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SWsche NolksMimg Erscheint täglich ««chm. mit Ausnahme der Sonn» u. Festtag«. Bezugspreis t Vierteljährl. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. kucbiliiicltttti. beaaktlon und Sercbättrrteller Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1266. Sir. S7. Babel und Bibel. Nun hat auch Dresden den Herrn Professor vr. Friedrich Delitzsch gehört, nachdem er bereits in Berlin, wie wir mitteilten, in Anwesenheit des Kaiserpaares über „Babel und Bibel" gesprochen. Die Zeitungen behandeln diesen Bortrag am Freitag als ein „Ereignis ersten Ranges". Tie oberflächlichen Zuhörer vernahmen in seinen Worten bereits das Zusammcnkrachen alter Traditionen. Für jene, die in der Bibelkritik etwas besser orientiert sind, war Delitzschs Vortrag freilich nicht mehr und nicht weniger, als ein behauptetes, aber nicht bewiesenes wissen schaftliches Problem. Herr Professor Delitzsch hat ja seinerzeit schon Behauptungen ausgestellt, die er selbst nach- träglich abschwächen mutzte. Wir erinnern nur an seine Behauptung, daß Israel seinen Monotheismus (Glauben au Einen Gott) aus Babylon entlehnt habe und darum der Glaube an eine Offenbarung im Alten Testamente ver fehlt sei. Diese Aufstellung hat nun Delitzsch dahin abge- schwächt, daß er selbst den krassen Polytheismus (Viel götterei) der Babylonier betont habe, demnach sei die Auf fassung, als sehe ec in Babylon die Heimat des semitischen Monotheismus, ein Mißverständnis. Herr Prof. Or. Delitzsch mag für die Anhänger der Berbalinspiration, d. h. für jene, welche den Buch staben, selbst die hebräische Vokalisation als eine Wirkung des inspirierenden hl. Geistes betrachten, eine Gefahr sein ; es ist daher höchstens nur der Protestantisinus durch De litzsch bedroht. Er will aber durch seine Ausführungen das Alte Testament seines Offenbaruugscharakters ent kleiden. Und darin irrt er sich gewaltig. Es unterliegt nicht mehr dem geringsten Zweifel, daß Palästina schon vor seiner Besetzung durch die Juden ganz und gar unter dem Einfluß der babylonischen Kultur stand. Selbst in Egypten bildete diese die Grundlage seit Jahr- hnnderten vor Moses. Und nun berücksichtige man, daß Moses, da er am Hofe der Pharaonen in aller Weisheit der Aegypter unter- richtet wurde, sicherlich auch die babylonische Gedankenwelt keimen lernte; man wird von vornherein sagen müssen, das; es nicht überraschend seit: kann, wenn Berührungs punkte, Anklänge des Alten Testamentes an babylonische Uebcrlieferungen sich vorfindeu. Oder soll der inspirierte Schriftsteller gewissermaßen auf einen Jsolierstuhl gestellt sein, vollständig herausgehobeu aus der ihn umgebenden Welt und deren Gedankenkreisen? Wird er hinsichtlich der Berichterstattung über historische Ereignisse, politische Ver hältnisse und ähnliche Dinge rein profanen Charakters nicht ans die einschlägigen zeitgenössischen Quellen angewiesen sein? Auch in diesem Falle sind Berührungspunkte zwischen biblischen Erzählungen und babylonischen Berichten zu erwarten. Kein moderner Bibelforscher bestreitet daher solche Berührungspunkte. Auch Professor Delitzsch kämpft gegen Dienstag, den 3. Februar 1903. Windmühlen, wenn er das, was wir mit Sicherheit annehmen, erst noch beweisen will, aber er irrt gewaltig, wenn er daraus eine Waffe gegen die Originalität der Bibel schmiedet und behauptet, sie sei nur eine Kopie des babylonischen Originals. Nein, die Bibel ist vielmehr eine selbständige Beurteilung allgemein menschlicher An