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Gewandhaus, hier mit Felix Mendelssohn Bartholdy als Dirigenten, aufgefühlt. Der große Erfolg, den das Werk von Anfang an hatte, ist ihm stets treu geblieben. Tatsächlich stellt das a-Moll-Kiavierkonzert - Schumanns einziges Konzert für dieses Instrument - nicht nur eines der genialsten und auch der bekanntesten Werke des Meisters dar. sondern gehört zu den schönsten und bedeutendsten Schöpfungen dieser Gattung überhaupt. Zu einer Zeit geschrieben, als die von Mozart und Beethoven geprägte klassische Form des Klavierkonzertes viele Komponisten dazu verführte, unselbständig diese großen Vorbilder nachzuahmen, brachte Schumann in seinem Konzert in schöpferischer Weiterentwicklung, dem neuen Geist seiner Epoche ent sprechend, formal wie inhaltlich ganz Neues und Eigenes. Das Klavier steht bei ihm, dem Klavierkomponisten von stärkster Eigenart, mit neuen, kühnen Klangkombinationen und Wendungen zwar unbedingt im Mittel punkt des Geschehens, ist dabei aber ganz in den Dienst der Kompositions. idee gestellt und verzichtet - trotz schwierigster Aufgaben für den Solisten - vollkommen auf jede äußerliche Virtuosität und leere technische Brillanz. Gleichzeitig jedoch gelingt Schumann in seinem Klavierkonzert - im Gegen satz zu Chopin, dem einzigen Meister der Zeit, der ihm in der Gestaltung des Klavierparts seiner beiden Konzerte kongenial ist - auch eine groß artige Verschmelzung von Klavier- und Orchesterklang, die Schaffung einer Einheit zwischen solistischem und sinfonischem Element. Soloinstrument und Orchester dienen in schöner gegenseitiger Durchdringung gemeinsam dem musikalischen Ausdruck, der Darlegung einer unermeßlich reichen Fülle von Gedanken, Gefühlen und poetischen Stimmungen, in herrliche Melodien und edle Formen gefaßt. Drängende Leidenschaft und Sehnsucht bestimmen den Charakter des ersten Satzes (Allegro af(ettuoso). Nach einer kraftvoll - energischen Ein ¬ leitung durch das Klavier ertönt zuerst in den Bläsern, dann vom Solisten wiederholt, das schwärmerische Hauptthema, das in seinen Motiven als Leitgedanke des Werkes in allen Sätzen wiederkehrt. Darauf entwickeln sich in reizvollem Wechsel zwischen Orchester und Solisten nacheinander eine Reihe der verschiedenartigsten Bilder und Stimmungen, wobei das Hauptthema mit seinen einzelnen Teilen, dem hier kein eigentliches zweites Thema entgegengestellt wird, in wechselnder Beleuchtung, der Phantasie breitesten Spielraum gebend, den Verlauf des Satzes beherrscht. Die Reprise hat ihren Abschluß und Höhepunkt in der breit angelegten, verinnerlichten Kadenz des Soloinstrumentes. Kraftvoll vorwärtsstürmend wird der Satz danach abgeschlossen. Völlig entgegengesetzt erscheint der kurze zweite Satz (Intermezzo - Andan- tino grazioso), der durch die überaus poetische, graziöse Wiedergabe ruhiger, gelöster Empfindungen gekennzeichnet wird. In feinem Dialogi sieren zwischen Klavier und Orchester über ein Thema, das dem Haupt thema des ersten Satzes entstammt, entfaltet sich ein anmutiges, subtiles Spiel. Der kantable Mittelteil des Intermezzos bringt ein ausdrucks- und gefühlvolles Thema, das zuerst von den Celli vorgetragen wird, während sich das Klavier in zarten Arabesken ergeht. Auch das schwungvolle, frische Hauptthema des unmittelbar anschließenden Finalsatzes (Allegro vivace) wurde aus dem Hauptthema des ersten Satzes gewonnen, und zwar diesmal durch eine rhythmische Verschiebung. Das sprühende, fast tänze risch anmutende Finale nimmt einen leidenschaftlich bewegten, farbigen Verlauf und endet auch nach einer im wesentlichen vom Soloinstrument getragenen Schlußsteigerung in lebensbejahender, freudig-weltzugewandter Haltung. Dr. Dieter Hartwig 806 Dresden, Alaunstr. 36-40 19?2l?3 III/9/92 ftG 059 3 72