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Freitag. Nr. 82. 21. October 1870. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Pestanstalten. Weißerih-Zeitung.H Amts- und Meige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und /ravensteiv. VkranIworNichkr Lrdactrur: Larl Fkhne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Der Bau der Straße nach Kling en berg hat begonnen; die Strecke von hier nach Berreuth ist von einigen 50 Mann zur Zeit belegt. — Heute Freitag wird der 12. Patriot. Unter haltungsabend im RathhauSsaale gehalten werden. Dresden. Die Hälfte der gefangenen Fran zosen, ca. 2000 Mann, darunter die Zuaven und Turkos, bewohnen bereits das Barackenlager bei Uebigau. Wie man hört, sollen noch weitere 2500 Mann ge fangene Franzcsen nach Dresden kommen. Berlin. Der „Staatsanzeiger" vom 18. Octbr. gedenkt der Octoberfeier und des kronprinzlichen Geburts tages. Zu jener Zeit habe an Preußens Seite noch mancher Stamm gefehlt, jetzt seien Alle gegen denselben Feind vereint. Gott möge helfen zur glücklichen Voll endung des deutschen Werkes. Die aus dem königlichen Hauptquartier in Berlin eingetroffenen Nachrichten lassen keinen Zweifel darüber übrig, daß sich die Entscheidung wegen der Festung Metz vorbereite (s. unten); man ist der festen Ansicht, daß es sich wegen der Capitulation nur noch um Tage handeln dürfe. Wieder würde dann eine Zahl von über 100,000 Kriegsgefangenen uns zur Last fallen. — Die hiesigen Wollfabrikanten haben jetzt sämmtlich vollauf zu thun, um die Lieferungen für die Winterrüstung der Armee zu bestreiten. Es gehen fort während in Unmassen wollene Hemden und Binden für die Armee fort; jeder Soldat soll wo möglich zwei wollene Hemden erhalten ; Ohrenklappen, Pelze, Decken aller Art sind gleichfalls schon unterwegs. Hamburg. Die französische Flotte hat unsere Küsten bisher noch immer nicht behelligt. Ent weder geht sie mit einem großen und weitaussehenden Plane um, oder sie beabsichtigt überhaupt gar keinen Angriff. München. Der Ministerpräsident Graf Bray und der Kriegsminister v. Pranckh reisen in das Haupt quartier des Königs von Preußen nach Versailles. Auch die würtembergischen Minister v. Suckow und v. Mittnacht begeben sich von Stuttgart aus nach Versailles. — Der König von Baiern wird von Schloß Berg hier erwartet, und sieht man einer öffentlichen Darlegung der Regierung über ihren Standpunkt in der deutschen Angelegenheit in den nächsten Tagen entgegen. Frankreich. Die Zustände in Paris ver schlimmern sich von Tag zu Tage. Die Unruhen, die der Einsetzung einer vevolutionären Commune galten, hatten einen sehr ernsthaften Character, denn sogar ein Theil der Nationalgarde stand auf Seite der Aufrührer, unter dem Commando des Oberstlieutenants Sapia, der verhaftet wurde. Ein Anderer, ein Werkzeug Ledru Rollin'S, Namens FlourenS, sucht, um der «Ärafe zu entgehen, schonungslos Alles aufzubieten, die Regierung zu stürzen. Der bisherige Polizeipräfect Keratry mußte Paris auf dem jetzt nicht mehr ungewöhnlichen Wege per Luftballon verlassen. Auch in den andern großen Städten des Landes gehen die Unordnungen fort, ohne daß die Behörden einschreiten. Aus Tours wird über die Disciplinlosigkeit der Truppen geklagt, welche berauscht, ihre Führer der Unfähigkeit und deS Verrathö beschuldigen. In Paris tritt zu solchen Zuständen die materielle Noch: das Fleisch beginnt zu mangeln. Die Rinderpest ist im Zunehmen begriffen. Pferdefleisch ist das einzige, was auf den Hanptmärkten feil geboten wird, und in der letzten Woche des September wurden täglich über 200 Pferde geschlachtet. Bekanntlich hatte man die Pariser Cloaken mit Petroleum versehen und Torpedos angebracht, um die stürmenden Deutschen durch solche Mittel der Verzweif lung zu vernichten. Jetzt, beim Herannahen de« großen Bombardements, ist man jedoch auf die schreckliche Ge fahr aufmerksam geworden, die solche leicht entzündliche Explosionsmaterialien in sich bergen. Aus diesem Grunde hat nun, da eine unglücklich einschlagende Bombe auf diese Weise ganze Stadtviertel zu zerstören vermöchte, General Trochu die schleunige Hinwegnahme aller dieser ZerstörnngSmittel angeordnet, so daß die großen Hoffnungen, welche man in Paris allseitig darauf gesetzt, sich als unrealisirbar erwiesen. Spanien. Ziemlich unerwartet kommt jetzt die Nachricht von der Annahme der spanischen Throucandi- datur Seiten eines italienischen Prinzen, des Herzogs von Aosta, AmadeuS, zweiter Sohn des Königs Victor Emanuel. Man sagt, derselbe habe die Urkunde bereits unterzeichnet. Im Familienrathe zu Florenz, dem der König präsidirte, hat man sich einstimmig für Annahme der Candidatur ausgesprochen, während die Gegner der selben, und an ihrer Spitze der Exkaiser Napoleon, Alles aufbieten, um gegen den Herzog von Aosta zu intriguiren. Die Exkaiserin Eugenie soll in Turin erwartet werden. Neueren Nachrichten zufolge heißt es, daß das Project wieder als gescheitert zu betrachten sei; der Herzog wäre zur Annahme der Krone nicht zu bewegen. Dies Scheitern dürfte ziemlich gleichbedeutend sein mit dem Scheitern der Monarchie selbst und dem Siege der Republik in Spanien.