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.'l Mchmtz-IkitWz Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithne in Dippoldiswalde Nr. 117 52. Jahrgang Sonnabend, den 9. Oktober 1886 Amtsblatt für die Königliche Umtshauplmannschaft Mppoldiswalde, sowie für die Königlichm Amtsgerichte imd die StadlrLthe . zu Dippoldiswalde und Irauenstein Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Verschiedene Vorgänge auf innerpolitischem Gebiete geben, obwohl sie nicht mehr allerneuesten Datums sind, der Tagespresse noch immer Anlaß zu Erörterungen. Hierher gehört zunächst die durch die Demission des seitherigen Staatssekretärs im Reichsschatzamte eingetretene Vakanz in der Ober leitung dieses Postens. Jüngst verlautete noch offi ziöserseits, daß die Ernennung des Nachfolgers v. Bur- Hards unter Hinblick auf die bevorstehende ordentliche Reichstagssession möglichst beschleunigt werden solle, von diesem Entschlüße scheint aber die Reichsregierung wieder abgekommen zu sein, da bis auf Weiteres der preußische Finanzminister v. Scholz mit der Leitung der Geschäfte des Reichsschatzamtes beauftragt worden ist. Es dürfte hieraus wohl der Schluß zu ziehen sein, daß die Ernennung des neuen Staatssekretärs gerade nicht so sehr beschleunigt werden wird; übrigens ruhen die Geschäfte des Schatzsekretärs bei v. Scholz ja in bewährten Händen. — Neuerdings ist viel von Reformen auf dem Gebiete des juristischen Studiums die Rede und es soll sich bestätigen, daß sich diese Reformen nicht nur auf Preußen, sondern auch auf das Reich erstrecken werden, dagegen soll es mit der gleichfalls angekündigten Reform des Medizinalwesens in Preußen noch gute Wege haben. — Laut Bekannt machung des preußischen Kultusministeriums ist das theologische Studium am Klerikal-Seminar in Fulda dem Universitätsstudium gleichzustellen, worin man den ersten praktischen Ausfluß des neuen Kirchengesetzes zu erblicken hat. — Der langjährige deutsche Militär bevollmächtigte in Petersburg, General von Werder, hat am Mittwoch die russische Hauptstadt verlaßen, um feinen neuen Posten als Gouverneur von Berlin an zutreten. General v. Werder hat sich während seiner Wirksamkeit in Petersburg die aufrichtigsten Sympathien der dortigen Hoskreise zu erwerben gewußt, wovon u. A. die Widmung eines kostbaren Schreibzeuges seitens des kaiserlichen Gefolges an den scheidenden General Zeugniß ablegt. Als Nachfolger v. Werder's wird mit ziemlicher Bestimmtheit Flügeladjutant Oberst lieutenant v. Villaume, zur Zeit erster Militärattache bei der deutschen Botschaft in Paris, genannt. Oesterreich. Ungarn. Im österreichischen Abge ordnetenhause läßt die Antwort der Regierung auf die Interpellation des Abg. Heilsberg bezüglich der bul garischen Frage noch immer auf sich warten, so daß es die österreichischen Volksvertreter für gerathen halten, sich einstweilen praktischeren Dingen zuzuwenden. Hier her gehört der vom Abgeordneten Ruf (deutsch-öster reichischer Klub) eingebrachte Antrag auf Errichtung von 26 Arbeiterkammern, welche Abgeordnetenmandate erhalten sollen. Ausgenommen Dalmatien, soll in jedem Handelskammerbezirk eine Arbeiterkammer mit ähnlichen Funktionen, wie die Handelskammern, errichtet werden. Der Antrag Ruf's wird zum Mindesten das Verdienst haben, im österreichischen Parlamente die Arbeiterfrage wieder mehr in Fluß zu bringen. — Die Cholera ist nun auch in Szegedin aufgetreten. Frankreich. Nach längerer Pause werden aus Frankreich wieder Ruhestörungen seitens der Arbeiter gemeldet. Der Schauplatz derselben war diesmal Vierzon, wo schon längere Zeit ein Streik unter den dortigen Grubenarbeitern im Gange ist. Als am Dienstag die Werkstätten der betreffenden Gesellschaft wieder eröffnet werden sollten, widersetzten sich die Streikenden der Wiederaufnahme der Arbeiten, so daß die Gensdarmerie einschreiten und mehrere Verhaf tungen vornehmen mußte. Unter den Verhafteten be findet sich bezeichnender Weise auch Herr Baudin, ra dikales Mitglied des Generalrathes des Seinedeparte ments; Baudin hat die ganze