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Dresdner Journal : 21.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189609218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960921
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960921
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-21
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 21.09.1896
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ve,««»ret»: Für Dresden vierteljährlsch r Marl so Ps, bei den Kaiser- lich dcuiichcii Pcjwnslatten vicrlcliährUchSMark; außer halb des Deutschen Reiches Poß- und Etempelzuschlag. Einzelne Nummern: tv Ps. Grschetue«: Täglich mit Au-nahme der Tonn- und Feiertage abends. Fernlvr -Anschluß: NrlLES. Dresdner Journal. AnkündtgungSgrdühre«: Für den Raum einer gehal tenen Zeile llciner Schrift LO Ps Unter „Eingesandt" die Zeile so Ps. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« DrcSdner JournalS DrcSdcn, Zwingerstr LV. Fernspr -Anschluß: Nr1L-5. V SSO. Montag, den » September abends. 18»«. Amtlicher Seil. DreSde«, 19. September. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der außerordentliche Gesandte und bevollmäch tigte Minister, Wirklicher Geheimer Rath Freiherr v. Fabrice, die ihm von Sr. König!. Hoheit dem Großherzog von Baden verliehene goldene Kette des Großkreuzes des Ordens vom Zähringer Löwen an nehme und trage. Dresden, 18. September. Se. Majestät der König haben zu genehmigen Allergnädigst geruht, daß der vortragende Rath im Justizministerium Geheime Justiz- rath Karl Heinrich Börner den ihm von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen ver liehenen Rothen Adler-Orden zweiter Klasse annehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Bürgermeister Wilisch zu Annaberg das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtsorden zu ver leihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Ober Telegraphenassistenten Friedrich Ludwig Kippe in Dresden das Albrechtskreuz zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Zur türkischen Frage. Bekanntlich ist von englischen Blättern der Ruf nach Absetzung des Sultans ausgegangen, und unver ständlicherweise haben auch deutsche Zeitungen in diese Forderung mit eingestimmt. Während die letztere nämlich auf britischer Seite wohlbegreiflich ist, leuchtet es nicht recht ein, warum deutsche Organe dieses Ver langen unterstützen. Gewiß ist das derzeitige Re gierungssystem in Konstantinopel keineswegs ein ideales und liberale Doktrinäre würden sie natürlich gern durch eine parlamentarische Negierung ersetzt sehen, aber die heutige Regierungsform erscheint doch als die den ganzen Verhältnissen zweckentsprechende und würde sich auch bewähren, wenn dem Sultan uneigen nützige Ratgeber zur Seite ständen und die Ver waltung weniger unfähig und bestechlich wäre. Vernünftiger und beachtenswerter als die radikale Forderung der Engländer ist ein Vorschlag znr Regelung der türkischen Frage, der in der „Kreuzztg." von einem mit den Zuständen am Goldenen Horn vertrauten Politiker gemacht wird. Es heißt in der bezüglichen Darlegung: „Eine wichtige Aufgabe der europäischen Diplomatie wäre es, den Sultan zu der Erkenntnis zu bringen, daß er fremde Unterstützung nicht länger entbehren kann, will er sich und seiner Dynastie Thron und Reich sichern und seine wohl gemeinten Bestrebungen im Interesse der Gesamtheit durchführen. Diese Aufgabe kann freilich die euro päische Diplomatie uur erfüllen, wenn sie einig und uneigennützig vorgeht, was bis dahin noch niemals