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Sächsischer Landes-Anzeiger : 20.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188711207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18871120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18871120
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-20
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 20.11.1887
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Nr. 269. — 7. Jahrgang.— Sächsischer auf die Kör»«, nm be- TodeS- mögen ind zum Nerven- Zungen- ttsmus; Besund- ren und Mensch 1 richtig ing und »Iidhelt; cks Safe Verkauf -Depot: Kranken är der itäten, L772 vorA«-- «088, tiivi-, «IE., liraner- lavl», 1886. ", ken, ^nge, » »I», er» - !» I. Pretsni, >t. an, es, iu>, Heg. Toncert- felnem Etui Ht. JllustrMe Unmdarx. früh 7 tthr. »«"täglich einm, besonderen Unter- ».Nungsblatte und mit dem Lxtrabeiblatt Bilderbuch kostet bei den Ausgabe« ».gen monatlich 7« Pfg-, bei den Post- iup" ten 7b Pf. iZtgS.-PreiSliste Nr- 4850.) MAbonnentenerschcintjeeinmalimJahr: »idler-l zlsiftr. 1 . . ... .-llluprirtedIabieSbilchderLander-rlnzeigerS. Lmiiiks-Kilseizkr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Sonntag, 2«. November 1887. ,,,et^^,^.S,chftÄvi»rr.»i«toAr Raum «mir schmalen tlorpuSzeile 15 Wa. Bevorzugt« Stelle (Ispalt. PetitzeilelSO W. BeiWiederholung großer AnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von AuSwärtS wolle man . Mttiltr Me. Buchdruckeret, Lhemniy. Iheaterstraße 5 (Fernsprechstelle Nr.180). Telegr -Adr-: LandeS-Anzeiger, Lhemnktz. Mit täglich einem besonderen t Sächsisches Allerlei - UnterhaltnngsbltM: i Kleine Botschaft — 2 Sächsischer Erzähler — 3 Sächsische Gerichts-Zeitung 5 Jllnstrirtes Unterlialtnngsblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Telegraphische Nachrichten. Vom 18. November. Pest. Gegen den Fürsten Ferdinand ist ein wahrer Scandal- prozeß im Zuge. Der hiesige Agent Philipp Waldapfel reichte that- sjchlich eine Klage gegen den Fürsten von Bulgarien und den Grafen Eugen Zichy ein. Waldapfel erklärt, er sei im ordentlichen Aufträge mit Lebensgefahr 8 Monate lang in geheimer Sendung im Interesse des Fürsten thätig gewesen. Er habe hierfür blos 450 Napoleond'ors erhalten, was kaum seine Eigenlasten deckt. Waldapfel fordert als Honorar für seine erfolgreichen Dienste 10,000 Fl. und verspricht, dem Gerichtshöfe alle erforderlichen schriftlichen Belege beibringen zu wollen. Paris. Das gestrige Duell Rocheforts mit Maroux vom „6ri äu ?onx1s" fand statt, weil Rochefort die Directorin des „6ri äa Zonxlo", Madame Severine, beleidigt hatte. — Der neue Poli- zeipräfect Bourgeois hat die Geschäfte übernommen. — Das Justiz ministerium leitet interimistisch der Minister des Innern. Petersburg. Trotz fortgesetzten Wüthens über die anti- lufsischen Maßregeln Bismarcks, denen theilweise die Schuld an der fürchterlichen hiesigen Börsenpanik beizumessen ist, sowie unter gleich zeitiger Betonung des rein familiären intimen Charakters der Entre- vue leuchtet ln den Artikeln der Petersburger Presse die Hoffnung durch, daß eine Besserung der deutsch-russischen Beziehungen durch die Entrevuc eintretcn möge, ein Wunsch, der sicherlich auch beide Monarchen beseele. London. Die liberalen Abgeordneten von London hielten gestern eine Versammlung und beschlossen, sofort nach dem Zusammcn- Irilt des Parlaments die Rechtsfrage wegen des Abhaltcns