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MsdmsserTageblatt für Äürgertum, Beamte/ Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da« .WU-drufser Tagedlatt» erscheint an allen Werktacen nachmittags L Uhr. Bezugrprel«: Bei Abholung in der «gchLsi-stelle und de» Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung duech die Bote» 2,z» AM., bet Poftbcstellung l5R^g.All-Pos,°»st°ite°n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postbat-»u^str^s^ tra,erundGeschasksftcl.cn —— — — : nehmen zu jeder zeit Be ¬ stellungen entgegnt. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörung eit beste h> Kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. Anzeigenpreis: die gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs« Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfevuige. Vor- gestbriebeneEricheinungs. tag- und Platzoarschriftkn mcrdcn nach Möglichdei, ^«! k N sp k L ch L k Amt WilsdkUff Nk. 6 berü-kstchtigt. «»«eirrn. annabmcbt-aorm.ivUhr. Für dir Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltcnAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprnch erlischt, wenn derVetrag durch Klage eingezo^en werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigennchmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 126 — 88 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Montag, den 3 Juni 1S2S Postscheck: Dresden 2640 Ereignisreichs Tage. Es ist doch kein Zufall, daß an demselben Tage in England die Wahlen zum Parlament zu einer zwar nicht eindeutigen, aber doch deutlichen politischen Entscheidung führten und in Paris auf der Konferenz es zu einer Einigung kam, die insofern überraschend ist, als die alliierten Gläubigermächte ihren alle deutschen Vorbehalte ablehnenden, starr einseitigen Standpunkt aufgegeben haben und der deutschen Leistungsfähigkeit endlich größere Rücksichtnahme schenkten. Natürlich denkt auch die in England siegreiche Arbeiterpartei nicht daran, aus irgend welchen „Humanitären" Gründen Deutschlands Zahlungs verpflichtungen irgendwie zu erleichtern — die Londoner Dawes-Konferenz 1924 sah ja den englischen Arbeiter führer Macdonald auch als Ministerpräsidenten und als ihren Leiter —, und die englische Außenpolitik wird sich unter Macdonald auch nicht viel anders gestalten wie unter Baldwin, das gespannte Verhältnis z. B. zu Ruß land sich höchstens in der Form etwas entspannen, und die englischen Besatzungstruppen werden wegen des Sieges der Arbeiterpartei auch nicht einen Tag eher das Rhein land verlassen, überhaupt haben die englischen Wahlen im wesentlichen nur eine innenpolitische Be de u t u n g; daß die Arbeiterpartei eine absolute Mehrheit im Unterhaus nicht errungen hat, kompliziert die parla mentarische Lage ganz außerordentlich und würde Mac donald zu einem überaus zurückhaltenden Regierungs programm nötigen in den: Fall, daß ihm die Neubildung des Kabinetts übertragen wird. Das dürfte aber nach dem parlamentarischen Brauch in England geschehen, denn Macdonald ist eben der Sieger ini Wahlkampf. Trotzdem wird er viel von dem abstreichen müssen, was er sich und seiner Partei als politische Ziele gesetzt hat. Wird den politischen und parlamentarischen Bedingungen und Realitäten Rechnung tragen müssen. Wird — „Koali - I i o n s p o l i t i k" treiben. * Dieser Zwang, parlamentarisch eine Koalition ein gehen und eine Politik mitmachen, also dafür verantwort lich sein zu müssen, ist ja auch der Deutschen Sozialdemo kratischen Partei auferlegt und bildete den Drehpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Magde burger Parteitag. Was vor 26 Jahren die Revisio nisten auf dem Dresdener Parteitag verlangten und wes wegen sie