der Fall gewesen ist, unter den heutigen Verhält nissen aber am Ende möglich sein muß. Schon in früheren Jahren hat man von der Einsetzung einer europäischen Überwachungskommission in Konstantinopel gesprochen. Wenn eine solche Kommission aus unbefangenen, landeskundigen Männern zusammen gesetzt wird etwa unter Heranziehung hervorragender türkischer Staatsmänner, wenn sie ausreichende Be fugnisse erhält, wenn sie nicht als eine bloße Über wachungskommission auftritt, fondern zu einer aus schlaggebenden Instanz zwischen dem Sultan und seinen Ministern ausgestaltet wird, so wird es möglich sein, Ruhe und Ordnung unter der unzufriedenen, ver ¬ wilderten, einander feindlichen Bevölkerung wieder her zustellen und den Fortbestand des Reiches auf abseh bare Zeit zu verbürgen. Nur eine solche Instanz, gestützt auf die Mächte, würde im stände sein, den unheilvollen Einfluß der Palastbeamten zu brechen und die Unfähigkeit und das Uebelwollen der Minister wie der Verwaltung zu beseitigen. Bloße Ermahnungen der Mächte zu Reformen bleiben erfahrungsmäßig ohne Erfolg. Eine bewaffnete Einmischung würde die türkische Bevölkerung vollends in Aufruhr versetzen und auch das Einvernehmen der Mächte gefährden. Gänzlich zwecklos wäre die Absetzung Abdul HamidS; man wird vergebens nach einem besseren Sultan suchen und erst dann zu der äußersten und bedenk lichsten Maßnahme greifen können, wenn Abdul Hamid die Einsetzung einer europäischen Kommission zu seiner Unterstützung zurückweist. Ünter einem neuen Sultan ohne eine solche Kommission würde alles beim alten bleiben; die Lage dürfte sich eher noch verschlimmern, die Einmischung der Mächte müßte unter erheblich ungünstigeren Verhältnissen erfolgen. Die europäische Kommission bedeutet noch keine friedliche Lösung der türkischen Frage, aber sie bereitet dazu vor. Es muß ein Übergang zu neuen Gestaltungen ge funden werden, die sich unabwendbar aufdrängen Was die Engländer wollen, bewaffnetes Ein schreiten gegen die Türkei und gewaltsame Absetzung des Sultans, ist nicht die Lösung der türkischen Frage, sondern zunächst der Krieg. Der Sultan mit seiner Regierung ist leicht zu beseitigen, aber wer soll der Erbe sein? Die Balkanvölker würden nach einem künstlich beschleunigten Zusammenbruch der Türkei in Unfrieden geraten und sich in blutigen Kämpfen durch Eroberung türkischer Gebietsteile zu vergrößern suchen, ohne eine gemeinsame Autorität anzuerkennen. Sollte Rußland aber seine Hand nach dem türkischen Erbe ausstrecken, so würde es sich in unabsehbare Kämpfe und Verwickelungen stürzen müssen und greifbare Vor teile daraus vorerst nicht ersehen können. Eine end- giltige Lösung der türkischen Frage ist nicht wohl denkbar ohne Blut und Eisen, vielleicht erfolgt sie im Verlaufe eines Weltkrieges. Daß sie aber einen solchen entfacht, müsfen die Mächte nach Kräften zu verhindern bemüht fein." — Wir haben in den letzten Tagen mehrfach da vor gewarnt, daß man seine Sympathien ausschließlich den Armeniern zuwende, und dies immentlick) gegen über den eifrigen und hitzigen Berliner Protestver sammlungen betont. Jetzt kommt uns und anderen deutschen Blättern, die nicht in das von England her angestimmte Lied eingefallen sind, eine Konstantinopeler Korrespondenz der „Köln Z." zu Hilfe, in welcher offenbar die Wahrheit über den letzien armenischen Putsch gesagt und zugleich ausgeführt ist, daß Über treibungen und Aufhetzungen zu Gunsten der Armenier dem gesamten christlichen Element in der Türkei nur schaden können. Wir lassen hier den Wortlaut