öffent licher Versammlungen und Umzüge, sowie der Redefreiheit zur Sprache zu bringen. Politische Rundschau. Chemnitz, den 19. November. Deutsches Reich. Aus San Remo. Das Allgemeinbefinden des Kronprinzen ist ununterbrochen ein günstiges. Der Schlaf ist sehr tief und stärkend. Der Kronprinz äußerte dieser Tage eines Morgens zu den Aerzten, er wünsche, daß ihre Nachtruhe ebenso gut gewesen sei, wie die seine. Ueber die allgemeine Theilnahme äußerte er sich in rührender Weise. — Professor Virchow in Berlin hat am Freitag den vor einigen Tagen erfolgten Eiterauswurf des Kron prinzen zur mikroskopischen Untersuchung erhalten. — Der „Voss. Ztg." wird aus San Remo telegraphirt: Der Kronprinz befand sich inn Freitag wohl, er beklagte nur das Verbot des Ansgchens. Um elf Uhr halte die Kronprinzessin trotz des Regens eine viertelstündige Unterredung im Garte» mit Lr. Howell, welcher mir darauf ver sicherte, Alles gehe bestmöglich, die jüngste Krisis sei völlig nber- standcn. Gegenwärtig sei keinerlei Gefahr einer plötzlichen Ver schlimmerung vorhanden, vr. Howell und vr. Krause führe» die Behandlung in völliger Uebereinstimmung. — Der Zar in Berlin. Gestern gegen »/zll Uhr Vor mittags lief der kaiserliche Extrazug, dem Prinz Wilhelm von Preußen bis Wittenberge entgegengesahren war, in die Halle des Lehrter Bahnhofes in Berlin ein, wo die russischen Majestäten von der Prin zessin Wilhelm von Preußen, dem Großherzog von Mecklenburg und den in Berlin anwesenden Prinzen begrüßt wurden. Ans der Fahrt zum Botschafterhvtel saß der Zar mit dem Prinzen Wilhelm im ersten offenen Wagen. Der Zar trug den grauen russischen Militärmantel über der preußischen Uniform, auf dem Haupte den Helm mit wallen dem Fcdcrbusch. Sein von dichtem Vollbart umgebenes Gesicht sah recht wohl aus. Unaufhörlich dankte er auf die Grüße und Hochrufe. Prinz Wilhelm saß in seiner Hnsarcminiform mit recht ernstem Ge sichte neben dem kaiserlichen Gaste. Im zweiten, geschlossenen Gala wagen saßen die Kaiserin Maria Fcodorvwna und die Prinzessin Wilhelm, dann folgten in langer Wagenreihe die übrigen Fürstlich- ' keilen. Kaiser Alexander schritt die vor dem Botschaftshotel ausgestellte Ehrenkompagnie des Alexander-Regiments ab und ließ dann dieselbe vorüberdefiliren. Im Prächtig geschmückten Botschafterhause begrüßte Paul und Paula. Novelle von Helene Stöckl. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Er wollte sich zu Paul neigen, aber dieser erhob sich schnell, and Constantin sah, daß jeder Blutstropfen aus seinem Antlitz ge wichen war. „Du bist unwohl," rief er, erschrocken aufspringend. „Nein, nur die Morgenluft macht mich schaudern." Er begann hastig auf dem Verdeck auf- und abzugehen. „Und Du antwortest nicht auf meine Frage?" fragte Constantin, an seine Seite tretend. „Doch, doch, ich will antworten, aber nicht gleich, nicht jetzt. Lasse mir Zeit." Paul sah in heftiger Bewegung zu ihm auf. „Wie Du zitterst, die Nacht war zu kühl für Dich, Du solltest für eine Weile hinunter in die warme Kajüte gehen." „Laß mich nur hier bleiben. Sieh, wie hell es dort im Oste» wird. Die Sonne muß gleich aufgehen." , Sie lehnten über die Brüstung des Schiffes und sahen zu, wie die Dämmerung mehr und mehr von dem jungen Tag verscheucht wurde. Eben war die Sonne über dem Horizont ausgetaucht, als Paul plötzlich, in die Ferne deutend, rief: ' „Was ist das? Ist das Venedig?" „Das ist Venedig. Die