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Numr^ 213' S4. Jahrgang Sonnabend/Sonntag, den 10./11. September 1932 MsnitzerD»yeblait Fernsprecher 18. Tel.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz Postscheck-Konto Dresden 2138. Giro-Konto 146 4 L NN " Ng k cg k P Erscheint an jedem Werktag . 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Bis 7'10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft und des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt An Verbindung mit der Nebenausgabe „Ohorner Tageblatt", Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbezirks: Pulsnitz, Pulsnitz M.S., Großröhrsdorf, Bretnig, Haus- , walde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, Friedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Tägliche schnellste Berichterstattung über das Geschehen in der engeren Heimat, in Deutschland und im Ausland Nachrichtendienst durch ganztägigen fast ununterbrochenen Funkdienst der Telegraphen-Union Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraße Nr. 2 Verlag: Pulsnitzer Tageblatt, G. m. b. H., Pulsnitz Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Zn knoarllmg der französischen Antwort Der „kriegerische" Ton deutscher Minister behagt Frankreich nicht — Wiederausrüstung Deutschlands wird abgetehnt Der Reichspräsident empsängk die Führer der neuen ko aNtionsp arteten — Aührertagung -es Protestantismus Amtliche Bekanntmachungen im Anzeigenteil Hindenburg empfängt die Parteiführer am Dienstag Berlin, 10. September Der Reichspräsident hat den Reichstags präsidenten Göring wissen lassen, daß er be reit tst, Dienstag mittag um 12 Uhr zwei Vertreter der NSDAP., zwei Vertreter des Zentrums und einem Vertreter der Bayrischen Volkspartei in Gegenwart des Reichskanz lers zu empfangen, um ihre Auffassung zur politischen Lage entgegenzunehmen. Wie der Parlamentsdienst der Telegraphen- Union hierzu erfährt, rechnet man im Reichs tag damit, daß unter diesen Umständen die Aussprache über die Regierungserklärung voraussichtlich am Mittwochnachmittag be ginnen kann. An dem Zeitpunkt der Regierungserklärung, der bekanntlich für Montag nachmittag 15. Uhr festgesetzt ist, hat sich nichts geändert. Der Auftakt der großen internationalen proteslantentagung in Stockholm Stockholm, 10. Sept. (Funkmeldung) Die meisten Mitglieder der Tagung des internationalen Verbandes zur Verteidigung der Forderungen des Protestantismus sind Freitagabend und Sonnabend in Stockholm eingetroffen. Insgesamt erwartet man etwa 400 Mitglieder, darunter über 100 Auslän der. Die offizielle Eröffnung der Tagung fin det am Sonntag statt. Sonnabend reist eine Abordnung unter Führung von Domprobst Pfannstil und dem 1. Präsidenten des Ver bandes, Prof. Slotemaker de Ruine, aus Holland nach Upsala, um am Grabe von Natan Soederblom einen Kranz niederzu legen. Am Abend tritt der Vorstand zu einer Sitzung zusammen. Generalsekretär I)r. Ger hard Ohlemüller (Berlin) erklärte in einer Unterredung, daß der Verband 62 Kirchen gemeinschaften aus 23 verschiedenen Ländern Europas umfasse. Das Ziel des Verbandes sei, 1. Uneinigkeit und Zersplitterung unter den Protestanten zu überwinden und 2. den Kampf gegen die Gottlosigkeit, aber auch gegen Lie Aggressivität der katholischen Kirche — auch auf kulturellem und politischem Ge biet — aufzunehmen. Krieg zwischen Bolivien und Paraguay Asuncion (Paraguay), 10. Sept. Die bolivianischen Truppen haben nach schwerer Beschießung die im Lhaco-Gebiet liegenden Städte Rozo und Valencia ange griffen. Die paraguayanischen Truppen lei steten äußersten Widerstand. Die Regierung von Paraguay teilt mit, daß sie stch mik Bo livien als im Kriegszustand befmduch be trachte, obwohl der Krieg noch nicht er klärt sei. Widersprechende Meldungen aus Brasilien Buenos Aires, 10. Sept. (Funkmeldung) Nach Meldungen aus Rio de Janeiro ist es in dem brasilianischen Staat Para zu einem Aufstand gekommen, der aber von den Re gierungstruppen niedergeschlagen werden konnte. Der Aufstand war von der Bürger garde eröffnet worden, die wichtige Punkte besetzte. Nach Meldungen au Sao Paulo hat der Aufstand in Para größere Ausdeh nung angenommen. Die lleberreichung heute nachmittag Paris. 