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Erscheint täglich früh § Uhr, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. — Preis hakijährlich 22'/, Ngr. Die gespalt. Zeile 2 Pf. und Tageblatt. Verantwort!. Herausgeber I. G. Wolf in Freiberg. Uv. 87. Montag, den Aie Maiaugeklagteu find wählbar. Ziemlich allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß Diejenigen, welche sich gegenwärtig wegen der Maiunruhen in Untersuchung befinden und wahrend dieser Untersuchung von ihrem Amte suSpendirt worden find, bei der nunmehr bald wiederkchrenden Wahl zum Landtage nicht stimmberechtigt'und nicht wählbar seien. Diese Ansicht ist aber' irrig, aus folgenden Gründen: 1) Weder das Wahlgesetz von 1831 noch daS von 1848 kann es anders gewollt und gemeint haben als Vie Überschrift. Sonst märe seine Bestimmung geradezu wider den gesunden Menschenverstand. Die diesfälligen Worte der beiden Gesetze find fast gleichlautend. Sie heißen, soweit sie cinschlagm, also: - „Ausgeschlossen von der Stimmberechtigung (und Wählbarkeit) find: ä) alle von öffentlichen Aemtern entsetzte und von der juristischen Praxis reywvirtc Personen, inglcichen die suSpendir- ten, so lange die Suspension dauert und e) die, welche wegen ^-.-solcher Vergehen, die nach allgemeinen Begriffen für entehrend ' " zu achten, vor Gericht gestanden haben und schuldig befunden worden sind.^ Wenn man nun erwägt, daß in einem Gesetze nothwendig Einheit und logische Harmonie herrschen muß, und wenn man sodann die Be stimmung unter s) aufmerksam vergleicht mit der unter ä), so-gelangl man sehr bald zu dem Resultate, daß in der Bestimmung unter <l) augenscheinlich die beiden Worte „zur Strafe" fehlen. Nur die können getroffen sein sollen, die zur Strafe, also , durch Urtel und Recht vom Amte entfernt sind, nicht aber die, über welche z. B. die Suspension von der Verwaltungsbehörde, also ohne ein Uttel des ordentlichen Richters, vorläufig und bis zum Austrag einer schwe benden Untersuchung ausgesprochen worden ist. Denn, man merke auf! Nach der Bestimmung e) find sogar die, welche ein entehren des Verbrechen begangen haben, erst dann wahlunfähig, wem: sie schuldig befunden worden sind; ist eS daher vernünftig, nach der Be stimmung ä) den SuSpenditten und Removirten, sie möge« verbrochen haben was sie wollen, die Wählbarkeit rr. schon zu entziehen, bevor sie noch für schuldig beftmden worden sein könne«, d. h. bevor nm ein Erkenntniß gefällt worden ist? Kann die von der Verwaltungs behörde ausgesprochene Suspension, abgesehen von allen ihr unterge legten Gründen, Stimmrecht und Wählbarkeit entziehen und also schwerer Neffen, als daS schuldig eines Gerichtshofes? Der richter liche Spruch entzieht diese Ehrenrechte nur erst nach sorgfältiger Er- vrtenmg, nach peinlichlanger Untersuchung, nach mühsamer Verthei« digung und nur bei entehrenden Verbrechen, — und die Verwaltungs- maßregel der votläufigen Suspension soll nach einseitiger Berichter- 27. August 1848. . , , stattung, nach flüchtiger Prüfung dieselbe Kraft haben und noch dazu auch bei den Verbrechen, die nicht entehrend find? Nimmetmehr. 2) In den letzten Worten liegt zugleich ein zweiter Grund. Mit wenig Ausnahmen werden alle maiangeklagten Verbrecher politischer Natur sein. Und darüber, daß polifische Vergeh«^ ftkbst nach erlit tener Strafe, nicht entehren, darüber waren nicht allem die letzten Kammern, darüber war die sächsische Regierung selbst, darüber ist da» ganze Volk einig: Mag der politische Verbrecher suSpendirt, remo- virt, flüchtig, steckbrieflich verfolgt oder verhaftet sein, — so lange er noch nicht für „schuldig befunden", bleibt er, wie jeder aoverr Verbrecher, im Vollgenuffe seines Stimmrechts und feiner WihKar- keit ohne allen Zweifel. Ja er bleibt in diesem Vollgenuffe, daS Ur tel falle wie eS wolle; denn die politische« sind keine entehveadar Verbrechen und die Strafe an sich entehrt nicht. Wenigstens hat darüber (über die „allgemeinen Begriffe") Niemand «eiter zu ent scheiden, als bei der Wahl die Wählerschaft und nach der Wahl die Kammer. Ma« vergl. §. 5 des Wahlgesetzes vom 24. September 1831 S. 289 und Z. 44 des provisorischen Wahlgesetzes vom IS, ' November 1848 S. 231 — §. 39, der dem Wahleommiffar eme Ent scheidung einräumt, kann hier nicht ein schlagen, da eben -ft „Worte des Gesetzes" nicht „klar" und Zweifel vorhanden find, zu dem der» eine, und von der Regierung ernannte Mann nicht über dm Ge- sammtwillen eines ganzen Wahlbezirks erhaben fein kann. Darum eS bleibt dabei: die MaiaNKeklagten find wähl bar. ES muß dabei bleiben, weil sonst 3) die Rechtsgleichheit auf die auffallendste Weise verletzt werden würde. Nehmen wir den Fall, daß ein Bürger, der kein öf fentliches Amt bekleidet, und ein öffentlicher Beamter ein und dasselbe politische Vergehen mit einander begangen hätten. Beide befinden, sich deshalb in Untersuchung^ der Beamte wird suSpendirt. Nimmt man nun an, daß schon die Suspension die politischen Ehrenrechte entziehen, so wäre zwischen diesen beiden die Rechtsgleichheit ganz und gar aufgehoben; denn der Beamte, selbst wenn er weniger schul dig wäre, hätte durch die Suspension die Wählbarkeit und Stimm berechtigung verloren; der Bürger dagegen hätte sie noch yuh hätte sie nur deshalb noch, weil er kein öffentliches Amt hatte. Von wel chem man ihn suSpendiren konnte. Was wäre das str eine Serech- tigkeit! Darum: die MaianAeklagteu muffen Alle MLhk- bar sei», um -er Gerechtigkeit mLen. § »-Mischt,. -mdu, 23. August. Das hier curswende Gerücht, als beabsich tige man mehrere hiesige Staatsrathsmitglieder wegen ihres Berhal»