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Dienstag, >3. November 1928 Offensive -es Zentrums gegen Gtrejemann Mm Angriffe gegen das Auswärtige Amt Man schlagt bereits Prälat Kaas als Nachfolger Dr. Stresemanns vor IDrahimeldung unserer Berliner Schrisllettung.f nähme seiner Demission in einem solchen Falle za bewegen. Diese Gerüchte sind osfcnbarZwcckmeldun» gen, mit der Absicht verbreitet, diejenige» Kreise, die auS Furcht vor ciner Regierungskrise lieber gegen den Panzer» krcnzcrantrag stimmen, von dieser Haltung abzubringcn und sie dazu zu bewegen, trotz alledem für den sozialdemokra» tischen Panzcrkrcnzerantrag zu stimmen. Berlin, 13. Nvv. Tic Vorstöße, die das Zentrum seit Sonntag regelmäßig gegen den Außenminister Dr. Strcse- mann unternimmt, haben in volksparteilichen Kreisen das größte Aussehen erweckt. Schon am Sonntag mar die „Ger- rnania" gegen den Außenminister Dr. Strescmann sehr aus fällig geworden und hatte gefordert, daß ein verantwortungs voller Stellvertreter für den Außenminister bestellt werden müsse, der fortgesetzt krank sei. In derselben Tonart fährt der Zentrumsabgeordncte Dr. Schreiber fort, der jetzt auf dem Parteitage des westfälischen Zentrums in Munster eine Rede hielt, die sich ebenfalls in scharfen Angriffen gegen S t r c s e in a n » und sein Amt, nämlich das Aus wärtige Amt. ergeht. Neben den persönlichen Animositäten, die von jeher den ehrgeizigem Zcntrumsabgeordnelen Schrei ber gegenüber Tr. Stresemann beherrschen, handelt es sich doch offenbar um eine Gcsamtcntwicklung. die die Zcntrumspartei heute durchmacht. Während in der letzten Koalition das Zen trum nach rechts Anschluß suchte und fand und alle Kräfte, die diese Entwicklung trugen, in der Partei führend waren, hat sich jetzt lm Zentrum eine deutlich sichtbare Linksentwicklung geltend gemacht. Zum Teil hängt das wohl auch zusammen mit den Lohnkämpfen im Ruhrgebt et, wo daS Zentrum die Interessen breiter Arbeitermasscn vertritt und schon deshalb slimmungSmäßig in einen gewissen Gegensatz zu jenen Parteien gerät, in denen es die Arbettgcbcrseite vermutet. Diese Linksentwicklung des Zentrums wird, wenn sie in dem bisher eingehaltenen Tempo wcitergcht, sehr bald nicht etwa zu einer großen, sondern sogar zur kratischcr Seite wird ein Gerücht verbreitet, daß Dr. Wirth zum zweiten Vorsitzenden der Partei gemacht werden soll, eine Nachricht, die in Berücksichtigung der Quelle, aus der sie kommt, zunächst mit Vorsicht ausznnehmen ist. Schon am Freitao Panzerkreuzer Entscheidung? lT r a h I m e l b u n g unserer Berliner S ch r I f t l e l t u n gj Berlin, 13. Nov. Ursprünglich hatte man angenommen, daß nach der Anssprache über den Lohnstreit im Nnhrrevier die außenpolitische Aussprache im Reichstag eröffnet werden würde, an die sich dann die Erledigung der Panzerkreuzcr- srage anzuschließcn hätte. Offenbar sind diese Dispositionen am gestrigen Tage mehr und mehr um gestürzt worden, und der „Vorwärts" meint, daß die außenpolitische Debatte zunächst noch zurückgcstcllt werde» würde. Dahingehende Be strebungen hätten sich geltend gemacht und man wolle daraus zukommen, gleich nach der Aussprache über die Aussperrung den sozialdemokratischen Antrag vorzunchmcn. Für diesen Fall wäre damit zu rechnen, daß die Entscheidung über das Panzsrschiss schon am Freitag fällt. Fm Zusammen hang damit sind Gerüchte zu vermerken, nach denen die Be hauptung eine große Nolle spielt, im Falle der Ablehnung des Baues des Panzerkreuzers sei nicht mit dem Rücktritt des RcichSwehrministers zu rechnen, da cs dem Einfluß des Reichspräsidenten gelingen werde, General Grüner zur N ü ck- Drei Zahle SeiSngnis für den Lemdard- belrüger Bergmann Berlin. 