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Melos getragenen Ecksätzen der eigenwillige, erregte Mittelteil, dessen formaler Aufbau besonders interessant ist. Er gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Introduktion - Mittel teil - Reprise. Das Thema der Introduktion wird in vierzehn auf eine rhythmische Grund formel bezogenen Variationen verarbeitet. Es liegt also eine Art rhythmischer Passa caglia vor. Der ruhigere Mittelteil ist dreiteilig und leitet zur Reprise über, in der die rhythmische Passacaglia krebsartig wiederholt wird und schließlich in eine Coda mündet, die jedoch an Stelle des Kopfthemas neues Material bringt. Ein suggestiver Höhepunkt wird im Finale erreicht, wenn sich alle Instrumente des Orchesters spontan zu einem klangprächtigen Jubilieren vereinen und die Sinfonie eindrucksvoll beschließen“ (Gräter). Dieses unmittelbar packende Werk des damals 23jährigen Henze zeigt in Inhalt, Form und Sprache bei allen noch spürbaren Auseinandersetzungen mit Vorbildern ein erstaun lich selbständiges Profil. Es ist ein erregendes Dokument der Reaktion auf den zweiten Weltkrieg und seine Folgeerscheinungen in Westdeutschland. „Die Katastrophe dieses Krieges war für Leute in meinem Alter damals erst in ihrer ganzen Größe deutlich ge worden. Wir sahen uns einer so ungeheuer chaotischen Welt gegenüber“ - bekannte der Komponist im Hinblick auf seine zweite Sinfonie, in die mit Überzeugungskraft und Aus drucksgewalt diese Probleme aus dem Erleben seiner Umwelt eingedrungen sind. Aus zag haftem Beginn entfaltet sich die musikalische Gestaltung über gewaltige Steigerungen zu einer erschütternden Klage. Der im Mittelpunkt der Komposition stehende energiege ladene, erregte schnelle zweite Satz schafft weitere Spannungen. Das Finale knüpft an die Steigerung des ersten Satzes an und bringt schließlich mit dem Choralthcma „Wie schön leucht' uns der Morgenstern“ eine symbolhafte Lösung. Das Klavierkonzert Es-Dur, KV 271, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart im Alter von 21 Jahren, im Januar 1777 für die französische Pianistin Mlle. Jeunchomme. „Dies ist eines der monumentalen Werke Mozarts, in denen er ganz er selber ist und sein Publikum nicht mehr durch Gefälligkeit und Entgegenkommen zu gewinnen sucht, sondern durch Originalität und Kühnheit“, schrieb der Mozart-Forscher Alfred Einstein zu diesem genialen Jugendwerk. „Et hat es nie übertroffen. Es gibt im Schaffen großer Meister dergleichen Würfe, die Jugendlichkeit und Reife vereinen: die Tizianische Hochzeits tafel, die als ,Himmlische und irdische Liebe' bekannt ist, der ,Werther‘ Goethes, die ,Eroica‘ Beethovens. Dies Klavierkonzert in Es-Dur ist die .Eroica' Mozarts. Es besteht zwischen den drei Sätzen nicht nur ein tieferer Gegensatz und infolgedessen eine höhere Einheit, sondern auch eine innigere Verbindung des Solisten mit dem Orchester; und das Orchester ist in sich feiner und reicher belebt - cs ist ein sinfonisches Orchester. Nirgends ist Virtuosität gesucht; dennoch stellt dies Konzert auch in technischer Beziehung höhere Ansprüche als die vorangegangenen Konzerte.“ Ungewöhnlich ist der Beginn des Eröffnungssatzes: Nachdem das Orchester mit einem kräftigen Ruf eingesetzt hat, erscheint bereits im zweiten Takt die Antwort des Solo instruments, das sich also schon am Kopfthema der Orchestereinleitung, am Eingangs tutti beteiligt (vor dem eigentlichen Soloeinsatz, der hier nicht gleich mit dem Haupt thema, sondern mit einem kurzen improvisatorischen Präludieren des Solisten erfolgt). Auch beim Schlußtutti dieses Satzes ist das Soloinstrument wieder dabei. Von beson derer Schönheit und tiefem Empfindungsgchalt ist der beseelte, kantable langsame Mit telsatz in c-Moll, der übrigens der erste Mollsatz war, den Mozart für ein Konzert komponiert hat. Das Orchester-Ritornell, durch das der Satz in zwei große Teile ge gliedert wird, beginnt mit einem Kanon der Streicher (zwischen erster und zweiter Vio line), der dann den Untergrund für den edlen Gesang des Soloinstrumcnts bildet. Als ausgedehntes Rondo wurde der Finalsatz des Konzertes angelegt. Besonders zu erwäh nen ist hierbei der Einbau eines in As-Dur stehenden ausdrucksvoll-ernsten Menuetts mit vier Variationen in den sehr brillanten, virtuos glänzenden Satz, der ebenfalls eine äußerst enge, meisterliche Verknüpfung zwischen Solo- und Tuttipartien erkennen läßt. Ludwig van Beethoven