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Wöchentlich »scheinen drei Nummern, Pränumeralionö-Preis 22j Siibergr. (j Ldir.) vieneüädriich, Z ^hir. jnr da« ganze gadr, ohne Erhöhung, in aUen ^heilen der Preußischen Monarchie. agazin für die Pränumerationen «erden non jeder Buchhandlung sin Berlin bei Beir u. Eomp., Jagcrstraße Nr. 2ü), so wie von allen Königs. Po>1 Acmrern, angenommen. L l t c r ll t u r des Auslände s. IF' 108. Berlin, Sonnabend den 7. September 1844. Nord-Amerika. Eine Reise in den Westen. i. Unsere Reisen sind in der That sehr beschränkt. Wir haben keinen Himalaya zu besteigen, keinen Nil zu beschissen, keinen Aztalan oder Palenque zu erforschen. Selbst die Quellen deS Nil jedoch gewährten Bruce nur einen Augenblick des Entzückens für alle überstandene Mühe und Gefahren, und so trösten wir uns über den Mangel an romantischen Abenteuern mit dem Ge danken, daß wir im Verhält«iß wenigstens eben so viel erlangen. Ist es nicht schon Etwas, im Lause einer Tagereise nicht allein Homer, Milton und Byron, Napoleon und Romeo, sondern auch Scio und Athen, Marengo und Lodi und eine ganze Hcerschaar anderer berühmter Plätze zu sehens Abgesehen von diesen Vorthcilen, ist jedoch eine Reise in den Westen mit Dampf oder in einer Postchaise genau jeder anderen Reise gleich, nur fehlen zuweilen einige Ler ausgesuchteren Reisebequemlichkeiten. Wir reisten nach der Mode des Westens in den Westen und befanden uns desto besser dabei. Vielleicht glich sse zu sehr der des Kesselflickers im Mährchen, dessen Equipage ein gewaltiger Theekcffel war, während der Hals als Schornstein und das Ganze zugleich als Zeichen seines Gewerbes und als Wohnhaus seiner Familie diente. So sinnreich jedoch dies Arrangement scheint, so hat ein genialer Haufirer — natürlich ein Janker — eS doch noch verbessert. Seine Kuh dient ihm nämlich n üeux insü>8, indem sic ihn nach Umständen trägt oder zieht und den Durstigen mit ihrer Milch labt. Die größte Annäherung zu dieser Vereinigung jeden Comforts machten wir im vorigen Sommer, als wir nach langem Unwvhlsepn, das eine Er holung wohl rechtfertigte, in unserem Familicnwagcn eine Entdeckungsreise nach dem Westen unternahmen — wohl versehen mit Allem, dessen wir erdenk licher Weise bedürfen könnten, einen großen Korb mit Vorräthen mit einge- schsossen. Zahllose Schirme, Bücher und Charten, Mantelsäcke und Reise taschen, Gerste für die guten alten Rosse und ein Eimer für den Fall, daß sie in Gegenden durstig werden sollten, wo es mehr Wasser als Eimer giedt — alles dies erforderte eine gewisse Kunstfertigkeit, um uns und unsere sieben (sieben mal sieben) Sachen selbst in dem geräumigen „Hinterwäldler"-Wagen unterzubringcn. Vielleicht denkt sich der Leser, zumal wenn er, wie ich voraussetze, ein Slädtebewohncr ist, unter diesem mchrerwähntcn Familienwagen eine etwas großartige Vritschkc oder eine geräumige Barouchc, die im Nothfall sechs Damen mit GigotS enthalten kann, und meint, wenn wir eine „Fantaisie" haben, sür ein paar Tage auSzuflicgcn, brauchten wir bloß Johann zur be stimmten Stunde anspanncn zu lassen. Eine arge Täuschung! Wir sind im Westen! Der Wagen besteht auS einem oblongen Kasten von rohen Brettern, auf den plumpsten Rädern balancircnd, und statt der Federn haben wir zwei der schlanksten