dieser bemerkenswerten Zuschrift folgen: Di; Erbitterung gegen die Armenier steigt in den fremden Kolonien Konstantinopels immer mehr; denn einerseits läßt sich nach den Beweisen, die vorliegcn, gar nicht mehr daran zweifeln, dah die überwiegende Mehrzahl der Armenier um die Ver schwörung gewußt und sie mit der Thal oder mit Geld unter stützt hat, und anderseits lastet seit den Tagen des Blutbades ein unerträglicher dumpfer Druck auf Handel und Wandel. Dazu kommt aber auch ganz besonders, daß mehr und mehr aus den Äußerungen bekannt wird, welche die An greifer der Ottvmanischcn Bank Europäern gegenüber an Bord der Jacht Sir Edgar Vincents machten, als sie nach ihrer Ergebung dorthin gebracht waren. Tie Mit teilungen lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen: Es waren noch 17 Mann, mit Ausnahme der Führer über wiegend Hamals oder Diener, die zum Teil früher in hiesigen europäischen Familien Beschäftigung gesunde» Hai en. Seit drei Monaten hatten die auswärtigen Geheimgesellschaften den Putsch vorbereitet, und die Führer Maren vor einige» Wochen eingetrosse» Im ganzen sollten Knndgebungen stattsindcn vor der Kohe» Pforte, vor dem armenischen Patriarchat in Kumkapu und in Psamatia, dem westlichen Stadtteil Stambuls; in Galata wollte man die Ottomanische Bank und den Kredit Lnonnais besetzen, Bomben gegen dir Woiwodapolizeistation werfen und ebenso in Pera die Hauptpolizeiwache in Galata Scrai und die griechische Kirche der Aja Trianda mit Bomben angreisen, außerdem aber durch Sprenggeschoße überall Verwirrung anrichten und verhindern, daß die besetzten Banken durch die bewaffnete Macht entsetzt würden. Die Organisation war mit großer Sorgfalt vor bereitet, die türkischen Behörden wußten aber drei Tage vor dem Ausbruch schon, daß irgend etwa- in der Luft schwebe, glaubten aber nur an einen Angriff aus das Patriarchat und trafen dementsprechend ihre Maßregeln, fodaß an dieser Stelle der Putsch erfolglos blieb. Die Bomben waren von den Verschwörern hcrgestellt und das Dynamit dazu in Kon stantinopel erworben, mit derselben Leichtigkeit, 10 rühmten sie, wie sie selbst in das Land gekommen wären. Für die geplante Besetzung der Bank und des Kredit Lyonnais gaben sie folgende Gründe an Es waren dort soviel Mitglieder aller Nationen beschäftigt, daß die Armenier annahmen, die Mächte würden, um das Leben ihrer Staatsangehörigen zu retten, bereit sein, bei den Türken die Annahme der Forder ungen der Verschwörer durchzusctzcn Die Bank war das ge eignetste Gebäude zur Verteidigung; abgesehen von den Interessen der Mächte würden Lie verschiedenen Börsen schwere Verluste erlitten habe», wenn das Haus mit seinem Inhalt in die Lust gesprengt worden wäre. Ta die Bank das hervorragendste Gebäude der Stadt war, dachten dre Armenier durch den Sturm das Interesse ter niedere» Klassen für ihre Sache zu erwecken und so auch ihre schwächeren Landsleute milzurcißen, die augenblicklich aus Furcht vor den Türken sich etwas zurück- hicltcn. Die Bomben wandten sic deshalb zur Verteidigung wie zum Angriff ans die Truppen an, weil sie eine größere Zerstörungskraft besäßen und außerdem ein surchtbares Entsetzen verbreite» muß:en, da in der Türkei derartige Mordwaffen ganz unbekannt sind Die Verschwörer waren alle türkische Unterlhancn, wie er wähnt aiis der Hamalklasse, mit Ausnahme der Führer, die eine höhere Bildung besaßen und russisch, französisch, türkisch, griechisch sprachen. Von den drei Führer», deren einer getötet wurde, waren zwei aus Wau; einer hatte lange in