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Dresdner Journal : 08.12.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188112088
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18811208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18811208
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1881
-
Monat
1881-12
- Tag 1881-12-08
-
Monat
1881-12
-
Jahr
1881
- Titel
- Dresdner Journal : 08.12.1881
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O285 Donnerstag, den 8 December. 1881 Ddoaaeweotsprvl,: I» -«,1»-»«» Lstads i 1-l»rUok: . . 1> ^jLlrrliot»: -U»rlrö0Kk. ILmoolo» Kruomoro: 10 kt. L»««cb»Id cko»ck«uttod«> koiodo« tritt?<wt- vack 8t«up«Inl»<ckl»s lüvva. lL«r»t«»prv1s»r Nr äm» R»ma «vor ^pülbsoso kvüttoil» W kf. v-tor „t:>ii8««oät" äiv 2«i1« -0 kk. 8« Düdottoo- uu6 2iKorv»»t» bv ürsetlkiavo r IN^Uolr mit ^aivLtlins Nor 8oaa- vvä kÄsrtsgs Xb«n<i» kür ävll kot^sockso D»^. DrtsdntrZMrnal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. ia»«r»U-»»nnuknw »u«vrüi-t»r I^tpilU: /tra»»tüt«tt«r, Loiumuiiuovür äs» Dcvsckaor ^ouro»i»; MrmdvU- LorUv Mi« K«ip«tU >—l- »r—tt« Nr«k1wt N.! K ^OAtsr, N«rU» Mi«-L«>dürg en»A-L«tp«lU Nr«KNu< ». N.-»Ü»«U«: L-ck üto«»«,- ü«rU»; L Loe-»ab, /-vattck««cka-t, Nr»»« L So-io«e gr«i«: D Äta»io«» » Lürv»u; NnuUckürt ». N.: L ^a»o«e'»<:k« 8uviuuu»cIIllll^; SSrllt«: v. MUKr,' «Eovr-V So-ü«t«e, N«t» N«rU»-Nr«ittvt «. ».- L»«u^rr: Da--«» 0o., Lomd«,: D L1«-<i-«-, ^Ick Ä«»-«e. S»r»u,^«d«rr Nümzi. Lrp«Utioo äs» l)r«äo«c ^onnurl«, Drvsävl», A viugsrstrs«« bio. SV. Ämtlichcr Lhcil. Dresden, 5. December. Se. Majestät der König haben Allerhöchst Ihrem außerordentlichen Gejandten und bevollmächtigten Minister am Königlich Bayeri schen Hose, Wirtlichen Geheimen Rath von Fabrice die Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen de» demselben von Sr. Majestät dem Könige von Italien verliehenen Großkreuze» des St. Mauritius- und Laza« ruSorden» Allergnädigst zu ertheilen geruht. Bekanntmachung, die dermalige Zusammensetzung des Landtags- ausschusies zu Verwaltung der Staatsschulden betr., vom 3. December 1881. Nach der von der Ständeversammlung vorgenom menen Wahl drS Landtagsausschusses zu Verwaltung der Staatsschulden ist derselbe nunmehr in folgender Weise zusammengesetzt: ES sind gewählt worden: a) aus der ersten Kammer, die Herren: als Mitglieder: Lammerherr von Zehmen auf Stauchitz, Bürgermeister Löhr in Bautzen; als Stellvertreter: Handels- und Gewerbetammerpräsident Rülke in Dresden, Kammerherr von der Planitz auf Naundorf; b) aus der zweiten Kammer, die Herren: als Mitglieder: Bürgermeister Haberkorn in Zittau, Rittergutsbesitzer Günther auf Saalhausen, Stadtrath Bönisch in Dresden; , als Stellvertreter: Kaufmann Roth in Dresden, Gutsbesitzer Schumann in Dohna, Gutsbesitzer Uhlemann in Görlitz. Die Mitglieder haben durch Wahl auS ihrer Mitte den Herrn Stadtrath Bönisch zum Verstand, den Herrn Kammerherrn von Zehmen aber zu dessen Stellvertreter bestimmt. Nach Maßgabe von tz 17 des Gesetzes vom 29. September 1834, die Einrichtung der StaatSschulden- kafse betreffend, wird Solches und daß in der Person des bei dieser Kasse angeftellten Buchhalters Friedrich Otmar Dittrich eine Aenderung nicht ein- getreten ist, zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, den 3. December 1881. Finanz - Ministerium. Frbr. von Könneritz. Wolf. MMmtlichtr Lheil. Telegraphische Nachrichte >. Wien, DienStag, 6. December. (Tel. d. Boh.) Die „Deutsche Ztg." meldet auS Bukarest: Nach St. Peterdurger Berichten hatte der dortige ru mänische Gesandte KretzuleSco eine längere Be sprechung mit dem Grafen Kalnoky über die jüngste Wendung der Donaufrage, wobei Kalnoky erklärte, daß er, obgleich über dir Detail« derselben erst unvollständig unterrichtet, doch auf eine gütliche Verständigung hoffe. In hiesigen politischen Kreisen sieht man der Wiederaufnahme de« persönlichen Verkehrs seilen der österreichischen Gesandtschaft bereits für die nächste Zeit entgegen. Feuilleton. Nedigirt von Ott» Banck. DienStag, den 6. December, gab Hr. Kammersänger Gustav Walter aus Wien im „Hotel de Saxe" einen „Schubert-Schumann-Abend" Se. Majestät der König, Se. künigl. Hoheit der Prinz Georg nebst Ge mahlin und Prinzessin Mathilde beehrten oaS Concert mit Ihrer Gegenwart, und der überaus gefüllte Saal erwies, wie stets willkommen dieser Sänger ist, der uns stet- einen wahrhaften Genuß bot. Seine, allen Intentionen de» Eomponisten treu folgende Empfindung, inniges Gefühl, voll Natürlichkeit und Wahrheit in reichen Nuancen deS Ausdruck», verbunden mit Ge schmack, Eorrectheit und musterhafter Declamation, gaben seinen Vorträgen eine begeistigte, poetisch be seelte Belebung, die un» unmittelbar erfaßt und fesselt. BewunderungSwecth ist, wie sich Hr. Walther die künstlerische Beherrschung seiner Stimme (dir sich sogar noch da» hohe » erhielt) und ihre» beredten pp. bewahrt hat, wie er un» sofort in die jedem Liede entsprechende Stimmung zu setzen vermag, und auch über ein für tief erregte AuSdruck-affecte charakteristi sche» Toncolorit gebietet. In letzterer Hinsicht sei unter den schön gesungenen Liedern von Schubert und Schumann nnr namentlich der hinreißende Vortrag der Gesänge „Die Liebe hat gelogen", „Am Meer", „Sei mir gegrüßt" (Schubert), und der höchst reizende te« „Märzveilchen" (Schumann) eine» anmuthigen Liede» von Hinrich» und de» Frühling»liede» von Gouaod hervorgehoben, welch' letztere beide aus dringen- Nom, Mittwoch, 7. December. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In der heutigen Sitzung der Deputirten- kammer gelangte bas Budget deS Auswärtigen zur Berathung. Sonnino Sidney erklärt die Reise de» König» nach Wien al» ein sehr wichtige» Ergebniß, al» den Beginn eine» rationellen System» von Allianzen. Er setze keinen Zweifel in die Intentionen der Regierung Aber die Erklärungen ungarischer Staatsmänner, die Haltung der ungarischen und deutschen Presse, die Aeußerungen deS Fürsten BiSmarck und andere Um stände machten den berechtigten Argwohn rege, daß e» Italien nicht gelungen sei, da» Mißtrauen Europa» zu zerstreuen. Man müsse also in ein Bündniß mit Oesterreich-Ungarn und Deutschland ohne Be denken al» mit nützlichen Allirrten eintreten. — Minghetti erklärt, die Wiener Reise sei opportun und nothwendig gewesen, um Italien aus einer ge fährlichen Jfolirung herauSzuziehen. Sobald Italien ern Mal unabhängig sei, habe der jahrhundertelange Groll zwischen Italien und Oesterreich aufgehört. Er glaube nicht, daß man in Wien Verträge unterzeichnet habe, und hoffe, man habe dort eine gemeinsame Action vereinbart. Der Zwcck der Wiener Reise dehne sich auch