Tamarindcnstämme, die an den Seiten mit eiserne» Haken be festigt sind. Auf diesen Federn ruhen Brcttcrsitze, nach Umständen mit oder ohne Kissen, immer aber reich mit Büffclhäutcn drapirt. Am Geschirr ist Alle» von Eisen, was nicht Leder ist, nur sind gewöhnlich einige wenige schwache Stelle» daran, welche gelegentlich mit Zwirn ausgebeffcrt werden. Ferner muß Euer Johann, wenn Ihr so glücklich sepd, einen zu besitzen, bei Zeiten von Euren Neile-Absichten unterrichtet werden. Da müssen die Hufe nachgesehen, — das Geschirr zum Schuhmacher gebracht — und Salbe sür „Quccksilber'ü" im Pfluge wundgeriebcne Schulter gekauft werden. Wollt Ihr mit einiger Gewißheit auf einen glücklichen Erfolg Eures Ausflugs rechnen, so erfordert er kaum weniger Vorbereitungen, als Napolcon's Uebergang über die Alpen. ES ist gar zu verdrießlich, dies und jenes Unentbehrliche zu ver misse» , wen» ma» meilenweit von jeder menschlichen Hülfe entfernt ist. Aber Alles wartet, während ich hier schwatze. Es war ein wolkcntrüber Tag im Juli — so trübe, wie wir sie oft nach heftigen Schauern haben, die uns andererseits die Zuversicht geben, daß der Himmel seine Wasserbehälter einstweilen erschöpft hat; — wir gratulirten »ns, die Wolken eiliger vorüber- ziehen zu sehen, und dachten sogar daran, die Schirme zu Hause zu lassen. Es dauerte jedoch nicht lange, so schien die Sonne so warm, daß sie unsere Regenschirme in Sonnenschirme umformte und wir unter der unserer Sonne eigenen drückenden Hitze fast ohnmächtig wurden. Als wir die Gränzcn deS bebauten Landes erreicht hatten und in das „Balkenland" tauchten, wechselte die Hitze plötzlich mit der Kühle einer Grotte und die Pferde trabten langsamer dahin, als wenn sie den feuchten Moosboden und den erquickenden Schatten bequemer genießen wollten. Es war nicht lange nach Mittag, als cS uns ganz paffend erschien, Mit tag zu essen; auch brauchten wir nicht weit nach einem freundlichen, grünen Rasenplatze zu suche», auf dem wir u»scrc Kiffen, Büffclhäute und Decken ausbrciteten. In der Mitte unseres Zirkels lag das Tischtuch mit allem Zu behör, und dort, in einem Oaso -mx »rille eolonnes, der keiner vervielfäl tigenden Spiegel bedurfte, nahmen wir unser erstes, ländliches Mahl ein, — Alle vergnügt in der neuen Umgebung, doch Niemand mehr, als das junge Volk, die, so oft sie Lust hatten, an die kleine, den Hügel herabrieselnde Quelle gehen und in dem kleinen Teich am Fuße desselben plätschern konnten. Sie fütterten Prinz mit Brod, das er mit einer seines edlen Blutes würdigen Sorgfalt und Bescheidenheit aus ihren Händen nahm, während der arme Quecksilber — ein altes, braves Normandie-Noß — seine bäuerischen Sitten zeigte und, wenn ihm dieselbe Höflichkeit erwiese» ward, den Kopf hängen ließ oder träge zur Seile wandte. Was sic aber am meisten amüsirte, waren Leo'S enthusiastische Sprünge, wen» er die Nußschalen verfolgte, die sie so weit als möglich in die schäumenden Fluthcn warfen, während sic gelegentlich seine Geduld durch einen flachen Stein aufü Spiel setzte», durch den er sich verbindlicherweise, so oft cS ihnen gefiel, täuschen ließ. Leo ist ein intimer Freund der Familie, nicht gerade seiner Schönheit wegen, denn er ist ein schreckliches Geschöpf mit dem Aeußcru eines Bull dogs, noch etwa wegen seiner