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Wöchentlich erschein«« drei Nummern. Pränumeration?-Preis 22j Sitbergr. Tdlr.) oierteljährlich, 3 THU. für ^a» ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen LdeNcn der Preußischen Monarchie- Magazin für die Pränumerationen werden von icter Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Camp., Iägcrilraße Nr. 28), so wie von allen jkönigl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 83. Berlin, Dienstag den 1Z. Juli 1847. Portugal. Portugal im Jahre 1847. Skizzen aus dem Tagebuch eines englischen Reisenden. .... Die Entfernung zwischen Badajoz und Lissabon beträgt ungefähr 120 (engl.) Meilen, die man auf einem sogenannten Carro, von zwei Maul eseln gezogen, zurückzulegcn gezwungen ist, wenn man, wie ich, des Reitens unkundig ist. Die Bewohner von Badajoz haben nie das Vergnügen ge nossen, sich in einem auf guten Springfedern ruhenden Wagen zu wiegen. Auch würde ihnen ein solcher zu nichts nützen, da sie keine Straßen haben. In der That bemerkte ich auf der Fahrt von Badajoz nach Elvas nicht die geringste Spur von menschlicher Arbeit. Selbst über die Flüsse giebt eS keine Brücken. Als wir den Guadiana durchfuhren, waren die Maulthicre des hohen WaffcrstandeS wegen fast zu schwimmen genöthigt. Der Capa dagegen, welcher die Gränze zwischen Spanien und Portugal bildet und den man im Anfänge des Frühlings nicht ohne Boot pasfiren kann, war fast ganz ausge trocknet. Fünf bis sechs schwarze Schweine, die, nach Nahrung suchend, seine steinigen Ufer umwühlten, würdigte» uns weder einer Aufmerksamkeit, noch setzten sie unserem Eintritt in Portugal das geringste Hinderniß entgegen. Als Wächter war ihnen ein kleiner sonnverbrannter Junge zugesellt, der in einem so tiefen Schlafe lag, daß wir seine ganze Heerde hätten einfangen, schlachten, einsalzcn oder braten und verzehren können, ehe er aufgewacht wäre. ES war das erste menschliche Wesen, dem wir in Portugal begegne, ten, und galt mir schon im voraus als die leibhaftige Personifikation des portugiesischen Charakters. Eine Stunde vor Elvas kamen wir vor einem Pachthofe vorbei, rings mit bebauten Feldern umgeben, die wir ohne Weiteres überschritten, ohne daß uns irgend Jemand davon abzuhaltcn oder daraus einen Vorwurf zu machen versucht hätte. So wenig eifersüchtig find die Portugiesen auf ihre Eigcnthumürcchte. Jenseits dieses PachthofcS hat die traurige, wüstenartige Gegend, die wir bisher durchschritten hatten, ein Ende, und wir traten jetzt in ein schönes, mit Weinstöcken, Oelbäumen, Orangen und Zuckerrohr be pflanztes Thal ein-, denn wir näherten uns Elvas, dessen Thürme wir schon lange aus der Ferne gesehen hatten. Seine eigenthümliche Kathedrale, seine weißen Gebäude und hohen Festungswerke traten immer deutlicher hervor. Zu beiden Seiten des Weges erstreckten sich üppige Kornfelder. Elvaö ist eine der stärksten Städte Portugals. Obgleich selbst hoch gelegen, erheben sich doch hinter ihm noch höhere Berggipfel, deren höchste und am nächsten ge- legcnc gleichfalls befestigt sind. Uebcr die Nützlichkeit der Befestigung von Elvas sind die Ansichten getheilt. In der That bedürfen sie im Fall des Krieges einer Besatzung von ungefähr 10,WO Mann, eine Menge, die Por tugal bei dem