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Der SMHeLrMr Tageblatt siirMWoßwerda Ileukinh und Zlmgegend Einzige Tageszeitung im AmtsgerichtsbezM Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Land. Dicht verbreitet in allen Volksschichten. Der Sächsische Erzähler ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekannt- Beilagen: Illustriertes Sonntagsblatt Heimatkundliche Beilage / Frau machungen der Amtshauptmannschaft, des Hauptzollamt» und des Be- üAt und Heim Landwirtschaftliche Beilage. — Druck und Verlag von zirkrschulamls zu Bautzen sowie des Finanzamts und des StalUrms zu Friedrich May, G. m. b. H. in Bischofswerda. — Postscheckkonto Amt BischofsweHa und der Gemeindebehörden bebördlichersests bestimmte Blatt — Dresden Nr. 1821. Gemeindeverbandsgirokasse Bischofswerda Konto Nr. 64 Erscheinuagmuistr Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feier- tag,, »yugvrei, Pir di, Leit ein«, halben Monat»; Frei in, -au« halbmonatlich Mart »C beim Abholen in der Geschäft», stell« wöchentlich « Pfg. Einzelnummer 10 Pfg. (Sonnabend nummer 1V Pfg.) Feruspttcher Amt vischoftwerda Nr. 44« und 445. 8m Fall« von Betriebsstörungen oder Unterbrechung der Beförderung,elnrlchtungen durch höhere Gewalt hat der Be zieh« keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Leitung oder auf Rückzahlung de» Bezug,preise». Anzelgenprei»; Die 4ö mm breite einspaltige Millimeterzeile S Npf. Im Textteil die SO wm breite Millimeterzeile 25 Rpf. Nachlatz nach den gesetzlich vorgeschriebenen Sätzen. Für da. Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmten Plätzen keine Gewähr. — Erfüllungsort Bischofswerda. Slr. 126 ,Sonnabend, den 1. Juni 1935 90. Jahrgang 'System der palamentarischen Demokratie, das man in Pa ris seit über einem Jahrhundert hochgezüchtet hat und das nun zu einem System riesenhafter Betrugsskandale sich ent wickelte. Nur zu deutlich hat man in den letzten Jahren im Staviskyskandal und anderen Affären den Einfluß aller möglichen Dunkelmänner auf die Politik gesehen. Dazu kommt noch der Einfluß der Wirtschaft und der Börse aus den Parlamentarier. Hier sind auch die Hintergründe der Frankenspekulation zu suchen. Gott sei Dank hat uns in Deutschland das Dritte Reich von den „Segnungen der De mokratie" befreit. Eine Störung unseres friedlichen Auf baues durch bestochene und gekaufte Parlamentarier und durch Börsenmanöver ist bei uns ausgeschlossen. Jeder An griff auf die Währung gehört bei uns der Bergangenheit an. Haussuchung bei Pariser UMHrungs- spekulanlen. DNB. Paris, 1. Juni. (Eia. Funkmeldg.) Im Laufe des Freitags hat die Polizei in Banken und bei Privatleuten in 17 Fällen Haussuchungen abgehalten, um Währung»- spekulalionsmanöver aufzudecken, lieber da» Ergebnis und über die Mehrzahl der Namen wird Stillschweigen bewahrt. Auch bei einer Firma, die mit Edelmetallen handelt, erfolgte Haussuchung und die Sundenliste wurde von den llnter- suchungsbeamken eingesehev. — Line Haussuchung fand auch im Büro des Direktors der Zeitung „Petit Journal", die sich in Artikeln für eine Abwertung eingesetzt hak, statt. In einer Mitteilung erklärt -er Direktor der Zeitung. Lejöne, ec habe den Polizeikommissaren seine Scheckhefte und seine Vankbücher zur Einsicht vorgelegt und betont, -aß er weder mittelbar noch unmittelbar, weder für sich noch für jemand anders Franken, Dollars. Pfunde oder sonstige fremde Devi sen gekauft oder verkauft habe. Die Polizeikommissare hätten sich darauf wieder entfernt, ohne irgendwelche Akten mitzunehmen. und praktisch ist sie davor zurückgescheut, den Dornenweg der Deflation Flandins zu gehen. Vergeblich warnte der Ministerpräsident davor, dem Durchschnittsfranzosen, der schon einmal seit dem Krieg« eine Inflation durchlebte, durch ein« neue Inflation «inen