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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Mebenlchn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. -^74. Dienstag, den 22. September 1874, Tagesgcschichte. Ueber die im Monat Juli dieses Jahres auf sämmtlichen deut schen Eisenbahnen mit Ausnahme der bayerischen Bahnen vorgekom- wenen Unglücksfälle ist im Reichseisenbahnamte folgender Nachweis aufgestellt worden: ES ereigneten sich 127 Entgleisungen, 74 Zusam- wcnstöße und 32 sonstige Betriebsunfälle. Verunglückt sind im Gan zen 186 Personen, und zwar 17 Pasiagiere, davon 1 gctödtet und 16 verletzt, 148 Bahnbedienstete, davon 24 getödtet, 124 verletzt, sei ner 20 fremde Personen, davon 5 getödtet und 1 verletzt, endlich wurden von solchen Personen, welche nachweislich den Tod freiwillig durch Ucbersahren suchten, S getödtet und 1 verletzt. Die Polizeidirection München hat unlcrm 12. d. die Mitglied schaften der socialdemokratischen Arbeiterpartei, der Schuhmacher-Ge- werkschast, des allgemeinen Schmicdevercins, des Töpservereins, der Maler-, Lackirer-,'und Töpsergcwerkschaft, der Mctallbearbeitungsge- nosicnschaft und der Holzarbcilcrgewerkfchaft als selbstständige politische Vereine erklärt und geschlossen. Ebensalls geschlossen wurde der Ar- beiter-Prcßverein. I» Folge dieser polizeilichen Schließungen wurde dann am Sonntag eine Anzahl Hausuntersuchungen bei den Führern der socialdemokratischcn Bewegungen vorgenommen, dabei wurde das auj die Vereinsthätigkeit bezügliche Material confiscirl. Die Be treffenden werden gerichtlich verfolgt. Der „Zeitgeist" gicbt die Zahl Derer, bei welchen Haussuchungen statlsandcn, aus 25 an. Wie der „Köln. Zt." aus Posen niitgetheilt wird, kehren die im Jahre 1872 ausgewiesenen Jesuiten einzeln und in aller Stille wieder zurück; sie finde« namentlich bei den katholischen Gutsbesitzern Unterkunft. Es ist wohl begreiflich, daß sich die Herren nicht einzig des Mesielescns und Beicktehörens wegen cingesunden haben, da sie dies sehr gut in Frankreich und Belgien thun können. Sicherer ist, daß sie eingedrungen sind, um den unsichtbaren Leitern des Schiff leins Petri in Posen mit gutem Nalhe beizuspringen, vielleicht gar von Rom aus Instructionen zu bringen, welche man der Post nicht mehr anvertrauen will. Es ist so behutsamen Leutchen wie die Jesuiten sind, ein Leichtes, in Posen versteckt zu leben, da die länd- licbe Polizei durchaus nicht so eingerichtet ist, daß sie ihnen auf die Spur zu kommen vermöchte, selbst wenn ihr, wie dies wohl häufig der Fall ist, der gute Wille hierzu wohl nicht schien sollte. Wie die Sachen jetzt stehen, wird wohl ein polnischer Dorfschulze den Guts besitzer, bei dem sich ein Jesuit aushält, eher warnen, daß man dem ungebetenen Gaste auf der Spin» sei, als dem Districts-Commisiariat oder Landralhe von seiner Anwesenheit Anzeige machen. Breslau, 12. September. Wie feiner Zeit mitgetheilt, ist dem Fürstbischof von Breslau wegen Renitenz gegen die Kirchengcsetze seit dem I. Januar d. I. die Dotation von 12000 Thlrn. gesperrt. Trotzdem aber forderte die hiesige Steuerbehörde den Fürstbischof auf, von diesen 12000 Thlrn. die classificirte Einkommensteuer zu zahlen. Der Fürstbischof reclamirte, ward aber abgewicsen und wandle sich nun an den Fiuanzminister. Darauf erhielt er nun vor Kurzem den Bescheid, daß die Zahlung geschehen müsse. In der Verfügung wird angegeben, daß die Dotation wegen Renitenz nur einstweilen nicht ausgezahlt worden, keineswegs aber zurückgezogen sei, und daß cs ja von der eigenen Entschließung des Fürstbischofs abhänae, in den Genuß derselben zu kommen. Er brauche nur den Maigesetzcn zu genügen und die seit länger als Jahressrist vacante Planstelle in Broslawitz unter den gesetzlichen Vorschriften dauernd zu besetzen und es werde ihm dann ohne Zögern sein Gehalt nachge zahlt werden. Heidelberg, 16. Sept. Die hiesige heilige