Konstantinopel gelebt und kannte die Stadt genau. Die Verschwörer wollten keinem besonderen Geheimbund angehören und sprachen ver ächtlich von den Hintichakisten, die nur eine Art von Ge- schästsrevolutionären seien, die politische Sache der Armenier nicht im Herzen trügen und für ihr Vaterland nicht sterben wollien. Tie Männer behaupteten, sie wollten ihre Lands leute vou Unierdrückuug und Gewallthäügleit bffreien, und Hunderte wären bereit, gleich ihnen ihr Leben zu diesem Zweck aufs Spiel zu setze». Untereinander hätten sie abgemacht, nicht lebendig in deS Feindes Hand zu salleu und im Notfall sich lieber selbst zu töten. Alle machien de» Eindruck entschlossener Leute, und wiederholt sprachen sie aus, daß sie sich um srcicn Abzug nicht viel gekümmert hätten, aber wenn die Rcsormen nicht bewilligt würden, ihr Leben für einen zweiten Versuch aussparen wollten, der alles bisher Tagewesene übcitressen solle. Sie forscrten die Durchsührung des cnglilchcn Reformprojckts mit dem Zusatz: freie Presse in den neuen armenischen Provinzen; sie verlangten selb ständige Verwaltung: wenn sie jetzt nicht errungen würde, käme es spater dazu Auf kie Bemerkung, daß ihr Plan die Sym pathie der Mächte ihnen verscherzen und ein furchtbares Gemetzel Hervorrufen müßte, erwiderten Lie Verschwörer, wer getötet werde, sterbe als wahrer Patriot und Märtyrer, und wenn sie geglaubt hätten, die Zuncigung der Mächte zu verlieren, würden sie ihnen durch Verbleiben in der Bank die Hände gebunden haben. Ihr Haß gegen die Türken spottet jeder Beschreibung, und die Freude über die getöteten Türken war schauerlich wild. Sie wollten durch Mazeconien zurückkehren und hofften auf Ersolg bei der nächsten Kundgebung. Begierig fragten sie danach, ob ihre Bomben sichern Schaden «»gerichtet hätten, ob viele Soldaten gefallen wären, und ob die Truppen aus die Armenier gefeuert hätten. Nach ihrer Angabe wollten sie, bevor sie die Bank sprengten, alle türkischen Beamten abschlachten und bedauerten, daß die Schnelligkeit, mit der die Ereignisse sich abfpieltcn, ihnen keine Zeil dazu gegeben hätte. Wiederholt fragten sie, ob ihnen erlaubt würde, nach dem Piräus zu gehen, sodaß die Zuhörer den Eindruck gewannen, daß der bedeutendste Sitz ihres Komitees in Griechenland oder an der macedonische» Grenze fei. Werden Herr Lepsius und Genossen (in den Berliner Ver sammlungen) jetzt »och behaupten, daß diese Leute von der türkischen Regierung bezahlt gewesen seien und daß die Geheim bünde in türkischem Solde ständen? Für Unbefangene ist die Frage wohl gelöst Tagesyeschichte. Dresden, 21. September. Ihre Majestäten der König und die Königin wohnten am gestriaen Sonntage dem Vormittagsgottesdienste in der katho lischen Hofkirche bei. Nach dem Kirchgänge empfingen Se. Majestät der König im König!. Residenzschlosse die nachgenannten Herren in Audienz: den Abteilungs direktor im Ministerium des Innern Geh. Rat v. Charpentier, den geh. Justizrat Börner, den Ober finanzrat !)r. Rüger, die Bauinspektoren Hübler und Haase, die Oberförster Hänichen und Proß, den Rechtsanwalt Liebe in Chemnitz und den Kantor Schulze in Beutha. Auch Ihre Majestät die Königin erteilten einige Audienzen. Nachmittags um 4 Uhr dinierten Beide Majestäten bei Sr. König!. Hoheit dem Prinzen Georg in Villa Hosterwitz, worauf Allerhöchstdieselbeu der Vorstellung der Lortzingschen Oper „Der Wildschütz" im Altstädter Hoftheater bei wohnten. Se. Majestät der König trafen heute vormittag H11 Uhr, von Strehlen kommend, im Königl Resi- denzschlosse