Teil seiner Ersparnisse zu nehmen. Vergeblich sagte Flandin, das wär« Feigheit der Parlamentsvertreter. Die Deputierten haben die Feigheit gewählt und sich von den Gruppen bestimmen lassen, die nur «inen Bruchteil des französischen Volkes ausmachen und von den Ersparnismaßnahmen bedroht wurden. Es muß zugegeben werden, daß die ungeheuren Rü- stungsaüsgaben vor allem Frankreich in «ine finanzielle Schwebe getrieben haben, die ein« Krise im Kreise ist und unlösbar erscheint, solange mit den bisherigen Methoden fortgefahren wird. Aber schon die Vollmachten für Flan din hätten wenigstens den Franken gerettet. Man hat ihm nicht das. Vertrauen geschenkt. Die Parlamentarier, vor allem ein Teil der stärksten Partei, die Radikalsozialisten, deren Chef Herriot sich für Flandins Vollmachten ausge- sprochen hatte, schlugen sich seitwärts in die Büsche, und ent zogen sich der Verantwortung. Was will jetzt werden? Man hat davon gesprochen, die Deflationspolitik Flandins sei nur mit diktatorischen Mitteln durchzuführen und würde den Bürgerkrieg bedeuten. Das ist sicherlich übertrieben. Aber eine Abwertung des Franken würde nach allen Erfahrun- gM, die nfan mit der französischen Psyche macht, üngeheu- res UNHiil über die Massen bringen. . Denn der Durch- schytttsfranzose chat nicht die Kaltblütigkeit der Engländers, der Hinter der Regierung stand, als sie die Inflation zügelte und ein Hinaufschnellen der Preise auf dem englischen Bin nenmarkt verhinderte. Der französische Deputierte ist nur das Abbild -es Durchschnittsfranzosen, der im Grunde diszi plinlos ist a. gerade beim Ansturm auf den Franken die Un diszipliniertheit bewies. Denn statt die Spekulanten zu be kämpfen, hmben weite Kreise Frankreichs sich von bezahlten Federn ins Bockshorn und aus dem festen Franken jagen lassen. Das ist die französische Tragik. Di« Gründe dafür sind in Frankreich selbst zu suchen, im Das neue Kabinett zur Rettung des Franken. Paris, 1. Juni. (Eig. Funkmeld.) In der zweiten I Bouisson sind zum erstenmal Minister geworden, und zwar Morgenstunde waren die Verhandlungen de» Mlnisterpräsl- die Abgeordneten Frossard, Perfetty und Ernest Lafont. denken Bouisson beendet. Ls ist folgendes Kabinett gebildet Durch die Hereinnahme eines bisherigen Ältsozialisten worden: j (Frossard) und eines Neusozialisten (Ernest Lafont) sowie durch Heranziehen von Linkspolitikern aus dem Kreise Chautemps-Daladier scheint sich das neue Kabinett vor allem nach links hin verbreitert zu haben. Parteipolitisch bleibt nach der Absage der beiden sozia listischen (marxistischen) Parteien die Mehrheit des Kabi netts Bouisson etwa diesellie, die das Kabinett Flandin zum Zeitpunkt seiner Bildung besaß. (Die sog. Radikal sozialisten sind bekanntlich «ine bürgerliche Partei.) Der Ministerpräsident soll die Absicht baden, in der Kammer am Dienstag die gleichen Vollmachten zu bean tragen wie Flandin sie gefordert hatte und dann einige Tage später — etwa am S. Juni — das Parlament in die Ferien zu schicken. Die Regierung würde dann auf Grund des Ermächtigungsgesetzes die Verteidigung der Währung als ihre Hauptaufgabe betrachten und sich ihr ganz widmen. Im großen ganzen hat die erste Regierung Bouisson eine günstige Aufnahme gefunden. Die Aufnahme des Kabinetts Konisson bei der Pariser Presse. Paris, 1. Juni. (Eig. Funkm.) Die Bildung des Ka binetts Bouisson hat sich am Freitag bis in die Nachtstunden hinausgezogen, so daß die Morgenblätter zwar schon den Regierungschef, aber meist noch nicht die Zusammensetzung des Kabinetts kannten. Die Aufnahme, die der in weiten Kreisen beliebte bisherige Kammerpräsident als Regierungs chef in der Presse findet, ist freundlich. Man gewinnt den Eindruck, daß die Oeffentlichkeit ihm keine Schwierigkeiten in den Weg legen, sondern im