Geistkirche, die der alt- , katholischen Gemeinde von der Negierung zur Mitbenutzung übcrwie- ' scn worden war, ist gestern, nachdem das römisch-katholische Pfarr amt die Herausgabe der Schlüssel wiederholt verweigert hatte, durch die Polizei geöffnet worden. ' Vom deutschen Reichsapfel sang inan am Scdansest in Großkarlbach: Es war einmal ein Apfel, Reichsapfel ward er genannt. Es trug ihn stolz der Kaiser In seiner starken Hand. Der Apfel war zerschnitten In mehr als dreißig Schnitz, Mit den verschrumpften Hutzeln Trieb Jeder seinen Witz. Der Franzmann und der Wälsche, Der Däne selbst griff zu; Doch jetzt ist ganz der Apfel, Sie lassen ihn in Ruh. Das war vielleicht die beste Sedan-Rede, die gehalten werden konnte. Die französische Heeresorganisation ist gerade in letzter Zeit Gegenstand aufmerksamster Betrachtung in Deutschland gewesen. Wir sind in der Lage auf Gruud des diesbezüglich gesammelten au thentischen Materials im Nachstehenden einen örientnenden Vergleich über den gegenwärtigen Stand der Heeresverhältnisse in beidenLän- deru zu ziehen, der Anspruch auf Interesse machen dürfte. Obgleich offiziellen Quellen zufolge Frankreich 453,000 Mann ständig unter hält, Deutschland aber nur 422,000 Mann, so beträgt doch die wirk liche Offensivstärke des deutschen Reichs 846,000, diejenige Frankreichs aber nur 635,000 Mann. Das Vcrhältniß zu Gunsten Deutschlands wird aber noch dadurch verstärkt, daß Frankreich zur Besetzung des Landes und zum Ersätze seiner Armeen nur 498,000 Mann zur Ver fügung hat, während Deutschland, welches weniger Besatzung braucht, 623,000 Mann solcher Truppen stellen kann. Auch in Bezug auf raschere Beförderung der Truppen ist Deutschland Frankreich über legen, da das Reich auf je eine Million Bewohner 514 Kilometer Eisenbahnen besitzt, Frankreich deren aber nur 589. Dazu tritt aber als bedeutendster Umstand die Thatsache, daß die von Deutschland angegebenen Truppenmassen in voller Zahl vorhanden und wohl aus gebildet sind, während in Frankreich gerade das Gegentheil der Fall ist. Daß die Titel- und Ordenssucht bei den Franzosen in der Republik keineswegs abgenommen hat und daß die Negierung diese Schwäche wohl zu benutzen versteht, geht daraus hervor, daß jetzt auf 526 Franzosen ein Decorirter kommt, während noch vor zehn Jahren erst unter 1100 sich ein solcher sand. In Spanien wird flott drauf losgekämpft. Die Karlisten ha ben neuerdings mehrere Angriffe aus die Stadt Cueuza in Neucasti- lien unternommen; sie wurden jedoch von den Regierungstruppen je desmal zurückgeschlagen. — Das Decrct, durch welches der Stadt Puyccrda für ihren heldenmülhlgen Widerstand gegen die carlistischcn Belagerer von der Negierung der Ehrentitel „die immer Unbesiegte" verliehen wurde, ordnet auch die Prägung einer Denkmünze aus Bronze an, welche auf der Vorderseite die Inschrift tragen wird: „Den Vertheidigern von Puyccrda das dankbare Vaterland. August und September 1874." Endlich werden die Befestigungen Buycerdas auf Staatskosten gebaut und die liberalen Familien, welche durch die Belagerung Schaden an ihren Personen oder an ihrem Eigenthum erlitten, aus Kosten der Güter der Carlisten entschädigt. In Bayonne eingegangcnen Nachrichten aus dem carlistischen Hauptlagcr zu Folge, erwartet man dieser Tage eine große Schlacht bei Estella. Eine aus den carlistischen Organ „Cuartel Real" auszugsweise nach Wien gemeldete Nachricht sagt, der Kaiser von Rußland habe in einem Antwortschreiben an Don Carlos dem letzteren seiner Sym pathie versichert und bedauert, daß Spanien durch chronische Revo lutionen und Mißachtung der Lehren der Geschichte seinen gebührenden Rang unter den Nationen Europas verloren habe. Der Zar schließe mit dem Wunsche, daß die Spanien heimsuchcndcn Uebel ihr Ende finden möchten. In hiesigen diplomatischen Kreisen wird diese Nach richtstarkangezweifelt und der angeblicheJnhaltalsmindestcns tendenziös