18. Nov. Im LombardbetrugSprozeß Berg» m a n n wurde am Dienstag vormittag folgendes Urteil ver kündet: „Der Angeklagte Bergmann wird wegen versuchten und vollendeten Betruges im strafschärfenden Rücksalle, begangen durch fortgesetzte Handlung und wegen Üonkurs- vcrgehcns zu einer Gesamtstrase von drei Fahren Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft, außerdem zu 311 »118 Mark Geld st rase oder 15« Tage« Gesängnis, sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte aus die Dauer von 5 Jahre« verurteilt. Von den übrigen Angeklagten werden die Angeklagten Schmidt und Lederer sreigcsprochcn. Die restlichen Angeklagten erhalten wegen teilmeiscr Beihilfe zum fort- gesetzten Rücksallbetrug Gefängnisstrafen, die sich zwischen einem Jahr und drei Monate Gesängnis bewegen. Im einzelnen erhalten: Kraß drei Monate. Fran Wustrow neun Monate. Bruno Wustrow ein Jahr. Ohn stein sechs Monate. Salinger vier Monate, Warschauer nenn Monate und Dr. Jakoby nenn Monate Gefängnis. Außerdem wird dem Angeklagten Dr. Jakoby die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Remter auf die Dauer von 5 Jahren aberkannt. Die Kosten des Ver fahrens fallen den verurteilten Angeklagten zur Last. SozialisierimgsMchtcii Merdiags SaS Ml» will einen Kinokonzern erwerben! Weimarer Koalition führen. Man versteht deshalb, daß in volksparteilichen Kreisen eine gewisse Beunruhigung über diese Entwicklung vorherr schend zu werden beginnt. DaS Zentrum nimmt aber gleichzeitig die etwas verwirrte Lage wahr, um erneut seine P c r s v n a l p o l i t i k zu be treiben, Während der Zciitrumsabgeordnete Schreiber. Uni- vcrsitätSprosessor in Münster, den Ehrgeiz hat, Bischof von Berlin zu werden, wird von anderen Zentrumskreiscn zur Nachfolgerschaft Dr. Stresemanns der Prälat Kaas . in Vorschlag gebracht. Bezeichnend ist auch, daß ein Zentrnmsjonrnalist demnächst die Leitung der amtlichen preußischen Pressestelle übernimmt. Jetzt richtet sich der Kamps der ZentruinSpartei vor allen Dinge» gegen das Auswärtige Amt, indem die Partei angeb lich nicht stark genug vertreten ist. Die Personalpolitik des Zentrums wird ja seit langem mit der Parole „Wir fordern konfessionelle Parität" betrieben. Diese Parole hat sich bisher immer noch als kchlagkrästig erwiesen, und obwohl heute die früher vielleicht zu wenig beachtete konfessionelle Parität längst durchgcsührt ist und «nzweiselhaft bereits schon weit in ihr Gegenteil znnngnnstcn der evan gelischen Konfession verkehrt worben ist. so hört die Zcntrumspartei doch immer noch nicht auf. mit die sem Argument personalpolitisch zu operieren, und kann dabei immer erneut Erfolge zeitigen. Die Klage des ZentrumSprofesiorö Schreiber geht dahin, daß das Auswärtige Amt einseitig zusammengesetzt sei. ES gäbe in dieser Organisation zu viele volkSsremde Züge. Der Sinn für Deutschlands kulturelle und geistige Welt geltung müsse in unseren Anßcnvcrtretungen viel stärker ent wickelt werden. Insbesondere sei die Weltanschauung des Zentrums im Auswärtigen Amt von jeher schlecht behandelt worden, aber die Republik sei nicht deshalb