aus Deutschland au». Unangenehme Zwischen fälle dürften diese VerhaltungSlinien nicht modificiren. Nach den Worten de» Fürsten BiSmarck, welche nicht von der Absicht eingegeben seien, Italien direct zu beleidigen, bedürfe man, um den angedeuteten Zweck zu erreichen, Zett; eine geschickie, loyale auswärtige Politik müsse die verbreiteten Vorurtheile über angeb liche hinterlistige Pläne und beunruhigende Bestre bungen Italiens zerstreuen. Die Regierung müsse den Mächten Garantien der Stabilität und Sicherheit bieten. Die beste Antwort auf die Aeußerungen Bi»- marck'S seien Thaten. Die Regierung dürfe die Po litik nicht der Erwerbung einiger Stimmen opfern; sie müsse Europa beruhigen, aiSdann werde man die Früchte der Wiener Reise ernten. Die Sitzung wurde sodann aufgehoben. London, DienStag, 6. December, Abends. (W.T. B.) Nach einer amtlichen Meldung auS Kalkutta vom heutigen Tage ist der Emir am 2V. November mit ISO« Maua Infanterie, 1v Kanonen und 2 Regimentern Cavallerie nach Kabul marschirt. Washington, DienStag, S. December, AbendS. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Dem gestern zusammen- getretenen Congreffe ist eine Botschaft deS Prä sidenten Arthur zugegangen. Diese Botschaft gedenkt de» Tode» Garfield'». Sie beglückwünscht die Nation zu der Zunahme ihrer Wohlfahrt und zu ihren freundschaftlichen Beziehungen zu den auswärtigen Mächten Die Theilnahme von Ver tretern Deutschlands und Frankreichs an der Jubel feier zu Aorktown habe dre Freundichaft zu diesen Ländern befestigt. ES sei wichtig, auch die herzlichen Beziehungen zu Rußland zu stärken; es sei ein Schutz nothwendig für die Amerikaner, welche Rußland be suchen, namentlich für die Juden, deren Behandlung in Rußland energiiche Vorstellungen Nordamerikas erheische. In der Frage des Panamacanals erwähnt der Präsident den Abbruch der Verhandlungen mit Columbien und betont, daß Amerika allein die Ga rantie für die Integrität deS columbischen Gebiets und deS CanalS übernommen habe. Dem Congresi ist ferner der Finanzbericht deS Schatzkanzlers Folger zugegangen. . Der Finanzbericht beziffert die Einnahmen de» am 30. Juni d. IS. abgeschlossenen Finanzjahre» auf 360 Millionen, die Ausgaben auf 260 Millionen. Der deS verlangen vom Concertgeber als Zugabe gespendet wurden. Hr. Anton Rück auf auSWien begleitete die Lieder mit Delicateffe und feinsinnigem Anschluß an den Sänger und bekundete sich in seinen, da» Programm vervollstäudigenden Solovorträgen al» ein tüchtiger, fertiger Pianist, der mit einem sehr hübschen Anschlag den Vorzug warmer musikalischer Empfindung verbindet, die sich ohne Affectation und gesuchte, forcirte Effecte in seinem Spiel ausspricht. Ganz besonder» gut gelang ihm der Bortrag der Variationen (op. 142) von Schubert. C. Banck. Die Macht des LorurtheilS. Novelle von M. Flach« (Fortsetzung.) Sie überließ ihm ihre Hand, welche er leidenschaft lich küßte, und blinzelte zu ihrem jungen Nachbar hin über, der aber ihr coquette» Spiel nicht beachtete, da er sich eifrig mit Hedwig unterhielt, während die Frau Oberlehrer emsig strickte und bald Fritz, bald Lina zur Ordnung rief.