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MMufferTageblati Nr. 139 Freitag de« 2V. Juni 1919 78. Jahrg Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend. Erscheint seit dem Lahre 1841. Inseriioiwprcis Pfg. fü« die S.gespali«8- KoryuSzelle oder deren Naum. Lokalprcio Pfg., Reklamen pfg., alles mli Teuerungözuschlag. Z 'raub und tabellarischer Sch mit 50"/ Ausschlag. Bei Wiederholung und Zaheesun 'hen entsprechender Nachlaß. Bekanntmachungen im amtlichen Teil snur von BehSr. -> die Spaitzeile Sv pfg. bez. ' Pfg. / NachweisungS- und Offertengebühr 20 be». Pfg. / Telephonische Inseraicn-Aafgabe schließt jedes Reklamationsrecht aus. / Anzeigenannahme bis 11 Uhr vormittags. / Beilaaengebühr das Tausend Mk., je die Postauflage Zuschlag. / Für dos Erscheinen der Anzeigen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Gewähr geleistet. / Strikte piatzvorschrist Ausschlag ohne Rabast. / Sie Rabastsätze und Rettopreise haben nur bei Bar zahlung binnen 30 Tagen Gültigkeit; längeres Ziel, gerichtliche Einziehung, ge meinsame Anzeigen versch. 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Vor der folgenschwersten Entscheidung Es wird höflichst gebeten, alle Inserate mägüchst frühzeitig, spätestens aber bis Uhr vorm. aufzugeben. Sonnabend den 21. Juni je 20 Gr. auf Lebensmittelkarten Nr. 509—849 bei Beuchel, Nr. 850—1200 bei Bretschneider und Nr. 1201—1560 bei Johne. «ss Wilsdruff, am 18. Juni 1919. Der Stadtrat — Kriegswirtfchastsabt. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Ministerpräsident Clemenceau hat dem Grafen Brockdorff- Ranbau sein Bedauern über die Vorfälle bei der Abfahrt der deutschen Delegation ausgesprochen. * Die Friedensdelegation ist in Weimar eingeiroffen. Un mittelbar nach ihrer Ankunft begannen die Beratungen. , * Die süddeutschen Ministerpräsidenten nehmen sämtlich an den Beratungen in Weimar teil. * Auch in Berlin finden Beratungen der aus Behörden, Handel und Industrie berufenen Sachverständigen über die Friedensfragen statt. * Zum Unterstaatssekretär im Kriegsministerium ist,Herr Grezesinski, ernannt worden. * Beim Empfang der türkischen Delegation durch den Obersten Rat trat der Großwefir für die Unversehrtheit des türkischen Reiches ein. * Der französische Senat hat der Einführung deS Achtstunden tages im Bergbau zugestimmt. * Die Entente beabsichtigt, mit allen Kräften einen Vorstob gegen Petersburg zu unternehmen, um die Bolschewikiherrschast zu stürzen. * In Rumänien ist plötzlich eine Ministerkrise eingetreten. Verantwortung. Seien wir offen und ehrlich — es handelt sich um Leben und Sterben des deutschen Volkes, und im Angesicht des Todes ziemt es sich wohl die Wahrheit zu bekennen, so schwer es auch sein mag, gegen sich selbst Zeugnis ab zulegen. In seinem „letzten Wort" an Deutschland geht Herr Clemenceau noch einmal auf die Schuldfrage ein und be harrt dabei, daß Deutschland allein die Verantwortung für den Krieg zu tragen habe, heute wie ehedem, vor wie nach der Revolution. Denn diese Umwälzung sei erst über uns hereingebrochen, als das Waffenglück endgültig gegen uns entschieden hatte, und sie könne nichts an der Tatsache ändern, daß bis dahin dqs ganze deutsche Volk für den Krieg eingetreten sei, die Kredite bewilligt, die Kriegs anleihen gezeichnet habe, wie es sicherlich auch dem Kaiser und seinen Heerführern treu geblieben wäre, wenn sie als Sieger aus dem Felde hätten heimkehren können. Das