Volltext Seite (XML)
1« LMMv W AWei rlM-n^W Äl^. 40. zu Nr. 65 des Hauptblattes. 1927. Beauftragt mit der Herausgabe Regierungsrat Brauße in Dresden. LandtaMerhandlunften. (Fortsetzung der 1V. Titzung von Dienstag. 1Z. Mürz 1927) Die Punkte 19 und 20 werden zufammengenommen. Punkt 19: Zweite Beratung über Kap. 43 — Handel und Gewerbe im allgemeinen — des ordentlichen Staatshaushaltplans für das Rechnungsjahr 1927 und den Antrag der Abgg. vr. Frucht, Lippe, Röllig u. Gen. auf Bereitstellung größerer Mittel zur Weltpropaganda für die Leipziger Messe — Drucksache Nr. 109 —. (Mündlicher Bericht des Haushalt' ausschusseS Drucksache Nr. 210 ) Der Antrag Nr. 210 lautet: (Dir MinderheiUanIräge lind durch > besonder» bezeichnet.) Der Landtag wolle beschließen: > I. a) den Antrag Drucksache Nr. 109 in folgender Fassung anzunehmen: „bei Kap. 43 die Ein- stellung bei Tit. 8 um 300000 M. auf 400 000 M. zu erhöhen, den Gesamtzuschuß dieses Kapitels entsprechend heraufzusetzen und beim Reiche sowie bei der Stadt Leipzig um an gemessene Unterstützung vorstellig zu werden." d) den Tit. 8 bei Kap. 43 auf 200000 M. zu erhöhen. o) bei Kap. 43 Tit. 10 für das Luftfahrwesen das Mehr gegenüber von 1926 in Höhe von 135000 M. zu streichen und den Titel mit 325 000 M. einzustellen. II. ») den Antrag Drucksache Nr. 109 abzulehncu, b) die Einstellungen bei Kap. 43 des ordentlichen Staatshaushaltplans für 1927 nach der Vor lage zu genehmigen. Punkt 20. Zweite Beratung über Tit. 2 — Weite res Darlehen andie Grasji-Textilmeßhaus-A.-G. in Leipzig — des außerordentlichen Ctaatshaushalt- plans für das Rechnungsjahr 1927. (Mündlick er Bericht des Haushaltausschusses Drucksache Nr. 202.) Der Antrag Nr. 202 lautet Der Landtag wolle beschließe»»: die Einstellung bei Tit. 2 des außerordentlichen Staats haushaltplans für das Rechnungsjahr 1927 nach der Vorlage zu genehmigen. Berichterstatter Abg. Kuntzsch (Dnat.): Die Stellung nahme des Ausschusses zu Kap. 43 war folgende. Bei den sächlichen Ausgaben wurde einstimmig die Wiedererhöhung der Einstellung in Tit. 3 von 250000 M genehmigt. Diese Einstellung war im vorigen Jahre um 50000 M. gekürzt worden. Es ist zum Ausdruck gekommen, daß in den meisten anderen Ländern für diese Zwecke bedeutend höhere Summen zur Verfügung gestellt werden. Zt» Tit. 8 lag der Antrag vr Frucht vor, die Ein- siellung für das Meßamt von 100 000 M. auf 400 000 M. zu erhöhen. Die Negierung konnte im Ausschuß dazu nicht Stellung nehmen, »veil ein Beichluß des Gesamt- ministeriums vorliegt, daß Etatkapitel nicht erhöht werden dürfen. Nachdem der Antrag Frucht infolge dessen abgelehnt »var, stellte der Abg. Claus der» An trag, Tit. 8 von 100000 M. auf 200000 M. zu erhöhen unter der Voraussetzung, daß auch die Stadt Leipzig ihre Einstellung verdoppelt. Unterdessen ist in Leipzig diese Verdoppelung der Einstellung geschehen, und cs scheint nunmehr die Regierung ihre Zustimmung dazu gegeben zu haben, daß Tit. 8 von 100000 M. auf 200000 M. erhöht wird. Die Deutschnationalen haben erklärt, daß sie auf Grund ihrer grundsätzlichen Stellung nahme einer Erhöhung des Etatkapitels nicht zustimmen können, wenn die Regierung selbst nicht zustimme. Ein weiterer Disferenzpunkt war die Einstellung von 50000 M als Garantiefonds lediglich, nicht als Zuschuß für die Ausstellung Jahresschau Deutscher Arbeit. