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und die das kompositorische Grundmaterial für alle Fabeln bildet, wird allmählich immer mehr reduziert. Die verschiedenen Stimmen enden zu unterschiedlichen Zeiten mit Repeti tionen eines Tones. Damit begräbt die Melo dik ihre Ausdrucksfähigkeit; es triumphiert die Härte von Pauken und Schlagwerk. In Fabel 4 Der Schäfer und die Nachtigall versucht sich immer wieder eine — vielfach an die Worte .Singe doch' gekoppelte — Melodik großer Intervalle gegen die hartnäckige gleichartige Störfunktion des gedämpften Blechs (mit Repetitionen und kleinen Intervallen) sowie des Schlagwerks urchzusetzen: Scheinbar vergeblich! I, am Ende — zunächst gleichsam unhörbar — eine große melodische Linie der Streicher und später der Bläser doch die Oberhand ge winnt, mit einem leise verklingenden Schluß zum Nachdenken auffordernd.'' Lessing-Fabeln Der Bär und derElefant „Die unverständigen Menschen!" sagte der Bär zu dem Elefanten. „Was fordern sie nicht alles von uns besseren Tieren! Ich muß nach der Musik tanzen, ich, der ernsthafte Bär! Und sie wissen doch nur allzuwohl, daß sich solche Possen zu meinem ehrwürdigen Wesen nicht schicken; denn warum lachten sie sonst, wenn ich tanze?" „Ich tanze auch nach der Musik", versetzte der gelehrige Elefant, „und glaube, ebenso ernsthaft und ehrwürdig zu sein als du. Gleich wohl haben die Zuschauer nie über mich ge lacht; freudige Bewunderung bloß war auf ihren Gesichtern zu lesen. Glaube mir also, Bär, die Menschen lachen nicht darüber, daß du tanzest, sondern dar über, daß du dich so albern dazu anschickst." Die Grille und die Nachtigall )h versichre dich", sagte die Grille zu der iTachtigall, „daß es meinem Gesang gar nicht an Bewundrern fehlt." — „Nenne sie mir doch", sprach die Nachtigall. — „Die arbeitsamen Schnitter", versetzte die Grille, „hären mich mit vielem Vergnügen, und daß dieses die nützlichsten Leute in der menschlichen Repu blik sind, das wirst du doch nicht leugnen wollen?" „Das will ich nicht leugnen", sagte die Nach tigall, „aber deswegen darfst du auf ihren Beifall nicht stolz sein. Ehrlichen Leuten, die alle ihre Gedanken bei der Arbeit haben, müssen ja wohl die feinem Empfindungen fehlen. Bilde dir also ja nichts eher auf dein Lied ein, als bis ihm der sorglose Schäfer, der selbst auf seiner Flöte sehr lieblich spie let, mit stillem Entzücken lauschet.“ Die Schwalbe In den ersten Zeiten war die Schwalbe ein ebenso tonreicher, melodischer Vogel als die Nachtigall. Sie ward es aber bald müde, in den einsa men Büschen zu wohnen und da von niemand als dem fleißigen Landmann und der unschul digen Schäferin gehört und bewundert zu wer den. Sie verließ ihre demütigere Freundin und zog in die Stadt. — Was geschah? Weil man in der Stadt nicht Zeit hatte, ihr göttliches Lied zu hören, so verlernte sie es nach und nach und lernte dafür — bauen. Der Schäfer und die Nachtigall „Singe doch, liebe Nachtigall!" rief ein Schä fer der schweigenden Sängerin an einem lieb lichen Frühlingsabend zu. „Ach", sagte die Nachtigall, „die Frösche machen sich so laut, daß ich alle Lust zum Singen verliere. Hörst du sie nicht?" „Ich höre sie freilich", versetzte der Schäfer. „Aber nur dein Schweigen ist schuld, daß ich sie höre." Sergej Prokofjews Arbeit am 3. Kla vierkonzert C-Dur op. 26 erstreckte sich über mehrere Jahre. Erste Pläne des Kom ponisten reichten bis ins Jahr 1911 zurück, 1913 wie auch 1916 und 1917 folgten weitere Versuche, doch erst 1921 wurde die Komposi tion unter Einbeziehung zweier Themen eines „liquidierten" Streichquartettes in das Finale abgeschlossen und erlebte ihre Uraufführung am 16. Dezember 1921 in Chicago mit Pro kofjew als Solisten. In der Sowjetunion ge langte das Konzert im Herbst 1923 zur Erstauf führung. Der sowjetische Musikwissenschaftler Boris Assafjew äußerte, daß das Werk „unge wöhnlich klar und weitgespannt klingt, rus sisch, wenn es auch nicht direkt nationale Themen enthält, keine beabsichtigten Stilisie rungen ... In diesem Konzert hat die außer ordentlich reiche Begabung Prokofjews jene Stufe der Entwicklung und der Ausdrucksfülle erreicht, auf der sich das nicht erkaltende Feuer jugendlichen Temperaments, verwegener Anruf und herausfordernder Ton kecken An stürmens vereinigt mit beginnender männlicher Reife und Weisheit." Nach Angaben des Kom ponisten ergibt sich folgende Einführung in das geistvoll funkelnde, heitere, von kraft voller, lebensbejahender Vitalität erfüllte Werk: „Der erste Satz beginnt mit einer kurzen Ein leitung (Andante), in der ein lyrisch-melancho lisches Thema von der Soloklarinette gespielt und von den Violinen einige Takte