Spitze, die Du erblickst, ist der Thurm von San Marko." „Und dort und dortl O sieh, wie die Kuppeln und Thürme sich glänzend auS der Flnth erheben." Sie näherten sich dem Lido und fuhren an ihm vorbei in die Weite Bucht des Hafens. HauS an HauS, Palast an Palast, Kuppel an Kuppel tauchte j Venedig vor ihnen auf, von den Strahlen der Morgensonne mit so I frischem Jugendglanze umkleidet, als sei es heute noch die mächtige, stolze Dogenstadt, die Herrscherin der Meere, zu deren Füßen Könige huldigend lagen. ,O, wem» L« wüßtest, wie ich gewünscht habe, Venedig zu unser greiser Kaiser seinen Großneffen. Beide Monarchen waren tief ergriffen. Der Zarin küßte der Kaiser galant die Hand. Dann fand die Begrüßung durch die in Berlin gegenwärtigen Prinzessinnen statt. Mittags statteten die russischen Majestäten dem Kaiser Wilhelm im Palais einen Besuch ab. Der Zar machte dann auch den übrigen Fürstlichkeiten eine Gegenvisite. Ueber die traurige Krankheit des Kronprinzen äußerte sich der Zar in so teilnehmender und herzlicher Weise, daß Kaiser Wilhelm nur mühsam seine tiefe Bewegung ver barg. Dem Gesuche des Zaren ist cs auch zuzuschreiben, daß Abends die in Aussicht genommene Galaoper unterblieb. Herr von Giers, der nach Berlin zu kommen wünschte, ist vom Zaren nicht dorthin befohlen, so daß also alle politischen Erörterungen fortfielen. Eine ge wisse gedrückte Stimmung ließ sich trotz aller Theilnahme nicht ver bergen; die Nachrichten aus San Remo haben eben zu schweren Eindruck ansgcübt. Um fünf Uhr Nachmittags fand im kaiserlichen Palais Galatafel von hundert Gedecken statt, zu welchem außer den zahlreichen Fürstlichkeiten der Reichskanzler und seine Gemahlin, Graf Herbert Bismarck, Minister von Pnttkamer, der russische Botschafter, der dänische Gesandte, Generale rc. geladen waren. Bei der Tafel stießen beide Kaiser mit ihren Gläsern an. Später war Familicnthee im Palais. Abends ^10 Uhr traten die russischen Gäste vom Pots damer Bahnhofe aus ihre Abreise an. Prinz Wilhelm und seine Gemahlin und eine Reihe von Fürstlichkeiten waren zur Verabschie dung anwesend. Der Zar war von einer größeren Zahl russischer Gardeosfiziere begleitet, deren bunte Uniformen sehr beachtet wurden. Alles in Allem kann man sagen: die Begrüßung der Fürstlichkeiten war eine r echt herzliche; auch die Bevölkerung hätte sich wärmer ge geben, wenn eben nicht — San Remo gewesen wäre. — Prinz Heinrich von Preußen wird wahrscheinlich heute Sonnabend zu seinem Vater nach San Remo reisen. Der Prinz versteht es besonders gut, seinen kranken Vater anfzuheitern, daher wohl die Reise. — Der „Reichsanzcigcr" bringt an der Spitze des amtlichen Thciles folgende Mittheilnng: Aus Anlaß der jüngst bekannt ge wordenen betrübenden Nachrichten über die Krankheit Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen hat sich im ganzen deutschen Vaterlands und weit über dessen Grenzen hinaus die wärmste Theilnahme kund gegeben. Nicht nur das schwere Geschick, welches über den künftigen Thronfolger verhängt, sonder» auch die harte Prüfung, welche da durch über Se. Maj. den Kaiser und König, wie über das ganze Königliche Haus gekommen ist, hat aller Orten tiefes Mitgefühl hervorgcrufen. Dasselbe hat in zahlreichen Eingaben, welche nicht nur aus allen Theilen des deutschen Reiches, sondern auch auS dem Anslande, insbesondere aus Oesterreich, Rußland, Frankreich, Belgien, Holland, England, Italien, Spanien