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Freitag. -ES» Nr. 357. 3. September 1852 Leipzig. Dit Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 1 Uhr aus- gegeben. AireiS für das Viertel jahr 1'/, Thlr; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. DcilW MglMim Zeitung. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter deS In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße dir. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die Zollvereinöconfercnzen in Berlin. X Berlin, 1-Scpt. Es waltet noch ein Geheimniß über der plötzlichen Beschleunigung der preußischen Gegenerklärung, die mit seltener Eile und ohne alle Vorbereitung abgegeben wurde. Als Thatsachcn, die ich ver bürgen kann, möchten folgende Umstände von Interesse sein. Nachdem häufige Berathungen mit dem hannoverschen Ministerpräsidenten v. Schelc einige Tage vorher stattgefunden hatten und noch am 30. Aug. Vormittags von einer Sitzung, die an diesem Tage stattfinden sollte, bei den Bevoll mächtigten selbst keine Kunde cingelaufen war, stattete an diesem Tage Vormittags 10 Uhr der Ministerpräsident Hrn. v. Schele einen Besuch ab, wobei demselben gleichzeitig der redigirte Entwurf der Erklärung zur Be gutachtung persönlich vom Ministerpräsidenten überreicht wurde, dessen volle Billigung und Genehmigung Hr. v. Schele aussprach. Hierauf begab sich Hr. v. Manteuffel nach dem Ministerium des Auswärtigen und ließ um II'/, Uhr die Confercnzbevollmächligten durch den preußischen Vorsitzenden der Konferenz zu einer Sitzung um 1 Uhr Mittags zusammenbcrufen, wäh rend welcher Zeit der Entwurf in stilistischer Beziehung seine Redaktion er hielt. Als um I Uhr die Conferenzbevollmächtigten versammelt waren, traf Hr. v. Pommer-Esche erst eine halbe . Stunde später mit der Gegenerklärung ein und verlas dieselbe. Hierauf erhob sich der hannoversche Bevollmächtigte vr. Klcnze und erklärte im Namen seiner Negierung, daß diese die abge gebene Erklärung mit Freuden begrüße und gutheiße, da sie eine Vermit telung bezwecke, welche nun wol die Gefahr eines Bruches des Zollver eins beseitigen möchte; die hannoversche Negierung, welche immer danach gestrebt habe, eine Ausgleichung der schwebenden Streitfrage zu Wege zu bringen, glaube sich der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß nach dieser Erklärung dieselbe nunmehr als gesichert anzusehcn sei; die hannoversche Re gierung stimme der Erklärung in allen Punkten bei. Die Bevollmächtigten für Oldenburg, Braunschweig und Thüringen erklärten lediglich ihre Zu stimmung zu Protokoll. Dagegen unterblieb von Seiten der Coalitions- bevollmächtigten jede Aeußerung und erbaten sich dieselben eine Abschrift der Erklärung, die ihnen an demselben Tage mittels eines lithographirtcn Ab zugs übergeben wurde, welchen sie sofort ihren resp. Regierungen übersen deten. Die ganze Angelegenheit wurde diesmal so geheim betrieben, daß selbst die bethciligten Beamten im Ministerium des Auswärtigen nichts von der Erklärung wie von der Conferenzsihung vorher erfuhren, wie auch die officielle Presse ohne alle Nachricht blieb. Es verlautet, daß schon in den nächsten Tagen eine Zusammenkunft der Koalition in einem Badeorte zur Berathung der weitern Schritte erfolgen wird, die diese auf die preußische Erklärung'vom 30. Aug. zu unternehmen beabsichtigen; man spricht von Homburg oder gar von Ischl. — Die Neue Preußische Zeitung sagt: „Die