sozusagen mit dem Bannfluch eines Bebel belegt wurden, haben schon längst die politisch-parlamentarischen Notwendigkeiten erzwungen; es läßt sich eben in Deutsch land ein einseitiges Parteiprogramm nicht verwirklichen. Infolgedessen hat sich die Leitung der Partei politisch überhaupt nicht sestlegen lassen, hat der Parteitag allc „taktischen" Festlegungen abgelehnt dadurch, daß er allc diesbezüglichen Anträge durch Übergang zur Tages ordnung'beiseiteschob. Nicht einmal die so überaus „kitz lige" Panzerkreuzerfrage wurde „programma tisch" geregelt, sondern auch hier den als Minister verant wortlichen Parteiangehörigen die Anpassung an die parla mentarisch gegebenen Verhältnisse ermöglicht. Ebenso war es beim „Wehrprogramm", das ja auch Gegenstand eingehender Auseinandersetzungen war; man trug den Tatsachen Rechnung, ging nicht an der Wirklichkeit vor über — und diese Wirklichkeit zeigt eben, daß Deutschland seine Nüstungsmöglichkeiten so weit und so lange aus nutzen muß, als die Nachbarstaaten bis zu den Zähnen bewaffnet dastehen. * Freilich ist der Sozialdemokratie nun auch noch d i e schwerste Verantwortung für das Schicksal Deutschlands auferlegt worden, eine Verantwor tung, die ja nicht bloß das jetzt lebende Geschlecht trifft, sondern auch die Nachfahren belastet. Bis 1987. Denn bis zu diesem Jahr erstrecken sich die Zahlungsver pflichtungen des Voung-Planes, auf den man sich in Paris geeinigt hat. Dann werden nur noch wenige von denen am Leben sein, die den Weltkrieg kämpfend mit- brlebt haben. Werden an seinen Folgen aber mitzutragen haben Generationen, für die der Weltkrieg nur ein fern- üegendes, niemals selbst erschautes und erlebtes Ereignis ist, die aber unter seinen Nachwirkungen mitleiden müssen. Dle PEser Konferenz hat jetzt fast zehn Jahre nach dem Ver>alller »P^edensvertrag" endgültig sestgelegt, wie hoch finanziell diese Nachwirkungen für Deutschland sind. Die kommende Konferenz der Gläubigermächte und Deutsch lands wird nur das Siegel zu setzen haben unter die jetzt gefaßten Beschlusse der Sachverständigenkonferenz. Und wie vor zehn Jahren der jetzige Deutsche Reichskanzler- Müller — auch damals war er Reichskanzler — seinen Namen setzen mußte unter das Diktat der Sieger, so wird er auch wieder bald unterschreiben müssen, was ein viel leicht unabänderliches Schicksal die letzten Tage in Paris über Deutschland verhängt hat. Auch hier spricht die Wirklichkeit ihr ehernes Wort. Aufhebung des Berliner Demonsirationsverbotes. Bcrli n. Der Polizeipräsident teilt mit: Durch Verfügung vom 29. Mai 1929 hat der Polizeipräsident das am 13. De zember 1928 auf Grund des Artikels 123, Absatz 2, der Reichs verfassung erlassene Verbot aller Versammlungen unter freiem Himmel einschließlich aller Umzüge mit Wirkung vom 3. Juni 1929 aufgehoben, da inzwischen eine Beruhigung eingetreten LÄ °"'"E Jie IONsMseier der Stadt Uchen Enthüllung des P o r z e l l a n g l o ck e n s p i e l s. ! Die alte Stadt Meißen trägt Festtagsschmuck. Die alten schönen Häuser verschwinden fast unter der Masse der Girlanden, Kränze und Fahnen. Die Schaufenster und viele Wohnungsfenster zeigen stimmungsvolle Deko ration. Die Straßen sind von einer erwartungsvollen Menge gefüllt und der Zustrom von auswärts hält noch immer ununterbrochen an. Den Auftakt zu den Festlichkeiten bildete am Sonnabend mittag die Weihe des in der Kgl. Porzellanmanufaktur aus Porzellan angefertigten Glockenspiels für die Frauenkirche. Gegen 12 Uhr versam melten sich in der wunderbar restaurierten altehrwürdigen Frauenkirche die Festteilnehmer. Die Führer der Stadt kirchengemeinde übernahmen das vom Generaldirektor der Porzellanmanufaktur, Pfeifer, übergebene