er., bei Sr. Majestät in diesen Tage» eingcgangen sind, unzweideutigen Ausdruck gefunden. Sr. Majestät werden dabei die verschiedensten Heilmittel und Heilverfahren empfohlen, eigene Lebenserfahrungen bei ähnlichen Leiden mitgetheilt, sowie Rathschlägc für die fernere Behandlung des Kranke» gegeben. Se. Majestät sind von dieser allgemeinen Liebe und Theilnahme für Allerhüchstihrcii Herrn Sohn tief gerührt und haben zu befehle» ge ruht, daß dies zur Kcnntniß aller Betheiligtcn gebracht werde. — Alle evangelischen Gemeinden in Preußen sind jetzt zur Abhaltung von Fürbitten für den Kronprinzen amtlich anfgcfordert. Im Bezirk Oppeln werde» in allen Schulen Gebete avgchalten werden. — Fürst Bismarck, so wird berichtet, hat in Berlin zahlreiche Besuche empfange», mit mehreren Ministern und Mitglieder» des diplomatischen Korps konferirt und eine Reihe von Anordnungen getroffen, ans denen man schließen will, daß der Kanzler vielleicht doch nicht lange dort verbleiben, sondern bald wieder nach Fricdrichs- rnhe znrückkehrcn werde, um erst für Neujahr wieder zu längerem Aufenthalt nach Berlin zu kommen. Römische Blätter sagen sogar, es sei nicht unwahrscheinlich, daß der Kanzler dem Kronprinzen in San Remo einen Besuch abstatten werde. — Der Reichstag wird sich jedenfalls in seiner kommenden Session mit gesetzgeberischen Maßnahmen für Elsaß-Lothringen zu befassen haben. Besonders wird es sich um den Entwurf bctr. die Einführung der Rcichsgewerbeordnung in Elsaß-Lothringen handeln. sehen," rief Paul. „Schon als Kind nahm das Sehnen in die Ferne mein ganzes Sein gefangen. Ich konnte in Thronen aus brechen, wenn ich Rom, Venedig, Neapel nur nennen hörte. Und jetzt sollen diele Namen keine leeren Worte für mich bleiben, sondern Wesen und Leben gewinnen? Ich soll sie betreten und ihre Herr lichkeit sehen dürfen? O, Constantin," er wandte sich mit feuchtem Auge zu ihm, „verstehst Du nun, warum ich das Leben liebe?" — „Venedig ist die herrlichste Stadt unter der Sonne!" rief Paul, als er am Nachmittag desselben Tages mit Constanlin in einer offenen Gondel den Canal grande entlang fuhr und die düster präch tigen Paläste desselben, seine orientalisch-phantastischen Häuser und seine marmornen Kirchen an seinen Augen vorüberziehcn ließ. „Unter der Sonne?" wiederholte Constantin, „sage lieber: in der Sonne. Du kennst Venedig im Regen nicht." „Ob im Sonnenschein oder im Regen," protestirte Paul, „Venedig muß immer schön bleiben." »Ich hoffe, Du wirst Dich während unserer Anwesenheit hier nicht vom Gegcntheil überzeugen müssen. Ich werde den Eindruck nie vergessen, den Venedig auf mich machte, als ich es zum ersten Male sah. Ich kam von der Landseite, von Mcstre her und stieg bei strömendem Regen hier aus. Der düstere Bahnhof, die schmutzigen schlüpfrigen Stufen zum Wasser hinab, die geschlossenen Gondeln, welche schwarzen Särgen täuschend ähnlich sehen und in denen man zusammengekauert sitzen muß, das trübe Wasser der Canäle, die un heimliche Leblosigkeit und Stille der Stadt, die geschwärzten Häuser mit den ausgebrochenen Fensterkreuzen, den verrosteten eisernen Thoren und den schlammüberzogenen Thürschwellen, das Alles war nicht ge eignet, mir eine günstige Meinung von Venedig beizubringe». Venedig ist eben eine Schönheit, die man nicht im Neglige auf suchen darf." „Für mich ist und bleibt fie die Königin im Purpurmantel und Diadem." „Die aber Beides bei schlechtem