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UcheriMitulig Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 74. Jahrgang Donnerstag, den 29. Oktober 1908 Nr. 125 -G Bekanntmachung. Alle, die mit der Bezahlung der Kirchenstuhlzinsen noch im Rückstände sind, werden hiermit aufgefordert, diese Beträge bis Ende November an die Kirchkassenverwaltung abzusühren, widrigenfalls die betreffenden Stände der Kirche verfallen. Dippoldiswalde, den 26. Oktober 1908. Der Gemeindetag erklärte, es sich versagen zu müssen, aus Gründen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden diese Wünsche zu erfüllen. Bielmehr wurde empfohlen, dort, wo nicht ganz besondere örtliche Verhältnisse eine andere Regelung der Lehrergehälter erfordern, den Vorschlag der Lößnitz- Gemeinden, der dahin geht, das Anfangsgehalt eines stän digen Lehrers auf 1500 bis 1600 Mark und das End gehalt auf 3200 Mark festzusetzen, anzunehmen. Sofort nahm der Bezirkslehrerverein Dresden-Land zu der Haltung des Gemeindetages Stellung und erklärte, daß die Lehrer schaft es beklagen müsse, daß die Gemeinden die Erfüllung der als berechtigt anerkannten Wünsche der Lehrerschaft versagen wollen. Dann erklärte der Lehreroerein weiter, daß er demnächst weitere Schritte in dieser Angelegenheit unternehmen werde. Diese Ankündigung ist bereits in die Tat umgesetzt worden, denn in der Lößnitz ist ein Streik ausgebrochen, ein Streik ganz eigener Art. Sämtliche Bolksschullehrer der Lößnitzorte haben ihren Austritt aus den Gesang-, Turn-, Verschönerungs-, überhaupt aus allen Vereinen, selbst aus Vereinen mit wohltätigen Bestrebungen, durch stereotype Schreiben den betrefsenden Vereins-Vor- sitzenden erklärt. Der „Streik" der Lehrerschaft erregt großes Aussehen, findet aber unter der großen Allgemeinheit einstimmige Verurteilung. Freiberg. Eine aufsehenerregende Brandstisteraffäre dürste voraussichilich die letzte diesjährige Schwurgerichts periode beim hiesigen Landgericht beschäftigen. Vor un gefähr einem Jahre brannte die in Großschirma gelegene Pappenfabrik „Churprinz" nieder, nachdem unter dem da maligen Besitzer Köhler schon vorher dreimal Feuer in der Fabrik ausgebrochen war. Köhler war, wie auch bei den früheren Bränden, beim vierten Brande auf Reisen. Trotzdem wurde er im November v. I. unter dem Ver dacht der Anstiftung zur Brandlegung verhaftet, kurz darauf auch sein Buchhalter Koch, später ein bei ihm beschäftigt gewesener Arbeiter und kürzlich auch, wie verlautet, ein früher bei Köhler tätig gewesener junger Kaufmann aus Dresden. Erstere beiden werden beschuldigt, die letzteren beiden zu den wiederholten Brandstiftungen veranlaßt zu haben. Köhler befand sich mehrfach in schwierigen Ver- mögensverhältnissen, aus denen er sich durch die Brand stiftungen retten wollte. Köhler hat nun im Laufe der schon ein Jahr dauernden Voruntersuchung nicht nur die Brandlegungen, sondern auch einen Versicherungsbetrug zugestanden, der ihm über 100000 M. einbrachte. Er hatte sich bei zwei Gesellschaften sehr hoch gegen Unfall versichert. Vor einigen Jahren ließ er sich nun von einer Maschine, angeblich als er einem Arbeiter deren Bedienung erklären wollte, vorsätzlich zwei Finger der rechten Hand abschneiden und bezog nun für diesen Unfall von den beiden Versicherungsgesellschaften ca. 102 000 M. Ent schädigung. Jetzt hat sein Verteidiger die Untersuchung Köhlers auf seinen Geisteszustand beantragt. Das Gericht wird diesem Anträge entsprechen und Köhler demnächst auf 6 Wochen der Jrrenabteilung des Zuchthauses Wald heim überweisen. Meißen, 27. Oktober. In Anwesenheit des Königs und seiner drei Söhne, sowie des Prinzen und der Prin zessin Johann Georg, der Prinzessin Mathilde, sämtlicher Staatsministrr, des Domkapitels, der Spitzen der hiesigen Behörden usw. wurde heute die feierliche Weihe der Dom- glocken und damit verbunden der beiden Türme, die in sechsjähriger Bauzeit vom Dombauverein mit einem Kostenaufwande von reichlich einer Million Mark durch den Oberbaurat Schäfer-Karlsruhe errichtet worden sind, vollzogen. Am Portale wurde der König vom Vorsitzen den des Dombauvereins empfangen. Die König!. Familie nahm gegenüber der Kanzel Platz Nach dem Orgelspiel und dem Gesänge Salvum kac rexem gab der erste Vor sitzende des Dombauvereins, Geheimrat Vr. Wach, einen Rückblick auf die Vergangenheit des Domes und die 1000- jährige Kulturstätte, auf welcher er erbaut wurde. Er ge dachte weiter des Dombauvereins und seiner fürstlichen