Gegenteil dazu beitragen wird, ihm bei der Verteidigung der Währung die bestmögli che Unterstützung zu leihen. Wenn das Parlament die glei che Einstellung beweist, wird Ministerpräsident Bouisson in einer Atmosphäre der Entspannung arbeiten können, die seinem Vorgänger nicht beschieden war. Der „Matin" bezeichnet mit Befriedigung die Tatsache, daß alle Vorkämpfer der Abwertung von der Regierung streng serngehalten worden seien, deren wesentliches Pro gramm die Verteidigung des Franc und die Erlangung der Vollmachten zur besseren Verteidigung der Währung sei. Die gefundene Formel sei ausgezeichnet und beruhigend. Auch „Journal" hebt hervor, daß das Kabinett Bouis son keine Anhänger der Abwertung in sich ausgenommen Ministerpräsident und Inneres: Fernand Bouisson (parteilos): Staatsminister: Caillaux, Senator (Rahikalso- zialist), Herriot, Abgeordneter (Radikalsozialist), Louis Ma rin, Abgeordneter (Rep.-demor. Vereinig.), Marschall P6- tain; Auswärtiges: Laval, Abgeordneter (unabhängig); Justiz: Pernot, Abgeordneter (Rep.-soz. Vereinig.); Krieg: General Maurin; Kriegsmarine: PiStri, Abgeordneter (Linksrepubl.); Luft: General Denain; Handel: Laurent- Eynac, Abgeordneter (radikale Linke); Finanzen: Palmade, Abgeordneter (Radikalsozialist); Nationale Erziehung: Ma rio Roustan-, Senator (Radikalsozialist); Oeffentl. Arbeiten: Paganon, Abgeordneter (Radikalsozialist); Kolonien: Louis Rollin, Abgeordneter (Radikale Linke); Arbeit: Frossard, Abgeordneter (Sozialist); Pensionen: Perfetty, Abgeordneter (Radikalsozialist); Landwirtschaft: Henry Roy, Senator (Ra dikalsozialist); Gesundheitswesen: Ernest Lafont, Abgeord neter (Sozialist); Post: Mandel, Abgeordneter (unabhängig); Unterstaatssekretär bei der Ministerpräsidentenschaft: Catha- la, Abgeordneter (Radikale Linke). Ministerpräsident Bouisson wird sich am Sonnabend um 11 Uhr ins Elysse beaeben, um dem Präsidenten der Repu blik Lebrun sein Kabinett vorzustellen. Die Verordnungen über die Ernennung der neuen Kabinettsmitglieder werden im .Lournal" offiziell am Sonntag erscheinen. Das Kabi nett Bouisson wird sich am Dienstagnachmittag der Kammer vorstellen. Ministerpräsident Bouisson hat im Laufe der Kabinetts bildung dem Abgeordneten Franklin-Bouillon einen Posten als Staatsminister angeboten. Franklin-Bouillon lehnte diesen jedoch ab, und zwar mit dem Bemerken, daß er im Lande seinen Feldzug für die nationale Einigung fortsetzen wolle. * DNB. Part», 1. Juni. (Eia. Funkmeldg.) Das Kabi nett Bouisson ist da« 98. seit Bestehen der französischen Re publik und das 9. der gegenwärtigen 15. Legislaturperiode. Es umfaßt 22 Persönlichkeiten, und zwar 21 Minister und «inen Unterstaatssekretär. Drei Minister sind Senatoren, 14 sind Abgeordnete, S sind Nichtparlamentarier (Marschall Main, Seneral Maurin und General Denain). Neun der Mitglieder des Kabinetts Bouisson gehörten bereits dem Ka binett Flandin an. Drei d« Mitglieder der Regierung Lagesschau. * 2m englischen llnlerhau» wurde am Freitag die Aussprache über die Führerrede fortgesetzt. Außenminister Simon gab dabei eine Erklärung über den Stand der Luftpaktverhandlungen ab. 2n der Aussprache trat die umwälzende Bedeutung der Führer rede zutage. Die Urteile üb« ihren frledeiwfördernden wert wa- ren noch positiv« und die Aufforderung an die britische Negie rung. die Vorschläge Hiller» auszuwerten, noch dringlicher ge. Wochen. * D« neue französische Ministerpräsident Vouisson hak in der Nacht zum Sonnabend da» Sabine» gebildet und heute Sonn abend vormittag 11 Uhr dem Präsidenten der Republik vorgeflellt. * 2n pari» hat die Polizei im Laufe de» Freitag, in Lanken und bel Privatleuten in 17 Fällen Hau»suchungen abgehalten, um währuug»spekulalion»manSv« aufzudecken. Line Haussuchung fand auch lm Büro de, Direktor, der