schauungen, welche hier, unter dem Einfluß der Offenbarung von aller Vielgötterei und ihren Zutaten gereinigt, die wahre Gotteslehre wicder- gibt. Israel hat seine Gottesanschauungen nicht aus der Abgötterei der Babylonier entnommen, das liegt klar zutage, und Delitzsch erklärte selbst, daß eine solche Be hauptung von ihm nicht ausgestellt worden sei. Gehen wir nun, nachdem wir das festgcstellt, auf die Be weise Delitzsch' über. Der biblische Gottesname „Jahve" findet sich im Babylonischen. „Jahve" bedeutet „der Seiende" (2. Moses 3,1-1); es ist also damit eine Grnndeigenschaft Gottes wiedergegebeu. es ist damit ausgedrückt, daß er aus und durch sich selbst existiere. Sollte sich dieser Gedanke nicht auch den denkenden Babyloniern aufgedrängt haben? Delitzsch beweist weiter, daß sich die zehn Gebote Gottes in den babylonischen Gesetzesvorschriften vorfinden. Hammn- rabis, der um 2350 vor Christi, also zur Zeit Abrahams, König von Babylon war, erließ solche Gesetze. Wir fragen den Gelehrten: Was sind denn die zehn Gebote anders, als das Naturgesetz in kurzer Fassung, wie es in der Brust eines jeden Menschen wohnt? Wir finden also nichts Ueberraschendes in der Entdeckung, daß die Babylonier bereits vor der Gesetzgebung auf dem Berge Sinai ähn liche Gesetzesvorschriftcn besaßen; es zeugt dies nur von ihrer kulturellen Entwicklung. Auch die Sündflut und Noah betrachtet Delitzsch als Erzählung, welche aus dem Babylonischen entnommen sind. Da möchten wir denn doch wissen, warum eine geschicht liche Tatsache, die bei allen Völkern bekannt war. nicht von Geschichtsschreibern mehrerer Völker der Nachwelt überliefert werden darf, ohne annehmeu zu müssen, daß einer vom andern abgeschriebeu hat. Ebenso ist es mit dem Sünden fall des ersten Mcnschenpaares. Wir ziehen aus beiden Entdeckungen die einfache Folgerung, das; die biblische Er zählung, durch weitere Beweise als Wahrheit bekräftigt wird. Aber Professor I)r. Delitzsch machte hier eine sehr ge wagte Behauptung; er läßt den Sündenfall einfach ans den babylonischen Sagenkreis entnommen sein. Er hat es sich jedenfalls selbst nicht klar gemacht, daß er damit der Lehre an die Gottheit Christi den Boden untergräbt. Die Anschauung müßte dahinführen, das; Christus für eine babylonische Sage, die vom Ursprung der Sünde, am Kreuze gestorben wäre. Das sollte denn doch jene Kreise, die an dem Christentum festhalten, stutzig machen und erst von Herrn Professor I)r. Delitzsch strikte Beweise und nicht leere Hypothesen Vorbringen lassen. Höchst interessant waren sonst die Ausführungen des Assyriologen; sie wurden durch eine Reihe von vortrefflichen Ä. Jahrgang. Lichtbildern veranschaulicht. Damit wurden die geo graphischen und geschichtlichen Angaben der Bibel in vielen Punkten bestätigt. Ob sich nun die Antilope im Buche Hiob als ein Wildochse entpuppt, und ob im „Drachen von Babel" die Götter selbst oder bloß Darstellungen der Götter gesehen werden, das berührt den Kernpunkt der Frage nicht, ob das Alte Testament einen göttlichen Offenbarungscharakter besitzt oder nicht. Prof. Delitzsch hat in seinem Buche ^x oriento I»x^, „Licht ans dein Osten", Seite 1-1 geschrieben: „Die den Ruinen Babylons und Ninives entstammende assyriologische Forschung hat sich vor allem auch für die alttestamentliche Wissenschaft fruchtbringend erwiesen und verspricht ihr noch viel mehr Früchte zu bringen." Das ist auch unser Standpunkt, wie jener aller Theologen, die nicht in Abgeschlossenheit von den Forschungen der Wissenschaft unberührt bleiben und von dieser überholt werden wollen. Trotz aller ernsten Forschungen, deren Entdeckungen die wissenschaftlichen Kreise mit großer Befriedigung erfüllen müssen, vermag man aber den Standpunkt des positiven Christentums, dem Alten Testament den von uns angege benen Ursprung znznweisen, nicht ernstlich zu erschüttern. -r. Reichstag. 