jetzigen Zustande seiner Armee nie darauf verwenden kann. Wie sehr daher auch die portugiesischen Zeitungen die Werke von Elvas rühmen und sie mit denen von Badajoz vergleichen mögen, so dienen sic doch beinahe nur zur Verschönerung der Landschaft. Außerdem ist die Gränze nach allen Seiten hin an diesem Punkte so offen, daß eine Angriffs. Armee in keinem Falle gezwungen scpn dürfte, sich mit der Belagerung aufzuhalten. Als die Franzosen Portugal cinnahmen, ließen sie nur eine sehr schwache Be satzung in Elvaö. Mein Carrero hatte mich in eine Posada oder Estalagem geführt, die von einem gewissen Jose Rosada gehalten wurde. Vergleicht man eine por tugiesische Herberge mit einer spanischen, so erscheint die letztere als ein wahres Paradies, „wso I« nmlr!" (Es ist Nichts vorhanden!) so lautet die unveränderliche Antwort eines portugiesischen Wirthes, wenn man durch das böse Schicksal in die Nothwendigkeit versetzt wird, ihn um eine Mahlzeit an- zugehcn. wäo I« nusa! war denn auch die Antwort Jos« Rosada'S, als ich das Unglück hatte, in seine Posada zu gerathcn; indessen stellte er doch ein Huhn zu beliebigem Gebrauch. Ich begnügte mich, um Thee und Eier zu bitten , und machte sodann, während dieses frugale Mahl bereitet wurde, in Begleitung zweier Soldaten, dem General-Gouverneur, Baron von Estrc- moz, einen Besuch. Denn weder der mit der Untersuchung der Pässe beauf tragte Beamte, noch der die Wache kommandirende Offizier waren im Stande, meinen Namen zu enträthseln und auSzusprcchen. Sie hatten daraus den Schluß gezogen, daß ich ein gefährlicher Mensch scy, ein kompromittirter Spanier, der falsche Papiere bei sich führe, ein Feind der Montpenfier'schcn Heirat. Ich ließ mich ohne großen Widerstand arretiren und zum Gouver» neur führen. Der Saal, in den ich eintreten mußte, war mit jungen Offi zieren von gebildeten Manieren angefüllt, die augenscheinlich fast sämmtlich aus altadeligcn Familien stammten. Als mir mein Paß nach vorhergegan- gencr Prüfung unter höflichen Entschuldigungen zurückgegebcn wurde, erwie- derte ich in portugiesischer Sprache, daß ich den Vorfall bereits vergessen hätte. Da entstand ein allgemeines Staunen. Alle umringten mich und be drängten mich mit Fragen. „Wie, Sie sprechen Portugiesisch, wie haben Sie das gelernt? Wunder bare Sache!" — „„Das darf Sie nicht wundern, meine Herren"", ent gegnete ich. „„Ich lerne fremde Sprachen mit außerordentlicher Leich tigkeit."" Die Unterhaltung wurde bald sehr lebendig. Ich mußte auf tausend Fragen antworten. Zuletzt trat ein alter Offizier auf mich zu, der bisher noch nichts gesagt hatte, und fragte mich mit großem Interesse nach Neuig keiten aus Spanien; wie viele Provinzen sich ausgesprochen u. s. f. Die Einen redeten mir von Peel und Palmerston, die Anderen von Coabding; diese wollten meine Meinung über Abdelkader wissen, jene äußerten den Wunsch, meine Ansichten über die Frage des Freihandels zu erfahren. End lich rief eine Stimme: „Und Ihr Irländer O'Connell?" — „„Er ver sucht"", erwicderte ich, „„eine Revolution durch Reden hcrvorzubringen."" — „Ah!" rief jene Stimme zurück, „eine Revolution com pslsvrss! Welcher Scherz!" Ein allgemeines Gelächter folgte diesen Worten. „Tenor", fragte mich der Aeltestc aus der Gesellschaft, nachdem