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Donnerstag 31. August 1843. WM Deutsche Allgemeine Zeitung. MM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «ebe-vli». sveutfchtanb. * * Aus Mitteldeutschland. Leben wir in einer Ueber- gangrzeit? * Dresden. Berhandlungen der t. Kammer in der ka tholischen Sache. * Frankfurt a. M. Die Diplomaten in Kbnigs- wart. Die Elsenbahnanleibe. Die Beschneidungsfrage. DreuHen. — Berlin. Die Preußischen Offiziere im Kampfe mit den Lscherkessen. Der Oberst v. Hahn. Berun. Ein Corpsmanoeuvre. 'Königsberg. Die Marktplätze an her preußisch-russischen Grenze. 'Posen. Die Judenemancipationsfrage. Die Erzbischofswahlsache. Der neue kirchliche Sinn der Polen. Galizische Briefe. Eine con- fiScirte Schrift. Der UkaS gegen die Juden, v. Grolmann. Die Lernte. KSesiterraich. 'lvien. Lod des Bankiers Biedermann. 'Presburg. Die Magnaten über den Sprachenstreit.— Die Siebenbürgen wollen von den JesUiten nichts hören. ' Paris. Inspektion der Armee. Vergleichsvcrsuchc in Barcelona. Ruhestörungen in Cadiz. WroOKuitanni«». Oberhaus: Preßgesetz. Die Limes an das Mi nisterium in Betreff Irlands. Der Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale find nach London gereist. Marschall Bugeaud über Algerien. Italien. Verschwörung in Bologna. 'Palermo. Die Expedition nach Lampedusa. Ein Gnadenact. > EÄrkei. 'Lmyrna. Die Münzverwirrung. P«Dd«I «rrd Industrie. ' Frankfurt a. M. Börsenbericht. Mag deburg-Leipziger sind Magdeburg-Halberstädter Eisenbahnfrequenz. Berlin. ** Aus Mitteldeutschland, 28. Aug. Daß die historischen oder, weil jetzt Alles auf Politik bezogen wird, die politischen „Pe rioden", wie sie gewöhnlich auf dem Zifferblatt? der Literatur angege ben werd««, der Gliederung, tn welcher vlr «Msachtn eine aus der andern in der Wirklichkeit sich entwickeln, nicht genau, oft gar nicht entsprechen, und haß sie größtenthcilS nur wissenschaftliche Behelfe sind, die Bücher «inzutheilen, gewisse eigenthümliche Zeitabschnitte für die Darstellung zu gewinnen, und die Ereignisse und Gestaltungen jeder Gegenwart auf ein zeitweilig verwaltendes Princip, al- den im „Zeit geist" enthaltenen gemeinsamen Grund der Erscheinungen, zurückzufüh- «n, wird Niemand, der die Welt mit unbefangenen Augen betrachtet, in Abrede stellen. Der Weltgeist hat einen andern Periodenbau, schreibt einen größern Styl, als Geschichtschreiber und Publicisten: daS Leben der Menschheit folgt einer andern, weitläufigern Jntrrpunc- tion als die literarische Oekonomie, welche sich Ruhepunkte bei der wissenschaftlichen Auffassung und Behandlung aufsucht. Da behilft sich denn fast Jeder in seiner besonder» Weise, und parcellirt dasGe- fchichtSfeld, je nachdem es seinem Ermessen nach zutreffend oder sei nen Interessen zusagend erscheint, wo dann noch die Trennung des Politischen, religiösen, socialen undCulttitmoments, oder die Unterord nung dieser Elemente unter den speciellen Gesichtspunkt des Einen oder deS Andern hinzutritt, zur Willkür aljd noch Einseitigkeit kommt. Verwirrung kann unter solchen Umständen nicht ausbleiben. Wollte man die so mannichfaltigst geordneten Truppen der weltgeschichtlichen Thatsachon ohne weiteres in den Grundriss einer wahrhaften-Universal geschichte aufnehmen, müßte es daS wunderlichste Modell voM Welt laufe geben, wo dieser sich in den seltsamsten Kreuzungen und Win keln, in lauter Sackgassen verliefe. Man hat daher behufs der uni versellen Geschichtsbehandlung sich über einige der augenfälligsten Zeit abschnitt« verständigt, und ist übereingekommen, diese auch bei jeder besondern und individuellen Betrachtung dec Zeitereignisse als unver- »erstich« Stundenstriche des politischen Chronometers zu beachten. Die philosophische Methvde macht« «S noch zur Obliegenheit, jedem solchen Zeitabschnitt« sein bewegendes Princip anzubilden, was hauptsächlich der neuen und neuesten Zeit, wo sich mehr Streit von Principien als Ein leitendes Gnmdprimip herao-stellte, ein so buntscheckiges Ansehen gab, dass man hei Beurtheilung von Erscheinungen der Gegenwart es zu vereinfachen suchen mußte. DaS ließ sich machen, wenn mün von dan unversöhnlichen Principien absehend sich an den mehr äußerlichen, Charakter der Zeit hirkt. Di« Definition dieses unauSffrechbaren, zwei deutigen Charakters ist nu« mit einer Redensart umschrieben worden, welche gewissermaßen «in Arcanum aller politischen Adepten au-macht und überall da zur sogenannten Erklärung der auffallendsten und ver- wickeltsten