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chönbuM TagMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd U albenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile IV Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 27. April 1883. SL. "Waldenburg, 26. April 1883. Alliance oder Einverständniß? Eine Woche etwa hat die Frage der Tripel- Alliance in der That Ruhe gehabt, und ist die Discussion darüber von der politischen Tagesordnung abgesetzt worden. Jetzt aber lassen den bekannten Times-Correspondenten in Paris, den „sogenannten" Monsieur de Blowitz, der schon manches Blaue vom Himmel herunter erkundet hat, was sich hinterher als eitel Erfindung kennzeichnete, die zu erwartenden Lorbeeren nicht mehr schlafen, er muß auch sein Wort dazu geben. Herr de Blowitz reist nach Rom, läßt sich da rechtschaffen Weihrauch streuen, und verkündet daun jedem, der es hören will, daß er die nessten diplomatischen Geheimnisse der Gegen wart glücklich entdeckt, nämlich, daß ein schriftlicher Allianceverlrag zwischen den .drei Mächten Deutsch- land-Oesterreich-UngarmJlalien bestände. So Herr de Blowitz, der es wissen könnte, und dem man gute Informationen zutrauen könnte, wenn er nicht schon früher allzusehr und allzuoft geflunkert hätte. Der „Times"-Correspondent behauptet also das Vorhandensein eines geschriebenen Alliance-Vertrages. Daß ihm einer der drei leitenden Minister dies Allerwelts-Geheimniß unter dem Siegel „der größten Weiterverbreitung" kundgethan, mag glauben, wer da will; eher ist anzunehmen, daß eine anscheinend wohlinformirte Person dem eitlen Reporter einen gehörigen Bären aufgebunden habe, oder aber dieser seine eigene Phantasie zu Rathe gezogen habe. Und daß das Vorletzte oder Letzte der Fall, ist wohl schon deshalb wahrscheinlich, weil plötzlich von allen Ecken und Enden das Vorhandensein eines schriftlichen Verlrages abgeläugnet wird. Diese Dementis würden an und für sich aber wohl kaum genügen, denn bekanntlich ist bei solchen Anlassen nur zu oft das Gegentheil der Fall von dem, was behauptet wird, hinzu tritt aber noch als gewichtigster Grund für den Mangel eines Vertrages, wie er speciell zwischen Deutschland und Oesterreich besteht, der Umstand, daß eine Nolhwendigkeil dazu überhaupt gar nicht vorliegt. Weder Deutschland noch Oesterreich hat es nöthig, die Freundschaft eines dritten Staates nachzusuchen resp. mit demselben einen so innigen Vertrag zu schließen, wie er zwi schen ihnen beiden besteht. Das würde sogar fast widersinnig sein, denn die Interessen jener dritten Macht rönnen für die beiden Kaiserreiche niemals denselben Werth haben, wie die eigenen, welche aus der Nachbarschaft Frankreichs und Rußlands hervor gehen. Rücken an Rücken heißt es hier, und dies beiderseitige Zusammenhalten genügt. Eine verbriefte und versiegelte Alliance mit Italien würde also immerhin ein Preisgeben der eigenen gleich be deuten und eine Garantieübernohme zum Schutze fremder Interessen sein, und zu alledem erscheint Italien kaum der Staat, auf welchen man sich in jeder Gefahr absolut verlassen kann. Von italieni scher Dankbarkeit wissen ja auch wir Deutschen ein Lied zu singen. Diese sehr gewichtigen Thatsachen sprechen gegen das Vorhandensein einer Tripel-Alliance, welche lediglich als Erweiterung des Zweikaiserbündnisses betrachtet werden mußte. Dagegen kann aber sehr wohl, wie es nach den hinlänglich bekannten mini steriellen Erklärungen auch wirklich der Fall ist, ein recht freundschaftliches Verhältniß zwischen den drei Mächten bestehen, durch welches ein vollkommenes Einverständniß über gewisse allen gemeinsame poli tische Interessen erzielt ist. Ein solches Einverständ niß ist aber keine Alliance, wie das Zweikaiserbünd- niß, welches auf Leben und Tod geht. Hesr de Blowitz mag also ruhig sein: Diesmal hat er den Stein der Weisen nicht gefunden — und vielleicht ist es auch in der Zukunft sobald nicht der Fall. "Waldenburg, 26. April 1883. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser wird, wie es heißt, den jetzigen Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, welcher bis her in der preußischen Armee nur den Rang eines Oberstlieutenants bekleidete, zum General der Caval- lerie und an Stelle seines verewigten Vaters zum Chef des Hann. Husaren-Regimenles Nr. 15 er nennen. Der Bundesrath hat am Dienstag eine Sitzung abgehalten. In derselben wurde u. A. der Consu- larvertrag mit Serbien und der Handelsvertrag mit Mexico genehmigt. Beide Vorlagen werden dem Reichstage sofort zugehen. Minister von Bötticher hat sich in Neapel einer dritten Operation unterwerfen müssen, da sich ein Absceß gebildelt. Trotzdem hofft der Minister nächste Woche heimkehren zu können. Die „Norddeutsche Allgemeine" klagt schon wieder einmal darüber, daß die ministeriellen Aufgaben die zur Bewältigung derselben vorhandenen Arbeits kräfte übersteigen. Namentlich treffe dies bei den höheren Beamten zu, welche sich in keiner Weise schonten. Es folgt nun eine Krankenliste; Der Reichskanzler ist noch immer sehr leidend, Herr von Bötticher ist noch nicht genesen, Staatssekretär Burchardt hat ebenfalls in Italien Erholung suchen müssen. Durch Ueberarbeitung sind die Unterstaals- sekretäre Eik und Busch gezwungen. Urlaub nachzu suchen, und jetzt hat sich auch bereits wieder der neuernannle Direktor im Auswärtigen Amt Herr von Bojanowski von seinen dienstlichen Geschäften zurückziehen müssen. Das ist in der Thal eine traurige Liste. — Das hochoffiziöse Blatt kommt dann auch nochmals auf die spanische Handelsver tragsverhandlungen zu entsprechen und constatirt aus's Neue, daß der spanische Finanzminister der Hauptgegner des Vertrages ist. Seitens des Reichskanzlers ist dem Bundesrath eine Vorlage zugeaangen, welche unter Abänderung der Zollinstruction die wiederholt laut gewordenen Klagen über die Tarifirung der Waareu-Um- hültungen dauernd zu beseitigen bestimmt ist, u. a. heißt es: Gehen zollpflichtige oder zollfreie Gegen- stänve in äußern Umschließungen ein, welche bei den Tarasätzen als Verpackung überhaupt nicht vor gesehen sind (z. B. Cylinder, Flaschen, Kisten, Fässer rc. von Metall, Guttapercha und dergl.), so sind derartige Colli — einschließlich des Gewichts der Umschließungen — nach Maßgabe des Inhalts zu behandeln, sofern jene Umschließungen als Fabrik- oder handelsübliche Verpackung anzuerkennen sind. Wird jedoch von den Betheiligten die Netto-Ermitt lung der Waare oder die Abnahme einer derartigen äußern Umschließung beantragt, oder ist es augen scheinlich, daß letztere nur deshalb als Emballage gewählt ist, um den Zoll zu ersparen, so tritt Nelto- verwregung ein, und die Umschließung wie die Waare sind, je nach ihrer Beschaffenheit, besonders zu tarifiren. Die innern Umschließungen, welche nicht zum Nettogewicht der Waare gehören, sind zollfrei zu belassen, sofern es sich dabei nur um gewöhnliche Umschließungen von geringem Gebrauchs oder Verkaufs-Werth handelt. Haben die Um schließungen dagegen an sich einen