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Dienstag. Nr L70. 24. Juli 1888 Leipzig. Die Zeitung erscheint nm Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags -1 Uhr aus- gegeben. NveiS für das Viertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alte Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). BnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die preußische Depesche vom 3. Juli. Die mehrfach erwähnte preußische Depesche, welche unterm 5. Juli an den Grafen Arnim in Wien gerichtet wurde, lautet nach dem Preußischen Wochenblatt wörtlich: Wir verdanken nunmehr der gefälligen Vermittelung des Grafen Esterhazy die vertrauliche Mittheilung des Entwurfs der Erklärung, welche Hr. v. Prokesch namens seiner allerhöchsten Regierung in Betreff der orientalischen Frage in der Bundesver sammlung abzugeben beauftragt werden soll. Nicht minder hat das wiener Eabinet die Güte gehabt, das Circular zu unserer Ke»nt»iß zu bringe», durch welches GrafBuol unter dem 28. Juni die deutschen Negierungen von dem beabsichtigte» Schritte des kai serlich österreichischen Hofes benachrichtigt. Ich habe kaum »öthig, Ew. Ezc. zu ver sichern, daß diese Schriftstücke der königlichen Negierung das lebhafteste Interesse dar- Hebvtcn, und daß wir uns bei deren Beurthcilung von der bundesfreunditchsten Gesin nung gegen das kaiserliche Eabinet sowie von dem aufrichtigsten Wunsche haben leiten lassen, den Aeußerungen, zu denen die BiindeSversaiumlung berufen sein könnte, thun- Uchst den Charakter der Einmüthigkeit zu geben. In dieser Beziehung nehme ich vor allem mit Genugthunng von der in dem Circular vom 28. Juni ausdrücklich enthal tenen Erklärung Act, daß es sich für den Bund nicht darum handeln könne, neue Ver bindlichkeiten zu übernehmen oder die bestehende» zu erweitern. Daß dies auch mit Ler diesseitigen Auffassung völlig übereiustimmt, davon geben zahlreiche, in jüngster Zeit von der königlichen Regierung ausgegangene Actenstücke das unzweifelhafteste Zeug- niß, und cs könnte deshalb nur die Frage entstehen, ob eS, um lediglich an seinen früher» Beschlüssen festzuhalten, überhaupt einer Erklärung von Seiten des Bundes bedürfte- Wir würden, hätten wir dabei nur unsere eigenen Verhältnisse im Auge, ^geneigt sein, diese Frage zu verneinen, da Preußen schon in seiner Eigenschaft als eu ropäische Macht in militärischer Beziehung unter allen Umständen in derjenigen Be reitschaft bleibt, die dem BuiideSbcfehl vom 8. Febr. entspricht. Wenn wir indessen, -obwol die Hoffnung auf Herstellung des Friedens zwischen den kriegführenden Mäch ten zur Zeit nicht tu Erfüllung gegangen ist, doch die jüngste Gestaltung der Dinge »ach den uns gemachten Mitthcilungen in dem Sinn auffassen zu dürfe» glaube», daß Lie active .Betheiligung an, Kriege für Oesterreich in die Ferne gerückt ist, und die au -eine solche sich knüpfenden Besorgnisse dadurch auch für Deutschland wesentlich verrin gert find, so würden wir doch dem Wunsch unserer deutschen Verbündeten, die ihnen durch den Beschluß vom 8. Febr. auferlegten Verpflichtungen in geeigneter Weise, etwa Lurch Verlängerung des Bereitschaftstermins, erleichtert zu sehen, nicht anders als ge rechtfertigt finden können. Hierüber das nöthige Einverständniß zu erzielen, wird ge wiß die Berathung der Sache in den Ausschüssen die beste Gelegenheit bieten, welchen die österreichische Erklärung Loch umsomehr