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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187805154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780515
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780515
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1878
-
Monat
1878-05
- Tag 1878-05-15
-
Monat
1878-05
-
Jahr
1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1878
- Autor
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Erschein täglich früh 6'/, Uhr. JahaauiSgaffe SS. »« »rwkit«,: »»«Mag» 1S-12 llhr. Nachmittag« 4—« Uhr. der ^ die «tchft- Nuunue, desttmmte, «t Wschcutag« bis NachmUttgt). au La«»- md Festige, früßtl, '/,»N»r. >, »r, Fvchl«, ft, Zexchmt: Nt» Klemm. UuivrrfitLtöpr. 22. -»N Ldi^Ka^ctmaPr. I8,p. MMerJiBIM Anzeiger. OW» fir Politik, Lmlzsschichte, Handels- md Ecschäfvverkehr. ««K-Ixflag- 1S.S»«. 7U»«»n»nil»prrt» vierteil. «V-ML, mcl. «rinaerlohu S Mi., durch die Post bezog« L Mi. Jede einzelne Nummer 2» Pf. Belegexemplar 10 Pf Gebühr« für Extrabetlagm ehn« PostbefSrdervng 3« MI. mit Postordnung 4L Mi. Zaftrate »gesp. Petitzrile 20 Pf. »rüher« Schrift« laut nuferem PmiSverzochmß. — ral-tHansiber Satz nach habere« Larrf »eria»e» antn de» »edacltamfuütz di« Spaltzeile 4« Pf. Inserat« find stetS an d. «rprditio, zu send«. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pramrarneealläo " t dnrch Po odn »ostvorfchuß. 135. Mittwoch den 15. Mai 1878. 72. Jahrgang. Gewerbekammer Leipzig. »te»»t«,. de« 21. dS. Nachmittag« ü Uhr Sfie»tltche Sitzung i« «aale der »rfte« «ürgerschule. Tagesordnung: 1) Registranden-Bottrag: 3) Gutachten des Finanz-Ausschusses über ». eine Minsstenal-Verordnung, den Mangel an Ern- und Zweimarkstücken betreffend, sowie d. über die vom Central-Vsrein zur Bekämpfung der ZahlungSmißbräuche nachqesuchte Unterstützung: 3) Bericht über die hier ftattgefundene D«IegMen-Ber- sammlung deutscher Geworbekammern, die Abänderung der Gewerbeordnung betreffend: 4) Gutachten des LuSschuffe« für Verkehrswesen, betreffend die Unterstützung des Vereins für Erforschung des inneren Afrika. Leipzig, den 14. Mai 1878. «.Dackel, Herzog. )ors. Secr. Bekanntmachung, das Bureau des Gcwerbeschiedsgerichts betr. Die Abhaltung der öffentlichen Verhandlungen des GewerbeschiedSgerichtS im Echulsaale der V. Bürger» " ' hat' " - schule am Schletterplahe hat es mit sich gebracht, daß Viele auch das Bureau des Gewerbeschiedsgerichts dort suchen zu müssen glauben und daher theilS während der öffentlichen Gerichtssitzungen, theils auch-außer- halb derselben dort erscheinen, um Klaganbringen oder sonstige einseitige Anträge zu stellen, bez. sich zu befragen und dergl. mehr. Sind nun auch während der Gerichtssitzungen in den kurzen Zwischenzeiten, wo daS Gericht sich zu Berathung und Entwerfung des Schiedsspruches zurückgezogen hat, zu Ersparung weiterer Wege für die Erschienenen dergleichen Anbrrngen schon mehrfach von dem anwesenden Referendar entgegen- aenommen worden, so kann die dortige Erpedirung derartiger Sachen doch nur als ausnahmsweise thunlich »«trachtet werden und eigentlich gehören alle Verhandlungen außer den vom Gewerbeschiedsgericht selbst an beraumten Terminen, zu welchen die Parteien und andere Personen ausdrücklich «n