Wetter ablcgt." „Ich möchte Venedig im Regen sehen, nur um Dich widerlegen zu können." „Du weißt nicht, was Du Dir wünschest! Wasser von oben, Wasser von unten, das ist zu viel. UebrigenS haben wir vorläufig — Das Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutz gebieten wird jetzt im auswärtigen Amt in Berlin ausgearbeitet. An den Berathungen nehmen auch Vertreter der verschiedenen deutschen Kolonialgesellschaften theil. — Die Getreidczollvorlage für den Reichstag ist bereit- in Berlin ausgearbcitet. Sie erhöht die Kornzölle von 30 auf 60 Mark pro 1000 Kilo. Entsprechende Sperrmaßregeln werden ebenfalls vorgeschlagen. — Auf der Spandauer staatlichen Gewehrfabrik ist plötzlich der Betrieb in vollem Umfange wieder ausgenommen worden. Vom Montag ab wird Tag und Nacht gearbeitet. Es werden im Ganzen wohl ca. 1000 Mann eingestellt. — Eine geheime sozialdemokratische Versammlung wurde in einer entlegenen Wirthschaft zu Barmbeck bei Hamburg von der Polizei überrascht. 70 Personen wurden sistirt, aber bis auf bekannte Berufs-Agitatoren wieder entlassen. In dem Versammlungslokal wurden Listen, verbotene Schriften rc. mit Beschlag belegt. Frankreich. Debattelos und fast einstimmig, wie vorauszu sehen war, hat die Deputirtenkammer die gerichtliche Verfolgung Wilsons wegen seiner Brieffälschungen und Unterschlagungen be schlossen. Zu gleicher Zeit ist der in die Sache mitverwickelte Polizeipräfect Gragnon seines Amtes entsetzt worden. Dieser be hauptet aber laut, die eigentlichen Urheber der Briefaffaire seien zwei Minister, und er scheint nicht ganz Unrecht zu haben, denn der Justiz- minister Mazeau ist bereits zurückgetreten. Das übrige Ministerium und auch Präsident Grovy wollen auf ihren Posten bleiben. Ob fie es aber können, ist eine ganz andere Sache. Heute Sonnabend wird in der Kammer ein Mißtrauensvotum gegen das Kabinet Rouvier erhoben werden, und fällt das Ministerium, stürzt Grevy zweifellos nach. Als künftiger Präsident wird schon ganz öffentlich der frühere Finanzminister Sadi Carnot genannt. Es scheint wirklich, der Krach werde kommen. Die gerichtliche Verfolgung Wilsons wird als Genug- thuung für die öffentliche Meinung, jedoch nicht als Lösung der Situation betrachtet. Der Bericht des Staatsanwaltes lautet für Wilson wenig gravirend. — Die Seine-Präfectur ordnete eine Unter suchung wegen großer Unterschleife an, die an den Lehrmittel-Vor- räthen der Stadt Paris vorgekommen sind. Italien. Die Thronrede, mit welcher am Mittwoch das italienische Parlament in Rom eröffnet ist, ist ein getreues Echo der Tnriner Rede Crispi's und hat den stürmischsten Beifall ge sunden. — Das deutsche Geschwader ist im Hafen von Neapel vor I Anker gegangen. — In Zafferana am Aetna wurden Donnerstag Vormittag innerhalb einer Minute zwei heftige Erdstöße mit wellen förmiger Bewegung verspürt. Schaden ist durch dieselben nicht an- gcrichkct worden. Belgien. In Brüssel sind Meldungen eingegangen, Stanley'- an, Arnwimi znrückgelassene Nachhut von 75 Mann sei von Arabern angegriffen und werde hart bedrängt. Vom Kongo ist Hilfe requirirt worden. — Der belgisch-englische Fischcrcivcrlrag, welcher bekanntlich den Anlaß zu den Ausschreitungen der Ostender Fischer gab, wird nicht nnfgehoben werden. Dagegen erwartet man in Brüssel, die Londoner Regierung würde freiwillig die erhobenen Klagen berücksichtigen. England. Die Führer der Beschäftigimslosen in London wollen