Volltext Seite (XML)
21. Jahrgang Mittwoch cken 28. ktpril 1S2S Nr. S8 Wortlaut des deutsch-russischen Vertrags nts für dte freundschaftliche Entwicklung der Bezie hungen zwischen Deutschland und der Union der So zialistischen Sowjetrepubliken bilden kann. Der Völker bund ist seiner grundlegenden Idee nach zur friedlichen und gerechten Ausgleichung internationaler Gegensätze bestimmt. Die Deutsche Negierung ist entschlossen, an der Verwirklichung dieser Idee nach Kräften mitzu arbeiten. Sollten dagegen, was die Deutsche Regierung nicht annimmt, tm Rahmen des Völkerbundes irgend wann etwa Bestrebungen hervortreten, die, im Wider spruch mit jener grundlegenden Friedensidee, einseitig gegen dte Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gerichtet wären, so würde Deutschland derartigen Be strebungen mit allem Nachdruck entgegenwtrken. 3. Die Deutsche Regierung geht davon aus, daß diese grundsätzliche Einstellung der deutschen Politik ge genüber dec Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auch nicht durch die loyale Beobachtung der Verpflich tungen beeinträchtigt werden kann, die sich für Deutsch land nach feinem Eintritt in den Völkerbund aus den Artikeln „16 und 17 der Völkerbundssntzung über das Sanktionsverfahren ergeben würden. Nach diesen Ar tikeln käme.ein Banktionsverfahren gegen dte Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, abgesehen von wei teren Voraussetzungen, nur dann in Betracht, wenn dte Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken einen An griffskrieg gegen einen dritten Staat eröffnete. Tiabei ist zu berücksichtigen, daß, die Frage, ob dte Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bet einem bewaffneten Konflikt mit einem dritten Staat der Angreifer ist mit bindender Wirkung für Deutschland nur mit dessen eigener Zustimmung entschieden werden könnte, und daß somit eine in dieser Hinsicht etwa von anderen Mächten gegen di« Union der Sozialistischen Sowjet- Repnbllken erhaben«, nach deutscher Ansicht nicht berech tigte Beschuldigung Deutschland nicht zwingen würde, an irgendwelchen auf Grund de« Artikel IS eingeleiteten Maßnahmen teilzunehmen. Wegen der Frage, ob und in welchem Maße Deutschland im konkreten Falle überhaupt imstande sein würde, an einem Sanktionsverfahren teilzunehmen, verweist die Deutsche Negierung auf die bei Gelegenheit der Unter zeichnung des Vertragswertes von Locarno an dte Deutsche Delegation gerichtete Note vom 1. Dezember 1925 über die Auslegung des Artikels 16. 4. Um für dte reibungslose Erledigung aller zwi schen ihnen auftauchenden Fragen eine sichere Grundlage zu schaffen, halten die beiden Regierungen es für zweck mäßig, alsbald in Erörterungen über den Abschluß, eines allgemeinen Vertrages zur friedlichen Lösung der zwischen den beiden Teilen etwa entstehenden Konflikte einzutreten, wobei insbesondere die Möglichkeiten des schiedsgerichtlichen Verfahrens und deS Vergleichsver fahrens berücksichtigt werden sollen. Genehmigen Sie, Herr Botschafter, die erneute Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung hgez.) Stresemann. Artikel 2. Sollte einer der vertragschließenden Teile trotz friedlichen Verhaltens von einer dritten Macht oder von mehreren dritten Mächten angegriffen werden, so wird der andere vertragschließende Teil während der ganzen Tauer des Konfliktes Neutralität beobachten. Artikel 3. Sollte aus Anlaß eines Konfliktes der in Art. 2 erwähnten Art oder auch zu einer Zeit, in der sich keiner der vertragschließenden Teile in kriegerischen Ver wicklungen befindet zwischen dritten Mächten eine Ko alition zu dem Zwecke geschlossen werden, gegen einen der vertragschließenden Teile einen wirtschaftlichen oder finanziellen Boykott zu verhängen, so wird sich der andere vertragschließende Teil einer solchen Koalition nicht anschltetzen. * Herr ReichSmtntster! Indem ich den Empfang der Note bestätige, die Sie mit Beziehung auf die Verhandlungen über den heute unterzeichneten Vertrag zwischen der Regierung der.Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Deutschen Regierung an mich gerichtet haben, beehre ich mich darauf namens der Regierung der Union der Sozia listischen Sowjetrepubliken folgendes zu erwidern: 1. Beide Regierungen sind bei den Verhandlungen über Yen Vertrag und bei dessen Unterzeichnung über einstimmend von der Auffassung ausgegangen, daß der von ihnen _ - in Artikel 1 Absatz 2 de« Vertrage« festgelegte Grund satz der BersiändigN'ig über alle di« beiden Länder gemeinsam berührend«» Fragen politischer und «irt- schaftlicher Art wesentlich ,u der Erhaltung die allge ¬ meinen Frieden» beitragen wird. Jedenfalls werden sich dte beiden Regierungen bet ihren Auseinandersetzungen von dem Gesichtspunkt der Not wendigkeit der Schaltung des allgemeinen Friedens letten lassen. 2. Hinsichtlich der grundsätzlichen Fragen, die mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund zusam- menhängen, nimmt dte Regierung der Union der So zialistischen Sowjetrepubliken Akt von den Erklärungen, dte in den Zisfern 2 und 8 Ihrer Note enthalten sind,! 8. Um für dte reibungslose Erledigung aller zwi. schen ihnen auftauchenden Fragen eine sichere Grundlage zu schassen, halten die beiden Regierungen e« für zweck« mäßig, alsbald in Erörterungen über den Abschluß eine» r»l«aramm«r Tag.dlait Nu,«czg,dirg«. Enthalten» -le amtlich»« Srkaaatmachnagea »es Nate» »er Sta-t an» »es flmtsgerlcht» fine. p»pscheck'K»nt» Nm, Lüpztg Nr. IN» allgemeinen Vertrages zur friedlichen Lösung der zwi-. schen den beiden Teilen etwa entstehenden Konflikte einzutreten, wobei insbesondere die Möglichkeiten de» schiedsgerichtlichen Verfahrens und des Vergleichsver fahrens berücksichtigt werden sollen. Genehmigen Sie, Herr ReichSmtntster, dis erneut« Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung (gez.) Krestinski. Mitteilungen -es Neichskommissars für -I» besetzte« rheinischen Seblete. Koblentz, 26. April. Unter dem Titel „Mittei lungen des Retchskommissars für die besetzten rheini schen Gebiete" erscheint ab 1. Mat ein Nachrtchtenblatt der obengenannten Behörde mit dem Zweck, den deutschen Behörden und der Bevölkerung wichtigere Nachrichten, dte für die Rechtsverhältnisse im besetzten Gebiet von Bedeutung sind, rein sachlich -u übermitteln. ES han delt sich un, ein einfaches Mitteilungsblatt und nicht um ein Amtsblatt im eigentlichen «inne. Da» Vlatt er scheint in unbestimmten Zeitabschnitten nach Bedarf. Ter »e-ugsprei» »«trägt bi» auf weiters vierteljährlich 1 Artikel 4. Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifika tionsurkunden sollen in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifika tionsurkunden in Kraft und gilt für die Dauer von fünf Jahren. Die beiden vertragschließenden Teile werden sich rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist über die weitere G^taltung ihrer politischen Beziehungen verständigen. Zu Urkund dessen haben dte Bevollmächtigten die sen Vertrag unterzeichnet. Ausgefertigt in doppelter Urschrift in Berlin, am 24. April 1926. (gez.) Stresemann. (gez.) Krestinski. der Notenwechsel. Dem Vertrage ist folgender Notenwechsel beigefügt: Berlin, den 24. April 1926. Herr Botschafter! Mit Beziehung auf Pie Verhandlungen über den heute unterzeichneten Vertrag zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sozialisti schen Sowjetrepubliken beehre ich mich namens der Deutschen Regierung folgende» festzustellen: 1. Beide Regierungen sind bet den Verhandlungen über den Vertrag und bet dessen Unterzeichnung über einstimmend von der Auffassung ausgegangen, daß der von ihnen in Artikel 1, Absatz 2 des Vertrages fest gelegte Grundsatz der Verständigung über alle dte bei den Länder gemeinsam berührenden Fragen politischer und wirtschaftlicher Art wesentlich zu der Erhaltung des allgemeinen Friedens beitragen wird. Jedenfalls wer den sich dte beiden Regierungen bei ihren Auseinander setzungen von dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit der Erhaltung des allgemeinen Frieden» letten lassen. 2 In diesem Sinn« haben di« beiden Regierungen auch di« grundsätzlich«« Frag«» erörtert, di« mit dem Ein- tritt veutschland» in d«n Völkerbund zusammenhängen Dte Deutsch« Regierung ist überzeugt, daß die Zu- üchörigkeit Deutschland» -um Völkerbund kein -indem Ver Serliner Vertrag. Berlin, 27. April. Dia die Ratifikationsurkun den des deutsch-russischen Vertrage» in Berlin auSge- - tauscht werden sollen, wird wohl der Vertrag in der Geschichte unter dem Namen „Berliner Vertrag" fort leben. Ob das Bertragsdokument, da» gestern di« ein stimmige Zustimmung des Auswärtigen Ausschusses des Reichstages gesunden hat, im Plenum des Reichstage» zur Annahme vorgelegt wird, ist noch eine offene Frage. Bejahendenfalls würde das