Volk hätte jeden Augenblick eine Regierung stürzen können, die es in die Schrecken dieses Krieges gestürzt habe; statt dessen habe es alle seine Befehle ausgeführt, und nun könne es nicht verlangen, von den Folgen seiner Handlungs weise befreit zu bleiben. Das wäre sonst freilich ein be quemer Frieden, aber diejenigen, die ihn zu gestalten hätten, müßten darauf achten, daß der Gerechtigkeit nicht Gewalt angetan werde — und das eben nennt Herr Clemenceau einen Frieden der Gerechtigkeit, wie er ihn auffaßt, daß jeder Teil das Maß von Verantwortung zu tragen hat, das ihm zukommt. Läßt sich gegen diesen grundsätzlichen Standpunkt etwas Durchschlagendes einwenden? Ist es nicht wahr, daß das deutsche Volk fast einmütig aufgestanden ist, als der Kaiser im August 1914^ zur Verteidigung des Vater landes aufrief? Daß es Gut und Blut hingab, als seine Führer in;mer neue Opfer als notwendig bezeichneten? Daß es, trotz mancher Kritik im einzelnen, die wechselnden Regierungen schalten und walten ließ und ihnen höchstens um inner-politischer Ziele willen Schwierigkeiten be reitete, während es ihre Kriegspolitik gulhieß, so oft der Reichstag dazu berufen war, sich zu ihr zu äußern? Entspricht es der Wahrheit, wenn wir jetzt behaupten, wir seien belogen und betrogen worden und hätten uns also zum mindesten in entschuldbarem Irrtum befunden? Traut einer von uns wirklich Herrn v. Bethmann Hollweg eine be wußte Lüge zu, diesem Manne, der sich höchstens durch ein Übermaß von Wahrheitsliebe als Diplomat unmög lich gemacht hat und nicht durch teuflische Gewissenlosig keit, wie sie dazu gehörte, ein ganzes großes, friedliches und friedliebendes Volk mit unreinen Händen in diese furchtbare Schicksalsprüfung hineinzusühren? Oder dem General v. Moltke, dem obersten militärischen Ratgeber des Kaisers bei Kriegsausbruch, dessen Charakter über jede Anzweiflung erhaben ist? Nein, diese Männer können wohl Fehlern der Erkenntnis o^r des Willens unterlegen sein, aber ihr moralisches Verhalten anzuzweifeln, bloß um das deutsche Volk von der Mit verantwortung für den Krieg zu entlasten, dazu haben wir kein Recht. Und auch die Revolution konnte an diesem Tatbestand nichts ändern, gleichviel ob man ste als eine geschichtliche Notwendigkeit gellen lassen will oder nicht. Sie vollzog ein gründliches Strafgericht hierzu lande, ganz gewiß, Lei dem mit Schuldigen auch Un schuldige getroffen worden sind. Aber unsere Verant wortung für die Erklärung wie für die Führung des Krieges konnte sie nicht mehr erschüttern, und nur Phan tasten konnten ja auch nur dem Irrwahn huldigen, daß ein Mann wie Clemenceau uns um ihretwillen billigeren Kaufes daoonkommen lassen würde. Wie aber dieser Prophet des Haffes unsere Verant wortung bestimmt, wie er uns die niedrigsten Motive nicht nur, sondern auch die gemeinsten Handlungen unter schiebt, wie er unsere Führer und unsere Soldaten ver leumdet und beschimpft — das allerdings ist beispiellos in aller Geschichte der Menschheit. Hier enthüllt sich eine Tücke der Gesinnung und des Empfindens, in deren Ab wehr das ganze deutsche Volk einmütig zusammenstehest sollte, statt sich fortgesetzt in Selbstanklagen — berechtigten und unberechtigten — zu zerfleischen. Mit ewiger Schande will uns dieser „Tiger" überhäufen in demselben Augenbick, in dem seine Franzosen die deutschen Friedensdelegierten mit Steinen bom bardierten, als sie dem ungemein gastlichen Versailles endlich