Volltext Seite (XML)
11877. Mittwoch, den 14 Februar. Amtirung als Großvezier als eifriger Anhänger Rußlands erwiesen, und eS hat daher die Annahme Manches für sich, daß seine Action gegen Midhat nicht blos eine persönliche Bedeutung hat. In Petersburg wurde bereits acht Tage vor der Kata strophe die Stellung Midhat's als erschüttert und wankend bezeichnet, und man berief sich dabei auf Mittheilungen aus Konstantinopel, die merkwürdiger Weise nur nach der russischen Hauptstadt ihren Weg gefunden hatten. Man erzählte sich an der Newa u. A., daß die Mißstimmung der zahlreichen Türken, welche von einer auch nur theoretischen Gleichstellung der Christen mit den Muhamedanern nichts wissen wollen, außerordentlich groß sei, und daß diese Mißvergnügten Midhat Pascha bereits offen einen „Berräther an der heiligen Sache des Islam" nennen. Einen Beweis bilden diese ohne Zweifel aus dem russischen Gesandtschaftshotel in Pera geflossenen Mittheilungen allerdings nicht, und Jedem ist es ja Thatsache, daß, wenn auch Midhat mit seinen Reformen es ehrlich meinte, die ganze übrige muhamedanische Welt die Verfassungs-Ver kündigung nur als ein vorzügliches Mittel, Europa zu täuschen und die Conferenz zu sprengen, also nur als eine Komödie ansah, der man eine ernstliche Folge niemals zu geben dachte. Die Alttürken hatten also bei dem Sultan, der bekanntlich ein sehr orthodoxer Alttürke ist, leichtes Spiel, und nament lich soll der Scheich ul Islam ihm klar gemacht haben, in welchem Widerspruch die Idee des consti- tutionellen Monarchen, der nichts ohne Zustimmung eines Parlaments thun darf, mit der Allmacht steht, welche das Staatsrecht des Koran dem Beherrscher aller Gläubigen zuschreibt. Es ist daher unver meidlich, daß der Sturz des Berfassungsminister- einen Systemwechsel nach sich zieht, wenn die» auch offiziell in Abrede gestellt wird. Diejenigen, welche die Catastrophe herbeigeführt haben, werden schon , dafür sorgen, daß die „Entwickelung" der Principien der Verfassung in ganz anderem Sinne erfolgt, als sie Midhat Pascha vorgeschwebt haben mag. Der Mantel wird dem Herzog ja schon um deswillen für .' Bischofswerda, Stolpe« und UmgegerM Amtsblatt -er Kgl. Amtohauptmannschaft und -er Kgl. Schulinspection zu Dauhra^ sowie -es Königlichen Verichtsamtes un- -es Sta-trathe» zu Dischosswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend« und kostet einschließlich der Sonn abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark bt> Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden bi« DienStag«-- und Freitag« früh » Uhr angenommen und kostet die gesp-ltene Corpuszeile oder deren Raum 1V Pfennige. Politische Weltschau. Das bedeutsamste Ereigniß der vergangenen Woche ist die Entsetzung Midhat Pascha'« von dem Posten des Großveziers. Wenn man den Berichten englischer Blätter trauen darf, so hab Midhat Pascha gegen den Sultan Abdul Hamid sich verschworen. Vielleicht hat das Wiener Blatt weit mehr Recht, welches das überraschende Er eigniß dafür characterisirte, daß alle Pläne auf Sgnd gebaut sind, welche eine wirkliche Beständigkeit der Regierung in Constantinopel zur Voraussetzung haben, und auch das andere nicht, welches drastischer sagt: „Midhat Pascha's jäher, unerklärlicher Sturz macht jede Bermuthung von vornherein hinfällig: Da waltet das Verhängniß, aller Logik, aller Be rechnung trotzend, und cs scheint blos noch eine Voraussetzung Berechtigung zu haben, diejenige näm lich, welche sich am besten in dem vulgären Satze: „Hopfen und Malz verloren" — ausspricht; dem kranken Mann ist nicht zu helfen." Der Gang der türkischen Politik ist eben unberechenbar, da er nach wie vor von den Launen des Sultans und von Palast-Jntriguen abhängt. Der für allmächtig gehaltene Großvezier konnte am 4. d. M. an die Konferenz-Mächte noch eine Note erlassen, in welcher er in stolzen Worten und in bestimmtester Form die Unverletzlichkeit und Unabhängigkeit der Türkei in allen ihren Landestheilen wahrte, auf die von ihm geschaffenen Institutionen hinwie« und in der entschiedensten Sprache das Recht dritter zur Ein mischung in die inneren Angelegenheiten des osma nischen Reiches bestritt — und kaum vier und zwanzig Stunden darauf war er von der Höhe seiner Stellung in die tiefste Tiefe gestürzt! Die Ursachen der so plötzlich eingetreten Catastrophe liegen noch in dichtem Dunkel; a r zwei Ver- muthungen drängten sich sofort Jedermann auf: nach der einen wäre Midhat einer von den Alttürken in Scene gesetzten Palast-Jntrigue, nach der andern fremdem Einflüsse erlegen. Vielleicht haben beide Momente zusammengewirkt, denn der ehemalige . . . . . .... — Großvezier Mahmud Pascha, der unversöhnlichste früher oder später folgen müssen, weil das türkische Feind Midhat's, wird als die Seele jener Jntrigue Reich, das nur in der Herrschaft de» EroberervölkeS betrachtet, und Edhem Pascha, der jetzige Groß- über die besiegten christlichen Stämme besteht, sich vezier soll nur dessen Platzhalter auf dem Veziers- so wenig zu einem DerfassungSstaat umgestalten läßt, posten sein. Mahmud aber hat sich während seiner als mau einen Mohren weiß waschen kann. Dieser ^weiundbrrißigster Iahrgan».