Reichsparlament eine Ein heitsfront der Parteien zeigen wie bisher noch bet kei ner RegierungSsrage. Einheitsfront -er presse. Auch in keinem der Berliner Blätter von d,«r „Deutschen Zeitung" bis zur „Roten Fahne" findet sich eine Ablehnung des Vertrage». Wenn auch di« deutsch, nationalen Zeitungen ihre Billigung mit d«r Einschrän kung versehen, daß der Vertrag ein Festbalten an der von ihnen bekämpften Locarno« und Bülkerbundpolittk bedeutet. In der „Kreuzzeitung", die betont, daß der Vertrag in keiner Weise ein« neue Lage schafft, heißt" ' es: Wenn auch wir trotz mancher Bedenken der Grund tendenz und den Grundzügen des Vertrage» zustimmen, so geschieht dies aus der Erwägung heraus, daß der Vertrag wenigstens in gewisser Weise neben der.rein westlichen Erörterung da» Bestreben zeigt, sich wenig sten» nicht von den Westmächten als Gturmbock gegen Rußland verwenden zu lassen. Die „Deutsche Tage»- zeitung", die gleichfalls betont, man müsse jeden Schritt begrüßen, der dazu dient, dte deutsche Handlungsfrei heit nach Möglichkeit wieder her-ustellen, sagt: Noch ist freilich durch den Vertrag an der allgemeinen Rich tung der deutschen Außenpolitik nichts geändert, nicht einmal die Revision des Locarnovertrages steht in Aus. sicht, aber auch der Draht nach Rußland jst wieder in takt. Auch der „Lokalanzetger" bedauert e», daß in dem neuen Vertragswert wieder jener LoearniSmuS zum Ausdruck kommt und erklärt, daß man diesem' ganz nütz lichen und einwandfreien Vertrag gegenüber doch kühl bis ans Herz hinein bleiben müsse. Dte „Deutsche All gemeine Zeitung" schreibt: In dem Berliner Vertrag haben wir, wie das schon über den Vertrag von Ra pallo besagt wurde, einen großen, wirklichen Friedens vertrag vor uns, dessen wesentlicher Bestandteil keine aggressive Spitze gegen irgend eine dritte enthalt. Daß der Vertrag noch vor dem Eintritt Deutschland» in den Völkerbund abgeschlossen worden ist, fällt dem versage« anderer zur Last, denn schon vor der Abreise der deut schen Vertreter nach Genf jvar auf beiden Setten dl« grundsätzliche Bereitschaft zu diesem Abkommen festge stellt. , I Sämtliche Zraktionen für Annahme. Im Auswärtigen Ausschuß de» Reichstage» gab gestern ReichSmtntster Dr. Stresemann nach Bekanntgabe des Inhaltes des deutsch-russischen Vertrage- ausführ liche Darlegungen. Hieran schloß sich eine länger« Aus sprache, an der sich dte Abgeordneten Dr. Breitschetd (Soz.), Graf Reventlow (Völk.), Stöcker (Komm.), Lvbe (Soz.), Dr. Höhsch (Tn.), Dr. Scholz (D. Vp.), Kaa» (Zentr.). Dr. Haas (Dem.), v. Frehtagh-Lortnghoven (Du.), Dr. Bredt (Wirtschafisveretnigung) und Dr. Em minger (Bahr. VP.) beteiligten. Sämtliche Fraktionen sprachen sich übereinstimmend für die Annahme de» Vertrages aus. Ta auf der Tagesordnung der Sitzung noch andere Beratungspunkte standen, dte nicht erledigt werden konnten, wurden dte Beratungen auf Dienstag vertagt. Ter zwischen Deutschland und Rußland in Berlin abgeschlossene Vertrag Hat folgenden Wortlaut: „Die Deutsche Regierung und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, von dem Wunsche geleitet alles zu tun, was zur Aufrechter haltung des allgemeinen Friedens beitragen kann, und in der Ueberzeugung, daß das Interesse des deutschen Volkes und der Völker der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eine stetige vertrauensvolle Zusammen arbeit erfordert, sind übereingekommen, die zwischen ihnen bestehenden freundschaftlichen Beziehungen durch einen besonderen Vertrag zu bekräftigen, und haben zu diesem Zweck zu Bevollmächtigten ernannt: Die Deutsche Regierung: den Reichsminister des Auswärtigen Herrn Dr. Gustav Stresemann, die Negierung der Union der Sozialistischen Sow jetrepubliken: den außerordentlichen und bevollmächtig ten Botschafter der Union der Sozialistischen Sowjet republiken Herrn Nikolai Nikolajewitsch Krestinski, dte nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel 1. Tie Grundlage der Beziehungen zwischen Deutsch land und der Union der Sozialistischen Äiwjetrepubli- ken bleibt der Vertrag von Rapallo. Die deutsche Negierung und dte Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken werden in freundschaftlicher Fühlung miteinander bleiben, nm über alle ihre beiden Länder gemeinsam berührenden Fragen politischer und wirtschaftlicher Art eine Verständigung herbeizuführen. /luer Tageblatt Mnzttger fm oas vrzgevlrse MMS