mehl haben zum Backen. Am Rhein, in Westphalen, Thüringen, Hannover rc. sind die Kartoffeln gänzlich mißrathen, und es darf uns daher nicht wundern, wenn sie da, wo sie gerathen sind, wie bei uns, aufgekauft und fortgeführt werden. Die Leute dort wollen auch essen, und wenn vielleicht in Folge dieser Aufkäufe der Preis etwas höher gehen sollte, müssen wir Verzehrer es uns auch gefallen lassen ; es kommt dieß den Erzeugern zu gut. Der Geschäftsgang könnte freilich weit, weit besser sein. Alle Zweige der Baumwollen-Industrie zumal leiden unter dem heillosen ameri kanischen Bürgerkriege, besten Ausgang und Ende vorläufig Niemand abzusehen vermag. Die Baumwolle steigt täglich, weil die Südstaaten von Nordamerika absichtlich kein Loth herüber zu uns nach Europa lasten, um England, das 30 Millionen Spindeln, und Frankreich, das 5 Millionen Spindeln hat, durch das Zurückhalten der Baumwolle zu zwingen, die Südstaaten als selbstständigen Staatenbund anzuerkennen und sich ihrer gegen die Nordstaaten anzunehmen. Ob die Südstaaten dieses Ziel erreichen werden, ist vorläufig noch nicht zu bestimmen ; daß aber England und Frankreich empfindlich unter dem Baum wollenmangel leiden, darüber bringen die Zeitungen täglich Wehklagen, und hat auch der deutsche Zollverein nur 2 Millionen Spindeln, so fühlt manche Ge gend, wie bei uns die Chemnitzer, diesen Mangel doch hart genug. Das Strumpfgeschäft, welches dort fast nur für Amerika arbeitet, liegt schwer dar nieder. Indeß leidet die Baumwollen-Industrie nicht blos unmittelbar unter dem Baumwollenmangel, sondern auch mittelbar, da Rohproduct und Garn täglich steigt, das Fabrikat selbst aber in Folge der mißlichen Weltzustände we niger gesucht und in keinem Berhältniß zum theuern Rohproduct bezahlt wird. Dieselben mißlichen Weltverhältnisse, und unter diesen besonders die nord amerikanischen, lasten auch drückend auf anderen Industriezweigen. In Lyon, dem Hauptsitze der Seidenwaarenfabrikation, stehen Tausende von Seidenwebstühlen still, und wie groß dort die Noth sein mag, geht daraus hervor, daß man dort eine Art „Nationalwerkstätten," berüchtigten Andenkens, einrichten mußte. Der Abzug von Seidenwaaren nach Nordamerika fehlt. Die reichen Nord amerikaner sammt ihren Damen suchten bisher häufig den Mangel inneren Werthes, der so viele drücken mochte, durch unsinnigen Kleiderluxus zu ver decken und waren so die besten Verbraucher aller Luxuswaaren. Der unglück liche Bürgerkrieg hat dieß jetzt fast ganz geändert, und es steht mit Grund zu fürchten, daß die Nachwehen desselben, selbst in dem unwahrscheinlichen Falle, daß er bald beendigt werden sollte, noch viele Jahre hindurch gefühlt werden. Nach Sonnenuntergang zu siehts jetzt wahrlich nicht gut aus. Nach Sonnenaufgang zu nicht bester. Rußland verursacht gegenwärtig jedem Denkenden Sorgen. Durch die menschenfreundlichen Bemühungen des jetzigen Kaisers, aus 22 Mill. Leibeigenen freie Bauern zu machen und dadurch die Kraft des Staates zu vervielfachen, sowie durch dm in Polen gäng und geben Nationalitätenschwindel ist das ganze große Reich in eine Krise gekommen, die möglicher Weise in eine Revolution ausiäuft. Es läßt sich bei den spar samen und abgerissenen Nachrichten von dort her nicht sicher beurtheilen, wie dort die Sachen stehen; aber daß fast auf allen russischen Universitäten die Studenten an der Bewegung sich betheiligen, die Maßregeln der obersten Be hörden unsicher und schwankend, zum Th^il sich widersprechend erscheinen, der mächtige, grundbesitzende Adel, eben der Bauernemanzipation halber, unwirsch ist, — dieß Alles dünkt uns ein schlimmes Zeichen, ein Zeichen, daß man von oben der Bewegung sich kaum oder gar nicht gewachsen fühlt. In Warschau, überhaupt in Polen, dauert das Demonstriren fort. Beamte, die straff eingrei fen, oder gelind auftreten, werden heute und an einem Orte belobt, morgen und an einem andern Orte getadelt und abgesetzt, so daß nicht zu ersehen, ob die Regierung mit Güte oder Gewalt verfahren wissen will. Den Polen in Posen, die ähnliche Mucken herausstecken wollten, hat freilich die Preuß. Regie rung den Daumen ohne Umstände aufs Auge gesetzt; aber die österr. Polen, zumal im Krakau'schen, machen's ihren Brüdern im Königreiche ziemlich genau nach, und es ist die Frage, ob Oesterreich die Kraft findet, sie im Zaume zu halten. Denn Ungarn ist in einem Zustande, der nichts Gutes ahnen läßt. Alle Nachsicht der österr. Regierung scheiterte an diesen Eisenköpfen, die schlech terdings einen Staat für sich bilden und ausmachen, höchstens den Kaiser von Oesterreich zu ihren König haben, aber nicht einen Theil, eine Provinz der österr. Monarchie ausmachen wollen, wie die andern Länder desselben. Ein Nachgeben gegen solche Wünsche wäre eine Theilung Oesterreichs, der wahr scheinlich bald ein Zerfallen desselben folgen müßte, daher es der österr. Regie rung von ihrem Standpunkte aus nicht zu verargen ist, daß sie nunmehr Emst anwendet. Und so befindet sich denn Ungarn gegenwärtig so ziemlich wie im Belagerungszustande. Daneben in den slavischen Provinzen der benachbarten Türkei gährt es und bedarf nur eines Funkens, um in Serbien und Bosnien einen allgemeinen, blutigen Aufstand gegen die Türken hervorzurufen, der in Montenegro und der Herzegowina, mithin in nächster Nähe bereits zu einem blutigen Kampfe sich gestaltet hat, in dem der türkische Feldherr, Omer Pascha, sonst ein tüchtiger Krieger, nichts ausrichten kann, da seine Leute schlecht bezahlt, genährt und ausgerüstet sind. Es kann dort die orientalische Frage urplötzlich um so eher eine lichterloh brennende werden, als aus guter Quelle fortwährend behauptet wird, daß die italienischen und ungarischen Wühlhuber vom adriatischen Meere her ungarische und sonstige Freischaaren ans Land zu werfen beabsich tigten, um die türkisch-slavischen Nordprovinzen und durch diese Ungarn in Aufstand zu bringen. Zeitungen. Sachsen. Chemnitz, 5. Nov. Rath und Stadtverordnete haben beschlossen, beim Ministerium auf Errichtung eines G?werbegerichts in unsrer Stadt anzutragen. — Herr Felßner aus Dresden hat ein an der Zschopauer Straße gelegenes umfangreiches Feldgrundstück für etwas über 20,000 Thlr. zu dem Zweck käuflich erworben, um daselbst ein den Bewohnerverhältniffen der Stadt entsprechendes großartiges öffentliches Gesellschaft-- und Vergnügungshau- zu errichten. In Oberwiesenthal hat es am 1. Nov. bereits geschneit.