Kunstwerk. Generaldirektor Pfeifer sprach Worte der Begrüßung an Das tausendjährige Meißen. Ein Teil des Festzuges historischer Gestalten aus der Vergangenheit der Stadt: die Reise Augusts des Starken nach Meißen im Jahre 1710. (Im Hintergründe die Albrechtsburg.) die Versammelten und erwähnte lobend die Tätigkeit des vor verhältnismäßig kurzer Zeit ins Leben gerufenen Meißener Heimatvereins, dem es zu danken sei, daß heute in Meißen das erste Porzellan glockenspiel der Welt zur Aufstellung gelangen konnte. Oberkirchenrat v. Neuberg dankte und übernahm das Werk im Namen der Kirchengemeinde. Lobend ge dachte er des Porzellanbildhauers Prof. Börner, dem Meißen neben vielem anderen auch diese Schöpfung dankte. Die Versammlung begab sich dann auf den Markt platz hinaus, wo die Enthüllung des aus 37 Porzellan glocken bestehenden Werkes vor sich ging. Nach dem Glockenschlage 12 erklang zum ersten Male das Spiel, das auf die Versammelten einen tiefen Eindruck machte. Um 4 Uhr nachmittags fand in der Albrechtsburg der feierliche Festakt statt, bei dem Oberbürgermeister Dr. Busch in feiner Be grüßungsansprache ausführte, die Geschichte der Stadt Meißen sei reich an wechselvollen Schicksalen und schweren Nöten, aber die Meißener Bürgerschaft habe sich nie unterkriegen lassen, und im schweren Kampfe um die Hei matscholle sei der echte Heimatsinn entstanden, der die Grundlage für die wahre Vaterlandsliebe bilde. Er wünsche, daß dieser Heimatsinn auch im neuen Jahr tausend der Meißener Einwohnerschaft erhalten bleiben möge, auf daß sie sich mit alter Tatkraft und mit alter Schaffensfreude durch die Bedrängnis der Gegenwart zu einer schönen Zukunft durchringen möge. Sein Gruß galt allen Erschienenen, allen Einwohnern der Stadt Meißen und allen Meißenern, die in der Fremde leben. Stadtarchivar Dr. Gröger umriß in feiner Festrede die tausendjährige Vergangenheit Meißens, das von allen sächsischen Städten die reichste Geschichte aufweise. Der Redner wies im besonderen auf die indu strielle Entwicklung der Stadt hin, die im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahm und noch nicht abgeschlossen sei. Ge trost könne Meißen die Schwelle des zweiten Jahrtausends überschreiten in der Hoffnung, daß der Geschichtsschreiber dereinst auf den Goldenen Schild der Stadt Meißen schreiben könne: „lind siehe, sie ist herrlich wie am ersten Tag." Der Präsident des Sächsischen Gemeindetages über brachte sodann die Grüße der sächsischen Gemeinden und teilte mit, daß der Vorstand des Gemeindetages be schlossen habe, für das Rathaus der Stadt Meißen ein buntes Fenster zu stiften. Oberbürgermeister Dr. Blüher sprach im Namen der Stadt Dresden, die, wie er bekannigab, ihrer Nachbar stadt Meißen zur Jahrlausendfeier ein Ölgemälde mit der Elbsilhouette Dresdens überreichen werde. Die Grüße der Sächsischen Landeskirche überbrachte Landesbischof v. Jhmels, die des sächsischen Bürger meistertages Bürgermeister Krug-Annaberg, der ebenfalls die Stiftung eines bunten Fensters, für den Sitzungssaal des Rathauses ankündigte. Im Ramen des Domkapitels des Hochstiftes Meißen überreichte Staatsminister a. D. Dr. von Beck eine vom Domkapitel herausgegebene Fest schrift mit vielen interessanten Abbildungen und Abhand lungen zur Geschichte Meißens. Nachdem noch der Vorsitzende des Bezirksausschusses und je ein Vertreter der evangelischen und der katholi schen Geistlichkeit Meißens gesprochen hatten, fand die Feier mit einigen Dankesworten Oberbürgermeisters Dr. Busch ihren Abschluß. An den Festaktus schloß sich ein Imbiß für die geladenen Gäste, gegeben von den Bäcker-, Fleischer- und Gastwirtsinnun gen und vom Einzelhandel, in der Albrechtsburg. Junge