Nückäußcrung Preu» ßcns auf die Coalitionserklärung muß als eine erfreuliche That begrüßt werden. Sie legt auf der einen Seite ebenso offen den Geist aufrichtiger Versöhnlichkeit an den Tag, als sie auf der andern den seither von Preu ßen eingenommenen Standpunkt mit Entschiedenheit festhält. Die diessei- tige Negierung befand sich nach ihrer Erklärung vom 20. Juli unbestreitbar im vollen Recht, wenn sie mit der Kenntnißnahme von den Foderungen der Stuttgarter Erklärung die hiesigen Confcrenzvcrhandlungen abbrach. Sic zog es vor, in freundschaftlicher Rücksichtnahme auf alte und neue Verbün dete einen letzten Versuch der Verständigung zu machen und, wenn auch auf Kosten der formellen Konsequenz, nochmals die Hand zu einer Aus gleichung zu bieten. Die Darmstädter Coalitionsgenossen hatten auf die preußische Federung um Zustimmung dazu, daß die eommerziellen Verhand lungen mit Oesterreich erst nach Abschluß des Vertrags über Erneuerung und Erweiterung des Zollvereins eröffnet würden, mit Schweigen geant wortet, und die Gegenfrage gestellt: inwieweit Preußen die Wiener Vertragsentwürfe als Grundlage der Verhandlungen anzuerkennen, und in welcher Fassung es den Zoll- und Handelsvertrag mit Oesterreich demnächst anzunehmen bereit sei? In ihrer Rückäußerung vom 30. Aug. gibt die preußische Regierung die verlangte Auskunft mit der anerkennenswerthesten Offenheit durch genaue Specialisirung der betreffenden Punkte. Die Koa lition sicht nunmehr alle etwa von ungerechtfertigtem Mistrauen eingegebe nen Zweifel an der diesseitigen Bereitwilligkeit zum Abschlusse mit Oester reich in der loyalsten Weise gelöst und kann jetzt nicht länger Anstand neh men, auch ihrerseits sich ebenso offen und bündig über die unwandelbar von Preußen festgehaltene und aufs neue mit ganzer Entschiedenheit geltend ge machte Anfoderung zu erklären: daß der Handelsvertrag mit Oesterreich erst nach dem Abschlusse der Reconstruirung des Zollvereins zur Verhandlung gelange. Hier muß sich denn auch zeigen, auf welcher Seite in Wahrheit das aufrichtige Bestreben obwaltet, den Zollverein aufrecht zu erhalten, und gleichzeitig muß sich ergeben, ob die Koalition wirklich national-ökonomische Zwecke verfolgt, oder ob vorwiegend politische Nebenzwecke nur darauf aus- gchcn, die preußische Schöpfung der handelspolitischen Einigung in Deutsch land zu zertrümmern, um Andern die Früchte der Opfer und Anstrengun gen Preußens zuzuwenden." — Das Korrespondenz-Bureau erfährt, daß noch im Laufe des 30. Aug. eine vertrauliche Besprechung zwischen den Bevollmächtigten der coa- lirten Staaten stattgefunden habe und daß von Seiten der Bevollmäch- tigten von Baiern und Württemberg die Zusage gegeben sei, die Replik aus die preußische Erklärung möglichst zu beschleunigen. An unterrichteter Stelle, fügt diese Lithographie hinzu, wird versichert, daß nur mit Hülfe dieser eine baldige Entscheidung der Sache in Aussicht stellenden Zusage diejenige Modifikation der Erklärung vom 30. Aug., welche sich in der Zu lassung einer neuen Frist darstclle, erreicht wurde. Deuts chland. Potsdam, 1. Sept. Prinz Albert von Sachsen ist gestern von Petersburg kommend auf Schloß Sanssouci cingctroffen und heute nach Dresden abgcreist. Berlin, 1. Sept. Der Preußische Staats-Anzciger meldet die An kunft des Generallieutenants und Oberbefehlshabers des bei Frankfurt a. M. zufammenzuziehenden Bundescorps Frhrn. Roth v. Schrecken