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Wochenblatt für Pulsnitz, Radeberg, Königsbrück, Radeburg, Moritzburg und deren Umgegend. Rediairr unter Denuttworlllckkeis der Venner E. Förster in PuISnik und Th. A. Hertel in Radeberg. 3. Freitag, den 18. Januar. 1830. Diese Zcitfchrifl erscheint jeden Freitag in einem ganzen Bogen und kostet vierteljährig 7 Ngr. 5 Pf. pr«v»um«r»nao. — Bestell ungen, Inserate aller Art, welche die gespaltene Zeile mit 8 Pfennigen berechnet werden, und in Pulsnitz und Radeberg spätestens bis Dien-, tags Abends, in Königsbrück, Radeburg und Moritzburg bis MontagsNachmitt. abzugeben sind, nehmen in Pulsnitz und Radeberg die Heraus geber, in Königsbrück der Kaufmann Andreas Grahl, in Radeburg der Buchbinder Günther, in Moritzburg die Post-Expedition, in Großenhayn der Buchbinder Hohlfeldt, fo wie alle Postämter an. Zeitereignis s e. Dresden, 9. Januar, lieber die türkischen Angelegenheiten, sowie über Rußlands Plan enthalt die Kölner Zeitung einen Ar tikel, den wir im Auszuge nüttheilen. Man weiß auf welchem Wege die Czaaren wandeln: auf dem Wege nach Konstantinopel! Kaiser Nicolaus ist darauf cben noch einmal durch die Eifersucht der Machte angehalten worden. Der Augenblick schien sonst so günstig. Oesterreich, der natürliche Verbündete der Türkei gegen Rußlands übergreifende Plane, war sein Bundesgenosse — Bundesgenosse im Sinne der Rö mer, welche ihre Untergebenen mit diesem Namen beehrten. Die Heere waren schon vereinigt, auf den ungarischen Feldzug hatte ein türkischer folgen können. Die Russen waren sicherlich dies mal nicht, wie vor zwanzig Jahren, bei Adrianopel stehen ge- blieben. Aber England und Frankreich zeigten Ernst, und der Czaar lenkte ein. Er har aber seine Plane sicherlich mir aus kurze Zeit aufge- gcben; ja, wer vermag auch uur Dies mit Sicherheit zu be haupten? Seit dein 17. September hat der russische Gesandte in Konstantinopel, Herr v. Tiross, seinen Verkehr mit der hohen Pforte eingestellt und bis setzt die Verbindung nicht wieder ange- knüpft. Er halt sich still in seinem neu erbamen Palasie, der so prächtig ist, daß man in Konstinopcl sagt, er sei nicht zum Gc- : sandtschaftshorcl bestimmt, sonder» zur Residenz des Statthalters. Der Handelsstand glaubt uvch nicht an die völlige Beilegung der türkischen Frage, die Diplomatie noch weniger; denn die englische und französische Flotte ankert noch ruhig bei den Dar danellen, und das türkische Heer und die Landwehr sind noch nicht entlassen. Im Gegentheil, es kommen in Konstantinopel noch forrwährend zu Land und zu Wasser Recrutcn von allen Pro vinzen an; nach Varna ist Verstärkung abgegangcn; in Bosnien wird stark gerüstet. Und diese Vorsichtsmaßregeln wird man Z nicht für überflüssig erklären können. Rußland setzt seine An- V staltcn fort. Jin schwarzen Meere segeln die Linienschiffe mit I Truppen und Vorräthen am Bord zwischen Odessa und Seba- stopol. Die Gährung, welche in den Donaufürsienthümcrn herrscht, kommt dem Petersburger Cabinette ganz gelegen, da es einen Vorwand dadurch erhalt, sein Donauhecr zu verstärken. Wahrend cs bei der Pforte auf strenge Befolgung des Buchst«, bens der Vertrage drangt, kehrt es sich selbst gar nicht an den Vertrag von Balta-Liman, der ihm nur gestattet, eine geringe Streitmacht in der Walachei zu halten. Nicht allein sind Ver- stärkungcn dorthin abgegangen, sondern alle festen Punkte der Fürstenthümer werden von den Russen besetzt, große Mund- und Kriegsvorräthc aufgchäuft, und angeblich wegen der Cholera werden die Hauseigenthümer von Bukarest und andern Städten gezwungen, welche mit dem versehen sind, was zu einem Spital gehört. Für das Jahr 1850 geht im ganzen Reiche eine groß artige Aushebung vor sich; in den polnischen Provinzen sollen 12 Mann und in den übrigen 8 Mann von tausend Seelen ein gestellt werben. Die vielbesprochene russische Propaganda ist keineswegs ein Hirngespinnst; besonders in Bulgarien und Bos nien schwärmen die Zwischenträger Rußlands umher und gewin nen die Geistlichen, diese das Volk. Vorzüglich aber ist Serbien der Schauplatz russischer Ranke. Serbien ist dem Namen nach dem Sultan zinspflichtig und untcrthan, in der That aber nnab- hängig, so weit es sich des russischen Einflusses erwehren kann. Kein Wunder, daß sich beide Mächte eines solchen Bundesgenos sen zu versichern suchen, wie Serbien beim Ausbruche eines Krie- ges sein würde. Serbien kann nahe an hunderttausend kräftige schöne Männer ins Feld stellen, und der Czaar schmeichelte ihren kriegerischen Neigungen, als er ihnen neulich 10,000 Schießge- wehre zum Geschenk machte. Wir wollen uns nicht in die russischen Pläne vertiefen; die Weitsichtigkeit ist ei» gewöhnlicher Fehler der friwilliuen Politi ker; die im Amte stehen, bedenken das Nächste. Al er so viel geht aus den Thatsachen hervor, daß Rußland noch jetzt zum Tigcrsprunge auf die Türkei bereit steht. Und Oesterreich wird und kann es nicht hindern. Reiche, die durch Eroberungen groß geworden, halten auf dem Wege von freien Stücken nicht inne.