gegründet, damit das Auswärtige Amt sich den Luxus erlauben könne, un bekümmert um die neue Demokratie diese schlechte Behandlung sortznsetzcn. Es sei unerträglich, daß unsere Außenvertretun- gcn in Kattvmitz, in Posen und in Irland und in einigen römisch-katholischen Ländern besetzt würden, ohne daß man auch nur die geringste Rücksicht aus bedeutsame wclt- anschaiiltchc Zusammenhänge Nehme. Wünsche, die von der Fraktion verschiedentlich und mit guter Begründung aus gesprochen worden seien, wurden geflissentlich im Aus wärtigem Amt überhört. In diesem Ton ist die Rede wcitcr- gegangen, nicht ohne das, Schreiber zum Schluß die grundsätz liche Bereitschaft des Zentrums kundgab^ eine stabile Negie rung ans der Grundlage der Großen Koalition zu bilden. Vorher müßten allerdings noch einige strittige Vorfragen ge löst werden. Ossenbar sind diese Borsragen personalpolitischcr Ratnr. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung der ZentrnmS- politik ist ans die Vorbesprechungen hinziiivciien für die An fang des nächste» Monats vorgesehene Wahl des Partei- Vorsitzenden. Gerüchtweise verlautet, daß als Parteivorsitzen- der Stegerwald nominiert werden wird. Bon demo» Berlin, 18. Nov. Im HaushaltaiiSschnsi des Reichstags wurde nach Einsetzung zweier Unterausschüsse, des stän digen N c ch n u n g s u n t e r a u s s ch u s s e s und des sog, Sparausschusscs, auf Befürwortung Dr. BreitschcidS, die sog. Emclkaangelegcnheit besprochen. Der sozialdemo kratische, NeichSsinanzminister Dr, Hilserding legte sich für eine Subventionierung und für einen Erwerb der not leidenden Filmgescllschast Emclka sehr ins Zeug nnd meinte, die finanzielle Auswirkung sei gering, die politische aber bedeutend. s!> Deshalb wünsche die Negierung die Gelegen heit zu benutzen, die ihr die Abwicklung der Phöbusangclegcn- heit gewähre, einen bestimmten Einfluß ans die Emclka zn gewinnen. ES sei möglich, sich mit kaum zwei Millionen Reichsmark neuer Aufwendungen 8« Prozent der Emclka zu sichern. Abg. Tr. Cremer iDVP.s bemerkte, er fürchte, daß das Reich später weitere Aktien übernehmen müsse, da bisher nur 47!4 Prozent deö Aktienbesitzes NeichSeiaentum seien. Abg. Erstng iZtri gibt der Befürchtung Ausdruck, daß wegen der mangelnden 3,5 Prozent an der Mehrheit der Aktien das Reich vielleicht später noch übervorteilt werden könne. Aus eine Anfrage teilte ReichSfinanzministcr Dr, Hilserding die Bestimmungen des Vertrages mit dem Kon sortium mit, die dem Reich sein Bestimmungsrecht in dem Aui'ichtSrat und in der Leitung sichern. Abg. Dr. Quaatz sDN.I wies darauf hin. daß man dem Kapitän Lohmann aus seiner Beteiligung an einem ziemlich guten Filmuntcrnehmen einen starken Vorwurf gemacht habe, daß man die Phöbusaktien verkauft habe und nun genötigt sei» ähnliche Filmaktien wieder zu erwerben. Man wolle daS Filmwesen sozialisieren. Das lause aus eine parteipolitische Ausnutzung des Films hinaus wie die des Radio, für die der Reichöinncnminister einen Beweis geliefert habe. Die Ueber- sremdnngSgefahr dieser Gesellschaft sei bis 1981 ja ans- gcschlosien. Er halte einen Beschluß in diesem Anocnblick sür unmöglich, er würde eine Unterhöhlung des Parlaments bedeuten. Reichsinncnminister Severing erwiderte aus die Vor. rebner, daß sich das Reich bereits in der Vorkriegszeit an Film- gcscllschastcn beteiligt hätte. sZuruf: Abg. Dr. Quaatz <DN.): Haben wir jetzt Krieg?! Ein