10. Sept. (Funkmeldung) Die Übergabe der französischen Antwort in der Gleichberechtigungsfrage wird mit ziem licher Sicherheit noch im Laufe des Sonn abendnachmittags an die Reichsregierung er folgen. Marcel Ray hat am Freitagabend eine längere telephonische Unterredung mit Herriot gehabt und teilte ihm die Stellung der englischen Regierung zu der französischen Antwortnote mit. Daraufhin wurde nach fernmündlicher Verständigung mit dem Staatspräsidenten beschlossen, heute Sonn abend um 10 Uhr den Ministerrat einzube rufen. In gutunlerrichteten Kreisen betont man, daß der Wortlaut der französischen Antwort, so wie er von Frankreich den ver schiedenen, an dem Konsullakiv-Abkommen beteiligten Regierungen unterbreitet worden ist keinerlei Änderungen erfahren wird, da bisher keine dieser Regierungen Vorschläge nach dieser Richtung unterbreitet habe. Die Rückkehr Marcel Rays ist für heute vormittag vorgesehen. Er wird die Regierung aus führlich über die englische Auffassung unter richten. Die Veröffentlichung der Note wird erst stattfinden, wenn die Wilhelmstrahe Zeit ge nug gehabt hat, sie in allen Einzelheiten zu prüfen, d. h. nicht vor frühestens Sonn tagabend, voraussichtlich aber erst am Mon tag oder gar erst am Dienstag. Gelegentlich des heutigen Ministerrates wird der französische Innenminister dem Staatspräsidenten auch einen Erlaß vorlegen, durch den die Einberufung der Kammer und des Senats für den 16. September beschlossen wird. * Der vermutliche Inhalt London, 10. Sept. (Funkmeldung) Berichten der Pariser Berichterstatter der „Times" und des „Daily Herald" zufolge ent hält die französische Antwort auf die deutsche Forderung auf Rüstungsgleichheit folgende Punkte: 1. Unter Berufung auf den Artikel 164 des Versailler Vertrages erklärt Frank reich, daß es sich mit französisch-deutschen Sonderverhandlungen nicht einverstan den erklären kann. Die zuständige Stelle sei der Völkerbundsrak. 2. Frankreich widerspricht der deutschen Auslegung der Abrüstungsklauseln des Völkerbundsstatutes. 3. Frankreich habe bereits Schritte zu einer freiwilligen Herabsetzung der Rüstungen getan und werde diese fortsehen. 4. Frankreich widersetzt sich einer Wieder aufrüstung Deutschlands, die sich mit dem Geist der Verträge und der Ab rüstungskonferenz nicht vertrage, in sehr scharfer Form. 5. Deutschland werde an die Verträge er innert, die es unterzeichnet habe. 6. Die französische Regierung wende sich gegen den kriegerischen Ton der Mit glieder der deutschen Regierung, den sie in ihren öffentlichen Erklärungen an schlügen. * Englische Beratungen über die deutsche Forderung London, 10. Sept. (Funkmeldung) Der englische Außenminister hatte am Freitagabend eine Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Macdonald, die sich, wie verlautet, in erster Linie um die deutsche Gleichberechtigungsforderung drehte. Der Unterredung wohnte der englische Botschafter in Paris, Tyrell, und der ständige Unter staatssekretär im Foreign Office, Sir Robert Vansittard, bei. „Daily Mail" zufolge werde die Besprechung zwischen Lem Außenminister und Macdonald über den deutschen Schritt am Sonnabend fortgesetzt werden. Dem diplomatischen Mitarbeiter des „Daily Telegraph" zufolge würde die englische Re gierung die Fortsetzung von unmittelbaren Besprechungen zwischen Berlin und Paris begrüßen. ll Kd der Reichstag wieder aufgelöst? Berlin, 10. September In den Berliner Abendblättern kommt all gemein zum Ausdruck, daß sich trotz der gestrigen gemeinsamen Mitteilung der Natio nalsozialisten und des Zentrums, sowie der Ausführungen des Abgeordneten Joos nach dem Empfang des Reichstagspräsidiums beim Reichspräsidenten an der bisherigen Lage nichts geändert habe. Der nationalsozialistische „Angriff" verwahrt sich gegen die Unter stellung, daß die NSDAP, heute vielleicht nicht mehr abgeneigt sei, das anzunehmen, was sie am 13. August ausgeschlagen habe. Eine „Notlösung", die die Auflösung des Reichstages vermeiden könnte, wäre für die NSDAP, nur insoweit tragbar, als ihr da bei das gegeben werde, was ihr auf Grund der Verfassung zukomme, und was das Volk mit Recht fordern könne. Falls in dieser Richtung noch aussichtsreiche Verhandlungen von der Gegenseite angebahnt werden könn ten, würde „eine gewisse Verlangsamung der Abwickelung