ein, nahmen zunächst militärische Meld ungen und danach die Vorträge der Herren Staats minister und Departemeutschefs der Königl. Hofstaaten entgegen. Ihre Majestät die Königin verweilten in den Mittagsstunden ebenfalls längere Zeit im Resi- denzfchlosse. Nachmittags kehrten Beide Majestäten nach Villa Strehlen zurück. Dresden, 21. September. Gestern nachmittag um 4 Uhr fand bei Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Georg in der Prinzl. Villa zu Hosterwitz Familien- tafel statt. An derselben nahmen Ihre Majestäten der König und die Königin, Ihre Königl. Hoheiten die Frau Großherzogin von Mecklenburg- Str elitz, Prinz Albert und Prinzessin Mathilde teil. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser sind gestern abend 9 Uhr 20 Minuten mittels Sonderzuges von der Wildparkstation nach Rominten abgereist. Ihre Majestät die Kaiserin hatte dem Kaiser das Geleite bis zum Bahn hofe gegeben — Der „Reichsanz." veröffentlicht eine Anzahl Aus zeichnungen an Offiziere — Zum polnischen Aufruhr in Opalenitza erfährt die „Köln. Ztg" aus Posen, daß Se. Majestät der Kaiser über den Vorfall Bericht eingcfordert haben. Die Nachricht des „Dzien. Pozn", daß der Distrikts- kommisiarius v. Carnap vorläufig des Amtes enthoben worden sei, ist nach der „Nat.-Ztg." unrichtig; es sei nur zur Vertretung des schwer mißhandelten Distriktskommissars ein Regierungskommissar aus Posen entsandt worden. Dem Blatte geht eine von vier Augenzeugen unterschriebene Darstellung des Vorganges vom Bahnhof in Opalenitza zu, der wir noch folgendes zur Ergänzung der bisherigen Mitteilungen entnehmen: „Der Tistriktskommissarius stürzte auf den Perron mit den Worten, er möchte doch sehen, ob der Erzbischof nicht die Macht besäße, die Bande zusammenzuhalten. Von seinem Vorhaben, sich dem Erzbischof in diesem entsetzlich zugerichteten Zustande vor- zustcllen, damit er sich von der Rohheit und dem Fanatismus der polnischen Bevölkerung überzeugen könne, wurde er jedoch vom Stationsvorsteher und zwei anderen Herren abgehalten und von dort aus zum Arzt gebracht, der die Wunden einer genauen Untersuchung unterzog. Der Hr. Erzbischof dürfte dies übrigens selbst bestätigen können, da er den Wartesaal bereits verlassen und sich auf dem Perron befand Einige deutsche Herren, welche den Hrn. Kommissarius zum Arzt begleitet hatten, ivurden auf dem Nachhausewege, ohne daß dieselben selbst irgend welche Veranlassung dazu gegeben hätten, von einem polnischen Fleischer mit dem Messer bedroht." Die „Posener Zeitung" bringt auf Grund des Zeugnisses vollkommen einwandsfreier Augenzeugen eine ausführliche Darstellung der skandalösen Vorgänge, die sich mit unserer Schilderung im großen und ganzen deckt. Von diesen Augenzeugen ist der Vorgang auch so, wie geschildert, dem Regierungskommiffar vr. Machatius aus Posen zu Protokoll gegeben worden. Aus Kunst und Wissenschaft. Ä. Hoftheater. — Altstadt. — Am 20. d. Mts: „Der Wildschütz". Komische Oper in drei Akten, nach Kotzebue frei bearbeitet Musik von Albert Lortz ing. Wiederaufnahmen dieser Oper, die zuletzt vor vier Jahren neu einstudiert wurde, haben sich stets für eine Weile lohnend gemacht. Nach dem warmen Beifall, mit dem das gestrige Sonntagspublikum Werk und Darstellung be dachte, läßt sich das auch für die jüngste Repetition hoffen Wohl hat der Einfluß der Zeit und des Zeitgeschmacks die Musik nicht verschont, aber die Mehrzahl der Nummern mutet den Hörer noch immer lebhaft und natürlich an, ihr gesunder Humor, ihr gemütlicher Frohsinn machen