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich für die Einstellung von 50000 M. als Garantiefonds ausgesprochen. Weiter ist von links die Einstellung von 460000 M. zur Förderung des Luftfahrwejens bekämpft worden. Auch nach dieser Richtung hin ist wohl zu sagen, daß die Mittel, die dafür aufgewendet werden, daß die Luftfahrstraßen nicht um Sachsen herumgelegt werden, für Sachsen eine unbedingte Notwendigkeit sind. Auch hier hat die Mehrheit des b usschusses entschieden, die Einstellung nach der Vorlage zu genehmigen. Wenn ich danir zu Punkt 20 übergehe, io besagt die Ein- stellung in T»t. 23 a.o. Etats auf der 171. Vorlage vom Jahre 1925, die Gewährung eines Darlehens an die Grass»- Tcxtilmeßhaus-A -G. betr. Es ist damals die Ge währung eines Darlehens von 216666 M. und gleich- zeitig mit beschlossen wo.den, daß im Bedürfnisfalle im Jghre 1927 ein weiteres Darlehen im Höchstbetrage von 83334 M. gewährt werden soll. Es handelt sich um die Einlösung dieses Beschlusses. Der Ausschuß hat einstimmig dieier Einstellung zugestimmt. Ich habe namens des Ausschusses um Annahme der Anträge zu bitten. Abg. Berg (Dnat): Die deutschnationale Fraktion begrüßt grundsätzlich alle Bestrebungen, di« geeigne sind, die Leipziger Messe nickt nur zu erbalten, sondern »» jeder Weise zu fördern. Es handelt sich bekanntlich »ei der Leipziger Messe nicht etwa um eine lokale Leipziger Angelegenheit, sondern um eine Einrichtung, die weit über die Grenzen des Deutschen Reiches hin aus Beachtung und Bewunderung erweckt. Das müßte auch Gemeingut der Arbeitnehmer aller Wirtschafts zweige sei»» ES ist bedauerlich,daß es leider Parteien gibt, )ie dem Grundgedanken der Messe feindlich gegenüber tchen. Diese Haltung, die unsere Organisatron seit eher eingenommen hat, wird nicht berührt durch die notwendige Haltung und durch die Bemerkungen, die ich zu den Anträgen auf Erhöhung der Etateinstellung für die Messe einzunehmen habe. Wenn wir überhaupt über die Etattapitel und die Erhöhung, die durch die Anträge vorzunehmen sind, uns unterhalten, so richtet sich das nicht im geringsten gegen die Leipziger Messe und gegen die Wirtschaft überhaupt, sonder,» wir habe»» sehr »chwere Bedenken zu erheben gegen die Art, mit der in Sachsen überhaupt die Mittel des Staates ver wendet werde»». Meine Freunde haben im Ausschuß für die Etat- einstelluug in Tit. 8, Leipziger Messe, in Höhe von 100000 M. gestimmt und haben weitergehcnde Anträge ablehnen müssen, weil sowohl der Finanzminister Weber in seiner Etatrede auf den tiefe»» Ernst ver sächsischen Finanzen hingewiefen hat, als auch die Regierung bei allen anderen Anlässen, seitdem wir über Etatkapitel beraten, ständig darauf hinweist, wie ernst und wie zer rüttet die Veihältnisse sind, und daß alles zu unter bleibe»» hat, was die Schuldenlast Sachsens noch weiter erhöhe»» könnte. (Sehr richtig! b. d. Dnat.) Wenn damit meine Freunde eigentlich nur die einzigen waren, die die Regierung unterstützt haben, so ist das eine Angelegenheit, die die anderen Parteien unter sich aus- zumachen haben, besonders die Regierungsparteien, deren erste Aufgabe es doch sein müßte, die Negierung zu stützen, statt weitergehende Anträge zu stellen, die die Regierung in eine Zwangslage brachten. Dabei sehen wir zu wiederholten Malen nicht nur bei den» Kapitel Messeamt, daß die Regierungskommissare strenge Anweisung haben, doch zweifellos von oben her unter, unter allen Umständen gegen jede Etatüberziehuna anzukämpfen, und allemal, wenn im Ausschuß der Ernst der Finanzlage durch die Kommissare illustriert und be kräftigt worden ist, kommt hinterher der Herr Finanz- ministcr und hat auf einmal die Entdeckung gemacht, daß doch noch Mittel vorhanden seien, die hin und wieder bewilligt werde»» könne»». (Hört, hort! b. b Dnat.) Das beweist doch nur die führerlose und in konsequente Haltung der Gcsamtregierung. Ich muß dies hier einmal zum Ausdruck bringen, weil wir auf die Dauer diesen Zickzackkurs nicht ertragen und nicht mitmachell können, der mit der sächsische»» Regierung getrieben wird. Wenn die Minister in Sachsen ihre Konrm ssare beauftragen, gegen Erhöhungen der Etat kapitel zu kämpfen, und sie hinterher desavouieren, so müsse»» die Minister einmal daran denken, daß sie sich damit selbst bloßstellen. Wie sollen sich die Parteien, die die Regierung zu stützen die Aufgabe haben, ver halten, wen»» das so weitergeht? (Sehr richtig! b. o. Dnat.) Wir Haber» letzten