— Schon nach kurzer Zett verabschiedete sich Julie, indem sie vorgab, noch eine Menge Besuche machen zu müssen. Al» sie draußen war, veränderte sich da» bi» dahin lächelnde Gesicht, und wer sie jetzt gesehen hätte, würde erschrocken gewesen sein, denn Haß und Rachsucht spiegelten sich in ihren Zügen, und drohend nach dem Hause zurückjehend flüsterte sie: „Ich rathe euch, nicht in mein Herzen»leben ein- zugreifen, e» würbe euch kein Glück bringen, denn ich würde mich früher oder später rächen, da» versprecht ich Euch!" Einnahmeüberschuß wurde, 15 Millionen ausgenommen, zur Amortisirung der Bond» verwendet. Der künftige Ueoerschuß soll vollständig zur Schuldentilgung ver- wepdrt werden. Die Einnahmen sind um 27 Mil lionen vermehrt, die Ausgaben um 10 Millionen im Vergleich zum Vorjahre vermindert. Der Schatzsecretär bechttragt die Aufhebung de- Gesetzes über die Emitti- rung von Goldcertificaten und spricht die Ansicht au-, daß man die BondS in Gold bezahlen müsse, nament- liM snit Rücksicht auf die ausländischen Bondsbesitzer und zweck» Herbeiführung eines Einvernehmen» der Nationen über den BimetalliSmuS. Folger beantragt ferner Ine zeitweilige SuSpendirung der Ausprägung von SilberdollarS und fchlägt vor, das Schatzamt zu ermächtigen, daß e» lediglich je nach der Nachfrage Silber au-prägen lasse. Der Schatzsecretär berechnet, daß bei Fortdauer der gegenwärtigen Verhältnisse die ganze Staatsschuld in 10 Jahren getilgt sein werde, und spricht sich sür Minderung der drückendsten Ab gaben für die gegenwärtige Generation, namentlich für Minderung der fiskalischen Abgaben aus; selbst die Zölle könnten ermäßigt werden. Folger erwähnt schließlich die Möglichkeit, die 3Hprocentigen BondS in 3procentige zu verwandeln. DreSden, 7. December. Eine Rede de» Statthalters von Elsaß- Lothringen lenkt unsere Blicke auf das Reichsland. Am Schluffe der vorgestern Abend zu Ehren deS LandeS- auSschuffe» gegebenen Tafel erhob sich der Statthalter zu folgender Rede, welche wir in ihrem vollen Wort laute nach dem un- soeben zukommenden Extrablatt der „Elsaß-Lothringischen Zeitung" mittheilen: .Ich freue mich aufrichtig, die geehrten Herren des Lan- deSausschuffes wieder an meiner Tafel begrüßen und ausfordern zu können, mit mir auf das Wohl von Elsaß Lothringen zu trinken. Zuvor mochte ich auch heute vertrauliche Worte an die geehrten Herren richten. Ob er klug ist, dies zu thun, lasse ich dahingestellt, denn meine bisherigen Ansprachen sind vielsachen Deutungen unterworfen worden Aber mit dem Rufe will ich einst scheiden, immer in vollster Offenheit und ohne jeglichen Rückhalt Ihnen gegenüber versahren zu haben, und so spreche ich. Seitdem ich die geehrten Herren nicht gesehen, haben sich Wolken t-wischen uns erhoben, und vermag ich dieselben nicht völlig zu zerstreuen, so möchte ich doch wenigstens sie nicht dunkler werden lassen, und doS kann nur geschehen, wenn ich Ihnen die Gründe meines Handelns vorlege. Ich verstehe unter jenem Gewölk den Eindruck, den das Sprachgesetz das Verbot der französischen Versicherungsgesellschaften und die An wendung des Dictaturparagraphen hervorgerufen haben Alle drei Maßnahmen habe ich ungern getroffen, weil ich wußte, wie störend es im Ansange Vielen der Herren sein würde, in deutscher Sprache zu verhandeln, weil das Verbot jener Ge sellschaften in althergebrachte Geschäftsverbindungen eingriff, weil die Anwendung des Dictaturparagraphen den Ausnahme zustand des Lande- wieder klar vor Augen stellte. Vielfach hat man nun