zusammen mit der amüsant entwickelten Handlung noch heute einen harmlos unterhaltenden und erheiternden Ein druck Wenn der bescheidene Komponist sein Werk nur als mittelgut bezeichnete und sein redliches künstlerisches Streben dadurch befriedigt fühlte, vielen Menschen frohe Stunden bereitet zu haben, so muß man um so wärmer anerkennen, daß seine Leistungen nn Kern über diese an spruchslose Zeit hinausgereicht haben. Namentlich manche Ensemblesätze,j welche in dieser Oper vorwiegen, stehen über mittelgut, sind in Erfindung und Behandlung, in Form und Charakteristik tüchtige und glücklich ausgeführte Arbeiten Die hiesige Darstellung deS Werkes ist in den letzten zehn Jahren niemals eine gleichmäßig fertige, hervorragende gewesen, doch hat sie stets mannigfache Lichtpunkte gehabt und bereitwillig hat man stärkere Ansprüche zurückgedrängt, weil man sah, daß jeder der Beteiligten nach Talent und Können sein Bestes zu geben bemüht war. So stehen die Dinge auch gegenwärtig, denn wenngleich Frl. Wedekind in der stimmlichen Wirkung die letzte Vertreterin der Baronin Freimann (Frau Schuch) selbstverständlich weit übertrumpft, so erreicht sie dieselbe wever in der reizenden Fein heit des Gesangsvortrags noch in der lebendigen und liebens würdigen Charakteristik der schauspielerischen Darstellung. Vollkommen an seinem alten Platze ist dagegen Hr. E r l (Baron Kronthal), während Hr. Scheidemantel als Graf Eber bach eine Aufgabe hat, für die sein nach dieser Richtung hin bescheidenes Repräsentationsvermögen nicht ausreicht Frl. Löffler beseitigt durch ihre prächtige Nachahmung des RedetonS eines ersten Mitglieds unseres Schauspiel hauses die gefährliche Länge, welche die Sophoklesschwärmerei der Gräfin sonst hervorbringt, und giebt dieser Szene, allerdings mit von außen hergeholten Mitteln, sogar eine besondere Anziehung Hr. Eichberger spielt den Vaculus mit Geschick, doch verlangt diese wie andere komische Partien in Lortzings Opern einen stimmkräftigen Sänger, eine vollkommene gesangliche Ausführung. Frau Edel ist zur Zeit sehr rasch hintereinander mit neuen Aufgaben bedacht worden; es wird also begreiflich, daß sie mit der Rolle des Gretchen noch nicht ganz fertig geworden ist, und es zeugt schon von der Strebsamkeit der Sängerin, daß ihr Einzelnes sehr hübsch und wirksam gelingt. Frl. Wuschke giebt zum ersten Mal die Nanette, und zwar in zweckentsprechender Art und zum Vorteil des musikali schen Ensembles. P. K. Hoftheater. — Neustadt. Am 20. September: „Nathan der Weise". Dramatisches Gedicht in fünf Akten von G E Lessing (Mit teilweiser Benutzung der Schillerschen Bühnenbearbeitung.) Die Wiedereröffnung des mannigfach erneuerten, vor allem mit der elektrischen Beleuchtung auSgestatteten Neu städter Hauses gewährte zunächst den Eindruck, daß das neue Licht in mehr als einer Richtung dem Behagen der Zuschauer förderlich sein und namentlich die oft empfundene hochgradige Wärme herabmindern Helsen wird Sowohl die Wiedereröffnung an sich, als die Vorführung eine« Meisterwerkes wie der „Nathan", und endlich die erst malige Darstellung der Titelrolle vurch einen Verlierer wie Hrn. Holthaus hätte einen stärkeren Besuch verdient. Hr. Holthaus bewährte auch in der Verkörperung des Handelsherrn von Jerusalem, den Erfahrungen und schwere Schicksale zum lebendigen Träger und beredten Anwalt der Toleranz wie des leidenschaftslosen Maßhaltens ge macht haben, vor allem die Kraft, eine einheitliche Gestalt zu geben und aus dem Kern seiner Auffassung heraus alle Einzelheiten zu bilden