Kundgebung überhaupt erst arrangirt. England. Das Stillleben der englischen Opposition hat soeben eine kleine Unterbrechung aus dem Munde hier nicht unbekannten Bänkelsängerliede von Dippol- diswaldaer Biere singen konnte: „Das Dippoldswalder Bier war sonst Das schlechtste wohl in Sachsen, Vom Biergenuß ist Dem das Schilf Zum Halse rausgewachsen" — , es trifft schon längst nicht mehr zu. Unser städtisches Bier, Bürger- und Dippoldbräu, kann sich recht wohl mit dem Gebräu anderer Arten messen, und an im- portirten Stoffen der verschiedensten Art ist erfreulicher weise kein Mangel. Auch in den umliegenden Dorf- wirthschaften findet man neben dem heimathlichen Ein fachen meist noch Lager-, Böhmisch- und Bairisch Bier und stets in frischer, kohlensäurehaltiger Qualität Wir verdanken dies der immer weiteren Verbreitung des Flaschenbieres. Wer vor 20 Jahren hier Flaschen bier trinken wollte, mußte sich entweder selbst welches einlegen oder sich an den Schänkwirth Schumann im Tempel wenden, der wegen der von ihm vertretenen Spezialität den Namen „Fläschel - Schumann" führte. Seit aber Herr Restaurateur Reichest die gute Idee hatte, einen ambulanten Flaschenbierhandel einzuführen, hat es an Konkurrenz in diesem Geschäftszweige nicht gefehlt. Jetzt haben neben dem oben erwähnten Eta blissement nicht nur die Hofbrauerei Cotta-Dresden bei Begers Wwe. Nachf., sondern auch die Brauerei, von Reinsch-Plauen bei Restaurateur Kästner Komman- diten errichtet, auch Herr Hotelier Gössel offerirt ver schiedene Biersorten in Flaschen in und außer dem Hause. Und was das Beste ist, alle diese Biere sind wohlschmeckend und preiswürdig und gestatten auch dem weniger Bemittelten einen kräftigen Haustrunk. Wer ein gutes Faßbier liebt, der findet, wie bereits bemerkt, an dem Produkte der hiesigen v. Koch'schen Brauerei einen in jeder Weise konkurrenzfähigen Stoff. — In unserer Expedition ist ein jetzt blühender chines. Theestrauch zu sehen. — An einem freistehenden Apfelbaume des Wirth- schaftsbesitzers Moritz Schurig in Seifen kann man neben der ersten Frucht und wundervollen Blüthen auch ausgebildete zweite Früchte sehen. Frauenstein, 6. Ostober. Die nächstjährigen Konfirmanden der Parochie Frauenstein haben sich nächsten Montag, den II. Oktober, nach beendeten Vormittagsschulstunden beim Herrn Diakonus Weigel anzumelden. Die Zeit des Beginns des Konfirman denunterrichtes wird denselben alsdann mitgetheilt werden. In auswärtigen Parochien Geborene haben zur Anmeldung das Taufzeugniß mitzubringen. — Die Mitglieder der Parochie Frauenstein wer den wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß alle in der Parochie erfolgten Geburten, sowie startzufin- dende Taufen, Begräbnisse, Hauskommunionen rc. auch beim Lehrer und Kirchner Haupt in Frauenstein an zumelden sind. In der letzten Zeit ist dies zu wieder holten Malen versäumt worden und hat dies zu un- nöthigen und unliebsamen Störungen Anlaß gegeben. — Alljährlich erbaut der Herr Oberförster Rein hier in seinem gutgepflegten Obst- und Gemüsegarten solch stattliche Früchte, daß sie getrost einen Vergleich mit den im Niederlande erbauten aushalten können. Jüngst hat der Herr Oberförster Rein in seinem Garten Pflaumen geerntet, von denen 6 Stück über ein Pfund wogen; jede derselben hatte also ein Durchschnitts gewicht von 85 Gramm. Als ferneres Zeichen der heurigen Fruchtbarkeit auch in hiesiger Gegend sei re- gistrirt, daß Herr Stellmachermeister Geißler hier an einem einzigen Stocke 62 Kartoffeln mittlerer Größe erntete. — Nächsten Sonntag, den 10. Oktober, hält Herr Diakonus Freyberg aus Bannewitz (Parochie Kreuz kirche Dresden) hier eine Gastpredigt. — Am vorigen Sonntage fand in Nassau der Verbandstag des Lokalverbandes Frauenstein und Umgegend statt. Nachdem die betheiligten Feuerwehren Zajekätt, Mlch« »«t d« bedeutenden Wiflaß« des Motte« eine sehr «k». fache Berbreitunn »erden mit 10 Pfa. di« Spattenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und romplicirt» Inserat« mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, rm