vollendete sein Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 im Jahre 1809. Die erste Aufführung des Werkes fand im November 1810 im Leipziger Gewand haus durch den Pianisten Friedrich Schneider statt und errang großen Beifall. Beethoven selbst hat sein letztes Klavierkonzert, das ursprünglich wohl für seine eigene, dann aber nicht zustande gekommene Akademie vorgesehen war, nicht mehr öffentlich gespielt. Das Es-Dur-Konzert ist im Gegensatz zu dem vorhergehenden, mehr lyrischen Klavier konzert in G-Dur ein Werk von ausgeprägt kraftvoll-heroischem Charakter, dessen streitbar-sieghafte Männlichkeit gewiß vom patriotischen Geiste der Zeit nicht un beeinflußt geblieben sein mag. Mit Recht ist es häufig als „Klavier-Sinfonie“ oder als „Sinfonie mit Soloklavier“ bezeichnet worden, ist doch das Orchester hier in ganz be sonderem Maße an der wahrhaft sinfonischen Anlage beteiligt, als gleichberechtigter Partner des Pianisten, an den gleichwohl in bezug auf virtuos-technisches Können und geistige Vertiefung hier auch außerordentlich hohe Anforderungen gestellt werden. Über die Hälfte des gesamten Werkes nimmt der breit angelegte erste Satz ein, der schon rein äußerlich in seiner gewaltigen Ausdehnung (mit einer Länge von 582 Takten) und ebenso in seinem geistigen Gehalt alle früheren Solistenkonzerte übertrifft. Mit einer gleichsam improvisierenden, rauschenden Einleitung beginnt das Soloklavier nach einem Fortissimoakkord des Orchesters den Satz. Danach erklingt im Tutti das stolze, prägnante Hauptthema, dem als zweites Thema eine Marschmelodie zur Seite gestellt wird, die zuerst leise, wie von ferne, mit punktiertem Rhythmus in den Bässen in Moll hingetupft und darauf, hymnisch von den Hörnern vorgetragen, nach Dur abgewandelt wird. In einem chromatischen Lauf setzt wirkungsvoll der Solopart ein, mit dem variierten Haupt thema in das Geschehen eingreifend. Nun entwickelt sich in dem großartigen Durch führungsteil ein an dramatischen Auseinandersetzungen, an kühnen Ideen, an immer neuen thematischen und stimmungsmäßigen Gestaltungen und an wunderbaren Schön heiten überreicher Dialog zwischen Soloinstrumcnt und Orchester. Da der Klavierpart das virtuose Element während des Satzablaufcs im Dienste der Ausdruckssteigerung bereits in sehr bedeutendem Maße cinbezieht, hat Beethoven in diesem Konzert auf die übliche große Solokadenz vor Schluß des ersten Satzes verzichtet. Dennoch wird dem Soloklavier in der abschließenden glanzvollen Coda in organischer Verbindung mit dem Orchesterpart noch einmal Gelegenheit zu virtuosem Brillieren gegeben. Der zarte zweite Satz (Adagio un poco mosso) bildet in seiner besinnlichen Innigkeit einen starken Kontrast zu dem vorangegangenen. Sein feierliches, ergreifendes Lied thema, zunächst in edler Harmonisierung von den Streichern musiziert, wird vom Solo instrument im Verlaufe des ziemlich kurzen Satzes in Figurationen aus perlenden Triolen- ketten, Terzen- und Sextenpassagen sanft umspielt. Aus dieser träumerischen Stimmung erfolgt unmittelbar der Übergang in das Finalrondo, wobei am Ende des Adagios durch das Soloklavier bereits ganz leise das Anfangsmotiv des Rondothemas vorausgenommen wird, mit dem dann im Allegrotempo der geistvolle, sprühende Schlußsatz beginnt. Eine äußerst feine thematische Arbeit voll der verschieden sten Ausdeutungen und Kombinationen kennzeichnet dieses schwungvolle Finale, dessen musikalische Substanz neben einigen Seitenthemen im wesentlichen das tänzerische, durch eigenartige Verschmelzung zwei- und dreigeteilter Rhythmen gleichsam widerspenstig wirkende Anfangsthema, ein daran anschließendes Motiv mit punktiertem Rhythmus so wie ein lyrisches, gesangvolles Thema bilden. Nach einem Duo zwischen dem scheinbar immer mehr ermattenden und fast verlöschenden Klavier und der ständig leise das punktierte Motiv wiederholenden Pauke schließt das Konzert nach einem plötzlichen Aufschwung des Soloinstrumentes endlich doch wieder in jubelndem Tutti. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG: 25. und 26. Dezember 1966, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Lew Oborin, Sowjetunion (Klavier) Werke von Engelbert Humperdinck, Fryderyk Chopin und Antonin Dvorak Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966/67 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 39/174 III 9 5 ItG 009/69/66 1,5 1166 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1966/67