weiterge führt wird. Doch bald wechselt das Zeitmaß zum Allegro. Sechzehntel-Passagen der Violi nen führen zur Aufstellung des kraftvoll-bril lanten Hauptthemas im Klavier, das dann zwischen Orchester und Solisten weJtergespon- nen wird. Eine unbegleitete Akkordfolge des Klaviers leitet das ausdrucksvolle zweite Thema ein (Oboe mit Pizzikatobegleitung), das später vom Klavier übernommen und ver arbeitet wird. Am Höhepunkt des Satzes än dert sich das Zeitmaß (Andante), und das Thema der Einleitung erklingt fortissimo im vollen Orchester. Auch das Klavier tritt hinzu. Die Wiederaufnahme des Allegro-Terhpos bringt Haupt- und Seitenthema in brillanter Ausarbeitung. Ein mitreißendes Crescendo bringt den Satz zum Abschluß. Den zweiten Satz bildet ein Thema mit fünf Variationen. Zuerst erscheint das tänzerisch marschartige Thema im Orchester (Andantino). Die erste Variation löst sich in einer Triller kette des Klaviers auf, die beiden nächsten Variationen werden von brillantem Passagen werk des Solisten und thematischen, zum Teil karikierenden Einwürfen des Orchesters be stimmt. Die nächste Variation ist verhalten und poetisch, die Schlußvariation kraftvoll und energisch. Nochmals erklingt das Thema im Orchester, von glitzernden Akkordketten des Klaviers verziert. Das Finale (Allegro man non troppo) beginnt mit einem staccato-Thema der Fagotte und pizzicato-Streicher, das vom ungestümen Ein satz des Klaviers unterbrochen wird. Ein span nungsreiches und harmonisch kühnes Konzer tieren hebt an. Schließlich bemächtigt sich der Solist des Hauptthemas und steigert es zu einem Höhepunkt, dem nach Rückgang von Tempo und Lautstärke ein neuer Holzbläser gedanke folgt. Auch das Klavier bringt ein neues Thema, das in seiner beißenden Ironie dem Charakter der Komposition entspricht. Nach einer Verarbeitung des neuen Materials beschließt eine brillante Coda das Werk." Uber sein populärstes Werk, den Bolero, schrieb Ravel ; „1928 habe ich auf Wunsch von Frau Ida Rubinstein einen .Bolero' für Orchester komponiert. Es ist ein Tanz in sehr gemäßigter Bewegung und stets gleichförmig, sowohl in der Melodie und der Harmonie wie in seinem Rhythmus, den die Trommel unauf hörlich markiert. Das einzige Element der Ab wechslung bringt hier das orchestrale Cres cendo." Das Werk, das man einmal treffend ein „erstaunliches Karussell der Klänge" ge nannt hat, wurde zum erstenmal am 20. No vember 1928 zusammen mit „La valse" als Ballett in der Choreographie Ida Rubinsteins an der Pariser Oper aufgeführt. An diesem Tage trat es seinen wahrhaft triumphalen Weg durch die Konzertsäle der Welt an, seinen Schöpfer schlagartig berühmt machend, der es auch selbst gern dirigierte, eigenartig trok- ken, gleichförmig, beinahe langsam im Tempo. Die Interpretation des „Bolero" hat die sikwissenschaft vor ein interessantes ProtOB gestellt. Nennt ihn Roland-Manuel eine „Spie lerei seines Schöpfers", so wirft der Musik wissenschaftler Jules van Ackere den Begriff „Mystifikation" in die Debatte, erwähnt aber zugleich selbst die Möglichkeit, daß es sich auch um eine einfache Schaustellung einer faszinierenden Kenntnis des Orchesters han deln könnte. Suares vermeinte sogar, im „Bo lero" das klingende Bild des unheilbaren Leidens zu sehen, das Ravels Verstand an seinem Lebensabend zerquälte, eine Art tra gischen Totentanzes, das Bekenntnis eines Alpdruckes. Diese Deutungsversuche streben bewußt über die Angabe des Komponisten hinaus, der seinen „Bolero" lediglich als In strumentationsstudie auffaßte. Obwohl diese Bescheidenheit sehr für den Autor spricht, hat er doch mit dem Werk sehr viel mehr gegeben, ein faszinierendes, auf wühlendes Stück Musik, genial in seiner lei de nschaftiich-vibrierenden Steigerung der Dy namik vom pp zum ff, in den raffinierten Instrumentationskünsten. Der Reiz des „Bolero" liegt in der unaufhörlichen, hartnäckigen Wie derholung seines stereotypen zweiteiligen spanischen Tanzthemas (etwa im Sinne Padilla) und des zugrunde liegenden Bol^W Rhythmus über siebzehn Minuten lang bei gleichbleibender Tonart in den Bässen, mit nur geringfügigen Änderungen, ohne Durch führungen, wobei bei jeder Wiederkehr der Motive diesem rasanten Orchestercrescendo eine neue Farbe hinzugefügt wird. Erst kurz vor dem abrupten Schluß wird auch eine andere Tonart erreicht. Gewöhnlich ist die Klangfarbe ein Mittel, die Melodie plastischer zu gestalten — im „Bolero" steht sie so im Vordergrund, daß ihr sogar das Thema unter geordnet ist. Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Spielzeit 1980'81 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 2,85 T. ItG 27-81 EVP 0,25 M 9. PHILHARMONISCHES KONZERT 1980/81