Gönner aus dem Hause Wettin, sowie des Meisters, der sein Werk nicht mehr in der Vollendung sehen konnte. Herr Oberhofprediger l)r. Ackermann hielt sodann die Fest predigt unter Zugrundelegung des Textes „Ehre sei Gott in der Höhe". Ein Gemeindegesang beschloß die Feier. Hierauf fand im Bankettsaale der Albrechtsburg eine Früh- stückstafel zu 88 Gedecken statt. Die Rückreise des Königs nach Dresden erfolgte 2,50 Uhr ab Meißen. Nossen. Hier haben die Stadtverordneten eine Aenderung des Ortsstatuts beschlossen, nach welcher nur alle zwei Jahre Stadtverordnetenwahlen stattsinden. Chemnitz. Die neuen Bahnhofsanlagen von Chemnitz haben in ihrer Ausführung nichts weniger als den Beifall der Einwohnerschaft gefunden, da in den Plänen nicht nur wenig Rücksicht auf eine Verkehrs erleichterung einzelner Stadtviertel genommen worden ist, sondern in der Ausführung auch gespart wird, wo gespart werden kann. Nunmehr hat sich nach eingehender Be sichtigung der bereits fertigen Anlagen und der Modelle auch der Rat in wenig günstigem Sinne geäußert. Chemnitz. Durch Anschlag in den Fabriken der erz- gebirgschen Wirkergruppe des Arbeitgeberverbandes der sächsischen Textilindustrie wird eine Lohnreduktion von 10 bis 15 Proz. nach Ablauf der in den Fabrikordnungen vorgesehenen Kündigungsfrist angekünaigt. Begründet wird diese einschneidende Maßnahme mit dem Rückgang der Fabrikationrpreise, der die Lohnreduktionen weit über- trefse. Wüstenbrand. Am Sonnabend abend hatte in einem Personenwagen 4. Klasse des von Chemnitz nach Glauchau verkehrenden Personenzuges ein Unbekannter die Mit fahrenden durch allerlei „Künste" unterhalten, um dann bei den Fahrgästen eine Gabe in klingender Münze zu erhalten. Auch ein in Wüstenbrand wohnender Arbeiter hatte dem Unbekannten anscheinend eine Kupfermünze ge geben. Als der Geber jedoch zu Hause sein Geld nach zählte, bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß er statt der Kupfermünze dem ..Künstler" ein Zehnmarkstück gegeben hatte. Oberfrohna. Lin eigentümlicher Zufall führte am Sonntag vormittag zur Entdeckung eines Diebstahls er heblicher Mengen von schwarzer Seide. Ein hiesiger Herr hatte in seinem Revier einen Hasen angeschossen, der schließlich in einer Schleuse an der Kaufunger Straße seine Zuflucht suchte Der Hund des Jägers suchte den Hasen aus der Schleuse herauszuziehen. Dabei kam über 1 kx schwarze Seide zum Vorschein. Wahrscheinlich befindet sich in der Schleuse noch mehr Seide, die zweifellos von einem Diebstahl herrührt. Aue. Eingehende Untersuchungen des Stadlrats haben ergeben, daß die gegen die hiesige Krankenhausoerwaltung erhobenen Vorwürfe wegen Nichtaufnahme eines schwer kranken auswärtigen Kindes ungerechtfertigt sind und daß bildungen der Blutlaus und einem Abdruck der Bekämpfungsmittel zum Preise von 1 Mark für ein Stück (10 Stück — 9 Mark) erschienen ist. Die Ortspolizeibehörden wollen sich davon überzeugen, daß von den Besitzern von Obstbäumen die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, beziehentlich dieselben hierzu — nach Befinden unter Strafandrohung — anhalten. Nr. 1996 O. König!. Amtshauptmannfchaft Dippoldiswalde, am 27. Oktober 1908. Städtisches Elektrizitätswerk. Morgen Donnerstag kann von früh 8 Uhr an MM* kein Strom entnommen werden. Die Verwaltung. Matzregeln gegen die Blutlaus. Nachdem an verschiedenen Stellen des amtshauptmannschastlichen Bezirks das Auf treten der Blutlaus zu beobachten gewesen ist, werden die Besitzer von Obstbäumen auf die große Schädlichkeit dieses Insekts aufmerksam gemacht und aufgefordert, ihre Bäume auf das Vorhandensein der Blutlaus einer Besichtigung zu unterziehen und gegebenen falls ohne Verzug die zu deren Vernichtung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Es wird in dieser Beziehung auf die den Ortsbehörden seinerzeit in Plakatform zugegangene Belehrung über Entwickelung und Bekämpfung der Blutlaus" mit dem Bemerken hin gewiesen, daß im Verlage van C Heinrich—Dresden-N. eine farbige Tafel mit Ab- taa und Sonnabend und denWendenausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Psg., zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Me Postan- jtalten, Postboten, sowie ensereAusträger nehmen Bestellungen an. Diphtherie-Sera mit den Kontrollnummern , 878-891, geschrieben: achthundertachtundsiebzig bis achthunderteinundneunzig, aus den Höchster Farbwerken, . . 