den Rücken kehrten. Wenn umgekehrt in Deutschland einem beliebigen Franzosen auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre, was für einen Lärm über dieses Land der Hunnen hätten wir über uns ergehen lassen müssen! Das deutsche Volk dagegen wird ruhig bleiben, ganz ruhig. Wie aber seine Nationalversammlung die Lage beurteilen wird, davon wird schließlich unser aller Schicksal ab- hängen. Möge sie die Verantwortung, die uns zukommt, nicht zurückweisen — die deutsche Ehre aber von der uner bittlichen Rachsucht unserer Feinde nicht ungestraft in den Staub treten lassen! Beratung in Weimar. — Vor der folgenschwersten Entscheidung. — Weimar, 18. Juni. Der Friedensausschuß der Nationalversammlung trat gestern nachmittag zu einer kurzen Sitzung zusammen. Ministerpräsident Scheidemann ergriff gleich zu Anfang Las Wort, um sich mit der Mantelnote der Entente zu beschäftigen. In den allgemeinen gegen das deutsche Volk enthaltenen Beschuldigungen sei Neues nicht enthalten; aber er müsse dazu mit Bedauern feststellen, daß die Entente unseren Vorschlag der Schaffung eines neu tralen Schiedsgerichts abgelehnt Labe, das allein diese Beschuldigungen hätte prüfen können. Bedauerlich sei weiter, daß das deutsche Volk mit Vergehen und Ver brechen belastet werden solle. Diese Belastung soll aber die Berechtigung schaffen zu den schweren Bedingungen, die im zweiten Teil der feindlichen Mantelnote dem ganzen deutschen Volk auferlegt werden sollen. Die Be- I gründung, die der vorgesehenen Regelung der Verhält- ! niste im Osten gegeben werde, lasse wenig Hoffnung auf kommen, daß wir in dem ausführlicheren Memorandum auf ein wesentliches Entgegenkommen rechnen können. Das gelte auch für die übrigen territorialen Fragen, bei denen ebenso wie bei den wirtschaftlichen und finanziellen Fragen in der Mantelnote noch mancherlei Punkte völlig unklar seien. Angesichts dieser Unklarheiten und an gesichts der Tatsache, daß das gesamte Material zurzeit noch nicht vorliege, könne heute eine Entscheidung noch nicht getroffen werden. Nur der endgültige und voll ständige Text der feindlichen Antwort könnte die Grund lage für eine gemeinsame Beratung zwischen Reichsregierung und Friedensausschuß geben. Das deutscheVolk, dieNational- versammlung und die Reichsregierung seien vor die folgenschwerste Entscheidung gestellt, und deshalb sei es Pflicht, gleichviel wie der einzelne zu der Friedensfrage stehen möge, mit vollster Objektivität an diese Entscheidung heranzutreten. Niemand dürfe im Zweifel sein, daß unser Volk den schwersten Zeiten entgegengehe. Präsident Fehrenbach schloß sich der Auffassung an, daß eine fach liche Beratung erst möglich wäre, wenn das gesamte Material vorliege, und der Friedensausschuß erklärte sich damit einverstanden, daß die nächste Sitzung am Donnerstag nachmittag abgehalten werden solle. Bis dahin wird die Reichsregierung nach den Mitteilungen des Ministerpräsidenten Scheidemann die Möglichkeit ge habt haben, mit der heute nacht hier eintreffenden deutschen Friedensdelegation zu beraten. Die Ansicht der Delegation. Einstimmig gegen die Unterzeichnung. Weimar, 18. Juni. Die Mitglieder der Friedensdelegation sind heute morgen mit mehrstündiger Verspätung hier eingeiroffen. Auf der Fahrt wurde die französische Antwort übersetzt. Über die Stimmung der deutschen Delegation kann nach Unterhaltung mit führenden Mitgliedern derselben mitgeteilt werden, daß sie die