wird übergeben werden müssen, als Ler Wortlaut derselben vorher nicht zur Kenntuiß dcr übrigen deutschen Regierungen ge bracht ist und eine gründliche und allseitige Prüfung einer so umfassenden Darlegung gewiß auch nach der Ansicht des kaiserlich österreichischen Cabinels unumgänglich nö- tbig erscheint. Was die königliche Regierung betrifft, so ist dercn Stellung zu dem Decembervertrag und den Verhandlungen, die sich an denselben «»geschloffen haben, allseitig bekannt. Preußen ist diesem Vertrag ungeachtet der an dasselbe ergangenen Einladungen nicht beigetreten. Eine ausdrückliche Billigung sowol dieses Vertragsab schlusses als der mit demselben in Zusammenhang stehenden Conferenz der Westmächte würde uns daher mit unserer politischen Vergangenheit in grellen Widerspruch setzen. Wir sind im voraus überzeugt, daß dies nicht die Absicht des wiener Cabincts sein kann. Wenn wir gern anerkennen, daß dasselbe, nachdem es einmal den Decemberver trag abgeschlossen, ohne darüber mit uns und Deutschland zu berathen, und nachdem auf Grund dieser Allianz mit außerdeutsiben Mächten auch Fragen, die deutsche In teresse» berühre», zum Gegenstände der Besprechung in Wien gemacht wurden, beson ders durch seine jüngste, die Gefahr des Kriegs von Oesterreich und damit auch von Deutschland abwendende Haltung nach Kräften im deutschen Interesse zu wirken be müht gewesen ist, so würde doch eine rückhaltlose Billigung des ganzen Allianzvcrhält- nisses, das ungeachtet der augenblickliche» Divergenz über eine Frage der Ausführung als seinem Zwecke nach fortbestehend ausdrücklich bezeichnet wird und deshalb mit sei nen eventuellen Verpflichtungen im weitern Verlaufe der kriegerischen Entwickelung un ter den drängendsten Formen wieder zur Geltung kommen kann, eine Solidarität in sich schließen, die Preußen jetzt wie früher mit seinen politischen Uebcrzcugungen wie mit der Fürsorge für seine und Deutschlands wahre Interessen unverträglich findet und daher jetzt ebenso offen und loyal ablehnen muß als gleich nach Abschluß des Decem- bervertrags. Eine solche-Billigung würde, um Misverständnisse, die jetzt, wo es vor allem noththut, Klarheit in die Stellung zu bringe», doppelt unerfreulich wären, zu vermeiden, nur dann erfolgen können, wenn und insoweit andererseits auch Oesterreich die von Preußen und Deutschland von ihrem Standpunkt aus consequcnt verfolgte Po litik ausdrücklich billigte. Aber selbst eine solche nachträgliche gegenseitige Billigung würde bei Recapitulalio» der Thatsachen die Divergenzen Ler Vergangenheit in viel leicht unerwünschter Weise hervortreten lassen, und wir möchten daher dem kaiserlichen Cabinet anheimgeben, ob es nicht vorzuziehen wäre, auf dieselbe im Interesse der an gestrebten Einigung beiderseits zu verzichten. Wir werden in dieser Erwägung noch mehr bestärkt durch die in dem österreichi schen Entwurf enthaltene Erklärung, die einmal von Oesterreich anerkannten Grundlagen des Friedens unwiderruflich aufrechtcrhalten zu wollen. Insofern hierdurch eine unter allen Umständen zu erzielende Durchführung der als untrennbares Ganzes gedachten vier Punkte bezeichnet werden soll, würde dies über den BundcSbeschluß vom 9. Dec. v. I. weit hinausgehen. Für Deutschland besteht eine solche Verpflichtung nicht. Nur die zwei ersten Punkte hat es beschlossen, sich anzueignen und festhaltcn zu wollen. Seit Rußland erklärt hat, dieselben