118, 121—125, geschrieben: einhundertachtzehn, einhunderteinundzwanzig bis einhundertfünfund- zwanzig, aus der Merckschen Fabrik in Darmstadt und 104-107, gelchrieben: einhundertundvier bis einhundertundsieben, aus dem Serumlaboratorlum „Ruete Enoch" in Hamburg „ lind, soweit sie nicht bereits früher wegen Abschwächung pp. eingezogen sind, wegen Ablaufs der staatlichen Gewährdauer zur Einziehung bestimmt. Dresden, den 23. Oktober 1908. Ministerium des Innern. Inserate werde« mit ir Mg-, solche au, unsere» Nmtshauptmannschaft mit 12Pfg. die Spaltzeil, oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen aus der ersten Sette (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile SS bez. ZV Psg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Aus schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, dir Spaltenzeile 30 Psg. Hms«ksatt für die Königliche Amtshauptmannschast, das Königliche Amtsgericht Md dm Stadtrat zu Mppoldiswalde. Mit achtseitigem „Illustrierten Anterhaltnngsdlatt". Mit land« und hauswirtschaftlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tage,» wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Jelpke in Dippoldiswalde. ! vokales and Sächsisches. Dippoldiswalde. Neuerdings ist hier ein Hund ge tötet worden, der der Tollwut dringend verdächtig ist. Er hat auch Menschen gebissen, die bereits in die Pasteursche Anstalt in Berlin verbracht wurden. — Stramm auf dem Posten war am Dienstag unsere Schuljugend, denn „ein Zirkus ist auf der Aue!" Daß jedoch auch das Interesse der Erwachsenen nicht fehlt, zeigte der gute Besuch der Eröffnungsvorstellung des Zirkus Maine. Das vielseitige und abwechslungsreiche Programm wurde flott abgewickelt, und da insbesondere auch der Humor nicht zu kurz weg kam (der „kleine Lohn" ist „sein Geld wert"), so wurde ein recht amüsanter Abend geboten. Die Besucher kargten denn auch nicht mit ihrem Beifall. Dresden, 27. Oktober. Der bei der König!. Jagd in Wermsdorf verletzte Kammerherr von Arnim ist gestern abend im Diakonissenhaus zu Dresden seinen Verletzungen erlegen. — Prinz und Prinzessin Johann Georg werden sich nächste Woche zu einem längeren Ausenrhalte nach Cannes in Südfrankreich begeben. Die Rückkehr von dort dürfte Anfang Dezember erfolgen. — Als wenn es der divergierenden Vorschläge und Ansichten in der Frage der sächsischen Wahlrechtsreform noch nicht genug gäbe, scheint es, daß die Erste Kammer, die man bislang bei allen Verhandlungen und Beratungen als quantite neZIixeLble betrachtet hat, die von der Re gierung schon früher vorgeschlagenen aber als aussichtslos einstweilen wieder aufgegedenen Körperschaftswahlen, d. h. die Wah! eines Teils der Volksvertreter durch Gemeinde vertretungen, Handelskammern usw., von neuem aufgreifen Wie der national-liberale Landtagsabgeordnete Schieck, Vorsitzender der Fraktion der Nationalliberalen, in einer Versammlung zu Frankenberg mitgeteilt hat, wird nämlich Geh. Rat Wach-Leipzig wahrscheinlich in der Ersten Kammer über die Wahlrechtsreform referieren und, wie vermutet wird, die Wahl von vielleicht 24 Abgeord- neten durch Körperschaften Vorschlägen. — Im allgemeinen mehren sich aber, wie die „Dr. Nachr." mitteilen, die An zeichen, daß von allen Wahlrechtsvorschlägen, die von der Regierung und den Parteien gemacht worden sind, der ursprüngliche Regierungsentwurf trotz der entschiedenen Ablehnung, welche er durch die Mehrheitsparteien des Landtages vor Jahresfrist erfahren hat, nunmehr doch als der geeignetste angesehen wird für eine Grundlage der Wahlrechtsreform. In der Oesfentlichkeit und für das sächsische Volk würde ein Umschwung in dieser Richtung einen fortschreitenden Sieg der Ueberzeugung Wirtschaft- sicher Vereinigungen über die politischen Parteien bedeuten, insbesondere einen Sieg der Auffassung, an der neben der Regierung unentwegt die Kreise des sächsischen Mittelstandes trotz aller Widersprüche festgehalten haben. — Eine passive Resistenz sächsischer Lehrer? Einen Streik, wie er bisher wohl noch nicht dagewesen ist, haben nach einer Dresdener Korrespondenz jetzt die sämtlichen Bolksschullehrer der Lößnitzortschaften bei Dresden in« Werk gesetzt. Der Sachverhalt ist folgender: Vor kurzem fand in Dresden ein „Gemeindetag" statt, der von Bürgermeistern, Städträten, Schulvorständen und Gemeinde vorständen der Städte und Ortschaften in den Amtrhaupt- mannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt ein berufen worden war, um zu der vom Landtage beschlossenen neuen Besoldung der Volksschullehrer Stellung zu nehmen. will.