den Schulsaal der V. Bürgerschule geladen sind, nur in das aus dem NathhauS, I. Stock, Zimmer Nr. 4b befindliche Bureau. Namentlich außerhalb der öffentlichen Gerichtssitzungen ist jede Expedirung in Gewcrbeschiedsgerichtssachen im Saale der V. Bürgerschule am Sckletterplatze ganz unmöglich und daS Erscheinen daselbst aus diesem Srunde nur störend für die Schule. Auch das Adresstren von Zuschriften an das Gewerbeschiedsgericht mit dem Beisatz: „in der V. Bürgerschule" oder „am Schletterplahe" dient nur zur Verzögerung der betreffenden Postsendungen, da eben das Bureau für das Gewerbeschiedsgericht ausschließlich im Rathhause an der an gegebenen Stelle sich befindet. La« Gewerbeschiedsgericht. Leipzig, am 14. Mai 1878. Dietel.Kretschmer. Bekanntmachung. Bekanntmachung. Wir finden unS veranlaßt, unter Bezugnahme auf unsere Bekanntmachungen vom 1. und ». October und 35. November 1857 und 30. Juli 1868. wiederholt darauf zu verweisen, daß Hunde nur dann frei herumlaufen dürfen, wenn ihnen vorschriftsmäßige Maulkörbe angelegt sind; entgegengesetzten Falls werden dieselben vom Caviller eingesangen, resp. getödtet werden. Im Uebrrgen haben die Besitzer von Hunden, welche ohne vorschriftsmäßige Maulkörbe frei herumlaufcnd betroffen werden, Geldstrafe bis zu 15 Mark oder verhältmßmäßige Gefängmßstrafe zu gewärtigen. Leipzig, am 13. Mai 1878. Der Nath her Sta»t Leipzig. vr. Georgi. Kretschmer. Bekanntmachung. Der Zuschlog deS von unS am 9. dies. Monats ans hen «hhruch Vers tstraße und Kleinen Burggaffe ist für daS darauf getl en Bieter ihrer Gebote in Gemäßheit der Versteigerungsbedingungen hiermit entlasten. steigerte« Schuppengebffude« an der Ecke der Harkortstraß« und Kleinen Burggaffe ist für daS darauf gethane Höchstgebot erfolgt und werden daher die übrigen LL Leipzig, den 13. Mai 1878. Der Nath her Stavt Leipzig. vr. Georgi. Eerutti. Die von unS zur Submission ausgeschriebene Neupflasterung der Chaussee nach Wurzen an der Grenze der Flur Anger, sowie die Herstellung eines gepflasterten Gerinnes zu beiden Seiten der Chausteestraße ist vergeben und werden daher die unberücksichtigt gebliebenen Herren Submittenten hiermit ihrer Offerten entlasten. Leipzig, am II. Mai 1878. Der Nath her Stabt Leipzig. vr. Georgi. Wangemann. Bekanntmachung. Die von unS zur Submission ausgeschriebene Herstellung von Schleuß« III. Elaste in einzelne» Lracten der Koch- und Kronprinzenstraße sowie der Straßen N und 1 des südlichen Bebauungsplanes ist vergeben und werden daher die unberücksichtigt gebliebenen Herren Submittenten hiermit ihrer Offerten entlasten. Leipzig, am 11. Mai 1878. Der Nath her Stabt Leipzig. vr. Georgi. Wangemann. Die bei dem hiesigen Leihhause in den Monaten April, Mat, J«ui, Juli u. August 1877 versetzte« oder erneuerten Pfänder, die weder zur Verfallreit noch bis jetzt eingelöst wurden, sollen ben 1. Juli h. I. unv folgenbe Lage im Parterre-Locale des Leihhauses öffentlich versteigert werden. Es können daher die in den genannten Monaten versetzten Pfänder spätestens den 28. Mat h. I. und nur unter Mitentrichtung der Auctionskosten von 4 von jeder Mark des Darlehns eingelüst oder nach Befinden erneuert werden. Vom 89. Mai d. I. an, an welchem Tage der Auctionskatalog geschloffen