gesagt, ich habe jene beiden ersten Maßnahmen ergriffen, um das Land schneller zu germanisiren. Nein, meine Herren! Ich will mich nicht überschätzen, aber so beschränkt bin ich wahrhaftig nicht, um zu glauben, daß eine Bevölkerung, die in der Zusammengehörigkeit mit dem durch Geiü und inneres Leben ausgezeichneten Frankreich ausgewachsen und herangebildet worden ist, in der das Gesühl lebt, Frank reich die bürgerliche Freiheit und die individuelle Selbststän digkeit zu verdanken, deren Söhne hervorragende RuhmcSstellen in der Glanzperiode der französischen Waffen eingenommen haben daß eine solche Bevölkerung in wenig Jahren zu deutschen Patrioten umgebildet werden könnte. Wäre Eljaß- Lothringen von einer Bevölkerung bewohnt, die ihre Vater- landsgesühle wechselt wie ein Kleid , Deutschland würde nicht jo hohe- Gewicht aus die Wiedergewinnung des Landes legen Zu dieser Umbildung gehören die gewaltigen Stunden, die Zeit! Daß sie aber kommt, lst sür Den sicher, der die Re serven von den deutschen Regimentern zurückkehren sieht, der im ganzen Lande von den Kindern das .Heil Dir im Sieger- kranz" hört, der die Macht des durch die Geschichte bewährten eigenthümlich deutschen Genius kennt. Wie sollte ich in diesen sich entwickelnden sicheren Gang durch künstlich gewaltsame Maßnahmen störend und nur Reaction hervorrusrnd erngreisen wollen I Dann erfchien ihr einen Augenblick das Bild ihres Verlobten, den sie fo schmählich verrieth, eS sah sie vorwurfsvoll an, aber sie wollte eS nicht sehen und eilte schleunig vorwärts, Thür und Thor den Regungen de« Gewissen» verschließend, welches seine warnende Stimme erheben wollte. V. ES war ein kalter und langer Winter gewesen, denn obgleich der Februar sich seinem Ende näherte, gab eS noch immer Schnee und El» Gerade jetzt wieder wirbelten die Flocken in der Lust und suchten sich zu Haschen und zu jagen. Sie stürmten sogar in wilder Flucht zu jenen blanken Fensterscheiben hinab, al» suchten sie ein bleibendes Asyl und wollten sich dort festsetzen, ein Beginnen, da» ihnen in kurzer Zeit den Tod bringen mußte, da die Wärme de» dahinter liegenden Raume» sie anhauchen und zer schmelzen würde. Dennoch kamen immer neue Scha ren an da» Fenster heran, die neugierig in da» Zimmer hineinzusehen sich bemühten, selbst auf die Gefahr hin, dar Schicksal ihrer Vor fahren theilen zu müffen. Und man konnte e» ihnen auch nicht verdenken, denn wa» sie da übersahen, war ein anmuthiger Ort, und zwar ein große» Eckzimmer zu ebener Erde, mit Fenstern an zwei Seiten, die mit blühenden Topfgewächsen, namentlich mit Hyacin- then und Maiblumen, dicht besetzt waren. An dem einen Fenster stand ein Nähtisch, an dem andern ein Herrenichreibtisch, während die Hauptwand von einem Pianino eingenommen wurde und in einer Ecke Rauch- tisch und Pfeisenhalter angebracht waren. Auf dem runden Tisch vor dem Sofa war da» Kaffeegeschirr geordnet, und eine alte Dame bereitete den Kaffee, Wahr ist es, ich habe die geehrten Herren im vorigen Jahre zur offenen, furchtlosen Anerkennung der Zusammen gehörigkeit von Elsaß-Lothringen mit Deutschland ausgefordert, aber ich habe auch hinzugefügt, daß ich Ihre Sympathien für diese Zusammengehörigkeit noch nicht beanspruchen könne. Wahr ist es auch, daß ich meinem heißen Wunsche, die Gewährung der vollen versa ffungSmäßigen