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»r.18. Friedrich Heorg Wieck s Der zweite schlesische Gewerbetag. Am 7. und 8. April dieses Jahres wurde in Breslau die Haupt versammlung des schlesischen Central-Gewerbe-Vereins, der zweite schlesische Gewerbetag abgehalten. Der gedachte Verein ist aus dem Bedürsniß hervorgegangen, für die zahlreichen Gewerbe-, Handwer ker- und Vorschuß-Vereine der Provinz Schlesien einen gemeinsamen Mittelpunkt zu schaffen. Es ist seiner Tendenz und seinem Wesen nach ein volkswirthschaftlicher Verein, der für die materiellen In teressen der Provinz in jeder Art einzutreten berufen ist. Er umschließt als Mitglieder nahezu an 40 Provinztalvereine, mehrere Handels kammern und daneben noch eine Anzahl Privatpersonen, die ein war mes Interesse für das Gedeihen der schlesischen Industrie besitzen. Die Geschäfte des Vereins werden durch einen Ausschuß geleitet, der in Breslau seinen Sitz hat, indessen auch in der Provinz eine An zahl Mitglieder besitzt, gewöhnlich die Vorstände der Provinzial- ! vereine. Ein Anklang an englische Verhältnisse liegt darin, daß der erste und zweite Vorsitzende, Berghauptmann a. D. Or. v. Carna ll nnd Kaufmann Laßwitz von hier, Mitglieder des preußischen Ab- geordnetenhanses sind. Organ des Vereins ist das Breslauer Ge werbeblatt. Es war zum diesmaligen Gewerbetage eine ganze Anzahl in- teressanter volkswirthschaftlicher Fragen auf die Tagesordnung ge stellt, von denen indessen wegen der Kürze der Zeit nur eine beschränkte ! Zahl erledigt werden konnte. Sehen wir von solchen Fragen ab, die nur speciell für den Verein Interesse haben können, so gab vor allem der Punkt wegen der Beschäftigung der Strafgefangenen mit Hand werksarbeiten zu einer lebhaften eingehenden Debatte Veranlassung. Diese Frage war durch den Handwerkerverein in Neiße schon im vo rigen Jahre angeregt und auch vom Breslauer Handwerkerverein für die Tagesordnung des diesmaligen Gewcrbetags empfohlen worden. Der Ausschuß hatte cS für seine Pflicht gehalten, diesem wichtigen Gegenstände feine volle Aufmerftamkeit zu schenken, und war so glück lich gewesen, in dem Direktor der hiesigen Gcfangenen-Anstalt, Hrn. Schück, einen durchaus sachverständigen Referenten zur Einleitung der Debatte zu gewinnen. Wir hoffen, daß der geistvolle Vortrag des Referenten, sowie die eingehende Debatte wesentlich zur Aufklärung dieser sehr dornigen Frage beigetragen hat. Der Stand der Dinge ist in Kürze etwa^folgender. Viele Hand werker, die mit Mühe die Concurrenz ihrer Ltandcsgcnoffen aushal- tcn, glauben ihr Interesse sehr wesentlich dadurch beeinträchtigt, daß in den königlichen, provinzialen und städtischen Gefangenen-Anstalten die Gefangenen mit der massenhaften Anfertigung von Handwerks- waaren beschäftigt werden. Sie argumentiren meistens, daß es un recht sei, dem freien ehrlichen Arbeiter, der als Staatsbürger seine Steuern zahle, durch die Gefangenen, welchen der Staat ja eine ge sicherte, von absoluten Nahrungssorgcn freie Existenz verschaffe, das Brot vor dem Munde wegzunehmen. Sie verlangen daher die Be schäftigung der Strafgefangenen zur Urbarmachung wüster Lände reien (in dem Anträge ans Neiße: Regulirung der Oder) oder die Transportation nach überseeischen Ländern. Wenn man gegen mehr oder weniger eingebildete sociale Uebcl kämpft, vergißt man leicht, was Alles schon in solchen Fragen ge schehen ist. Der oben genannte Referent wies gerade hierauf in sei nem Vortrage ausführlich hin. In neuerer Zeit sei diese Frage am sachgemäßesten von dem allgemeinen deutschen Handwerker- und Ar- beitercongreß behandelt worden, der im Jahre 1848 in Darmstadt abgehalten wurde. Man hatte dort ebenfalls auf Verwendung zur Urbarmachung und auf Transportation angetragen. Ein gleicher An trag wurde an die preußische Nationalversammlung und das preuß. Ministerium gestellt, und nach sehr eingehenden Untersuchungen von der betreffenden Commission folgende Grundsätze ausgestellt: Die Sträflinge müssen nothwendig beschäftigt werden, um einer seits Zucht und Ordnung in den Anstalten aufrecht zu erhalten, an- dcrntheils zu verhindern, daß die Haft zerstörend auf Körper und Geist wirke, wie dies bei Mangel an Arbeit sicher und in kurzer Zeit geschehen würde. Die Art der Arbeit betreffend, so muß sie möglichst eine solche sein, welche die Sträflinge nach verbüßter Haft fortsetzcn können, um nicht durch Noth zu neuen Verbrechen getrieben zu wer den. Um die.Kosten der Anstalten für den Staat resp. die Steuer zahlen nicht mehr als nothwendig zu steigern, ist die Auswahl solcher Arbeiten zu empfehlen, die eine lobnende Verwendung der Arbeits- kräfte gestatten. Der bei größerem Fleißc mögliche Ucbcrverdienst wirkt sehr vor- theilhaft, indem er die Gefangenen an Ordnung und Thätigkeit ge wöhnt und die nöthigen Disciplinarstrafen wesentlich vermindert. Die Untersagung aller Arbeiten, die der freie Gewerbebetrieb lie fert, ist nach obigem unthunlich, auch ist die gefürchtete Beeinträchti gung gering, da nach genauen statistischen Ermittelungen die Zahl der Sträflings-Handwerker im äußersten Falle 2,'/iy«/<, der freien Arbeiter beträgt, meistens unter 1 o/„ bleibt. Die eigenen Bedürfnisse der Strafanstalten müssen gegenseitig