sich der Sturm etwas gelegt hatte, „können Sie mir wohl sagen, ob der Roman- dichter Bulwcr und der Gesandte dieselbe Person ist?" — „„ES find Brü- der"", gab ich zur Antwort. — Dies« Erklärung erregte allgemeines Er staunen. „Wie soll man sie denn von einander unterscheiden?" — „„Der Eine"", sagte ich, „„heißt Bulwer Lptton, der Andere Lytton Bulwcr. Das ist der ganze Unterschied."" — Das Erstaunen war auf den höchsten Grad gestiegen, „kousa singulär! llousas üe lnglsrerr»!" riefen sie mit einfäl tiger Miene. Aber während sie einander diese Erklärung zu erklären versuch ten, nahm ich Abschied und kehrte in meine Posada zurück. Obgleich alle Einwohner von Elvaö mich aus ihre Ehre versichert hatten, daß mein Führer, der berühmte Manoel Alberto, der rechtschaffenste Mann im Königreich scy, so herrschte aus den öffentlichen Straßen doch so wenig Sicherheit, die Revolutionen waren so häufig und die Diebe so zahlreich, daß ich drei Unzen Gold in mein Halstuch versteckte, damit mir, im Falle ich das Unglück haben sollte, angcfallen und auSgeplündcrt zu werden, nicht die Mittel fehlten, nach Lissabon zu gelangen, ohne mich dahin betteln zu müssen. Meine Uhr, meine Kostbarkeiten und Kleidungsstücke hatte ich zu Wasser da hin vorausgeschickt. Außerdem hatte ich, in der Absicht, sie dem ersten Ban diten anzubietcn, der mich darum ansprechcn würde, ein Paar Pistolen, eine tombackene Uhr, eine Börse voll Silber- und Kupfergcld und einen kleinen Vorrath von Zigarren zu mir gesteckt. In dieser Weise auf jeden Vorfall gerüstet, bestieg ich Manoel's Carro und verließ ElvaS. Eine Stunde hinter Elvas ist das Land mit Bäumen und Häusern bedeckt und die Gegend reizend; aber was besonders die Aufmerksamkeit des Reisenden auf sich zieht, ist ein prächtiger römischer Aquädukt, der von einem entlegenen Hügel die Stadt mit Wasser versorgt und sich über ein nicht weniger als eine Stunde langes Thal hinwegzieht. Die Zahl seiner Stockwerke ist nach der größeren oder ge. ringeren Erhebung des Bodens, auf dem er ruht, verschieden. Wo das Thal am tiefsten ist, hat er vier Stockwerke von beträchtlicher Höhe- Portugal besitzt die drei schönsten Aquädukte auf der ganzen Erde, mit Ausnahme des zu Segovia in Alt-Kastilien; sie befinden sich zu Evora, zu Elvas und zu Lissabon. Sollte man es für glaublich halten! Auf der am meisten in die Augen springenden Stelle dieses römischen Meisterwerks hat Donna Maria das königliche Wappen von Portugal eingraben lassen, mit der Inschrift: „Vonn« Mris II,, »nno üomini 1846." Etwas Aehnliches hatte ich schon zu Merida bemerkt. Im Jahre 1610 ließ Philipp lv. an der schönen römischen Brücke von Merida einige Ausbesserungen vornehmen, nach deren Beendigung der Triumphbogen mit dem spanischen Wappen verziert wurde. Als ich diese Brücke überschritt, hatte der Maioral die Unverschämtheit, mich zu versichern, sie sey von den Spaniern erbaut Worden, wobei er zur Bestätigung seiner Worte auf die glänzende Inschrift wies. Man spricht von dem Bau einer Eisenbahn zwischen Lissabon und Bada joz. In der That würden nur wenig Hügel zu durchstechen, wenig Flüsse zu überbrücken und wenig Thäler auSzufüllcn scpn. Die Nivcllirung dcS Ter rain» würde fast Nicht» kosten. Aber welche Interessen könnte eine Gesell.