wird, kann die Einlösung derselben nur unter Mitentrichtung der AuetionSkosten von 4 ^ von jeder Mark der ganzen For derung des Leihhauses stattfinden, und zwar nur bis zum 33. Juni d. I., von welchem Tage ab Auctions- pfänder unwiderruflich weder eingelöst noch prolongirt »erden können. Es hat also vom 34. Juni d. I. an Niemand mehr das Recht, die Einlösung solcher Pfänder ru ver langen, und können sie daher von den Eigenthümern nur auf dem gewöhnlichen Wege deS Erstehen« wieder erlangt werden. Dagegen nimmt daS Geschäft des EinlösenS und BersetzenS anderer Pfänder während der Auction in den gewöhnlichen Localen seinen ungestörten Fortgang. Lei ' - . eipzig, den 11. Mai 1878. Des «aths Deputation für Leihhaus und Spareaffe. Leipzig, 14. Mai. Drei Tage sind verflossen seit der schänd lichen Tb«t, die dazu bestimmt war, unseren Kaiser gewaltsam au« der Reihe der Leben» den zu swßen. Aber noch immer zittert in unS daS Gefühl wieder, da« sich allerorten regte, wohin immer die Schreckenskunve drang zu deutsch empfindenden Herzen. ES war ein Gefühl, zu sammengesetzt au« schmerzlicher Bestürzung ob der schweren Gefahr, der das verehrte Haupt der Nation nur wie durch ein Wunder entronnen war, au« innigem Danke gegen die Vorsehung, die den Laus der mörderischen Kugeln so gnädig irrelenkte, und zugleich au« tiefer Beschämung ob der empörenden Thatsache, daß ein Mensch, der sich ein« Deutschen nannte, im Stande ge wesen, die Mordwaffe zu erheben gegen den ehrwürdigen Vorkämpfer, Führer unv Vater de« Volke«. Wir können dieser Stimmung noch nicht Halt gebieten, und so lange sie andauert, so lange auch die Untersuchung selbst noch schwebt, halt« wir den Moment für eine eingehende und ruhige Erwägung der Unthat, ihrer Ursachen und möglichen Wirkungen noch nicht für gekommen. Eine Thatsache aber, deren Klarstellung nicht erst der Untersuchung bedarf, und eine Nutzanwendung, die sich von selbst darau« ergiebt, können wir schon jetzt verzeichnen. Die Socialdemokratie mag formell im Rechte sein, wenn sie jede Mitschuld an dem kläglichen Unternehmen zurückweist; sie mag sich darauf berufen, daß sie den Attentäter schon vorher MS ihrer Mitte verwiesen und daß sie durch sein alberne« und zwecklose- Beginnen nicht nn Geringsten gefördert, sondern im Gegentheile nur arg geschädigt werden kann. Sie wirdnnt alledem die Thatsache nicht auSmerzen können, daß dieser Hödel, wie er steht und geht, wie er denkt und spricht, ein Product socialdemokratl' - - - Schülern und örte, daß er zerstörenden und königSmördeisischen Wühle reien, die in socialistischenversammlungen undBlättern aus ihn «»wirkte«, je« geistige und sittliche Zer rüttung d»voa getragen hat, a«S der die That de« 11. Mai hervorgegangen ist. Lieft That ist der Sonaldemokratie »«bequem; ihre Ktzrev haben sie nicht gewollt, nicht angeftiftet. »ir glauben Da« gern. Dennoch sind sie moralisch dafür verantwortlich, sie, d« tagtäglich die Massen zrm Haffe gegen Ordnung und Gesetz, ^ur Zertrümmerung de« Reiche« und seiner Em- nchtongen. zur Verachtung und Verspottung de« Kaiser« und seiner Rathgeber aufreizen. Möchten doch die Irregeleiteten, möchte« auch die Harm losen unter un« selbst, welche die Socialdemokratie »«ch immer nicht durchschauen, endlich