erheblichen Ge brauchs- oder Verkaufswerth, so sind sie ihrer Be schaffenheit nach besonders zu tarifiren und zur Verzollung zu ziehen, sofern nicht der Betheiligte beantragt, dieselben als innere Umschließungen, welche zum Nettogewicht der Waare gehören, zu behandeln rc. Im preußischen Abgeordnetenhause stand am Mittwoch der Antrag Windthorst, betr. Straf- i l-sigkeit des Meffelesens und Sakramentespendens auf der Tagesordnung, zu dem dis Conservaliven einen Vermittelungsantrag eingebracht. Abg. von Schorlemer-Alst befürwortete den Antrag, indem er er als ein Nothgesetz bezeichnet, dessen Annahme durch die traurigen kirchlichen Verhältnisse geboten sei. Die Regierung habe aber offenbar keine Nei gung, Frieden zu schließen. Minister von Goßler trat dem entgegen, indem er ausführte, daß die Antwort der Regierung auf die letzte päpstliche Note bereits dem Kaiser unterbreitet sei. Er bat aber beide Anträge abzulehnen. Abg. Hänel war für eins Revision der Maigesetze, aber gegen den An trag, der zu keiner Revision führe, Abg. Stern sprach im Interesse der Gleichberechtigung aller Confessionen dafür, Abg. Macard (cons.) empfahl den conservativen Antrag, während Abg. von Eynern namens der Nationalliberalen dagegen war. Abg. Richter-Hagen beantragte Commissionsüberweisung des Antrages. Es handle sich hier nicht um eine Culturfrage, sondern um eine Machtfrage für den Kanzler. Abg. Windthorst war gegen die Commis sionsüberweisung, wodurch der Antrag nur ver schleppt werde. Minister von Goßler sprach noch mals dagegen und ward darauf der Antrag mit 229 gegen 133 Stimmen abgelehnt. Oesterreich. Die Wiener Studentenschaft will den Rednern der Vereinigten Linken gegen die Schulgesetz- Novelle im Abgeordnetenhause, und zwar den Herren Reichsralhs-Abgeordneten: Hofrath Beer, Ritter von Carnerie, Or. Promberg, Or. Rechbauer, Professor Or. Eduard Sueß, Professor Or. Tomas- zezul, Or. Weitlof, ferner dem Reichsraths - Ab geordneten Kowalski einen solennen Fackelzug bringen. Die Abgeordneten nahmen am 25. d. den Para graphen der Schulnovelle betreffs der Lehrer bildungsanstalten, nachdem der Regierungsverlreter nachgewiesen, daß der Vorwurf der Herabsetzung der pädagogischen Ausbildung der Lehrer vollkommen unbegründet sei, an. Der Paragraph betreffs des Glaubensbekenntnisses der Schulleiter rief eine leb hafte Debatte hervor. Der Unterrichtsminister er klärte, die Novelle sei selbstverständlich nicht rück wirkend. Die Behauptung, dieser Paragraph sei nur eine Abschlagszahlung an die Klerikalen, weise er entschieden zurück. Abg. Sturm erblickt in dem Paragraphen eine Abänderung des StaatSgrundge- setzes. Der Präsident erklärte, er erblicke in dem selben keine Abänderung des Staatsgrundgesetzes, er überlasse aber die endgiltige Entscheidung dem obersten Hüter des Gesetzes. Bei namentlicher Ab stimmung wurde der Paragraph mit 169 gegen 163 Stimmen angenommen. Das Vertrauensmännercollegium der deutsch-böh mischen Landtags- und Reichsralhsabgeordneten hat der Vereinigten Linken die Anregung gegeben zu einem Aufrufe an das deutsche Volk und die deutschen Gemeinden, in welchen das einheitliche Verhalte» gegenüber der Schulgesetznovelle bezweckt wird. Hervorragende Rabbiner Galiziens sendeten an die israelitischen Wähler des Slädtebezirkes Ko- lomea-Snyatin ein Schreiben, worin sie vor der Wahl des Baron Romaszkan zum Abgeordneten eindringlich warnen, weil er als Judenfeind be kannt sei. Frankreich. Die Deputirtenkammer hat die Convertirungs-