Volltext Seite (XML)
Donnerstag Nr 21«. 29. Julius 1847. WM Deutsch, Allgemeine Zeitung. RUN «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «ed--rri<r. Meeetfchlaa». ^Chemnitz. Schutzzollpolemik, h Stuttgart. Beschwerde- sachc. Erklärung. Der Bücherdiebstahl. Die Fraschische Sache. HandelSschiedSgericht. — Württembergische Erklärung, -r-Sonders hausen. Jüdische Lehrer. Mre«Hen. chvanstg. Die Ostbahn. ^Köln. Assisen. tveverreieh. Priestermord. Frhr. v. Bdriani. Spante«. Dar königliche Paar. wratzdritannien. Thronrede bei Prorogirung des Parlamente. Par- lamentrvcrhandlUngen. GeheimerathSsitzung. Der Herzog von Cam bridge. Erankneieh. Der Pairehof. Deputirtenkammer. Die Gesellschaft zur Auibeutung des Bergbaues in Algerien. Das Ministerium. Das Jour nal de Rouen. Hr. Teste. Die Jesuiten in Lyon. Die Julifeier. ** Paris. Pellapra. Hr. de Lamartine. Miedenlande. Die Generalstaatcn. Die Ergänzungkwahlen für die ll. Kammer. Prinz Friedrich. Ausfuhr von Schlachtvieh. Berichte aus Batavia. SchWeiz. Die Protestation. Lazsahung. Rüstungen in Schwyz und Lu zern. Der patriotische Verein in Waadt. Atalie«. * Rom- Der Prinz' von Salerno. Sardinische Reformen. Borschritte in Neapel. Die Exceffe in Lucca. Die Aernte. Rom. Graffelini. Cardinal Ferretti. Die Schweizer. — Unruhen in Ferrara. Mutzlan» und Molen. t-Von der polnischen Grenze- Bedeutungs voller Gerücht. Der Polenproceß. Äkürket. Der Kurdenkricg. China. Kaiserliches Schreiben. MraRlie«. Ministerivechsel. «Sissenschaft und Kunst. f-teipftg. Handbuch für Reisende in Tirol. — Die Marmvrstatue des Gemahls der Königin von England. -Handel und Anduftrie. * Leipzig- Börsenbericht. — Berlin. Ytnkündigungen. Deutschland. l^Chnnnits, 26. Jul. Wenn unsere Schtztzzöllner ihren eigen nützige» Bestrebungen Eingang zu verschaffen suchen, so nehmen sie vor nehmlich in neuerer Zeit das Wohl der arbeitenden Klassen zum Panier, geben vor, in deren Interesse zu handeln, und suchen durch den Schein philanthropischer Declamationcn die öffentliche Meinung zu gewinnen, während doch im Grunde lediglich persönliches Interesse mehr oder we niger die Triebfeder ihres Handelns ist.. Mangel an Arbeit ist das Lo sungswort aller Vertheucrungsmänner, in der Hcrbeischaffung vermehrter Arbeit durch hohe Schutzzölle erkennen sie- das einfachste und einzige Mit tel, allen Nothstand zu heben und die Schrecken eines immer wachsenden Proletariats fern zu halten. So auch die Denkschrift der hiesigen Ge- «crbtreibenden, die sich das Ansehen gibt, die materiellen Interessen be sonders der erzgebirgischen Arbeiter zu vertreten; auch sie deducirt aus -em Mangel an Arbeit dir Nothwendigkcit höherer Schutzzölle, wickelt die Hauptsache, um die rS ihr eigentlich zu thun ist — höhern Twistzoll — sorgfältig in den Antrag, die Zöllr auf die ersten Lebensbedürfnisse zu ermäßigen rc., und glaubt auf diese Weise die bittere Pille zum Ver schlucken geeigneter gemacht zu haben. Wir folgen jener Schrift nicht dorthin, wo sic nachwcist, wie viel der Zollverein jährlich verliert und folg lich ärmer wird rc., cS sind das Alles Dinge, die vor Jahren ihren Ef fect machten, jetzt aber schon von dem alltäglichsten Verstand in ihrer gänzlichen Nichtigkeit erkannt sind; wir haben es hier nur mit dem Man gel an Arbeit in Sachsen zu thun, denn mit ihm fällt das ganze Gebäude der erwähnten Zollsophistcrci. Betrachtet man das Erzgebirge, den Sih der sächsischen Industrie mit seiner dichten Bevölkerung, so findet man allerdings Mangel an Ar beit in einigen Gewerben und Fabrikalionszweigen, damit ist aber keines wegs noch -erwiesen, daß derselbe allgemein sei und zu so außerordent lichen Mitteln wie Schutzzölle führen müsse, die in ihrer Anwendung nichts weniger als das Wohl der arbeitendin Klassen fördern, son dern gerade das Gcgentheil bewirken. Bemerkt man denn nicht das allgemein sehr fühlbare Bedürfniß von arbeitenden Händen bei der Land- wirthschaft, die öffentliche Hinweisung der Behörden darauf? Bemerkt man nicht jene Tausende von Böhmen (Einwohner eines sehr geschützten Landes), die in Sachsen als Knechte, Mägde, Maurer u. arbeiten? Warum lassen unsere Beförderer der nationalen Arbeit diese nicht uner heblichen Arbeitslöhne aus dem Lande? Doch davon mögen sie natürlich aus dem einfachen Grunde nichts wissen, weil cs nicht in ihren Kram paßt und fic dabei nichts verdienen können. Ist es nicht eine traurige Wahrnehmung, daß unsere Arbeiter den jetzt so geringen Verdienst bei ihren Gewerben oder in den Fabriken dem bedeutendern Verdienste bei der Land- wirthschaft ic. verziehen, daß seit IS —2V Jahren ein großer Theil von ihnen