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Wochen- und NnchrichlMatt zugleich 8Wfis-AnWN fir Hohttwf, MW, Bmstirf, Riishsrf, 8t. Wißen, Hcinrichsnrt, Wnrienan nn) Mülsen. Amtsblatt für den Stadttat zu Lichtenstein. 4». Jahrgang. —- Nr. 154. Sonntag, den 6. Juli 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Soun» und Festtag«) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Bf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene KorpnSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Auf dem die Firma Egers Nachfolger in Mülsen St. Jaeob be treffenden Folium 234 des hiesigen Handelsregisters ist heute verlautbart worden, daß der Korbwarenfabrikant Herr Friedrich Emil Fröhlich in Mülsen St. Jacob als Mitinhaber,ausgeschiedeu ist. König!. Amtsgericht Lichtenstein, am 2. Juli 1890. Gehler. Hörig. Sparkassen-Expeditlonstage in Lichtenstein: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Geschäftslage der Sparkasse zu Caünberg: Montag, Donnerstag und Sonnabend. Einlagen werden mit 37.°/o verzinst, Zinsen für Ausleihungen möglichst billig vereinbart. Wochenschau. Der Reichstag hat sich bis in die zweite Hälfte des November vertagt! Das hohe Haus hat in den letzten acht Tagen mit einer Schelligkeit gearbeitet, die in der deutschen Parlamentsgeschichte sehr ver einzelt dasieht. Die Annahme der noch zur Beratung stehenden Gesetzesvorlagen war indessen feststehend, die Hitze wurde tagtäglich größer, und so erledigte man denn alles im Siebenmeilenstiefelntempo! Die dritte Beratung der Militärvorlage, des Gewerbege- gerichtsgesetzes, der Vorlage betr. die Erhöhung der Beamtengehälter, alle wurden sie mit wenigen Worten abgemacht, dazu dann noch ein Dutzend Wahlprüf ungen und einzelne kleine Entwürfe erledigt, und so stand denn dem Ferienbeginn kein ernstes Hindernis mehr im Wege. Einen Augenblick schien es noch, als ob die Wahl des Platzes für das Kaiser Wilhelm I. zu errichtende National-Denkmal in Berlin zu Weiterungen führen sollte. Des Kaisers Standbild soll nach dem Lieblingswunsche seines Enkels bekannt lich auf die Stelle der bisherigen Berliner Schloß freiheit zu stehen kommen. Im Reichstag wird aber vielfach gezweifelt, ob dieser Platz wirklich geeignet ist. Um aber alle Differenzen zu vermeiden, wurde beschlossen, die Entscheidung über die Denkmalsange- legenheit gänzlich Kaiser Wilhelm II. anheimzugeben. Dieser Beschluß verbirgt zugleich die möglichste Be schleunigung der ganzen Angelegenheit. So ist denn die erste Arbeitsperiode des neuen Reichstages beendet, im Frieden und gutem Einvernehmen gehen Reichs regierung und Parlament auseinander. In der Zukunft steht freilich noch die Lösung schwieriger Fragen bevor, aber wie jeder Tag will auch jede Reichstagssession ihre besondere Sorge haben. Wir können der Entwickelung der Dinge ruhig entgegen setzen. Unser Kaiser ist auf seiner diesjährigen Nord landreise in Christiania, der Hauptstadt von Norwegen, angekommen und bei seinem feierlichen Einzuge von der Bevölkerung, welche die Vorliebe des hohen Gastes für ihre schöne, großartige Heimat kennen, mit hohen Ehren und warmer Herzlichkeit empfangen worden. Außerordentlicher Glanz ist entfaltet, um dem deutschen Kaiser zu zeigen, wie willkommen er im Norden sei. König Oskar von Schweden und Nor wegen war persönlich zur Begrüßung des Kaisers nach Christiania gekommen, beiden Monarchen sind von dem norwegischen Volkebei jeder Gelegenheit die stürmischsten Ovationen bereitet wo: den. Den dortigen Verhält nissen gemäß fanden während der Anwesenheit des Kaisers in Christiania hauptsächlich Ausflüge in die reizvolle Umgebung statt; am letzten Tage dieser