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Wochenblatt für Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnemmtspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Alk. 25 Pf. — Einzelne Nummcrn 10 Pf. Imtsblutt Thorondt, Dosen. Siebenlehn und die Umgegenden. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. 2lmtshauptmannschaft Alsißen^ für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl, LorstrentamL zu Tharandt. No. 82. Dienstag, den 14. Oktober 1890. Bekanntmachung. die Wahl eines Bezirkstagsabgeordneten aus den Höchstbesteuerten betreffend. Herr Baumeister Friedrich Wilhelm Otts hierselbst ist heute als Vertreter der Höchstbesteuerten für die hiesige Bezirksversammlung an Stelle des im Laufe dieses JahreS verstorbenen Herrn Kammerherrn vsn Larlswitz auf Proschwitz gewählt worden. Meißen, am 7. Oktober 1890. Königliche Amtshauptmannschaft. V. Veknnnttnnchnng. Der diesjährige hiesige Herbstmarkt wird Donnerstag, den 1«. und Freitag, den 17. Oktober, abgehalten. Wilsdruff, am 22. September 1890. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Bekanntmachung. Nächsten Sonnabend, den 18. ds. MtS., Nachmittags 6 Uhr sollen auf hiesigem RathSfitzungSzimmer folgende am 1. Oktober a. c. pachtfrei ge wordene, der hiesigen Stadtgemeinde gehörige Grundstücke, als: die rechts an der Nossener Straße gelegene Feldparzelle No. 656 in fünf Abtheilungen, die links an derselben Straße ge legene Hinter-, Mittel- und Vordertriebe, der Grasrand zwischen der Adam'schen und ehemals Pilz'schen Scheune, die Wiese am Gründchen-Wege rechts am Saubache zwischen der Gründchen- brücke und dem Funkischen Grundstücke und endlich die am Pichschuppen gelegene Wiesenparzelle No. 167 in vier Abtheilungen auf sechs weitere hintereinanderfolgende Jahre unter den im Termine bekannt gemacht werdenden Bedingungen öffentlich verpachtet werden. Pachtlustige werden dazu hiermit eingeladen. Wilsdruff, am 13. Oktober 1890. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Aekanntmachung. Nächsten Sonnabend, den 18. d». MtS., Nachmittags um 4 Uhr, sollen am hiesigen Armenhause 7 Federbetten, 7 Kopfkissen, 1 Bettstelle, 2 Laden, 2 Kommoden, 4 Tische, 1 Schrank, 3 Wanduhren, 1 Partie Kleidungsstücke und Wäsche und Anderes meher gegen sofortige Baarzahlung verauktionirt werden. Wilsdruff, am 13. Oktober 1890. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Der deutsche und der englische Arbeiter. — Es ist eine unter den deutschen Arbeitern vielverbreitete Ansicht, daß ihre Kollegen in England wesentlich besser bestellt seien. In dieser Ansicht werden sie von den sozialisti schen Agitatoren bestärkt und es wird ihnen gesagt, daß das gar nickt anders sein könne, weil Deutschland eine Militär monarchie sei, wo der Militarismus den Wohlstand des Volkes untergrabe. Ein genauer Kenner sowohl der deutschen, als auch der englischen Arbeiterverhältnisse, der Engländer Sidney Whitman, ist dieser Ansicht nicht. In einem Aufsatz, den er soeben im Oktoberheft der „Preußischen Jahrbücher" ver öffentlicht hat, tritt er der vielfach verbreiteten Meinung von der Ueberlegenheit der englischen Arbeiter, beziehentlich ihrer besseren Lage als einer grundfalschen entschieden entgegen. Er erklärt: Der engliche Arbeiter habe allerdings keine direkten Steuern zu tragen und keiner Militärpflicht zu genügen, auch genieße er größere Rede-, Versammlungs- und Cooperations- frciheit, sei frei von jeder staatlichen Beaufsichtigung, aber bei all' seiner Freiheit und Selbsthilfe halte sich nur der Starke oben, der Schwache gehe unter. Der deutsche Arbeiter da gegen besitze das freie Wahlrecht, sei vor Verfälschung der Lebens mittel und Getränke geschützt, genieße eine billige Rechtspflege, erlange durch unser Schulwesen eine höhere allgemeine Bil dung, könne viel lel'chter als der Arbeiter im „großgrundbe- sitzlichen England" ein eigenes Haus erwerben und sei durch das großartige staatliche Versicherungswesen ganz anders gegen Krankheit, Noth und Alter geschützt, als der englische. Für die sozialmoralische Erziehung des Arbeiters sei in England weniger geschehen, als in Deutschland. Der kleine Mann im „armen" Deutschland könne auch mehrere Millionen an erspartem Gelde ausweisen, als der Arbeiter im „reichen" Eng land. Was die deutschen Arbeiterführer hauptsächlich verlangen: höhere Löhne und weniger Arbeit, könne ihnen allerdings selbst der Kaiser nicht direkt verschaffen; sie müßten jene Ziele aus sich selbst heraus, durch Hebung ihres Arbettswerthes zu erreichen suchen. Die Disziplin, die bisher in Deutschland von oben herab gewirkt hat, müsse fortan auch von unten herauf die ganze Masse des Volkes durchdringen. Die Bc- thätigung des kaiserlichen Interesses für die Arbeiter habe der Arbeitersache in jedem Lande einen Impuls gegeben, den ihr keine späteren Eventualitäten nehmen können. Eine soziale Gefahr darin zu