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Wöchentlich erscheinen drei Nunimern. PrZnumcrotivnS-Preis 22 Z Silbcrgr. (5 Ldlr.) vicrteliährlich, Z THIr. snr dar ganz-Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preuliischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Literatur- Blatt in Berlin in der Erpcdition der AUg. Pr. Staats>Zeitung sFriedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie in, Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 38. Berlin, Mittwoch den 29. März 1843. Spanien. Die Gatomachie oder der Katzenkrieg. Von Lope de Vega. In einem platonischen Dialoge stellt Sokrates die Ansicht auf, daß, wer besondere Anlage für das Tragische oder Furchtbare habe, auch vorzüglich geeignet scy, das menschliche Leben von seiner komischen oder lächerlichen Seite aufzufaffen. Diese Behauptung ist keineswcgcS so paradox, wie sie beim ersten Anblick erscheint, und findet auch in der Literaturgeschichte mehrfache Be stätigung. Derselbe Homer, welcher den Zorn Achill's und die Irrfahrten des UlpsseS sang, feierte auch (?) den Krieg der Frösche und der Mäuse. In demselben Spanien, wo das erste Heldengedicht des Mittelalters, der Cid, entstand, finden wir auch das erste burleske Gedicht über den Streit zwischen Don Carueval und Donna Fastnacht. Und wieder in Spanien sang, einige hundert Jahre später, der Dichter des eroberten Jerusalems auch „die Liebe, die Kämpfe, die Abenteuer zweier tapferer Kater". Die Gatomachie steht bei den Spaniern in großem und wohlverdicn. tem Ansehen. Der Dichter hat die Hauptpersonen mit den lebendigsten Farben geschildert, mit ungemeiner Kunst charakterisirt, mit reizender Anmuth bis zum Ideal erhoben. Marrainaqniz, ernst und streng, erinnert uns an Afar oder Tankred; Mizifuf, ungestüm, hitzig, stolz, unbändig, ist Achill oder Rainald; Zapaguilda, leichtsinnig und kokett, aber dennoch liebenswürdig und verführerisch, ist Helena oder Armive. Die Composition ist vortrefflich ; und in der Ausführung, in diesen fortwährenden Parodiccn der alten Dichter, welche Leichtigkeit! welche Heiterkeit! welch treffender Witz! Freilich begün stigt auch die Spanische Sprache selbst, mit ihrer natürlichen Pracht und Würde, den Dichter außerordentlich, welcher Kleinigkeiten pomphaft dar stellen und kleinen Geschöpfen die Gefühle und Leidenschaften epischer Helden leihen will. Die Gatomachie erschien IstZ» in einem Bande burlesker Gedichte. Lope hatte aus religiösen Bedenken aufgchört, für das Theater zu arbeiten. Weil er nun nicht wünschte, eine derartige Sammlung unter seinem Namen zu veröffentlichen, dennoch aber als Berfaffcr derselben bekannt sepn wollte, gab er sic unter dem Namen Tome de BurgnilloS heraus, den er bereits zwölf oder fünfzehn Jahr früher angenommen hatte bei Gelegenheit eines literarischen Streites über die Selig- oder Heiligsprechung des heiligen Isidor. Außerdem verrieth er sich durch die Dedication an den Herzog von Scffa, seinen Gönner, und durch die Vorrede, in welcher er mit gewohnter Heftig keit die schlechten Schriftsteller seiner Zeit angriff. Und die Tensoren des BnchcS, beide ihm befreundet, lüfteten in ihrer Approbation den Schleier völlig. Der eine, Valdivieffo, nennt diese Gedichte „ein glückliches Erzeugniß eines großen Geistes"; der andere, der berühmte Quevedo, welcher vermuth- lich glaubte, daß diese Andeutung noch nicht klar genug sep, sagt, „der Stil dieser ausgezeichneten Gedichte gleiche ganz und gar demjenigen, den man bisher nur in den Werken Lope de Vega's bewundert habe." Und jeder Vers verrieth auch die Hand des Meisters. Es war gewiß nicht ein Mensch in ganz Spanien, der nicht schon bei der ersten Seite nach der damals gewöhn lichen Formel gerufen hätte; „'s ist von Lope so« üv l-ope)!" — Dennoch hat später ein naiver Spanier diese Gedichte unter dem Namen Tome de BurgnilloS herausgegebe». Weil von der Gatomachie wohl kaum eine Uebersetzung vorhanden ist, außer der allzu freien Bearbeitung in der ttlbliollchque üo« Uomaiw, lassen wir einen AuSzng folgen aus der Französischen Prosa-Uebersetzung des Herrn Damas Hinard, dem wir auch die vorstehende Litcrar-Noliz verdanken. Erster Gesang. Der ich einst Wald und Flur besang, und Krieg und Schlachten; ich will nun mit heiterem Liede feiern der Liebe trauliches Kosen und ihre verzehrende Wuth. Begeistert mich, Kastalische Musen, zu preisen den Krieg, die Liebe, die Abenteuer zweier tapferer Kater! Was staunt ihr? Wenn so viel Menschen sich den Hunden ergeben, darf ein Dichter sich nicht den Katzen weihen? Wie olfl hat eine Katze uns getröstet über den Undank der Fürsten und über die Launen des Glücks! Schon war der Frühling erschienen. Der Zephpr umspielte die Natur mit süßem Fächeln. Flora streute mit reicher Hand Blumen über