Meißner Damen kredenzten den Gästen einen wundervollen Tropfen Meißner Ratsweins. Abends 8 Uhr fand im Gesellschaftshause „Hamburger Hof" die Uraufführung des großen Festspiels zur Iahrtausendfeier statt. Der Dichter, Ministerialdirektor a. D. Dr. Wulffen, hat es ans streng geschichtlichen Tatsachen mit ge übter Hand verfaßt. Der am Hauptbahnhofe gelegene neue gro ße Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Aufführende waren Mitglieder des Meißner Stadttheaters, dessen temperamentvoller Direktor H. CH. Gahsamas die Regie führte. In zwei Auszügen mit 10 Bildern werden geschildert die Gründung der Burg Miß- ni im Jahre 929 durch König Heinrich k., die Errichtung des Bis tums Meißen im Jahre 968 durch den Deutschen Kaiser Otto den Großen und der Kampf um die Macht zwischen Kaiser Hein rich IV. und dem Bischof Benno im Jahre 1075. Dann führt der Dichter das Leben der jungen Stadt nach 1222 vor Augen, läßt den Beschauer eine Hofhaltung des kunstsinnigen Markgrafen Heinrich den Erlauchten im Jahre 1260 erleben, zeigt in drasti scher Weise das bürgerliche Leben und Treiben im hochmittel alterlichen Meißen um 1470, läßt den Erbauer des Domes Ar nold von Westfalen seine Baupläne entwickeln und gewährt dem Zuschauer Einblicke in die sich in der Stadt abspielenden geistigen Kämpfe der Reformativnszeit. Im Mittelpunkte des vorletzten Bildes steht der Erfinder des berühmten Meißner Porzellans, Böttger, und das letzte Bild bringt als Apotheose ein Hohes Lied der Arbeit. Sv reizvoll das Festspiel in Einzelheiten ist, besonders in den dramatisch bewegten Szenen Kaiser und Bischof, Hofburg und Reformation, so weist es doch auch öde Stellen auf, die der Chronist, der Schalk und der Magister historiae vergeblich mit Le ben zu erfüllen versuchen. Meißens talentvoller Theaterdirektor Gahsamas wandte alle ihm zu Gebote stehenden reichen Regie künste an, hatte für stilechte Kostüme gesorgt und dem ganzen Spiel Leben und Farbe verliehen. Einzelne Darsteller, wie Gün ter Paris, Hans Pawlow und andere hielten sich vortrefflich. Wirksame Bühnenbilder hatte Max Füssel geschaffen und Ludwig Zenk sorgte für weihevolle musikalische Untermalung. Dichter, Re gisseur und Darsteller wurden am Schlüsse herzlich gefeiert und geehrt. Am Morgen des zweiten Festtages, am Sonntag, zeigte der Himmel ein unfreundliches Gesicht. Aber am Vormittag schon brach die Sonne wieder siegreich durch die Wolken und zer streute die Sorgen der Meißner um das Gelingen ihres Fest zuges. Bot die Stadt schon am Sonnabend im Schmucke ihrer Fahnen, Girlanden, Kränze ein glänzendes Bild, so war man doch aufs höchste erstaunt, was fleißige Hände noch über Nacht hinzugeschaffen hatten. Auch das kleinste Häuschen im verborge nen Winkel prangte im Grün und in den Stadtfarben schwarz- gelb-rot, die von Fremden vielfach mit den republikanischen Far ben verwechselt wurden. Zug auf Zug, Auto auf Auto rollten und sausten nach der Feststadt. Eine ungeheure Menschenmenge durch- wvgte die Straßen. Aber überall herrschte musterhafte Ordnung. Das neue eigenartige Kleinod der Stadt, die Lhrenhalle aus Porzellan für die Gefallenen, war das Ziel Tausender. Km 9 Uhr vormittags füllten sich die Gotteshäuser der Stadt zur kirchlichen Feier Im gewaltigen gotischen Dome auf dem Burgberge pre digte der evangelische Landesbischof D. Ihmels über das Wort des Römerbriefes: „Von ihm, durch ihn, zu ihm sind alle Dinge — ihm sei Ehre in Ewigkeit." Mit der Stadt Meißen dürfe nicht nur das ganze Land Sachsen das Iahrtausendfest feiern, sondern auch das Domkapitel des Hochstlftes Meißen, das durch die Jahrhunderte hindurch mit der Stadt aufs engste verbunden sei. Er bat die große Gememde,