einsehen, loelche« Unheil diese Bewegung anrichtet und zu welchem Abgrunde de- Verbrechen« und der Echaude sie unser Bolk führen muß, wenn ihr mit aller Kraft in den Arm gefallen wird, ie da« traurige Ereigniß Allen, die e« ^«cht wissen, die Lehre geben, daß die socia» Hetzer, die sich Priester der Freiheit nur gewissenlose Baal-Priester sind, »ahrrn Freiheit und dem wahren Fortschritt die allerschlechtesten Dienste leisten, indem sie den Dunkel- und Rückschritt-Männern willkommene Gelegenheit bieten, auf den angeb lichen Unsegen freiheitlicher Einrichtungen hin- zuiveisen unv auf deren Abschaffung hinzuwirken. Wir selbst wollen un« durch die „Thal" eine« Hödel nicht verleiten lasten, der Freiheit untreu zu werden; wir wollen festhaltenan dem Glauben, daß da« deutsche Volk eine gemäßigte, langsam, stetig und sicher vorschreitende Entwicklung sehr wohl ertragen könne, daß e« einer gesetzlich ge ordneten Freiheit Werth sei. Bisher freilich hat unser Volk diese Reife nur noch sehr mangel haft bekundet. Unser Bürgerthum hat nur ver einzelt jene Energie, Rührigkeit und Eintracht ge zeigt, die nöthig ist, um die neuen Errungenschaften gegen den Ansturm wilder, zerstörender Elemente sicher zu stellen. Möge der Blitz, der am l l. Mai hcrniebersuhr, das Dunkel erleuchten, in dem noch so Biele herumtappen; möge er un« Allen klar machen, daß wir, wenn wir nicht schleunig und kräftig die Wahrung unserer Rechte und Freiheiten in die Hand nehmen, wenn wir selbst zu schwach sind, den Staat unv die Ordnung zu vertheidigen, wenn wir fortfahren, mit verschränkten Armen der Saat zuzuschauen, au« der Hödel'« erbärmliche« Heldenthum ausging, daß wir dann unrettbar einer Reaction entgegentreiben, die un« von Neuem um Jahre oder Jahrzehnte zurückwerfcn kann. Zmn Altem * aus Kaiser Wilhelm. Im Reichstage nahm Präsident v. Forcken- beck am Montag gleich beim Beginn der Sitzung Gelegenheit, um de- Attentats mit folgenden Worten zu gedenken: „Meine Herren! Gleich nach der bestätigten Nachricht von dem entsetzlichen Attentat auf S«. Majestät den Kaiser hat da« Präsidium de« Reichstage« eine Audienz bei Sr. Majestät dem Kaiser uachgesucht. Se. Majestät haben Allergnädigst geruht, mir gestern Nachmittag diese nackgesuchte Audieuz huldvollst zu gewähren. Namen« de« Reich-tageS habe ich in derselben auSzusprechen mir erlaubt, daß die am Schluffe der vorgestrigen Sitzung erst in unbestimmten Gerüchten verlautende Nachricht hon der ruchlosen That alle Gemüther im Reichstage auf« Tiefste erschüttert habe, um so tiefer, um so schmerzlicher, mn so furchtbarer, als wir, die Vertreter de« deutkchen Volke« wissen, mit welchem tiefen Dank gefühl, mit welcher innigen Liebe und Verehrung das Volk seinem Kaiser ergeben ist, daß gleich zeitig aber unser aller Herren von dem innigsten Dankgefühl gegen den allmächtigen Gott, der Se. Majestät den Kaiser wiederum so sichtbar beschützte, erfüllt seien. Ich habe sodann Sr. Majestät Namen- de« Reichstage« im Einklänge mit dem ganzen deutschen Volke die ehrfurcht vollsten und herzlichsten Glückwünsche nach der glücklichen Errettung au« Lebensgefahr ausge sprochen. Se. Majestät haben diese Worte huld- vollst entgegenzunehmen geruht und haben mich au-drücklick beauftragt, seinen