Erscheinungen angewendet wird, wo die Begriffe aufhören. Diese Redensart heißt: „Wir leben in einer Uebergangßperiode." Daß eine solche etwas dunkle Zeitqualität, sobald ihr Postulat sich die allgemeine Zustimmung verschafft hat, auch für die literarische Oekonomie und den philosophischen Schematismus ihre schönen Be quemlichkeiten hat, soll nicht geläugnet werden. Auf einer so immens breitspurigen Heerstraße läßt sich allerdings sehr Vieles ohne großen Aufwand von Kritik fortschaffcn, mit welchem man auf dem dornen vollen Pfade der Forschung nicht so leicht aufräumen könnte. Kurz, aber auch kunstlos, ist der dialektische Proccß, jeden verschlungensten Knoten einer Zeitfragc bloß mit dem Rccurse auf ein Alles in die Strudel seines Zaubers fortreißendes periodisches Zeitstreben durchzu schneiden, ein Recurs, der seine albernen, aber auch seine bedenkli chen, gefährlichen Seiten hat. Zunächst müßten die Adepten, welche sich dieses publicistifchen Elixirs bedienen, in nicht geringe Verlegen heit gcrathen, wenn sie den Zeitpunkt avgeben sollten, von dem ab sich diese „UebcrgangSpcriode" in allen ihren Momenten als solche ent wickelt hat. Sie würden, den Schraubengängen der geschichtlichen Ent wickelungen folgend, weit zurückgehen und abermals weiter zurückge hen müssen und endlich von ganz verschiedenen Punkten der Zeit und des Raums auf die Quellen der Zustände treffen, auS welchen das Wasser im Strome heute gemischt ist, der freilich jetzt wie immer vorüberfließt, aber noch Jahrhunderte strömen mag, bevor er wieder in Katarakten sich überstürzt, wie der durch Christenthum und Völker wanderung veranlaßte Umschwung solche bezeichnet. Wenn aber eine im Einzelnen vielfältig sich umbildende Zeit eine Uebergangsperiode vor- steüt, so gibt es unräkiio- Oick- Menoven ki, all, -lnanv,» durch dringen, sich gebären und verschlingen: die ganze historische Zeit be steht aus solchen. Allein eben diese Zeit, in der wir leben, sie ist reich und mit Schnelle bildend, aber so wesentlich umbildend nicht, wie der unersättliche Umwälzungstrieb, die Blasirtheit, sie ausgeben und sie gern dafür angesehen wissen, sie auch wol dazu machen möchten. Vielmehr erscheint sie dem Unbefangenen und Hoffenden befestigend, stabil im Allgemeinen, wenn auch im Einzelnen schaffend, bessernd und «rgänzend, und, wenn ihr als Zeitabschnitt ein allgemeiner Charakter bei gelegt werden soll, so zu sagen: als „RiederschlagSperiode" der geschicht lichen Weltbildung, welches allerdings für Die, welche durch rastloses Schütteln und Rütteln die politische Heilkraft der Mixtur zu ver stärken wähnen, wenn sie es anerkennen wollten, etwas Niederschla gendes hätte. Insofern jede Zeit in die kommende, andere übergeht, Altes abgibt, Neues aufnimmt im Uebergang, mag man annehmen, daß die Gegenwatt im Uebergange begriffen sei, nicht anders. Er wäre auch eine gefährliche Lehre, daß Alles wippe, auf den Ueber- schwung gestellt sei, also provisorisch, haltlos, Nichtig. Welche Con sequenzen lassen sich davon abziehen! Das Unbehagen, die Unbestän digkeit, die außerordentlich lebhafte Ehr- und Genußsucht, welche Alle Alles wie ein ihnen zustehendeS Recht begehren heißt, der Durst nach Wechsel und Neuem, wie er ruhelos durch die Gesellschaft wogt, welche niemals so viel eitle und saure Schweiße vergossen, gehören allerdings naturgemäß dieser an Mannichfaltigkeit der Tendenzen, Ver hältnisse, Combinationen, Genüsse und Zielpunkte ungemein reichen und in diesem Reichthum fast erstickenden Gegenwart an, sind aber gleichwol nicht von gestern und ehegestern, sondern ihre feinen Keim wurzeln reichen in eine ferne Vergangenheit. Von diesen und andern verwandten Symptomen deS auffallend beschleunigten GeschichtSverlau- feS hat man nun das wahnvollt Wort: daß dieses Zeitalter eine Ueber- gangspttiode sei, gettomnttm ES scheint alle Räthsel der Zeit mit einem Schlage zu lösen und ward zum Schiboletd der rmsonnir«nden Gedankenlosigkeit, der eS zu umständlich und nicht der Mühe verloh nend erscheinen mußte, was sich so obenweg mit «inrr Phrase abfer tigen ließ, in den Tiefen aller jener mannichfaltigen Verhältnisse auf- zusuchen, auf dis der anscheinend Mystisch« Charakter dieser Zeit na- ukllch begründet ist. Bald wat VaS Stichwort der Schule zum Ge meinplatz der Umgangssprache umgearbeitet, und nun konnte eS nicht fehlen, daß die Triebfeder de- allen Thätigktiten eigenthümlichen Fort- bildungSdrange- völlig verkannt wurde, dieser heftigen Triebkraft, welche