geradezu physisch unfähig geworden ist, härtere, anstrengendere Arbeit zu verrichten? Alles drängt sich zur Industrie, zu den Gewerben; eS findet das seinen Grund in einer Art FrciheitSlust, in dem Wunsche näm lich, nach Gefallen Arbeit und Aufenthalt zu jeder Zeit wechseln zu kön nen; es findet ihn aber auch in dem gesteigerten Luxus, in dem Wunsche, ein gemächliches, minder anstrengendes Leben zu führen, in der Angewöh nung so Wucher Bedürfnisse, die im Gefolge eines gelegentlich größern, aber unsicher« Erwerbes find; man zieht die Arbeit in den Stuben, in den Fabriken der harten Arbeit im Freien vor. Und das Alles haben nur einige wenige gyte Jahre der Industrie in Sachsen gewirkt und den Samen zur Massenarmuth gelegt. Wenn nun aber, wie unsere Schutzzöllner wollen, die Industrie künst lich gehoben und vor allen Dingen die Baumwollspinnerei durch höhere Schutzzölle gewaltsam und unnatürlich erweitert wird, werden die eben angeregten Verhältnisse der Arbeiter nicht noch greller hcrvortretcn? In den ersten Jahren wird sich Alles anscheinend wohl befinden, man wird Geld verdienen, unsere Leute werden alle den Fabriken zueilen, die Ar beitslöhne bei der Landwirthschaft werden immer mehr steigen, eine noch größere Menge Ausländer wird nach Sachsen gezogen, die Bevölkerung massenweise zusanuncngeschichtet, man wird anstatt der Auswanderung die Einwanderung befördern, und wenn dann einmal später in 8 —10 Jah ren bei größerer Production eine ungünstige Conjunctur eintritt, vor wel cher keine Zollbarrieren oder Rcgierungömaßrcgeln schützen können, oder wenn gar die Schutzzölle aufhören, wie man doch selbst in Aussicht stellt, was dann? Der Schutzzöllner wird sich behaglich und wohlgenährt auf seinen erworbenen Landsitz zurückziehm und dem Staate mit stoischer Ruhe zurufcn: „Du hast's gewollt, sich nun selbst zu, wie du deine Pro letarier los wirst!" Wir verweisen hier auf Belgien, das soeben diese Karriere durchmacht und am Vorabende der erwähnten Krise steht. Ge rade so wie bei dem Arbeiter ist eS auch bei dem Arbeitgeber: der Luxus, der Aufwand ist enorm gestiegen, der Gewinn geringer geworden und die Sucht, sich gemächlich und schnell zu bereichern, die Richtung der Zeit. Unsere großen Gegner und gewandten Dialektiker, wie die Deutsche Gewerdezeitung pflichtschuldigst die Verfertiger der erwähnten Denkschrift zu nennen beliebt, werden uns nicht zürnen, wenn wir ihren eminenten Talenten gegenüber es ebenfalls wagen, nach unserer Weise an des „Flu ches Lösung" zu arbeiten, der auf unserer Industrie lasten soll.' f Stuttgart, 25. Jul. Gestern Vormittag wurden die Unterzeich ner der Nichtigkeitsklage gegen den Entscheid der königl. Stadtdirection in Betreff der Beschwerde gegen das Verhalten des MilitairS wäh rend der Unruhen in der Nacht des 3. Mai vor die Stadtdirection ge federt, wo ihnen ein Erlaß der königl. Kreisregierung eröffnet wurde, dc ihre Beschwerde für völlig grundlos erklärt. Die Beschwerdeführer zeig ten sofort den RecurS an und wollen, wie man hört, ihre Angelegenheit bis zur höchsten Instanz verfolgen. Die Freunde der liberalen Partei (bekennen wir es aufrichtig: ihre Zahl ist seit den Maitagen merklich zu sammengeschmolzen) fürchten, daß das kleine Häuflein der Opponenten sich in dieser Sache etwas verfahren hat und der guten Sache nur scha den dürfte. — Viel Aufsehen macht die Erklärung im gestrigen Schwäbi schen Merkur über die in den Zeitungen wiederholt austauchenden Ge rüchte von angeblichen Veränderungen in den Ministerien. (S. unten.) Officiclle Berichtigungen, und eine solche ist die in Rede stehende jeden falls, ist man sonst bei uns gewohnt, in gemessenerer Form zu lesen. — Den Urhebern des bedeutenden Bücherdiebstahlö (Nr.202) ist man auf der Spur; ein Theil des Gestohlenen ist wieder zurückgcbracht. 25. Jul. Vor einigen Tagen sind die sehr umfangreichen Acten in dem vielbesprochenen Gaunerprocesse des WunderschäfcrS Krasch und Genossen dem Staatsanwalt übergeben worden. Es hat also noch gute Weile damit, ehe diese Sache zur öffentlichen Schlußverhandlung kommt, und die Nachrichten darüber im Rheinischen Beobachter sind völlig grün loS. — In einer öffentlichen Verhandlung des Händels- schiedSgcrichts wurden am 20. Jul. die zwei Fragen entschieden: ob ein Provisionsrcisender auch,in den Fällen Provision anzusprechen habe, wenn eine abgesetzte Waarc von den Empfängern dem GeschäftShcrrn zur Disposition gestellt wird und wenn der Erlös einer Waare im Falliment deö Empfängers verloren geht? Beide Fragen wurden von dem Handclö- schiedsgericht bejahend, jedoch mit der Einschränkung beschicken: wenn der