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Nr. — V. J«rtzrga«g Sonnabend de« S1 Dezember LVLtt ttklchcinr täglich nach», mit Ausnahme der Eomi- und Jesttaze. «»Suade s.i MU .DI- 8-" In Wort und Bild- vierteljährlich- ».IO ^ In Dresden durch Boten ».40 In gan, Deutschland Nel Haus »,5» «nSaabc Ohne Mustrierte Bctlage vierteil 1,80 I, Dresden d. Boten ».10 In ganz Deutschland frei Hau» ».»» — KInzel-Nr-10 4 — ZeltungSpretSl. Nr. 0888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat» werden die üaesvallene Petitzeile oder deren Raum mit IS 4. Reliamen mit KO z die Zeile berechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt Bnchdrnlkerel, Redaktion und VseschäftSftcliei Dresden, Ptllnttzrr Strafte 411. — Fernsprecher 1800 Jür Rückgabe nnberlana«. SchrtflftückeketneVerbtoditchleU Redaktions-Sprechstunde: II I» Uhr. Für das 1. Quartal IS 11 abonniert man auf die „Sächsische Bolkszeitung" mit der tätlichen Roman beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.8V Mk. (ohne Bestellgeld), durch den Boren ins Haus L.1V Mk. Bezugspreis auf die Ausgabe mit der illustrierten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit i« Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Pf. Liberale Schlagworle. Aiifrechterhaltung der Staats- und Gesellschaftsord nung, Schutz und Vermehrung des Nationalvermögens. Kamps gegen den Umsturz, das sind drei Schlagworte, die uns ini politischen Kampfe immer wieder aus nationallibe ralem Munde entgegentönen. Bekanntlich hat ja auch der Hansabuud diese Schlagworte übernommen und ist mit feinen riesenhaften Geldmitteln, wie es scheint, auf dem besten Wege, sie zum Teil iu die Tat umzusetzeu. Die gegen wärtige Staats- und Gesellschaftsordnung will der Hansa bund schon belehrt wissen. Wenigstens insofern, als sie den Rechtstitel der besitzenden Klassen nicht angreift und diese die Gütererzeuger in der Vermehrung ihres Vermögens, das sie in liebenswürdiger Umschreibung Nationalvermögen nenne», nicht stört. Um die Grundlagen der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung, soweit sie geistiger und religiöser Natur sind, soweit es sich nicht allein um den Schuh des Nationalvermögens gegen die Begehrlich keit der Enterbten handelt, sondern um die Aus- rechterhaltung des Christentums und der christlichen Zucht und Sitte als Basis für die geistige Ent wickelung der Nation und für die Erhöhung einer wahrhaft nationalen, Kultur kümmern sich die Herrschaften wenig. Wir haben in der ganzen politischen und wirtschaftlichen Tätigkeit, die der Hansabuud bisher entfaltet hat, kein ein ziges Moment erkennen können, das nicht durch krasseste Profitgier diktiert worden wäre. Und wenn alle möglichen schönen Worte von Zusammenschluß der gewerbefleißigen Stände, von Hebung der Mittelstände, von sozialer Gemein samkeit der Interessen der Schaffenden und ähnlichem ge sprochen wird, so ist das mir eine ziemlich fadenscheinige Kulisse, hinter der das Portemonnaieinteresse allzu deutlich hervorlugt. Von diesem Gesichtspunkte aus kämpft denn auch der Hansabuud gegen die Sozialdemokratie, und sein Vorsitzender, der Geheimrat Nießer, hat sich darüber ge äußert wie folgt: „Wir sind uns im Präsidium darüber einig, daß wir selbstverständlich die Sozialdemokratie nicht fördern dürfen, sondern daß wir wie alle die übrigen in uns vertretenen bürgerlichen politischen Parteien sie zu bekämp fen haben." Daß aber der Hansabund trotzdem die Sozial demokratie für gut genug hält, um sie als Mittel zum Zwecke zu gebrauchen, um nämlich die bestehende Neichs- tagsmehrheit zu zerstören und an ihre Stelle ein radikal- liberales Regiment zu setzen, ist aus seiner bisherigen zwei felhaften Haltung der Umsturzpartei gegenüber erwiesen. Wir pflichten durchaus der „Deutschen Tageszeitg." bei, 'wenn sie zur Kennzeichnung dieses Kampfes gegen die So zialdemokratie anführt: „Die Sache liegt sehr klar: Bei der Hauptwahl unter- stützt der