geistiges Bollwerk zur Siche rung der Republik müsse versucht werden. Vom Standpunkt meines Ressorts aus begrüße ich die Vorlage, die eine Film politik des Reiches ermöglicht. Wenn auf meine Rede im Radio angespielt wurde, so möchte ich bemerken, daß ich mit dem Rcichspost- minister eine politische Fnnkstundc verabredet habe, die künftig allen Parteien, ohne Angrisse aus die anderen Parteien, zur Verfügung stehen wirb. Dir weitere Anssprache beschäftigte sich mit den Grenzen, die einer Filmpolitik des Reiches gezogen sind. Staatssekretär Dr. Pvpitz machte dann vertrauliche Mitteilungen über die finanzielle Seite des Vertrags. Nach weiterer, teilweise vcr- traulicher Aussprache wurde die Fortsetzung der Besprechun gen und die Beschlußfassung aus Mittwoch vertagt. Wiederbeginn der großen Reichstagsdebatte IDrahimeldung unserer Berliner Schrlftleitungs Berlin, 13, Nvv. Aus der Tagesordnung der heutigen Rcichstagssitzung, die Präsident Lobe pünktlich um 2 Uhr er- öffnctc, steht nur die Fortsetzung der Debatte über die Inter pellationen und Anträge zur nvrdwcstdcutschen Aussperrung, zur Erwerbslosenvcrsicherung und zum Schlichtungswesen. Abg. Dr. Frick <Nat. Soz.j beschwert sich darüber, daß die 12 Nationalsozialisten nur ebensoviel Redezeit haben sollen, wie der eine Abgeordnete der Volksrcchtpartei. Abg. Frick beantragt daher für seine Gruppe eine halbstündige Redezeit anzujetzen. Dieser Antrag wird angenommen. Abg. Brandes (Soz.). der dann bas Wort erhält, weist zunächst die kommunistischen Angriffe auf seine Partei zurück und erklärt, er würde den Ausgcspcrrten keinen Dienst leisten, wenn er sich mit der Fülle falscher Behauptungen der Kommunisten auscinander- setzcn würde. Es sei ein unerträglicher Zustand, baß eine Haudvoll Kapitalisten in der Lage wären, Hunderttausend«: aus die Straße zu werfen, nur weil sich der Staat bas Recht herausgeuominen habe, Frieden zu stiften auf Grund der gesetz lichen Bestimmungen. Im Industriegebiet herrsche heute eine Kampfstimmung, ähnlich der von 1923/24. Der Reichstag habe nicht nur daS Recht, sondern direkt die Pflicht zum Ein schreiten. IBcl Schluß bcS Blattes dauert die Verhandlung fort.) Ae SMtlderstrNermitllungSMdmidlunM Düsseldorf, 13. Nov. Die Verhandlungen des Re gierungspräsidenten Bergemann, der einen Schritt zur Bei» legung des Eisenkonslikts unternommen hat, haben soeben mit den Arbeitgebern begonnen. Die Arbeitnehmer sind von dem Regiernngspräsidentcn für heute nachmittag ge» laden worden. Sambem ersticht das KM um rinteiMimg Hamborn, 13. Nov. Die Stadtverordnetenversammlung und die Stadtverwaltung haben beschlossen, sich telegraphisch an die preußische Staatsrcgicrung und die NcichSregierung zu wenden, und um sofortige Uebcrweisung ausreichender Mittel zur Unterstützung der durch die Aussperrung in Not geratenen Familien zu bitten, da das städtische Wohlfahrts amt hierzu nicht in der Lage sei. Abg. Stasfehl schwer erkrankt Berlin, 13. Nov. Der deutschnationale Reichstagsabgeord» nete Stasfehl, der einer der Hauptaiigcschuldigten im Kyritzer Bänernprozeß war und in der ersten Instanz zu drei Monaten Gefängnis veruricilt wurde, ist infolge der Auf regungen, die der Prozeß mit seinem Urteil über ihn ge» bracht hat, schwer erkrankt. Er erlitt einen Schlaganfall und man brachte ihn in ein Berliner Krankenhaus, wo eine fast völlige links,eilige Lähmung sestgcstellt wurde.