redaktionellen Theile, die Spattenzeil« 20 Pf«. Die MeiSeritz. Seittmg" «-scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljLhrkich 1 M. Sb Pfg., zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer» 10 Pfg. — Alle Postan- sialten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Gladstone's erfahren. Der Ex-Premier empfing De putationen der städtischen Behörden von Cork, Limerick und Waterford, die ihm das Ehrenbürgerrecht der ge nannten irischen Städte überbrachten und wobei Glad stone äußerte, nur die Hoffnung, die irische Frage noch mit regeln zu können, halte ihn davon ab, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen. Die irische Nationalpartei wird nicht verfehlen, aus dieser Glad- stone'schen Aeußerung neues Kapital für ihre Agita tionen zu schlagen. Spanien. Der Begnadigungssturm, der in der spanischen Hauptstadt zu Gunsten der zum Tode ver- urtheilten Führer des verunglückten Militärausstandes in Scene gesetzt worden war, hat den gewünschten Er folg gehabt. Eine Madrider Depesche vom 5. Oktober meldet kurz, daß Villacampa und seine Genossen be gnadigt worden sind; ob die Begnadigung eine voll ständige, oder ob an Stelle der Todesstrafe Gefängniß- strase getreten ist, läßt sich aus dieser lakonischen Mit theilung nicht ersehen; hoffentlich wird die spanische Regierung die geübte Milde nicht zu bereuen haben. Bulgarien. Die bulgarische Frage bildet fort und fort das A und O aller Betrachtungen, Erörte rungen rc. nicht nur in der europäischen Journalistik, sondern auch in der europäischen Diplomatie. Auf die Erklärungen Tisza's über die bulgarischen Ange legenheiten ist nun — gewissermaßen als Echo — die Rede Lord Churchill's in Dratford Über dasselbe Thema gefolgt und der halb und halb kriegerische Ton, den der englische Schatzkanzler in seiner Rede anschlug, hat allgemein Beachtung gefunden. Auch in Petersburg kann man sich diesem Eindrücke der Churchill'schen Aeußerungen nicht ganz entziehen und das offiziöse „Journal de St. Petersbourg" widmet denselben einen langen Artikel, dessen ironisirender Ton doch nicht verbergen kann, daß man in Petersburg über die selbstbewußt klingende Rede Churchill's Aerger em pfindet. Das bisherige Verhalten Englands in der ganzen bulgarischen Frage erlaubt es freilich, dem pomphaften Auftreten des englischen Ministers gegen über das ironische Wort Mephisto's anzuwenden: „Wo zu der Lärm? Was steht dem Herrn zu Diensten?" Unterdessen gehen in Bulgarien selbst ernste Dinge vor sich. Ungeachtet der brutalen Erklärung des Ge nerals Kaulbars, Rußland würde die Wahlen zur Sobranje wie deren Beschlüsse als null und nichtig betrachten, sind von der Regentschaft die Wahlen zur großen bulgarischen Nationalversammlung auf nächsten Sonntag bestimmt festgesetzt worden. Hat schon die Ablehnung derjenigen Forderung, auf welche Rußland den meisten Werth legte, eben der Verschiebung der Sobranjewahlen, den Riß zwischen Bulgarien und Rußland erweitert, so ist dieser Riß durch die am Sonntag in Sofia stattgefundene antirussische Volks versammlung, auf welcher Kaulbars eine so eigen- thümliche Rolle spielte, nur noch erweitert worden, und die Agitationsreise, welche der russische General durch Bulgarien angetreten hat, wird die Beziehungen zwischen Petersburg und Sofia schwerlich verbessern. General Kaulbars will nach Beendigung seiner Rund reise Bulgarien wieder verlassen und dies ist für die Erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen Rußlands speziell zu Oesterreich vielleicht sehr gut, denn das hochoffiziöse Wiener „Fremdenblatt" verurtheilt ganz offen das Auftreten Kaulbars'. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde, 8. Oktober. Am Mittwoch Vor mittag wurde beim Aufgraben der hiesigen Wasser leitung in der Tiefe von etwa I'/« Meter ein wohl erhaltenes menschliches Gerippe ausgegraben. Dippoldiswalde, 8. Oktober. Zu den Verhält nissen, die sich im Verlaufe weniger Jahre bei uns wesentlich umgestaltet Haven, gehören auch die Bier- verhältnisse. Was man vor 30 Jahren in einem