Endes als Deutschnationale Volkspartei nicht die Aufgabe, einer solchen führerlosen Regierung die Steigbügel zu halte»». (Sehr gut! und Hört, hört! b. d. Komm. u. Soz.) Wir verlangen, daß die Negierung alles tut, den Etat so durch die Beratung zi» bringen, wie er vorliegt, und auch ihren eigenen Parteien gegenüber mutig zu sage»», was nicht gemacht werden kann, weil wir sonst die Verantwortung für das Ganze nicht übernehmen können. Wir habe»» eS vor 8 Tagen erst bei der Vorlage 1 erlebt, daß die Regierungs vertreter im Ausschuß nur für die 1 Million eingetreten sind und daß man dann zu dem Kompromiß voi» 3,15 Mil lionen kam. Da interessiert uns doch, wenn uns von der Negierung einmal mitgeteilt werde»» könnte, wo den»» die Mittel auf einmal Herkommen, die es ermöglichen, den E at dauernd zu überziehen. Entweder stimmte die Finanzrede des Herrn Finanzministers zum Haushalt etat nickt, oder die Ausführungen der Regierungs- veitreter in» Ausschuß wäre»» nicht richtig, oder das Haus ist überhaupt nicht genau unterrichtet, wie die Finanzlage SachlenS ist. Wir wünschen und legen großen Wert darauf, daß in» Hause bald einmal bekannt wird, wo die Mittel Herkommen, die den Herrn Finanz- Minister Weber in die Lage versetzen, den Etat dauernd zu überziehen. (Bravo! b. d. Dnat.) Wirtschaftsminister vr. Wilhelm: Meine Dame»» und Herren! Gestatten Sie mir, zu den Ausführungen des Herr»» Vorredners folgendes vorzutragen! Er ist ganz klar, die Finanzlage Sachsens ist kritisch. Das wissen wir alle. Es ist auch klar, daß der Etat nicht überzogen werde»» darf. Aber ebenso klar ist es, daß cs Fälle geben kann, wo man eben auch einmal den Grundsätze»» zuwiderhandel»» darf. Nehmen wir doch einmal an, der Staatshaushalt sei ein Haushalt wie alle andere»» Haushalte auch! Da gibt es doch Fälle, die eben zu unvorhergesehene,» Ausgaben zwingen können. (Abg. Böttcher: Felle,die einem fortschwimmen! — Heiterkeit.) Sie sprechen orthoaiaphisch falsch, die Fälle, die ich meine, werden mit „ä" geschrieben. (Abg. Böttr er: Ich sprecke politisch richtig, aber Sie sprechen Dialekt! — Heiterkeit ) ES gibt Fälle, wo man auch den Prinzipien zuwiderhandeln kann. Innerhalb der Privatwirtschaft sind «S folgende: Krankheit beispiels weise. Ebenso ist eS in der Staat-wirtschaft. Ist die Wirtschaft krank, tritt also eine Katastrophe em, dann kann ich auch einmal zu» Linderung einer Katastrophe eine Mehrausgabe bewilligen über den Haushaltplan hinaus. Das ist beispielsweise jetzt der Fall bei der Katastrophe, die über die Landwirtschaft hereingebrochen ist im Vogtlands und im oberen Äzgebirge. Aber auch eine andere Möglichkeit müssen wir ins Auge fassen. Ergibt sich in der Privatwirtschaft, daß irgend eine Ausgabe dazu diene,» kann, die Einnahme gewaltig zu steigern, also die allgememe Not zu lindern, dann wird jeder brave Hausvater auch einmal über den Haushaltplan hinausgehen, und das ist bei der Leipziger Messe der Fall. Wir haben festgestellt, daß zur Messe ungefähr 25000 Ausländer gekommen sind, die gekauft haben, und daS ist der großen Propaganda zu verdanken gewesen, die gemacht worden ist. Wir werden also annehmen können, daß die ausgegebenen Mittel gewirkt haben, und so werden wir auch argumentieren können, daß die weiteren angcforderten 100000 M. eine ebenso segensreiche Wirkung haben werden. Infolgedessen rechtfertigt sich dieser Antrag, und ich glaube, wir brauchen weitere Gründe nicht darzulegen, weil sie auf der linken wie auf der rechten Seite vollständig bekannt sind. (Bravo! rechts.) Abg. Böttcher (Komm.): Der Vorstoß der Deutsch- nationalen Bolkspartei gegen die Finanzpolitik der Regierung trägt wesentlich dazu bei, die Lage hier im Landtage zu klären. Was der Herr Wirtschaftsminister vr. Wilhelm gegenüber dem deutschnationalen Redner jetzt erklärt hat, »var außerordentlich schwach. Es ist sehr charakteristisch, daß der sächsische