Einer so energischen Einheit lichkeit bleibt die Wirkung nie versagt. Unter den beiden Auffassungen der Gestalt, der scharf verständigen, leicht ironischen, die persönliche Einsicht und innere Macht gleich sam unbewußt bewährenden, und der mehr pathetischen, jehrhaftcn, die eigenen Erkenntnisse sentcnziös verall gemeinernden, giebt Hr. Holthaus offenbar der letzteren den Vorzug Er legt starken Nachdruck auf die didaktische Seite des Gedichts und der Rolle, er giebt dem welt erfahrenen, immerhin noch thätigen, handelnden Kaufherrn etwas von der rechthaberischen Schärfe eines Rabbinen und etwas von der getragenen Würde eines greisen ara bischen Scheichs Ob die minder gewichtige einfachere Haltung und Sprechweise des weisen Nathan zuletzt nicht noch tiefer überzeugt, scheint mir fraglich An verdientem Beifall fehlte es der Darstellung des Hrn. Holthaus nicht Die wirksame Wiedergabe der andern Gestalten des Dramas durch die Damen Frl. Ulrich (Sittah), Frl. Politz (Recha), Frl. Guinand (Daja), die Herren Dettmer (Sultan Saladin), Franz (Tempelherr), Wiene (Al Hafi), Swoboda (Patriarch) und Erdmann (Klosterbruder) ist bei früheren Aufführungen des Nathan nach Gebühr ge würdigt worden Ad. Stern Die franzöfischen Ausgrabungen auf der Insel Delos. Zu der Zeit, wo durch die pompejanischen Ausgrab ungen das römische PrivathauS, seine Architektur, feine Einteilung und seine Ausstattung klar gelegt worden waren, hat man sich von dem griechischen Privathaus aus den Jahrhunderten vor Christi Geburt nur nach Dichtern und Schriftstellern Bilder machen können Hinsichtlich des bei Guhl u. Koner „Das Leben der Griechen und Römer" abgebildeten Hauses aus Delos sind die Sachverständigen nicht einig, ob cs ein Privat- oder ein öffentliches Bad haus ist, und die einzige aus dem Altertum herrührende Beschreibung eines griechischen Privathauses, die des Vitruv, entbehrt der Autorität. Zum ersten Male haben jetzt die französischen Ausgrabungen aus der Insel Delos eine Reihe guterhaltener griechischer Privathäuser aufgedeckt, so daß die Lücken in den Büchern, wo von dem griechifchen Wohnhaus die Rede ist, bald ausgefüllt sein werden. Hr. Louis Couve giebt in den Bulletin 6« Oorrsspon- ckanoe üölleoigus den provisorischen Bericht über die hauptsächlich auf Kosten der .^eaclemis ckss ioseriptivns st bsllss Isttrss im Juli bis September 1894 auf der Insel Delos von ihm gemachten Ausgrabungen. Sie sind das Resultat einer achtwöchentlichen Arbeit und geben große Hoffnungen für den Fall ihrer Fortsetzung. 1879, 1883 und l 892 waren zwar auch schon Häuser ausgegraben worden, aber man war nicht im stände gewesen, sie vollständig bloßzulegen. Sie gaben schon die Sicherheit, daß nach der athenischen Eroberung im 2. Jahrhundert vor Christus sich in Delos um die Heiligtümer eine mächtige und reiche Stadt entwickelt hatte, aber sie gaben keinen Aufschluß über allgemeine Konstruktions-, Disposition«- und Aus stattungsverhältnisse Sie ließen nur vermuten, durch auf« gefundene Architekturstücke und Dekorationsüberreste, daß systematische Ausgrabungen wichtige Entdeckungen bringen müßten Obwohl Delos 86 v. Ehr. Geb durch Archelao» und Menophares, die Feldherren des Mithridates, ver wüstet und zerstört worden war, haben sich auf dem mehrere Meter unter dem heutigen Niveau befindlichen Boden der alten Stadt die Überreste merkwürdig gut er halten Fünf Häuser haben die Franzosen aulgegraben, zwei am heiligen See, eines auf dem Hügel, der sich im
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