Zeitung „Petit Journal" statt. * 3n der riordirlschen Hauptstadt Belfast kam e, in der Nacht zum Sonnabend wird« zu größeren parteipolitischen Unruhen. - Die indische Provinz Veludschistan ist am Freitag von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden. E, wird befürchtet, daß die Zahl der vps« 100 000 übersteigt. In d« Hauptstadt Quetta allein sollen üb« 20000 Menschen um, Leben gekommen sein. *) Ausführliche* an anderer Stell«. .1 I ! Warum stürzte Flandin? Die französische Kammer hat aus Furcht vor der Ab wertung des Franken den Mann gestürzt, der mit außer ordentlichen Mitteln den Franken halten wollt« und in sei ner Verteidigungsrede ganz offen darauf himvies, daß be- zahlte Kräfte, eine besondere Clique, am Werke seien, um die Abwertungsthese ourchzudrücken. Der gestürzte Mini sterpräsident Pierre Etienne Flandin ist, gemessen am Durchschnittsalter der französischen Politiker, ein vorhältnis- mäM junger Mann, er ist knapp 46 Jahre alt und hat im Laufe seiner parlamentarischen und ministeriellen Tätigkeit sich als etwas freigeistiger denn die Rotte der alten parla mentarischen Garde gezeigt, die aus Augenblickslösungen von Krisen heraus die Gesamtkrise heraufbeschwört. Es ist bezeichnend, daß der Kammerpräsident Bouisson zu dieser alten Gard« gehört. Bouisson ist 62 Jahre alt und er hat bis fetzt nur bewiesen, daß er mit allen Parteien zu verhan deln versteht, wobei unter dem Wust des parlamentarischen Kleinkrams die großen Ziele verschwinden. Flandins Tätigkeit begann am 9. November 1934, nach dem das Kabinett Doumergue über die Schwierigkeiten ge stolpert war, die schließlich auch Flandin den Hals brachen. Flandin versuchte, die notwendig« Staats- und Verfassungs reform zurückzustellen und vor allem die Wirtschaftskrise zu lösen, dm Frankreich heute auszehrt. Aber immer wieder stieß sein Verlangen auf den Widerstand interessierter Grup pen. Denn was bedeutete eigentlich sein Festhalten am Franken? Es war «ine Fortsetzung der Deflationspolitik, also des Strebens, statt einer Inflation des Franken durch Einsparungen den Wert des Franken zu heben. Aber Flan din hatte die Rechnung ohne die interessierten Gruppen ge macht. Denn Einsparungen konnten nur vorgenommen werden an den Beamtengehältern und Pensionen und sie trafen damit den aufgeblähten Beamtenapparat, die Büro kratie Frankreichs, die sich energisch zur Wehr setzte. Wei ter wurden die Invalidenversicherungen, die Bezüge der Kriegsopfer getroffen und die Pensionen der Abgeordneten, die nach zweimaliger Wiederwahl durchgefallen waren und zum Lohn dafür vom französischen Staate eine lebensläng liche Pension beziehen. Alle diese Gruppen sind gegen die Politik Flandins gewesen. Nicht herabgesetzt werden konn ten die Aufwendungen für den Zinsendienst, für Renten und für die Verwattung, da vor allem die Verwaltungs reform nicht in Fluß kam. Es war eine harte Kur, die Flandin vorschrleb. Er hatte das Parlament beim Porte pee gefaßt. Entweder wollte es die Inflation und stürzte ihn — und es ist bezeichnend für die Feigheit des Parla mentes, daß fast alle Deputierten sich gegen eine Inflation wandten — oder es mußte Flandin folgen. Flandin und die Bank von Frankreich hätten durch energische Maßnah men den Franken gerettet und das Damoklesschwert der Strafverfolgung der Frankenbaissiers sollte auf ihre Köpfe fallen. Diese Gefahr für die Spekulanten hat unzweifelhaft die zerfahrene Kammer gegen Flandin geführt. Sie hatte zu ihrem Angriff auf den Franken den 13. Mai gewählt, den Tag, da Laval sich in Moskau vor Stalin verneigte. Das Anwachsen de» Kommunismus in Frankreich war das Signal zu den Angriffen aller Frankenmiesmacher auf die feste Währung, und die Kammer hat im entscheidenden Augenblick versagt, sie hat sich nicht hinter Flandin gestellt