Rechte an Llsaß-Lothringen zu bc chleunigen, im Februar dieses Jahres gerathen habe, acht bare, unabhängige Männer in den Reichstag zu wählen, welche diese Zusammengehörigkeit offen bekennten; aber in demselben Monate habe ich Ihnen auch ausgesprochen, daß ich mich bei diesem Rathe nicht an Ihre Herzen, nur an Ihr Urtheil ge wandt. Nicht vom Germanisiren, blos von politischen Bor theilen sür daS Land handelte es sich hierbei Fern also hat mir bei dem Ergreifen jener Maßnahmen jeder Germanisirungsgedanke gelegen. Das Wohl der Bevölke rung machte sie zur Pflicht! Zu dem Wohlergehen einer Be- völkerung gehört das Gesühl der Sicherheit von dem Bestände des Staatsverhältniffes, und in unserem Falle das von der de finitiven Zusammengehörigkeit von Elsaß Lothringen mit Deutsch land. Diese- Gesühl der Sicherheit ist in der Bevölkerung nicht vorhanden, und darunter leiden alle Verhältnisse, wird der Unternehmungsgeist gelähmt, wird es erschwert, daß junge Elsaß-Lothringer in die Verwaltung treten und somit das In teresse des Landes, daß Eingeborene die höheren Beamlenstellen einnehmen, für lange Zeit gefährdet. Und woher rührt diese Unsicherheit? Während die gemein samen Arbeiten der Bezirkstage und des LandesausschusseS mehr und mehr auf die Beruhigung im Lande einwirkten, wurde hiergegen agi'irt, und während die Gouvernements der beiden großen Nachbarländer in Frieden und Eintracht mit einander verhandelten, wurde von Frankreich rer in Reden, Zeitungen, Broschüren, ComitöS und demonstrativen Vereins- seierlichkeiten immer und immer wieder direct und indirect die Versicherung ausgesprochen, daß Elsaß-Lothringen, nur durch Gewalt unterdrückt, vorübergehend von Frankreich getrennt sei, daß es moralisch mit ihm vereinigt bleibe, daß eS wieder an Frankreich zurücksallen werde; die Männer welche ihr elsaß- lothringischer Patriotismus vermocht hatte, ihre Kräfte dem Lande ,u widmen wurden selbstsüchtiger Absichten beschuldigt und zu Renegaten estempelt. Der Zustand konnte nicht bler- ben. Es war geboten, Klarheit und Sicherheit in die Ge- müther zu bringen. Ueber daS Wie habe ich viel nachgcdacht. Gegenerklärungen, Gegendemonstrationen hätten nur mehr Auf regung erzeugt Handeln wurde Pflicht; tuet» loguuvtur. Der Beweis mußte geführt werden, daß das deutsche Reich Elsaß-Lothringen voll und ganz als deutsches Land betrachtet. So lange die vtisassungSmäßige Vertretung von Elsaß-Lothringen in französischer Sprache verhandelt, so lange die Bevölkerung die Reden ihrer Vertreter in französischer Sp-ache gehalten liest, so lange gewinnt die Behauptung, daß die Trennung des Lan des von Frankreich nur provisorisch sei, leichter Boden. Spricht die LandeSverlretung deutsch, werden die Reden der Landes vertreter nur als ins Französische übersetzt gelesen, so erkennt das Land viel leichter daS Definitive seiner Zusammengehörig keit mit Deutschland an. Aus diesem Gründe habe ich jenen Antrag gestellt, und Kaiser und Reich haben den Stempel des Gesetzes daraus gedrückt Aus demselben Grunde — dem, die Beruhigung de- Lan des zu fördern wurde das Verbot der französischen Versiche rungsgesellschaften nothwendig. Die Wichtigkeit, welche kauf männischen Agenten beiwohnt, der Einfluß, den sie auf Stim mungen und Meinungen ausüben können, ist bekannt und noch vor Kurzem hervorgehoben