Dienste, denn ich glaube kaum, daß je ein nutzloseres, feigeres Ungeheuer junge Gänse anfiel, sondern gerade — darum. Dies ist der einzige, ostensible Grund für Leo'S Popularität und doch genügend, ihm für manche Unart Straflosigkeit und regelmäßige Thcilnahme an unseren Ausflügen zuzufichcrn, wenn wir e» kamille ausziehcn. Und gewiß sind Manche aus geringfügigeren Gründen in der Gesellschaft zngclassen. Als unser Wald-Diner beendigt, Fleisch und Eingemachtes, Mehlspeise, Kuchen und das ungeheure Brod, jedes in seine Ecke deS gewaltigen Cham pagnerkorbes, der unsere Schätze einschloß, zurückgckchrt und der kleine dünne Butter-Eimer, der sorgsam ins Wasser gestellt worden, wieder in sein Kleid von frischen Blättern gehüllt war, setzten wir unsere Reise fort. Während wir uns mit Leo'S groteske» Sprüngen im durchstchtigc» Wasser belustigt hatten, waren unbemerkt dunkle, unhcilschwangcre Wolken hcranfgezogcn und wurden zusehends dichter und schwerer, als wir eben wünschten. Dessen- ungeachtet fuhren wir weiter und in eincm guten Schritte; denn auch die Pferde hatten sich erholt und gestärkt und schiene» überdies einzusehc», daß einiger Grund zur Eile vorhanden scy. Kein Haus war zu erspähen; denn an dem Nebenwege, den wir eingeschlagcn, sind Ansiedler noch selten und zerstreut; so führte uns der Weg größtenthcils durch lange Strecken noch un berührten Waldes, wo wir oft mit großer Aufmerksamkeit nach dem ll suchen mußten, das des nurvovor's Art längs der „Landstraße" in die Rinde ge hauen hattc. Bald kam der Regen und gar ernstlich. Nicht etwa kleine, warnende Tröpfchen, sondern eine plötzliche Fluth, die in einer halben Minute durch und durch drang. Vorwärts, guter Prinz! — o» svane, Quecksilber jdcnn Du bist französische» Bluts)! glänzend und dampfend, wie Ihr sepd, Ströme von Euren unschuldige» Nasen niederrinnend — denkt an unserer Landsleute weitberühmtes Motto: „Vorwärts!" Wenn Ihr irgend Mitleid habt mit Hüten und Schleiern, Gingham und Seide, oder mit deren Eigenthümern, so laßt de» Regen Euer edlcS Feuer nicht verlöschen! Denkt an Euer durch. näßteS Brod! Denkt an Eure schwimmende Gerste und eilt! Der Regen schlägt init solcher Gewalt an die Zannbalkcn, daß er ringsum einen leichten Nebel bildet. Die kleinen Seen im Wege sehe» ans, als wenn sie kochten, und der Himmel scheint schwerer zu werden, je mehr er ausströmt. Nun sind wir gar an einem offenen Felde und ein See ist zwischen uns und dcm fernen Walde! Aber da ist ein Dach! Ich schc einen Schornstein! Und da ist eine halb ertränkte Kuh, die sich, Schutz suchend, dicht an eine niedrige Strohhütte lehnt, und ein paar arme vergessene Hühner unter einem alten Karren. Wir nähern uns einer menschlichen Wohnung und hoffentlich einem guten Feuer und freundlichem Willkommen — vorwärts, meine guten Rosse! Das Loghaus wies sich als ein sehr kleines aus, und obgleich die zier lichen Getreideschober und saubcrcn Hühnerställe einen sorgsamen Hausvater ankündigten, fanden wir doch an der Vorderseite keinen Zaun, sondern statt dessen gewaltige, kaum behauene Stämme, über die wir klettern mußten — ein eben nicht zu angenehmes Manöver, wenn der Regen in Strömen fällt. Mit ein wenig Geduld gelangten wir jedoch zu dem Hause, das, wie die meisten ersten Ansiedelungen, nur eine Hintcrthür hatte.