für sich ebenfalls auch fortan als bindend zu be trachten, solange Deutschland und Oesterreich nicht am Kriege theilnimmt, waltet kein Grund ob, dieselben als von dieser Seite gefährdet zu betrachten. Auch diese Pun-kte erhalten indessen ihren wahren Werth erst durch die Ausführung, und in Bezug auf diese glaubt Preußen sich in seinem und in Deutschlands Namen die geeignete Bethei ligung wiederholt Vorbehalte» zu müssen. Was den dritten Punkt betrifft, so bezieht sich derselbe einerseits auf die Erhaltung der Integrität der Türkei, andererseits auf die Verminderung des russischen UebergewichtS im Schwarzen Meere. In erster Be ziehung waltet eine Differenz der Ansichten kaum ob. Oesterreich erklärt seinerseits, , : zum Schutz dieser Integrität die beide» Donaufürstenthümer »och länger besetzt halten zu wollen. Inwiefern und auf wie lange dies erfvderlich ist, wird der Verständigung zwischen Wien und Konstantinopel zu bestimmen Vorbehalten bleiben können, denn die - Besetzung der Fürstenthümer ist auf Grund eines Vertrags zwischen Oesterreich und E der Pforte erfolgt. Vom deutschen Standpunkt aus ist gerade jetzt der Fall eines russi- j schcn Angriffs, den man beim Bundesbeschluß vom 9. Dec. im Auge hatte, wol weni ger als je zu besorgen. Sollten dagegen je die Verhältnisse für die Gefährdung des deutschen Gebiets wieder bedrohlich werde», so steht der Entschluß, die Sicherheit des Vaterlandes zu wahren, gewiß bei allen deutschen Regierungen so fest, daß zu de ren Schutz in kürzester Zeit, den Bundesbeschlüsscu gemäß, die thatkräftigsten Maßnah men erfolgen würden. Se. Maj. der König ist jedenfalls entschlossen, für diesen hei ligen Beruf mit seiner ganzen ungeschwächten Kraft einzutreten. Die Verminderung des russischen UebergewichtS im Schwarzen Meere ist derjenige Punkt, an dessen nähe rer Feststellung das Einverständniß zwischen Oesterreich und ander» Co»trahente» des Decembervertrags gescheitert und wodurch dcr Schluß der Friedcnsvcrhandlunge» über haupt herbeigcführt ist. Wir enthalten uns jedes Eingehens auf die Frage, wer diese» Ausgaug herbeigeführt hat, und zollen gern den auf Frieden gerichteten Bemühungen des österreichischen CabiuetS unsere Anerkennung. Nachdem dieselben aber nunmehr er folglos geblieben sind, nachdem die Cabinete von Paris und London keinen Zweifel darüber lassen, daß sie sich an ihre in den Konferenzen abgegebene» Erklärungen nicht mehr für gebunden halten, bilden alle die einzelnen Vorschläge, welche zur Lösung die ses Punkts in und außerhalb der Conferenz zur Sprache gekommen sind, nicht sowoi eine bestimmte Basis, zu deren Durchführung eine Verpflichtung zu übernehmen ratb- säm scheint, als vielmehr nur beachtenswerthes Material, das, je nach der leider aus schließlich der kriegerischen Entscheidung anheimgefalleuen Entwickelung der Verhältnisse, vielleicht zur Anbahnung eines gesicherten Rechts- und Friedenszustandes wird vcrwer- thet werden können, für welche der Bundesbeschluß vom 9. Dec. die vier Punkte ihrem wesentlichen Inhalt »ach als eine geeignete Grundlage bezeichnet. Sich in Bezug auf die Benutzung dieses Materials irgendwie die Hände zu binden, können wir nur für mislich halte» und möchten es selbst dem kaiserlich österreichischen Cabinet nicht em pfehlen, noch weniger aber unsern deutschen Verbündeten rathen. Vorstehendes sind die hauptsächlichsten der Bemerkungen, zu denen uns