der Verhandlungen im Reichs tag möglich sein". Das Blatt bringt im übrigen einen scharfen Artikel des Abgeord neten Goebbels gegen die Regierung von Papen, in dem es am Schluß heißt: „Niemand wird uns in den Verdacht nehmen, daß wir Schleppenträger des Marxismus sind. Aber das gestehen wir offen, daß es uns sauberer erscheint, mit der SPD. zu kämpfen, die wenigstens so ehrlich gewesen war, offen zu sagen, daß sie uns haßte und verabscheute und auch dementsprechend handelte." Der sozialdemokratische „Abend" glaubt aus der Haltung der Nationalsozialisten schließen zu sollen, daß um eines Erfolges der Ver handlungen mit dem Zentrum willen die nationalsozialistische Führung auch eine wei tere Tolerierung der Regierung Papen auf sich nehmen würde. Der „Lokalanzeiger" meint, wenn Nationalsozialisten und Zen trum sich eine Frist für weitere Verhand lungen untereinander und für den Versuch eines neuen Vorstoßes beim Reichspräsi denten schaffen sollten, dann würde das zu nächst die Vertagung des Reichstages auf viel leicht unbestimmte Zeit, praktisch aber eine Duldung Les Kabinetts von Papen durch den Reichstag für die Dauer der Vertagung be deuten. Die „DAZ." meint dagegen, in offi ziellen Kreisen herrsche genau wie in den letzten Tagen absylut die Meinung vor, daß kurz das Neueste Reichskommissar vr. Bracht sprach am Freitagabend über alle deutschen Sender über die Verwaltungsreform in Preußen, deren Einzelheiten er darlegte und für die er eine sachliche Begründung gab. In einer Mitteilung der Pressestelle der DNVP. wird mit Rücksicht auf die entstellten Angaben über die Unterredung beim Reichs präsidenten eine Darstellung gegeben, Laß der deutschnationale Vizepräsident Graef der Auffassung Les Präsidenten Göring scharf widersprach und dem Reichstagspräsidenten das Recht absprach, politische Vorschläge zu machen. Am Freitagabend begannen erneut Be sprechungen zwischen der NSDAP, und dem Zentrum. Der geschäftsführende Vorstand ist für Montag zu einer Sitzung in Berlin zusammenberusen worden. Der Reichskanzler hat am Freitag die Führer der grünen Front zu einer Aus sprache über die Lage der Landwirtschaft empfangen. In einer gerichtlichen Gläubigerversamm lung Ler Junkerswerke ist es nun zu einem Vergleich gekommen, wonach die Gläubiger Mit Forderungen bis zu 500 RM. ausgezahlt werden, während die übrigen sich mit einem einjährigen Moratorium einverstanden er klärten. Der Präsident der Abrüstungskommission, Henderson, hat das Präsidium der Konferenz für den 21. September einberufen. In Londoner gutunterrichteten Kreisen wird bestätigt, daß England sich den französischen Versuchen widersetzt habe, die englische Regie rung für die französische Antwort an Deutsch land in der Gleichberechtigungsfrage mit ver antwortlich zu machen. Die Londoner Presse übt schärfste Kritik an der Arbeit des Völkerbundes und der Ab rüstungskonferenz. Infolge Familienstreitigkeiten hat am Frei tagabend eine Mutter mit ihren drei Kin dern in Berlin Selbstmord durch Erhängen begangen. Sämtliche Volks- und Mittelschulen der Insel Rügen sind wegen der herrschenden spinalen Kinderlähmung geschlossen worden. nur noch die Reichstagsauflösung übrig bleibe. Neue Besprechungen mit der NSDAP, seien durch die Münchener Hitlerrede unmög lich geworden. Ebenso glaubt die „Vossische Zeitung", daß die Auslösung des Reichstages und Neuwahlen, so wenig wünschenswert sie auch seien, nicht würden vermieden werden können. Die „Berliner Börsenzeitung" führt ein Gerücht, wonach im Falle einer längeren Reichstagsvertagung sehr bald mit einem, dem Wunsche der Nationalsozialisten entspre chenden Kanzlerwechsel zu rechnen sei, auf den Wunsch des Zentrums zurück, die Natio nalsozialisten für eine Vertagung und somit für weitere Verhandlungen zu gewinnen. Das Gerücht entbehre jedoch jeglicher Grundlage. Gemeinsame Konferenz zur Beilegung des Weberstreiks in Lancashire London, 10. Sept. (Funkmeldung) Der englische Arbeitsminister hat, wie er wartet, die Vertreter Ler von dem Weber streik in Lancashire betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer gemeinsamen Vermittlungskonferenz mit einem Vertreter des Arbeitsministeriums in Manchester ein berufen. Die Konferenz wird am kommenden Dienstag stattfinden.