Zugeständnisse für so gering fügig halten, daß die Verantwortung für eine Unter zeichnung nicht ühernommen werden kann. Ein Votum gegen den Vertrag. Die Delegation hat auf der Fahrt von Versailles nach Weimar ein ausführliches schriftliches Votum aus gearbeitet, das der Kabinettssitzung unterbreitet worden ist. Dieses Votum kommt zu dem Schluß, daß der Vertrag nicht unterzeichnet werden kann. Wie verlautet, stehen alle Mitglieder der Delegation auf diesem Standpunkt. Auch alle wirtschaftlichen Sachver ständigen sind der Überzeugung, daß in der vorliegenden Form Deutschland seine Unterschrift nicht unter den Ver trag setzen kann. Auch sie haben Liese ablehnende Haltung in einem ausführlichen Gutachten begründet, das dem Votum der eigentlichen Delegation angefügt ist. * Die Vorgänge bei der Abfahrt. Clemenceau übersandte dem Präsidenten der deutschen Friedensdelegation einen Bries, in dem er sein Be dauern über die ordnungswidrigen Zwischenfälle bei der Abreise Ler deutschen Delegierten ausdrückt und mit teilt, daß der Präfekt des Departements Seine-et-Oise Len Auftrag erhalten hat, Herrn von Haniel um Ent schuldigung zu bitten, und daß der Präfekt und auch der Polizeikommissar ihres Amtes enthoben würden. Die Ent schuldigung ist bereits erfolgt. Über die Vorgänge bei der Abfahrt des Zuges teilte der Friedensdelegierte Minister Landsberg mit, daß es sich nicht um den spontanen Ausdruck von Volks leidenschaften handelt, sondern um eine mit Duldung der Behörden herbeigeführte Beschimpfung und Miß handlung unserer Landsleute. Bet der Abreise waren im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten keinerlei Ab sperrungen oorgenommen worden. Weder ein Polizist noch ein Soldat waren aufgestellt, obwohl es sich um eine nach Tausenden zählende Menge handelte, die die Straßen vom Hotel bis zum Bahnhof füllte. Auch diese Tatsache spricht für die Vermutung, daß die Vorfälle hei der Ah reise stillschweigend geduldet wurden. Aus dem Memorandum. Allerlei Einzelheiten- Das Memorandum, das sich mit den deutschen Gegen vorschlägen beschäftigt, besagt, daß die Aburteilung des Kaisers Sache der hohen internationalen Politik sei. Die Alliierten wollen, daß dem Angeklagten alles Recht und volle Freiheit bei seiner Verteidigung belassen wird, und es soll dafür gesorgt werden, daß das Verfahren einen feierlichen Rechtscharakter trägt. Was Elsaß-Lothringen betrifft, so können die Alliierten auf die von den deutschen Delegierten gemachten Vorschläge nicht eingehen. Die Helgoland-Artikel müssen ohne Einschränkung angenommen werden. Der Verlust der deutschen Kolonien vermag Deutschlands normale Entwicklung nicht zu hindern. Die niedergelegten Bedingungen stützen sich auf das inter nationale Recht und sind zum Besten aller Nationen er dacht. Bei den militärischen Bedingungen mag Deutschland immerhin zugestanden werden, seine Armee allmählich zu verkleinern, und zwar innerhalb von drei Monaten auf eine Höchststärke von 200000 Mann. Nach den drei Monaten sollen Sachverständige den Bedarf Deutschlands an Truppen feststellen und seine Stärke so festsetzen, daß seine Armee nicht mehr als 100000 Mann zählt. Unter allen Umständen muß dieses Ziel Ende März 1920 erreicht sein. Die Bestimmungen über die Flüsse müssen be dingungslos angenommen werden. Darüber gibt es keine Verhandlungen. Die Alliierten begrüßen die Anregung, daß Deutsch land eine Kommission schaffen will, die mit der Wieder-