herzlichsten Dank für diese Kundgebung der Theilnahme dem Reichs tage auSzusprecken. Ueberzeugt, meine Herren, daß ich in vollem Einklänge mit dem Reichstag, in dessen Vertretung gehandelt habe (Zustimmung), ersuche ich Sie, sich von den Plätzen zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf der Treue und Ergebenheit: Se. Majestät unser Kaiser und König, er lebe hoch — hoch — hoch!" — Die Mitglieder de« Reichstage«, desgleichen die auf den Tribünen Anwesenden, erhoben sich und stimmten, mit Ausnahme der Socialdemokraten Fritzsche und Rittinghausen, begeistert drei mal in den Ruf ein. Am Sonntaa ftüh nahmen, wie die „Kreuzztg." berichtet, der Kaiser mit der Frau Großherzogin von Baden, dem Kronprinzen und den Mitgliedern der königlichen Familie an dem Gottesdienst im Dome Thcil. Die Predigt hielt der Hofpre diger vr. Kögel; derselbe legte zu Grunde die Worte au« der Epistel l. Petri 2, 11—20 und zwar den 17. VerS, welcher lautet: „Thut Ehre Jedermann, habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott, ehret den König." — Hosprediaer vr. Kögel stellte die Rettung des geliebten Kaisers in das Licht diese« Wortes Gotte«, zeigte den unauf löslichen Zusammenhang zwischen den „Fürchtet Gott" und „Ehret den König", und wie Die jenigen, welche die Gottesfurcht auSrotten wollen, dem König nicht die Ehre geben können und wollen. „Fürchtet Gott" und „Ehret den König", so ruft der Sonntag dem ganzen Volke zu. „Ehret den König", da« ist die Losung, welche seit gestern Nachmittag bis zur heutigen Stunde au« vrn Häusern mit ihrem Fahnenschmuck und aus dem Herzen in Worten und Liedern er schallt, die Losung, welcher die andere: „Jauchzet dem Herrn", dem Erretter, sich verbindet. — Dicht gedrängt waren Tausende im Dom und Zehntau sende, die in der Kirche nicht Raum finden konn ten. Der Kaiser folgte den Worten der Predigt bewegt und mit gespannter Aufmerksamkeit. Bei einigen Stellen ergrfff den Monarchen sichtlich tiefe Rührung und er verbarg sein Antlitz hinter der Gäule. Man sah, wie Thränen der Wehmuth und de« Danke« gegen Gott die Augen de« Mo narchen füllten. In dem allgemeinen Kirchenge bete, da« Ober-Hofprediger v. Hengstenberg mit beweater Stimme hielt, ward für die Errettung de« Kaiser« nochmals gedankt, womit die Bitte verknüpft wurde, daß Gott der Herr unserm Volke einen reichen Segen au- der Rettung erwachsen lasten möge. Ein Berichterstatter der „Post" schreibt: Hödel scheint durchaus nickt, wie ein am Sonntag Abend von der „Berliner Freien Presse" herauSgegebene« Ertrablatt glauben machen will, unzurechnungS« säbig zu sein, sondern lewer nur zu zurechnungs fähig. Hödel scheint systematisch, nachdem er sei nen scheußlichen Plan vereitelt sah, mit beispielloser Frechheit auch die Richter verhöhnen ru wollen. Er lächelt aus jede an ihn gerichtete Frage und sucht mit Schlauheit die Antwort oft zu umgehen. Seine Behauptung, der christlich-socialen Partei anrugehören, scheint ein perfide« Manöver seinerseits zu fein, um die Socialdemokratie zu entlasten, für die er schon mehr al« Spion bei den Christlich-Socialen gewirkt zu haben scheint. Jedenfalls hat man e« in der Person Hödel'« mit einem ganz au-geseimten Menschen zu thun, der sehr wohl weiß, wa« er will und