Wirt'chaftsminister bei der Beratung des Kapitels der Leipziger Messe gewisser maßen als rettenden Strohhalm der deutschen Wirtschaft d»e 25000 Ausländer auf der Leipziger Messe anführt. Die Wirtschaftspolitik der deutschen Bourgeoisie blickt immer nach den Ausländern, was die machen und tun. (Widerspruch und vielfache Zurufe rechts.) Sie bauen ja für jede»» Amerikaner, der auf die Leipziger Messe kommt, Ehrenpforten, jedem Tollaronkel wird eine be- »ondere Empiangsfeier zuteil. Deshalb sollen auch die besondere»» Mittel für die Messe eingesetzt werden. Die sklavische Abhängigkeit deS deutschen BourgeoisiekavitalS von dem Ententekaprtal kommt gerade in der Menta lität des Wirtschaftsministers klassisch zum Ausdruck, muß naturnotwendig dazu führen, daß Deutschland in die antirussische Kriegsfront einbezogen wird. Der Staatsbeitrag für das Meßamt für die Muster messe in Leipzig ist wieder mit 100000 M. eingesetzt. Daneben kommt aber im außerordentlichen Etat der Regierung ein weiteres Darlehen an die Grassi-Textil- meßhaus-A.-G. mit83334M. Tas sind nahezu 200000 M., die der Staat als J ihreszuschuß für die Leipziger Messe gibt. (Abg. Schmidt: Darlehen ist doch kein Zuschuß.) Sie wissen ja nicht, ob das Darlehen zurückgezahlt wild. Leipzig »st von den Unternehmern bei oieser Angelegen heit sehr hineingelegt worden und die Steuerzahler müsse»» das jetzt tragen. Wer übernimmt denn die Ga rantie für die Rückzahlung der 83000 M.? Die Kapita listen können ihre Reklamekosten selbst tragen, das ist der Standpunkt meiner Fraktion, den wir ,m Ausschuß vertreten habe»». Die großen Unternehmungen sind sehr gut in der Lage, ihre Reklamekosten selbst aufzubringen, die AEG., dann Siemens und alle die Konzerne, die ii» der elektrotechnische»» Industrie vertreten sind Außerdem kommt dazu, daß der ganze Apparat des Leipziger Meßamtes heute bereits ein so aufgeblasener bureaukratischer Apparat ist, daß er in absolutem Wider spruch mit jeder orbeniliche»» kaufmännische»» Geschäfts führung steht. Für dielen bureaukratischen Apparat des Leipziger Meßamtes, der eine ganze Anzahl von Privat beamten und -angestellten ii» guten Positionen hat, hat die Arbeiterschaft kein Geld, um noch Zulagen zu geben. Aus diesen Gründe»» lehne»» wir diesen Titel ab. Weiter lehnen »vir ab de»» Staatsbcitrag zur Deckung eines etwaigen Fehlbetrages bei der Jahresschau Deutscher Arbeit in Dresden für 1927 in Höhe von 50000M. Die Jahresschau kann sich ebenfalls aus eigenen Kräften tragen. Es ist nicht notwendig, hier eine Aussallgarantie zu übernehmen. Außerdem ist ja der Nutznießer dieser ganzen Sache die Stadt Dresden, und eS ist keine Ur sache vorhanden, daß daS Land hier mit Extramittcln hier noch einmal einspringt. Eine weitere Subvention ist in diese»» Kapitel ent halten bei der Förderung des Luftfahrwefens. Für das Luftfahrweien werden in diesem Jahre nicht weniger als 460000 M. gefordert, das sind 135000 M. mehr als im Vorjahre. Wer erhält dieses Geld? Dieses Geld wird bezahlt andie elNzellienprivatenLuftfahrunternehmungen. Diese Unternehmungen bauen mit diesem Geld des Staates ihre Anlagen auf, ziehe»» daraus Gewinn, und wenn sie lukrativ geworden sind, wird der Staat hinaus geworfen; das kennen »vir aus anderen Unternehmungen zur Genüge. Außerdem muß gesagt werden, daß die jenigen Kreise, die heute mit dem Flugzeug fahren, aus schließlich zu den Besitzenden gehören, denen das Fahr- geld durch die Subventionspolitik der Regierung zur Hälfte geschenkt wird. Die Arbeiterklasse bringt ihre Steuern nicht zu dem Zwecke auf, um den Besitzenden billige Flugzeugfahrten zu ermöglichen. Die Luftfahr- qesellschaften sind gezwungen, wenn sie ihren Ausbau durchführen wollen, Sachse,» beim Ausbau der Linien mitzunehmen. Der Einwand, der im AuSsckuß gemacht wurde, wenn keine Subventionen gegeben würden, würden die Luftfahrgesellschaften Sachsen meiden, ist