trotz des strenge» polizeilichen Verbotes morgen Sonntag 4 Uhr abermals auf dem Trafalgar Square eine Volksversammlung abhalten. Die Polizei, die durch viele in den letzten Tagen eingeschworene Special-Konstabler verstärkt ist, wird diesmal noch weniger Umstände machen, als vorigen Sonntag. Nach englischem Gesetz kann nämlich jeder Bürger durch Ableistung eines Beamteneides für bestimmte Fälle zum Polizisten (Konstabler) werden. Diesen Special-Konstablern ist die Bevölkerung denselben Gehorsam schuldig, wie ihren Bernfs-Collegen. Da nun aus Anlaß der großen Volksversammlung, die Sonntag im Hydepark statlfindcn soll, neue Ruhestörungen befürchtet werden, haben Tausende Einschwörungcn von Special-Konstablern stattgefnnden. Die Londoner Polizeimacht wird dadurch verdoppelt und ist im Stande, jede Unruhe mit Leichtigkeit zu unterdrücken. Ruhland. Der „Köln. Ztg." wird aus Petersburg telegraphirt: Von zuverlässiger Seite erfahre ich, daß auf dem Bahnhof in Kiew keinen Regen zu befürchten. So lange die Fortuna dort oben," er wies auf eine Marmorgestalt, die, mit einem Fuß auf einer Kugel stehend und in ihren Armen ein aufgcspanntes Segel haltend, die Spitze einer schlanken Säule schmückt, „das Gesicht der Stadt zu- wendct, kann man mit Gewißheit aus schönes Wetter rechnen, so bald sie sich aber abwendet, kommt Regen oder Wind. Ich hoffe, fie wird uns gnädig zngewandt bleiben." Und sie blieb ihnen zngewandt. Ein reinerer Himmel und eine mildere Luft umgaben Venedig vielleicht nie, als in den Tagen, in denen Constantin und Paul hier weilten; und diese erkannten dank bar Fortunas Gunst und brachten Venedigs Schönheiten ein offenes Herz entgegen. Mit ehrfurchtsvollen Schritte» durchwandeltcn sie die Hallen der Kirchen, in denen alle Marmorpracht und aller Bilder reichthum der Welt vereint zu sein scheint, sie weilten stundenlang in dem Dogenpalaste und suchten sich in die Zeiten zurückzuvcrsetzen, da die lange Reihe der Bilder der Dogen an den Wänden noch nicht geschlossen war und die hochgehenden Wogen republikanischer Herrlich keit diese mächtigen Säle, diese geschmückten Treppen und Hallen durchfluthetcn. Sie besuchten Paläste, die von außen unheimlich und vernachlässigt aussehcn, deren Inneres aber von venetianischen Familien, deren Reichthum den Fall Venedigs überdauerte, mit blendender Pracht ausgestattet ist. Sie ließen sich in die Glas- und Mosaik- fabrik führe» und sahen mit neugierigem Interesse, wie haarfeine, farbige Glasstäbchcn, eines an das andere gereiht und in erweichte Lavamasse gesteckt, die wundervollen Mosaikarbciten bilden, auf die Venedig stolz ist; sie sahen Blumen und Moose, die zu duften und zu leben schienen, vor ihren Augen aus Glas entstehen und die großen Muscheln des zarten Rosa, das ihr Inneres umkleidet, beraubt wer den, damit es geschnitten und geschliffen sich in zarte Schmucksachen verwandle. Sie promenirten auf dem Markusplatze und freuten sich an den Schaaren schwarzer Tauben, die so zahm sind, daß sie Jedem, der sie füttert, auf Schultern und Arme fliegen und die Körner furcht los aus seiner Hand picken. Sic fuhren stundenlang auf den Lagune» umher und weit hinaus in das Meer, dem sanft über das Waffe« ziehenden harmonischen Gesänge der Gondoliere lauschend. Fortsetzung folgt. »..-i^ere",. Breljagewerk. tan die Exped. dss. Blatte« bei ^ngeorgenstgdt i, S. sH. F>.
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