stein aus Petersburg. — Nach der Liquidation der von Preußen infolge des Malmöer Waf fenstillstandes für die übrigen deutschen Negierungen gemachten Vor schüsse wegen der durch die Bundestruppcn in Jütland requirirtcn Natu ralien soll der Gesammtbctrag sich auf mehr als 160,000 Thlr. belaufen, wovon Preußen sich allein 50,000 Thlr. zur Last schreibt. Die noch zu erstattenden Antheile sollen ungefähr 100,000 Thlr. betragen. Hannover hat gegen 7000 Thlr. auf diese Liquidation als den ihm zufallcnden An theil vergütet. Stettin, 31. Aug. Bei der Auskleidung des Garde-Landwehrbatail lons am 28. Aug. wurde ein Wehrmann vermißt. Derselbe ist heute früh vor dem Ziegenthore mitten in einer Weidenanpflanzung todt gefunden wor den. Die zum Theil verbrannten Unisormstücke und mehre Stichwunden, welche die Leiche in der Brust hatte, geben der Vermuthung Naum, daß ein Mord begangen sei uud der Mörder hinterher versucht habe, die Leiche zu verbrennen. Wie verlautet, sind bereits mehre der That verdächtige In dividuen zur Haft gebracht. — Aus dem Großherzogthum Posen vom 29. Aug. schreibt man der Breslauer Zeitung: Auch in unserer Provinz, welcher leider noch viele evangelische Kirchen und Schulen fehlen, fängt man an, für das re ligiöse Bedürfniß der protestantischen Bevölkerung durch Hülfs- und Reise prediger Sorge zu tragen. Ein solcher ist jetzt in Szydlowiec von dem kö niglichen Konsistorium zu Posen in der Person des Kandidaten des Prc- digtamts Schmidt angestellt worden. Der reiche Ertrag der sür die Noth» stände unserer evangelischen Kirche cingesammeltcn Collecte dürfte cs wol möglich machen, daß unsere Provinz mit mehren Hülfs- und Reisepredi- gern versorgt würde. Besonders thun solche in Parochien noth, die auf vier bis sechs Quadratmeilen 4 — 6000 Protestanten unter 18,000 Katho liken zerstreut umfassen. Wie soll da das religiöse Leben der Menschen ge weckt und kräftig gepflegt, wie da das religiöse Bedürfniß derselben wahr haft genügend befriedigt werden? Wie ist es dann möglich, sie und ihre Nachkommen dem theuern evangelischen Glauben treu zu erhalten, wenn es an Gelegenheit fehlt, ihre Herzen für denselben zu beleben und zu er wärmen, ihre Kinder in demselben unterrichten zu lassen? Wiesbaden, 28. Aug. Der hiesige Gesangverein „Liederkranz" ist außer polizeiliche Verfolgung gesetzt, weil derselbe durchaus keine poli- zeiwidrigen Zwecke hat. Auch der „Quartcttverein" hatte polizeiliche An fechtungen zu erleiden, die ihn jedoch nicht beunruhigen konnten. Daß der „Gescllengesangverein" aufgelöst wurde, hatte blos darin seinen Grund, daß man bei einem Vorstandsmitgliedc Broschüren und Zeitschriften fand, die wahrscheinlich nicht zu den gern gesehenen gehörten, die aber nur Pri vateigenthum jenes Mitgliedes waren und mit dem Vereine nichts zu schaf- fen hatten. (Frkf. I.) Kassel, 31. Aug. Die Abgeordneten zur II. Kammer der Land- stände haben mit Ausnahme des Vcrfassungs - und Rechtspflcgcausschusses und der Sccretäre abermals Urlaub erhalten; ihr Wiederzusammcntritt dürfte im Laufe des October erfolgen. *Aus Thüringen, 31. Aug. Im Herzogthum Koburg-Gotha sind diesmal alle Parteien bemüht, eine recht zahlreiche Bethciligung zu den nächsten Landtagswahlen durch öffentliche Auffodcrungcn hierzu hervor- zurufen; namentlich ist dies auch von Seilen der liberalen Partei der Fall, welche sich von den Wahlen zu dem letzten Landtage zurückgezogen, indem