Hansabuud selbstverständlich nur seine Kandida ten, gleichgültig, ob gegen rechts oder links. Kommt es dann in Kreisen, iu denen ein Hansabundskandidat aufge stellt war, zur Stichwahl mit einem Sozialdemokraten, dann treten zwei Fälle ein: Entweder steht der Hansabunds kandidat zur Stichwahl, dann unterstützt ihn selbstverständ lich der Bund auch weiterhin, nimmt natürlich auch gern die Unterstützung der rechtsstehenden Wähler an — und hat nachher „prograinmäßig" auch „die Sozialdemokratie bekämpft". Oder es kommt der rechtsseitige Kandidat in die Stichwahl, dann zuckt der Hansabuud — genau wie Herr Rießer im Falle Usedom-Wollin, nur mit vorsichtige ren Beglcitwortenl — die Achseln und sagt, er dürfe sich nickst cinmischen, da die Ausgabe einer Stichwahlparole Sack>e der Parteien sei." So wie hier geschildert, liegen die Dinge in der Tat. Es ist eine Politik der Doppelzüngigkeit, die lediglich dik tiert ist durch den nacktesten Egoismus. Der Hansabund wird eben nur Anhänger seiner eigenen Wirtschaftspolitik gegen die Sozialdemokratie unterstützen, die anderen bür gerlichen Kandidaten aber bei einer Stichwahl gegen die Umsturzpartei ihrem Schicksale überlassen, nachdem seine Llgenten durch ihre Hebe vor der Hauptwahl genügend da für gesorgt haben werden, daß ihnen möglichst wenig Hansa- bündlerische Stimmen zufallcn. Es ist immerhin bemerkens wert, daß die vernünftigeren nationalliberalen Kreise von dieser politischen Gebarung abrllcken. Wir haben gesehen. daß einige hervorragende nationalliberale Industrielle be reits ihre Verbindung mit dem Hansabunde gelöst haben, weil sie diese indirekte Förderung des Umsturzes als ihren eigenen Interessen zuwiderlaufend nicht mitmachen wollen. Aus diesen Kreisen mehren sich denn auch die Rufe, daß die uationalliberale Fraktion politisch einlenken und den Kampf gegen den Umsturz als gefährlichsten Feind mit Energie durchführen solle. So schreibt die uationalliberale „Berl. Börsenzeitg.": „Eine Partei, die so große Endziele hat, ist nicht dazu angetan, nach kleinen taktischen Rücksichten des Augenblickes ihre Politik zu treiben. Die uationalliberale Partei kann nur strategische Politik treiben. Das heißt negativ: keine Verärgerungspolitik mitmachen — das heißt positiv: den Kampf gegen den gefährlichsten Feind »nt aller Energ e und Konsequenz durchführen. Wir denken nicht daran, die Haltung der Konservativen in der Neichsfinanzreform irgendwie zu beschönigen, ganz im Gegenteil, wir werde: immer wieder darauf Hinweisen und auf eine Umgestaltung der unsozialen Steuern hinarbeiteu. Aber es gibt noch höhere Gesichtspunkte, hinter die alles andere zurücktreten muß. Das ist die Erhaltung unserer Staats- und Gesell schaftsordnung. Das ist positiv der Kampf gegen die So zialdemokratie. Wer jetzt, um die „Reaktion" todsicher zu erschlagen, die Sozialdemokratie zur Helfershelferin herbei holt, wie der radikale freisinnige Flügel predigt, der wird erleben, daß diese „Reaktion" vielleicht viele und tiefe Wun den erhält — sicher totgeschlagen aber wird der, der die „Genossen" rief. Und ebenso sicher ist, daß, wenn einmal die „Genossen" zur Macht gekommen sein sollten und das Volk ihre neuen Herren wirklich kennen gelernt hat, der krasseste Rückschlag eintreten wird. Dann werden die jetzt wildesten Rufer nach der Sozialdemokratie die eifrigsten sein, die die Hilfe der stärksten Reaktion anrufen. Das bei zeiten zu regulieren ist die Aufgabe einer großen zielbewuß- ten Mittelpartei. Ueber die Forderung und kleine Not des Tages die große schicksalsschwere Zukunft verstehen und danach handeln — unbekümmert um die Meinung der Masse, daß muß die Strategie der natioualliberalen Partei sein. Volkspartci sei» heißt eine für das Volk arbeitende, nicht aber von den wechselnden Stimmungen des Volkes ab hängige Partei sein." Diese Auslassung ist bei einigen Schiefheiten und Falschheiten im wesentlichen recht vernünftig. Sie beweist, daß