worden Bei der jortwährenden Agitation sranzösischer Blätter und Vereine durste ich Tausen den, von französischen Gesellschaften abhängigen Agenten nicht ferner Domicil in Elsaß-Lothringen gestatten DaS, geehrte Herren, sind die Gründe, welche mich zu bei- den Maßnahmen genöthigt haben, nie hätte ich sie freiwillig getroffen, das Gebot der Selbsterhaltung zwang sie mir auf. Und nun, geehrte Herren, habe ich Ihnen noch Auskunft zu geben über die Anwendung des Dictaturparagraphen. Ich hatte gehofft, ihn schlasen lassen zu können, bis es möglich wurde, Elsaß-Lothringen die vollen Versüssung-rechte zu er ringen, womit dieser Paragraph ja auch seine Erledigung ge funden hätte. Die Verhältnisse gestatteten dies nicht. Lieb ist es mir, daß ich ihn bis jetzt nicht gegen Elsaß-Lothringer habe anwenden müffen, denn die beiden ausgewiesenen Socialisten sind jenseits des Rheins geboren. Daß ich aber die mir ver liehene Machtvollkommenheit anwende, um dieses Land, in dem eine Religion und Gesetz ehrende Bevölkerung wohnt, in dem das Lerhällniß von Arbeitgebern zu Arbeitern als Muster für Europa hingeftellt werden kann, daß ich dieses von Gott reich gesegnete Elsaß-Lothringen vor dem Gifte des SocialiSmus schütze und mich nicht in dem Gedanken beruhige, daß vorläufig kein Boden sür dessen Umsichgreifen vorhanden sei, — dafür bedarf es keiner Erläuierung, bas versteht das Land ohne solche. Die Unterdrückung eines Journals bedarf aber der Erläuierung und die muß ich aussührlich geben. Die »Presse von Elsaß und Lothringen' harte von ihrem Erscheinen an eine Oppo sitionsstellung gegen die Regierung eingenommen Aber wäre das nicht gestaltet, so gäbe eS kerne Preßfreiheit. So wenig horchte aber oftmals nach der Thür hin, dann holte sie den Cigarrenlasten und setzte ihn neben eine große Tasse, die auf dem Tische stand, und wieder horchte sie, indem sit hier und dort noch über die Möbel fuhr, um ein vermeintliches Stäubchen zu entfernen. Dieser wohldurchwärmte Roum machte in feiner stilvollen Einfachheit einen gar anheimelnden Eindruck, den das Schneegestöber draußen nur noch vermehrte, und man konnte eS der alten Dame nachfühlen, als sie, an» Fenster tretend, leise sagte: „Wie schön ist es doch zu Hause." — Ja, eS war schön hier, und sie selbst mit ihrer Milde und Liebe und all ihren häuslichen Tugenden war der gute Seist diese» Hause». Plötzlich ließ sich draußen eine Männerstimme in leisem Gesänge vernehmen, und verwundert horchte die alte Dame auf die Töne, dann ging ein Helle», glück liche» Lächeln über ihre Züge, und schnell auf die Thür zuschreitend und diese öffnend, sagte sie zu dem über die Schwelle tretenden jungen Manne: „Ist e» möglich, Hermann, endlich singst Du ein Mal wieder! o habe Dank für diese neue Lebensfreude." Hermann Schulz drückte seiner Mutter Hand und, sie zum Sofa führend und selbst auf einem Sessel Platz nehmend, sagte er, während die Mutter den Kaffee einschenkte: „Wenn einer Dank a«»sprechen soll, so gebührt da» mir. Glaube nur, ich habe räglich und stündlich empfunden, wie viel Du für mich während dieser schweren Jahre gethan hast." „Sprich nicht mehr davon, Hermann; Du weißt e» ja, ich habe Dir voll und ganz vergeben, daß Dich eiu leichtsinniger Augenblick einst straucheln ließ. Bfft
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