Woche verläßt der hohe Besuch Christiania wieder und begiebt sich nach Bergen, von wo dann die Fahrt weiter gen Norden fortgesetzt wird. Erst Ende Juli wird der Kaiser auf einen Augenblick nach Wilhelms haven kommen, von dort aber gleich mit der Flotte nach England aufbrechen, wo diesmal der Hauptstadt London ein offizieller Besuch abgestattet werden wird. Die vielfachen Allarmgerüchte, der Kriegsminister von Verdy werde gleich nach Schluß der Reichstags session von seinem Posten zurücktreten, haben sich nicht bewahrheitet und werden sich auch in der nächsten Zukunft nicht erfüllen. Der Minister hat vorläufig einen längeren Urlaub angetreten. Sein Amt übernommen hat der neuernannte Finanzminister vr. Miquel, dem vor seinem Abschiede aus Frank furt a. Main von der Bevölkerung sehr herzliche Ovationen bereitet worden sind. Die städtischen Behörden der Mainstadt haben ihren bisherigen Oberbürgermeister einstimmig zum Ehrenbürger, den ersten, welchen Frankfurt besitzt, ernannt. Reichs kommissar Wißmann ist durch eiu plötzlich aufge tretenes Fieber verhindert worden, mehrfachen Ver sammlungen, die zu seinen Ehren geplant waren, beizuwohnen. Der Reichskommissar hat sich nach Lauterberg am Harz zu seiner Mutter begeben, um sich dort von den Strapazen und Aufregungen seiner letztjährigen Thätigkeit zu erholen. Neue Nachrich ten sind aus Afrika von Emin Pascha emgegangen, der seinen Marsch ins Innere unaufhaltsam fortsetzt. Anfänglich hat seine Kolonne schwer unter furcht baren Regengüssen zu leiden, jetzt wird aber der Marsch ohne Aufenthalt fortgesetzt. I)r. Peters ist mit seiner Expedition aus dem Innern wieder an der afrikanischen Ostküste angelangt. Das neue Kolonialabkommen zwischen England und dem deutschen Reiche ist jetzt in Berlin offiziell unterzeichnet. Es wird dem Londoner Parlament unverzüglich unterbreitet ,vud von Letzterem auch angenommen werden. Im Allgemeinem hat man sich nun mit seinen Bestimmungen bei uns, wie in England befreundet, und bei energischer Thätigkeit wird Deutschland auch über den Heimfall der Insel Zanzibar an England bald genug fortblicken können. Ohne Fleiß allerdings kein Preis! Der bevor stehende Ablauf des deutschen Sozialistengesetzes hat jetzt seine erste Folge gezeitigt: In Leipzig ist der über die Stadt verhängte kleine Belagerungszustand erloschen, und eine Anzahl von ausgewiesenen sozialistischen Führern ist bereits dorthin zurückge kehrt. Die Ruhe ist auch nicht einen Augenblick gestört worden. Nach längerer Pause ist an der deutsch-fran zösischen Grenze auch wieder einmal ein Grenz zwischenfall passiert, freilich von großer Harmlosig keit. Ein halbes Dutzend französischer Holzdiebe war auf.deutsches Gebiet gekommen, von deutschen Forstbeamten aber überrascht und mit ein paar Schrotschüsien bedacht worden, als sie Widerstand zu leisten versuchten. Einer von den Kerlen ist leicht verletzt, aber mit seinen Genossen über die Grenze entkommen. Natürlich wird dieses Vor kommnis keinerlei weitere Schritte notwendig machen. Tagesgeschichte. *— Lichtenstein, 5. Juli. Gestern abend sand eine Hauptübung der hiesigen Gesamtfeuerwehr statt, zu weicher durch Alarmsignal zum Sammeln aufgefordert wurde. Der Uebung lag ungefähr fol- gende Idee zu Grunde: Es wurde angenommen, daß das vordere Gebäude des Kunze'schen Hauses, Kirch gasse, brenne, und mußte deshalb das Hintergebäude gedeckt werden, hierzu wurde die Spritze L der Frei willigen Feuerwehr, welche im Hofe des genannten Hauses untergebracht war, verwendet. Zur weiteren Deckung des Bernstein'schen Hauses diente Spritze das Schubert'sche Haus deckte die Spritze Nr. 3 der dienstpflichtigen Feuerwehr. Die