wa« er gelhan. — Al« Hödel am Sonn« Hö> tag zu den Photographen Zielsdorf und Ader, Neu- Köln a. Wasser 4, unter Bedeckung dreier Criminal- beamten geführt wurde, dessen Photogramm aus zunehmen, äußerte er, al« ihm der Revolver in die Hand gegeben wurde, mit dem er da« Leben de« Kaiser« bedroht hatte, und er denselben wie zu« Schüsse vorwärts halten mußte: „Wozu denn da«, ich habe den Revolver nie so gehalten, ich habe ihn nach meiner Brust gerichtet, mich zu erschießen. Niemand anders, am wenigsten den Kaiser, wollte ich treffen." — Diese Aeußerung beweist sicher, daß Hödel ganz genau weiß, was er thut und sich sehr genau überlegt, wa« er spricht. Wiederholt beant wortete er auch die Frage, welcher Partei er eigentlich angehöre: „DaS geht Euch nicht« an, das ist meine Sache." — Zu den bisher bekannt gewordenen Zeugen-Aussagen, die mehr oder minder unter dem Endrucke der ersten sichtlichen Erregung geschahen, kamen am Sonntag Mittag die eine« be sonnenen ruhigen Manne«, eine« Geheimen expedircn- den Secretairö im CultuS-Ministerium. Derselbe stellte sich freiwillig und gab der Behörde Folgende« z« Protokoll: Er ging gerade die Linden entlang sei ner Behausung zu, al- er den ersten SchuA vo» dem Attentäter, der hinter einem Planwagen stand, abfeuern hörte; er blieb sofort stehen und sah, daß der Kaiser und die Großherrogin von Baden an- gefahren kamen. Der Kaiser faßte sofort de» Kutscher, um halten zu lassen, am Rock, während der Mörder vom Planwagen vorgelaufen kam und etwa sechs Schritte vom Wagen, direct a«f da« theure Haupt deS Kaiser« zielend, einen zweiten Schuß abgab. Zeuse erklärt bestimmt: der Hödel hielt hierbei den Revolver, den Lauf nach dem Kaiser gerichtet, mit geradem Arm vor sich hi» und zielte auf den Kopf de« greisen Monarchen. Jetzt warf sich die Großherzogin, die« sehend, über ihren Vater, deckte diesen mit kindlicher Aufopfe rung, die eigene Gefahr nicht achtend, da fiel auch schon ein dritter Schuß, und mit chm trat die Verfolgung de« Unwürdigen ein, deren Resultat bekannt ist. — Nach inzwischen der Behörde ge wordenen Andeutungen ist man zu der Vermuthung berechtigt, daß Hödel einen Mitschuldigen hat, der, ebenfalls au« Leipzig, erst kurze Zeit in Berlin weilen soll, und den die Behörde wahrscheinlick bereit« dingfest gemacht hat. So überaus groß sich die Freude im ganzen Vaterlande, wie bei allen Nationen Uber die Erhaltung de« Kaiser« kundgicbt, sind doch leider auch zwei Fälle zu registriren, die zur Verhaftung von Personen führten, welche in höchst unliebsamer Weise sich über da« Mißlingen de« Atten tate« ausgesprochen haben. — Tine Anhänaerin der „Bürgerinnen" Hahn und Stägemann yat nach Verübung de« Attentate«, al- da« Bolk entrüstet den Mörder zerreißen wollte, geäußert, e« sei Schade, daß dre That mißlungen. DaS erbitterte Voll gab die Petroleuse sofort in Haft, in welcher sie sich noch heute befindet. Dieselbe ist eine Ge fallene, die, al« sie ihr Verführer verließ, sich a» den Kaiser mit der Bitte wandte, er möge doch für ihr Kind sorgen, welche Bitte der Kaiftr na türlich »bschlug. Ein Arbeiter vom Rheinland äußerte in einer anderen Gruppe: „Hätte der Kerl geschossen, wären wir um 7 Millionen
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