es unter den Nationalliberalen noch Leute gibt, die das alberne Schlagwort „schwarz ist der schlimmere Feind als rot" den radikalen Fanatikern nicht länger nachzuplappern gewillt sind. Wir fürchten aber, daß diese Rufer in der Wüste bei den kommenden Wahlen in starker Minderheit verbleiben werden. Prinz Max und der Papst. Nach einer Meldung der „Corriere d'Jtalia" ist Se. Königliche Hoheit Prinz Max nach einer Abschiedsaudienz bei Sr. Heiligkeit dem Papste, der ihn mit dem Ausdrucke seines väterlichen Wohlwollens entließ, nach Freiburg ab- gcreist, wo er sofort seine Vorlesungen wieder aufnehmen wird, lieber das Ergebnis seiner Audienzen mit dem Papste wird nichts veröffentlicht werden: sie werden den Charakter privater Unterredungen behalten. Alles, was über den Hergang von den Zeitungen gemeldet wurde, ist ein Produkt der Phantasie, da niemand der Unterredung des Prinzen mit dem Heiligen Vater beige-- wohnt hat. So viel steht allein fest, daß die Erklärungen des Prinzen sehr befriedigt haben, um so mehr, als der Prinz, wie er sagte, gewünscht hätte, daß sein Artikel vor der Veröffentlichung den zuständigen Persönlichkeiten zur Beurteilung der dogmatischen und theologischen Fragen unterbreitet worden wäre. So wäre der liberale Traum in nichts zerflossen. Als einziger Trost ist geblieben, daß Prinz Max dem Staatssekretär Merrp del Val keinen Besuch abgestattet habe. Lächerlich! Ter Staatssekretär hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Hätte der Prinz ihn besucht, so wäie die unfriedenstiftende Presse sofort mit der Verdächtigung zur Hand gewesen: er mußte die gespannten Beziehungen zwischen dem Dresdner Hofe und der Kurie beseitigen. Da die Gegentvart ihre Hoffnungen zunichte machte, tröstet sich die liberale Presse, daß sich Prinz Max „dem souveränen Zwang der wissenschaftlichen Wahrheit einst wird nicht ent ziehen können, wenn er sich auch jetzt der gewinnenden Macht des I'i" ilkcstmo unterworfen hat". „Der deutsche Grübler wird den römischen Diplomaten überwinden, und das Gros der deutschen Katholiken wird hinter ihm stehen, wenn er. ein neuer Reinald von Dassel, dem Papste in Rom den Fehdehandschuh hinwirft. Ein Wettiner war der erste deutsche Fürst, der sich aus innerer Ueberzeugnng der Reformation anschloß, ein Wettiner ist der Erste, der mit dem Rüstzeug der Wissenschaft den schwächsten Punkt der römischen Hierarchie angegriffen hat." — Und solckwn Schmuß der „B. Z." drucken die „Dresdn. Nachr." vollständig ab. Den Leuten ist aller Anstand verloren gegangen. Sie können sich aber versichert halten, daß die deutschen Katholiken sich weder durch „deutsche Grübler" noch durch einen „römischen Diplomaten" von dem Wege des Gehorsams gegen die von Gott gesetzte kirchliche Autorität abtrünnig machen lassen. Als Töllingcr Altkatholik wurde, haben die Zeitungen den Untergang des Katholizismus prophezeit: er aber steht ge schlossener und entschiedener da, denn je. Nur die hoffnungs frohen Liberalen stehen wieder einmal als betrübte Loh gerber da, denen alle Felle fortgeschwommen sind. Seit drei Monaten rechnet die Presse bei der Ablegung des Modernisteneides mit einem Massenabfall der Geistlichen. Und siehe da! Sie brachten im ganzen drei Fälle zu sammen. So sieht das Resultat der liberalen Hoffnung um die Jahreswende aus! Politische Rundschau. Dresden, den tzst Dezember 1910. — Tic Beisetzung des Grafen Ballcstrcm ist am Don nerstage in Ruda erfolgt, wo die Leiche am Mittwoch nachts in der St. Josephskirche, die Graf Ballestrem hat erbauen lassen, aufgebahrt worden war. Bergleute hielten die Toten- wacht. Am Donnerstag fand morgens um 7 Uhr ein Requiem statt. Im Anschlüsse daran gab Pfarrer Rosen berger aus Zabrze ein Bild des Lebens und Wirkens des Entschlafenen und seiner reichen Tätigkeit in Familie und Haus und im politischen Leben und betonte seine tiefe Religiösität und Fürsorge für die Angestellten. Als Ver treter des Kaisers