Spritze Nr. 1 deckte das Jakobi'sche Gebäude und wurde vom großen Zubringer gespeist. Die Spritze L gab nach erfolgtem Alarmsignal, welches kurz nach ^/47 Uhr ertönte, nach 3 Minuten, Spritze in 4 Minuten und Spritze Nr. 3 in 5 Minuten Wasser. Die anderen folgten etwas später nach. Die Uebungen wurden nach ca. */s Stunde abgebrochen, worauf die Geräte wieder in ihre Standquartiere zurückgeschafft wurden. *— Am Mittwoch nachmittag fuhr der Guts besitzer Wagner in Mülsen St. Micheln mit einem mit Ackergeräten beladenen Wagen nach seinem Felde, wobei er den Bahnübergang passieren mußte, auf letzterem scheute das Pferd, raste den Bahndamm entlang, wodurch Pferd und Wagen zum Falle kamen. Das Pferd erlitt einen Bein bruch und mußte dasselbe sofort getötet werden. — Prinz Friedrich August schwebte dieser Tage auf einem Ausfluge nach Maxen bei Freiberg in Gefahr — gepfändet zu werden. Er ritt mit Gefolge nach einem Aussichtspunkte und zwar mußte die Reiterschar dabei quer über ein Kleefeld reiten. Kurz darauf stürmte ein Landmann mit ausgebreiteten Armen und Entsetzen in den Ge sichtszügen dem berittenen Trupp entgegen und rief aus: „Nee, meine Härr'n, um Gutt's will'n, das geht nich! Ach, mei Klee! Sie reiten mer ja Allesnieder! Herrjemersch nee! Was fer Schaden!" Der Prinz ließ sogleich halten und frug den Bauer freundlich, was er ihm als Schadenersatz zahlen solle. Der Bauer wollte mit seiner Forderung nicht heraus und bejammerte nur seinen Schaden. Darauf von Sr. Königl. Hoheit ermutigt, er solle nur dreist heraussagen, was für eine Entschädigung er ver langte und ob vielleicht 3 Mark genügten, erhob der bekümmerte Landwirt abermals sein Klagelied: „Ach, mei' schöner Klee, mei' schöner Klee! Den Schaden kann ich kaum übersehen! Nee, mei' guter Härre! Unter 6 Mark kann ich's gar nich' thun!" — „So?" erwiderte der Prinz, „nun, das ist doch ein Wort! Hier haben Sie Ihre 6 Mark!" Damit gab der Prinz dem Bauer das Geld und verließ sofort mit den Uebrigen den Kleeacker. — Dresden, 3. Juli. Se. Königl. Hoheit Prinz Friedrich August begab sich heute früh zu Pferd nach der prinzlichcn Villa in Hosterwitz und kehrte mittags nach Dresden zurück. Ueber das mit geteilte Intermezzo Seiner Königl. Hoheit schreibt man noch, daß der betreffende aufgeregte Landmann, als drei Offiziere in seinem Gehöft erschienen und ihm mitteilten, von wem er den verlangten Ent schädigungsbetrag erhalten habe, auf den Heuboden flüchtete und sich nicht wieder sehen ließ. — Vom 23. bis 25. August d. I. (mrd in Leipzig im Krystallpalaste eine Ausstellung für das Drechsler- und die damit verbundenen Gewerbe (Bildhauer rc.) abgehalten. — Die Bäckerinnung zu Leipzig wird ihren Beschluß, die Bäckerläden an Sonntagen um 5 Uhr nachmittags zu schließen, von kommendem Sonntag an in Ausführung bringen. Mit dieser Maßregel soll nach der Begründung, welche den Beschluß der Innung veranlaßt hat, den „geplagten Bäckerfrauen und Verkäuferinnen" auch ein Stück Sonntagsruhe verschafft werden. — Das Königl. Schwurgericht zu Chemnitz verurteilte in einer Verhandlung, zu der das Publikum in außerordentlich dichten Schaaren her beiströmte, den Strumpffabrikbesitzer Heinrich Bern hard Franke aus Kemtau trotz beharrlichen Leug nens wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu 3 Jahren Gefängnis. Die Verhandlung gestaltete sich durch scharfsinnige Beweisaufnahme, die ein erdrückendes Material ergab, zu einer höchst interessanten. Es wurde dem Angeklagten u. A. nachgewiesen, daß er, nachdem sein Anwesen schon im Februar 1889 abgebrannt war, das Feuer, das im März d. I. ausbrach, an fünf Sellen selbst angelegt, dabei die