dcr uns mitgetheilte österreichische Entwurf Veranlassung gegeben hat, und die ich Ew. Excellenz daher, dem uns zu er kennen gegebenen Wunsch gemäß, durch abschriftliche Mittheilung des gegenwärtigen Erlasses zur Kenntniß des Hrn. Grafe» Buol zu bringen bitte. Es wird von lebhaf tem Interesse für uns sein, zu erfahren, ob und inwieweit etwa unsere Bemühungen, denen wir offen und sreimüthig Ausdruck zu geben für unsere Pflicht gehalten haben, auf den vom kaiserlich österreichischen Cabinet in dieser Angelegenheit einzuschlagenden Gang von Einfluß sein dürsten. Empfangen Sie rc. Manteuffel. Deutschland. Preußen, t Berlin, 22. Juli. ES wird darauf hingewiesen, daß binnen kurzem eine Erklärung der dänischen Regierung in dcr Sundzoll- angelegcnheit hier zu erwarten sein dürfte. Inwiefern diese Angabe be gründet ist, wissen wir nicht. Bon Interesse möchten aber folgende Auf stellungen des Handels-Archivs sein, woraus die Wichtigkeit dcr in Rede stehenden Angelegenheit namentlich für Preußen hervorgeht. Es haben im ersten Halbjahre 1855 im Sunde 1075 preußische Schiffe klarirt. Die mindere oder größere Bethciligung dcr andern Nationen beim Sundzoll möge aus folgender genauen Zusammenstellung erhellen. Es klarirten im Sunde in dem eben angegebenen Zeitraum: 754 englische, 24 französische, 162 russische, 848 schwedische, 1003 norwegische, 6 österreichische, 662 holländi sche, 321 hannoversche, 712 dänische, 5 belgische, 22 bremische, 15 ham burgische, 26 lübcckische, 306 mecklenburgische, 7 neapolitanische und andere italienische, 16 nordamerikanische, 53 oldenburgische, 6 portugiesische, 2 spa nische Schiffe und 1 südamerikanischcs Schiff. Im Ganzen also 5856 Schiffe. Im ersten Halbjahre 1854 klarirten 7529 Schiffe. Zur Beurthcilung der Sundzollangclcgenheit bieten diese Zahlen sichere und feste Anhaltcpunkte. Da diese für Deutschland und Preußen so bedeutsame Angelegenheit gegen wärtig wieder in d§n Vordergrund treten dürfte, so sind diese statistischen Aufstellungen um so schätzenswerther. — Eine dcr neuesten Nummern der Times enthält einen Artikel aus Berlin, welcher die Aufmerksamkeit in den hiesigen namhaften Kreisen in hohem Grade auf sich gezogen hat. Im Gegensatz zu früher« Auslassungen dcr Times über den König Fried rich Wilhelm IV. läßt der in würdigem Tone gehaltene Artikel den Herr scher Preußens in einem Licht erscheinen, welches die hier und da verbreitete Annahme, als ob der bekannte hiesige Correspondcnt dcr Times mit jenen früher« Auslassungen dieses Blatts in irgendeiner Beziehung stehe, gänzlich beseitigen möchte, da in der That diese und jene Beurtheilung des Königs nach Aller Unheil nicht aus einer und derselben Feder geflossen sein könne. Wir heben diesen Umstand hervor, weil die Sache hier vielfach besprochen worden ist. — Nach Briefen, welche aus Teplitz hier angekommen sind, sei der Graf von Chambord in diesem Jahre ein besonderer Gegenstand der Verehrung von Seiten der vielen daselbst versammelten Legitimisten gewe sen, die sowol aus Paris als sonst aus Frankreich dorthin sich begeben ha- ben. Die Gräfin von Chambord wird in diesen Briefen als eine sehr geist volle und begabte Dame geschildert, die auf ihren Gemahl einen großen Einfluß auSübe. Eine Hauptanschauung des Grafen von Chambord, auf welche kein Einfluß einwirke, sei: Wiederherstellung des KünigthumS in Frankreich ohne das geringste Blutvergießen.