die ganze Flur. An einem solchen Frühlings-Morgen saß die schöne Zapaguilda, glatter als ein Klosterkätzchen, auf dem Firsten eines Daches und leckte ihr zartes Kleid und ihren Schwanz. In Ermangelung eines Spiegels, betrachtete sie sich in ihren Gedanken und sah sich reizend. Und als sie sich wohl gewaschen und geputzt hatte, sang sie mit halber Stimme ein Lied, so schön, daß selbst Orpheus sie beneidet haben würde. Zur selben Zeit sah Marramaquiz, ein edler Römischer Kater, der erste und größte Kater der Welt, der eben so stolz war als verliebt, und dessen kriegerisches Aeußere ein schöner Schnurrbart und zwei Augen, glänzend wie Karfunkel, noch erhöhten, seinen Schildknappen Minet, einen Kater der Manch«, herbeikommen. Minet pries ihm die Schönheit und Liebenswürdigkeit Zapa- quilva's und entstammte ihn zu heißer Liebe. Marramaquiz versuchte, seine natürliche Schönheit noch durch ein wenig Toilette zu erhöhen. Ec legte prächtige Beinkleider an, elegante Schuhe, einen niedlichen Halskragen und einen reichen Degen. Um die Schultern warf er einen Scharlachmantcl nach Französischem Schnitt. Das Haupt bedeckte eine Sammetmütze, geschmückt mit einem dreifarbigen Federbusch, der aus drei Federn bestand, welche unser Held von einem Papagei erbeutet hatte. Darauf bestieg er sein Pferd, eine im letzten Kriege gefangene Aeffin, und ritt davon, wie Roland zur schönen Angelika. Als ihn das Fräulein hcrankommen sicht, nimmt sie eine würdevolle Haltung an. Sie schlägt die Augen nieder, leckt sich die Lippen, wie ein naschhaftes Kind, das eben seine Buttcrscmmel aufgegeffcn hat, senkt scham haft ihren Schwanz und hüllt sich gleichsam vollkommen in einen Schleier von Bescheidenheit. — Marramaquiz steigt ab, nähert sich, den Hut in der Hand, und beginnt von seiner Liebe zu sprechen. Sic crröthct verschämt. Da geschieht plötzlich ein Knall. Ein Nachbar hatte mit Hasenschrot nach den Gästen geschossen und die arme Aeffin getroffen. Mit tragischem Mauzen entfliehen Kater und Katze über Böden und Dachrinnen. Während Marramaquiz fortfuhr in dem Bestreben, sich Zapaquildcns Liebe zu gewinnen, hatte der Ruf von ihrer Schönheit, Anmuth und Tugend beide Hemisphären durchflogen. In allen Ländern wurden die Herzen der Kater bewegt. Sie eilen herbei zu Fuße und zu Pferde, mit der Post und selbst zu Schiffe. Zuletzt gab cs kein Dach, keinen Schornstein mehr, wo nicht ein verliebter Kater mauzte und seufzte; und mehr als einer fiel in schwärmerischer Zerstreuung vom Firsten auf die Straße. Unter dieser zahllosen Menge von Fremden war auch ein Kater Namens Mizifuf angekommen. Seine Brust und Füße waren weiß wie Schnee, sein Rücken schwarz wie eine Kohle. Wegen seiner Gewandtheit, seiner Tapfer keit und seines Schwanzes war er als ein Mars und Apollo unter den Katern weit und breit berühmt. Kaum hatte er die schöne Zapaguilda gesehen, als se!» ganzes Dasepn in dem Gedanken an sie aufging. Tag und Nacht durch streifte er unaufhörlich das Dach, welches sie bewohnte, mit einem großen Gefolge von Pagen und Lakaien; und, die undankbare Kokette! sie vergaß Marramaquiz und die Treue, welche sie ihm geschworen hatte. Unruhe und Eifersucht warfen den unglücklichen Marramaquiz aufs Krankenlager. Endlich wurde Zapaquilda's Herz gerührt. Sie ging ihn be. suchen und brachte ihm zur Stärkung eine Gänsepfote und einige andere Leckerbissen. Der Kranke mauzte zärtliche Vorwürfe und rührende Klagen und senkte darauf sein Haupt in tiefer Bctrübniß. Zapaguilda, erschreckt von seinem Schluchzen und seinen Seufzern, fürchtete, daß ihm eine Ader springen könne, und mit freundlich erhobenem Schwänze strich sie ihm zweimal über das Antlitz. Dies genügte, ihn wieder zu sich selbst zu bringen. Und mit süßer Stimme setzte sic dann noch hinzu: „WaS quälst du dich und mich? Mizifuf betet mich zwar an, aber ich liebe nur dich und bleibe dir ewig treu." Darauf schloß die schöne Zapaguilda ihren Rosenmund: denn die Fräulein sprechen in solchen Lagen nicht viel; und sie thun wohl daran, denn sie be sitzen in Licbcsangclcgcnhcitcn nicht die Erfahrungen der Frauen und Witwen. Die Nacht begann bereits ihren Sternenmantel über den Himmel zu brei ten, die Vögel hatten ihr Geschwätz beendet, und die Liebenden trennten sich, nachdem sie sich höflich mit den Schwänzen begrüßt hatten. Zweiter Gesang. O Eifersucht! Was für Unheil hast du schon gestiftet! — Der tapfere Marramaquiz erholte sich allmälig von seiner Krankheit und spazierte, noch bleich, auf dem Dache unserer Undankbaren. Ach! darf man je solchen Koketten vertrauen? Die reizende Zapaguilda saß auf ihrem Balkon und erwartete Mizifuf, als ein Page und weitläufiger Verwandter desselben, Namens Garraf, ankam. In einer Hand trug er einen bedeckten Teller, in der anderen einen Brief.