248. Sitzung am 31. Januar 1 Uhr. Das Kiuderschutzgesetz ist am Sonnabend vom Reichstage in zweiter Lesung ohne größere Aendernngen angenommen worden. Die Debatte drehte sich hauptsächlich mir die Frage, ob auch die Landwirtschaft in das Gesetz einznbeziehen sei. Diese Frage wurde nicht nur von den konservativen Parteien, dem Zentrum und den National liberalen, sowie dem Staatssekretär Grafen Posadowsky verneint, sondern auch von dem freisinnigen Abg. Bräsicke. der selbst freilich praktischer Landwirt ist. Sehr gut wies Abg. Lrimboru (Zentr.) nach, das; der die Landwirtschaft dem Gewerbe einfach gleichstellende sozialdemokratische Antrag nichts als eine leere Demonstration war. Der Antrag wurde denn auch abgelehnt, dagegen eine Resolution angenom men, welche Erhebungen über die Beschäftigung von Kin dern in der Landwirtschaft verlangt. — Am Dienstag be- binnt die 2. Etatsberatnng. Der Verlauf der Sitzung war folgender: Das .Haus ist sehr schwach besetzt. Bei Anwesenheit von mir etwa 2>"> Abg. wird zunächst das Patent-Muster- und Marken schutz-Abkommen mit Italien debalteloS in dritter 1/csuug definitiv genehmigt. Ebenso das gleichartige Abkommen mit der Schweiz. Sodann wird die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben beim 8 > fortgesetzt, zu welchem der sozialdemokratische Antrag Bändert vorliegt, das Gesetz auch auf die Uinderbeschäftigung in der k/audwirlnkiaft und im Gesindedienst alwzndchne». Abg. Hasse (N.-L.) führt au-S, auch seine Freunde verschlossen sich dem nicht, das; auch bei der Beschäftigung von .Bindern in land wirtschaftlichen Betrieben Mißstände vorkämen. Aber sic glaubten Ine Golöfieber. Ein Roman aus dem Kapland. Von Erich Friesen. (M, Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Wollen Sie damit sagen, daß kein Schilling meines Geldes zu meiner Verfügung steht?" fährt Paul auf. „Ja, das will ich damit sagen. Aber mm lassen Sie mich. Herr van Gülpeu! Mein Kopfweh verschlimmert sich — ich bin kaum mehr eines klaren Gedankens fähig." Der andere erwidert heftig. Ein lebhafter Wort wechsel entsteht, bis Paul erregt seinen Hut uimmt und ohne Gruß das Bureau verläßt. IX. Paul van Gülpen ist so niedergedrückt über das Fehl schlagen all seiner Hoffnungen, daß er gar nicht wagt, seiner Braut unter die Augen zu treten. Bon Tag zu Tag wartet Irene auf den Besuch ihres Bräutigams oder wenigstens auf ein Lebenszeichen von ihm. Vergebens. Inzwischen benutzt Lord Roberts die Zeit, sich seinem Mündel so angenehm zu machen, wie irgend möglich. Wenn er sie nicht von seinen Reiseabenteuern unter- hält, spielt er ihr auf der Zither oder dem Klavier die einschmeichelndsten Weisen vor. Oder er besorgt Konzert- billets oder eine Loge zu der in Kapstadt gerade gastierenden italienischen Oper. Oder er unternimmt mit ihr weite Spazierfahrten im Botanischen Garten oder nach der herrlich gelegenen Simonsbay oder an den Fuß des Tafel bergs. So beginnt er nach und nach, Irene fast unentbehrlich zu werden. Zwar denkt sie noch viel an den Geliebten, zwar füllen sich ihre Augen, sobald sie sich unbeobachtet glaubt, oft mit Thränen — aber mit Eifer ergreift sie jede Ge legenheit, welche