erschien der Herzog zu Trachenberg, Fürst zu Hatzfeld, als Vertreter des Präsidiums des Reichstages Vizepräsident Schulz und der Direktor des Reichstages, Ge- heimrat Junghans, sowie ein großer Teil der Zentrums abgeordneten aus beiden Häusern, als Vertreter des Präsi diums des Abgeordnetenhauses Geheimrat Porsch. Auch eine große Anzahl von Mitgliedern des Herrenhauses war erschienen, ferner der größte Teil der schlesischen Aristokra tie. Die Trauerfeier begann um Uhr mit einem Re quiem, worauf Tominikanerpater Bonaventura aus Berlin die Gedächtnisrede hielt. In dieser schilderte er die Ver dienste des Verstorbenen und gedachte der wohltätigen Stif tungen für seine Angestellten und Arbeiter. In der Krypta der Kirche erfolgte hierauf die Beisetzung. Bei der Trauer- fcicr zelebrierte in Vertretung des Kardinal-Fürstbischofs Kopp Weihbischof Augustin-Breslau das Totenamt. — Gras Franz Xaver v. Korff, genannt Schmising- Kcrsscnbrock, ist am Sonntag zu Borscholzhausen im 73. Lebensjahre gestorben. Nachdem er in den Jesuiten kollegien zu Lüttich und Feldkirch seine Erziehung genossen trat er mit seinen beiden jüngeren Brüdern zugleich in das Preuß. 1. Garde-Regiment z. F. ein. Vor die Frage ge stellt, ob er eventuell in ein Duell einwilligen würde, hatte er Gelegenheit, seine feste, treue, zu allen Opfern bereite katholische Oiesinnung zu betätigen und seinen Brüdern mit leuchtendem Beispiel voranzugehen. Nachdem alle drei den schlichten Abschied aus dem Heeresdienst erhalten hatten, trat der Verstorbene unter dem General Kanzler in die päpstliche Armee ein. Die Einnahme Roms vercm- laßte den jungen Offizier Graf Kerßenbrock nach Deutsch land zurückzukehren, wo er im Jahre 1870 als Malteser- komniissar für die Pflege der Verwundeten tätig war. Während des Kulturkampfes erwarb er sich große Ver dienste durch seine Bemühungen für die katholische Sache. Am 1-1. April 1874 vermählte er sich mit Antonia Gräfin Hoensbroech, welche ihm im nächsten Jahre durch den Tod entrissen wurde. t877 heiratete er die Anna Neichsgräfin v. Spee. Seine Vatersorge erstreckte sich nicht allein auf seine Familie, er hiuterläßt 3 Söhne und 7 Töchter, son dern auch auf seine Untergebenen. In der ganzen Gegend und weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus haben Arme und Kranke die Mildtätigkeit des Verstorbenen er fahren. Ein Edelmann im wahren Sinne des Wortes, trat er stets für die von Gott gesetzte Autorität ein und war besonders treu dem angestammten Herrscherhause ergeben. — Nach einer Entscheidung sind Bestätigungsschreiben auswärtiger Girokunden und Bankkunden über den Empfang eines auf Kontokorrentguthaben bar übersandten Geld- betrage» als dem Scheck gleichgestellte Quittungen der ReichSstempelabgabe von 10 Pfg. nach Tarif Stelle 10 Absatz 2 des Reichsstempelgesetzes unterworfen. — Mit einer Art Aufräumen will der Reichstag im neuen Jahre seine Tätigkeit eröffnen. Es heißt, er wolle vor Beginn der 2. Lesung des Etats noch eine Anzahl Gesetze verabschieden, so das HauSarbeitSgesetz. das Zuwachs- steuergesetz, das Reichsbesteuerungsgcsetz und eine Reihe kleinerer Gesetze. Die erste Lesung des elsatz lothringisckcn Verfassungsgesetzes werde ebenfalls noch im Januar statt- finden. Bei der ReichSversicherungöordnung soll die 2. Lesung im Plenum erst vor sich gehen, wenn der Etat zum größten Teile erledigt sein werde. Das sieht ganz danach aus, als ob es nicht bloß mit der Privatbeamten versicherung. sondern auch mit der Reichsversicherungsordnung in diesem Jahre nichts mehr werden solle. — Abschaffung des Impfzwanges. Die Jmpfgegner sind fleißig an der Arbeit und überschwemmen den Reichstag mit Material aller Art. Aber in der Petitionskommission hatten sie wenig Glück, denn diese beschloß: Uebergang zur Tagesordnung. Es wurde in der Kommission vom Regie rungskommissar u. a. hervorgehoben, daß eine einmalige Impfung keineswegs für die ganze Dauer des Lebens ...