erblicken, sei wenigstens für diejenigen Länder nicht gerechtfertigt, welche eine gesunde und starke staatliche Gestaltung besitzen. „Die anderen mögen sehen, wie sie da mit fertig werden." Die Schule und die soziale Frage. — Auf dem VI. evangelischen Schulkongreß zu Erfurt tagte auch die Generalversammlung des evangelischen Lehrerbundes, der 30 Zweigvereine umfaßt. Nach ge schäftlichen Mittheilungen hielt Lehrer Peters-Hamburg einen Vortrag über „Die Schule und die soziale Frage". Den Hauptinhalt seiner Ausführungen hatte der Redner der „Weim. Ztg." zufolge in folgenden Leitsätzen zusammengefaßt: 1. Um die gottesfeindlichen und vaterlandslosen Bestrebungen der Sozialdemokratie bekämpfen zu helfen, hat die Schule mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln des Unterrichts und der Zucht dahin zu streben, daß die aufrichtige Gottesfurcht und Nächsten liebe, sowie herzliche Vaterlandsliebe in die Herzen der ihr anvertrauten Jugend Pflanze. 2. Zur Erreichung dieses Zweckes sind die zahlreichen ethischen Momente, die auch die sogenannten weltlichen Lehrfächer, insonderheit Naturkunde, Geschichte, Muttersprache und Gesang, darbietm, wohl zu be achten und sorgfältig zu benutzen. 3. Der Religionsunter richt vermeide alle abstrakten Theorien, halte sich besonders an die Thatsachen des Heils und suche die Kinder stets recht persönlich zu fassen. Insonderheit lege er ihnen ans Herz, daß sie durch die heilige Taufe Kinder und Erben des Himmels sind. 4. Die Schulzucht hat vornehmlich die Aufgabe, die Kinder dahin zu führen, daß sie sich aller von Gott geordneten menschlichen Autorität und Ordnung in freiem Gehorsam gern und willig fügen und die Arbeit ihres irdischen Berufs nicht als ein bloßes Mittel zum Erwerb, sondern als einen ihnen befohlenen Gottesdienst ansehen, den sie mit aller Ge wissenhaftigkeit und Treue, Gott zur Ehre und dem Nächsten zum Trutz, ausrichten sollen. 5. Diesem Beruf kann die Schule aber nur dann nachkommen, wenn sie ganz und gar auf christlichem Boden steht, in christlichem Sinne geleitet wird, und wenn vor Allem die an ihr wirkenden Lehrer von christlichGeist und von warmer Vaterlandsliebe erfüllte Persönlichkeiten sind. 6. Zur Gewinnung und Bewahrung eines solchen Lehrerstandes ist erforderlich, daß die Vorbildung der angehenden Lehrer eine durchaus christliche sei und daß den Lehrern durch eine anständige Besoldung, sowie durch eine der hohen Bedeutung ihrer Aufgabe entsprechende würdige Stellung und Behandlung ihr mühevoller Beruf thunlichst erleichtert werde. Die Besprechung dieser Leitsätze war eine sehr lebhafte. Schließlich wurden dieselben in der vom Redner gegebenen Fassung angenommen. Die Agitation für die Rückberufung der Jesuiten nach Deutschland zieht ziemlich weite Kreise. Die Centrums partei betreibt dieselbe mit großer Energie, und die Petition, welche dem Reichstage unterbreitet werden soll, wird sich zweifel los mit Tausenden von Unterschriften bedecken, aber, wie sich voraussehen läßt, im Reichstage keine Mehrheit finden. Die Jesuitenfrage hat übrigens gar nicht die Bedeutung, welche ihr beigelegt wird; denn wer glaubt, daß es heute in Deutschland keine Jesuiten giebt, isi im Jrrrhum, und eine offizielle Rück kehr des Ordens würde Deutschland weder glücklich, noch un glücklich machen. Die Sache liegt aber so: Es ist kein Grund vorhanden, der Reichsregierung den Willen irgend einer Kon fession aufzuzwingen, und sicher ist, daß die Rückkehr der Jesuiten den Anlaß zu erbittertem Streit zwischen Katholiken und Protestanten geben würde. Deutschland ist übrigens nicht das einzige Land, welches den Jesuiten den Aufenthalt verbietet; auch in Frankreich ist der Orden verboten und vor noch gar nicht langer Zeit ist es bekanntlich in einem kleinen Provinz orte zu einem Krawall gekommen, als hinter dem Rücken der Behörden eine Jesuitenkapelle eröffnet werden sollte. In der Behandlung der Jesuitenfrage muß überhaupt den Zeitverhält- niffen Rechnung getragen werden. Wahr ist, daß gegen den Orden viele schwere Anklagen erhoben sind, wahr ist aber auch, daß ihm eine große Zahl von Männern angehörten, die Großes geleistet haben zur Hebung von Kultur und Förderung der Gelehrsamkeit. Friedrich der Große z. B. beschützte die Jesuiten offen, und Kaiser Joseph wies sie aus Oesterreich - Ungarn aus. Da spielten eben Zeitverhältnisse mit. Die abgelausene Woche hat auf dem Gebiete der europäischen Politik mit der Florentiner Banketredc des Ministerpräsi denten Crispi ein bedeutsames Eretgniß gezeitigt. Der leitende Staatsmann Italiens bemerkte in dieser Kundgebung zunächst, daß er keine Wahlrede halten wolle, und nah« er dann ganz entschieden Stellung gegen den Jrredentismus in Italien und bezeichnete die irredentistischen Bestrebungen als geradezu die Existenz der italienischen Nation gefährdend und erklärte sich Crispi im Anschlusse hieran gegen jede Uebertreibung