sie momentan von ihren traurigen Ge danken abzieht — Und Paul van Gülpen? Er läuft nach wie vor mit dickem Kopf herum. Zwischen ihm und John Förster har sich ein etwas ge spanntes Verhältnis herausgebildet. Beide verkehren so wenig wie möglich miteinander. Förster meidet den vorwurfsvollen Blick der klaren blauen Angen seines jungen Compagnons und wird von Tag zu Tag unruhiger und nervöser. Eines Vormittags — Paul sitzt an seinem Schreib tisch und arbeitet eifrig, in dem Bestreben, seiner Miß stimmung Herr zu werden — betritt Förster das gemein same Bureau bedeutend früher als sonst. Nach einem forschenden Blick ans den völlig in sein Hauptbuch vertieften jungen Mann dreht er den Schlüssel im Schloß herum und setzt sich daun an sein Pult. „Ich habe Ihnen etwas zu sagen, van Gülpen." be ginnt er nach einer Weile in gedämpftem Tone. „So —?" Paul hält cs garnicht für nötig, von seiner Arbeit aufzublickeu. „Lord Roberts ist gestern Abend für einige Zeit verreist und hat mir etwas für Sie übergeben." „Für mich?" „Ja für Sie, Herr van Gülpen!" Damit erhebt sich Förster von seinem Pult, entnimmt seinem Portefeuille einen Chek und legt ihn vor Paul ans den Tisch. Flammende Nöte schießt beim Anblick des Cheks in das Gesicht des jungen Mannes. „Was soll das, Herr Förster?" John Förster antwortet nicht sogleich. Ein paarmal öffnet er die Lippen, schließt sie jedoch sofort wieder. Es ist. als wollten die Worte nicht über seine Lippen. „Was soll das?" wiederholt Paul mit blitzenden Augen. „Lord Roberts sagte mir. er wisse, daß Sie gern eine Anzahl Diamantminen-Aktien erstehen wollten," stößt John Förster hastig hervor. „Und da Ihr Vermögen in der Finna festliegt, hat er Ihnen diesen Chek auf seinen Bankier ausgestellt. Er kann die Summe augenblicklich entbehren. Aber Sie müssen eilen, van Gülpen! Heute Abend ist der letzte Termin znm Ankauf der Aktien. Lösen Sie den Chek ein und sichern Sie sich ihre Aktien!" John Förster hat immer scimeller und erregter ge sprochen, Jetzt zieht er sei» seidenes Taschentuch und wischt sich damit über die heiße Stirn. Pauls Blicke hängen wie gebannt an dem Check. „Ist es denn möglich?" jubelt er. „Zweitausend Pfund Sterling zu meiner Verfügung? O. wie gut von Lord Roberts! Wie soll ich ihm nur danken!" John Förster antwortet nicht. Cr hält den Kaps tief geneigt und starrt ans sein Pult nieder. „Nim Förster? Freuen Sie sich denn nicht mit mir?" Treuherzig legt Paul die Hand aus die Schulter des kleinen Mannes, der unter der Berührung znsammenznckt. „WaS für ein alter Brnmmbär sind Sie doch!" Rauh schüttelt Förster die Hand ab. „Mich geht die Sache nichts an," knurrt er. „Ich habe nur Lord Robert's Auftrag ausgeführt. Wenn Sie erst einmal so alt sind »nie ich, werden Sie sich auch nicht mehr um andrer Leute Angelegenheiten kümmern. Alle Luftschlösser zerbröckeln einmal — früher oder später!" Paul ist zu glücklich, mn die Unfreundlichkeit seines KompagnouS übel zu nehmen. Nasch nimmt er seinen Hut vom Nagel, steckt den Check ein und hält John Förster die Hand hin. Doch dieser scheint die Hand nicht zu sehen. Die Nase tief ins Kassenbuch gesteckt, ist er eifrig mit Rechnen be schäftigt. „Also ans Wiedersehen, Förster!" lacht Paul gutmütig. „Will mir nur schnell meine Aktien sichern und dann ans einen Augenblick bei meiner Braut vorsprechen." Jetzt hebt John Förster den Kopf. „Ihre Braut und Lady Elisabeth begleiten Lord Roberts." Paul läßt die Hand, welche soeben ans die Türklinke drücken will, sinken. (Fortsetzung folgt.)