Volltext Seite (XML)
AuüSblatt de« Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Gtadträthe zu Freiberg u. Brand, ^»134 Erscheint t. Freiberg je». Wochent. Ab. 8 U. für den and. Tag. Jnser. werden bl« B. 11 U. für nächste Nr. angen. Donnerstag, den 13. Juni Prei« vlerteljährl. 2V Ngr. Inserat« werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1878. Freiberg, 12. Juni 1872. SS ist natürlich für uns von besonderem Interesse, die Arbeit zu verfolgen, welche Frankreich zu seiner Wiedererstehung nach den schweren Niederlagen unternimmt. Bei dem ehrgeizigen und rach süchtigen Charakter dieses Volkes wundert. eS uns nicht, daß es um daran denkt, sich in eine neue und furchtbare KriegSrüstung zu werfen, um so bald als möglich wieder die erste Rolle spielen und selbstverständlich Revanche an Deutschland nehmen zu können. So ist denn nun nach Jahresfrist das neue Kriegsdienstgesetz zur Berathung und zur voraussichtlichen Durchführung gelangt, mittelst welchem Frankreich sich zum ersten Militärstaat der Welt zu machen hofft. Besiegt von seinem Feinde, nimmt eS schmähend doch besten Einrichtungen für den Militärstaat in der Hauptsache an und glaubt mit Decreten schnell zu zaubern, waS in Preußen die Frucht eines halben Jahrhunderts und einer weiser» Gesetz gebung war. Fortan wird nun jeder Franzose vom 20. bis zum 40. Lebens jahre, ohne jede andere Ausnahme als die erwiesene Untauglichkeit, militärpflichtig sein. Nachdem die dreijährige Dienstzeit verworfen wurde, wird dieselbe jetzt fünf Jahre umfassen, wonach der Soldat io die Reserve tritt. DaS Contingent, welches jährlich an Rekruten ausgehoben wird und bisher 100,000 Mann betrug, erhöht sich nunmehr auf ein Viertel bis ein Drittel mehr, auf 125 bis 135,000 Mann. Auf diese Weise will Herr ThierS eine schnell bereite Streit macht von 1,100,000 Mann schaffen, gegen welche die deutsche Feldarmee allerdings um eine Viertelmillion Soldaten geringer wäre. Außerdem sollen alle nicht zum stehenden Dienst genommenen Franzosen den beiden Territorial-Armeen, etwa unserer Landwehr oder richtiger der früheren Nationalgarde entsprechend, einverleibt und hierin durch eine kurze jährliche Uebung geübt gemacht werden. Alles zusammen genommen soll dann Frankreich ein Heer von vier Millionen Soldaten haben, während Deutschland mit allen Land wehren zur Zeit nur höchstens anderthalb Millionen auf stellen könnte. Nun ist es mit dem Armeenmachen freilich nicht so leicht. Auf dem Papier stehen diese französischen Millionen bald da, aber in Wirklichkeit gehören zwanzig Jahre dazu, ehe die neue Organi sation abgeschlossen sein wird. Auch ist es mit dem Menschenzu sammenraffen nicht allein geschehen; eS gehört der Geist zu solcher Schöpfung und bis jetzt kann man nicht sagen, daß in diese fran zösische Uebertrumpfung der deutschen allgemeinen Wehrpflicht jene Lebenskraft gelegt sei, die ein Scharnhorst erzeugte und ein Moltke zu so großer Wirkung zu bringen wußte. In der Hast läßt sich kein tüchtiges OffiziercorpS, lasten sich keine geniale Feldherren machen; und daß sie sich heranbilden, dazu gehört Zeit und Er fahrung. Uber trotzdem läßt sich ermessen, daß diese ungeheure Rüstung Frankreichs nicht ohne Rückwirkung auf die anderen Staaten sein wird und zumeist auf Deutschland, welches allen Grund hat, sich davon in erster Linie bedroht zu sehen. WaS vorausgesehen wurde, erfüllt sich: der Militärstaat, welcher die Geschichte der Gegenwart gemacht hat, übergipfelt sich und löst daS Problem, die möglichst größte Armee zu schaffen. Der Idealismus des allgemeinen Welt friedens ist schnell und grausam in Nichts aufgelöst worden. Heute hören sich solche Worte sehr lächerlich an. Soldaten und Krieg find stehende und vertraute Begriffe geworden, jlnd wird man von uns fordern, was man jetzt in Frankreich fordert, eine Vier- Millionen-Armee, so wird man kaum dagegen etwas einwendev können. Aber eS muß auch diese Phase der Völkerentwickelung durchgemacht werden ; auch sie wird zu Ende gehen und die Ge schichte sich dann wieder anders fortsetzen. Tagesgeschichte. Berlin, 10. Juni. In der Commission zur Berathung des Gesetzes über die Kriegsentschädigungsgelder ist vorgestern Abend in einer vierstündigen Sitzung ein allgemeines Linverständniß er zielt worden, indem die Hauptfrage, daS Verhältniß der gleich zur Vertheilung bestimmten und der zu reservirenden oder, besser ge sagt, späterer Reichsgesetzgebung vorzubehaltenden Summen, durch einen Vermittelungsvorschlag der Abgg. Miquel und Hölder gere-- gelt wurde. Darnach sollen 3»/, Milliarden schon jetzt als zur Vertheilung bestimmt gelten und diese Summe einer weiteren Re- duction durch Verfügung des Reiche- nicht unterliegen. Ueber den weiteren Betrag von 1'/? Milliarden wird die Zahlung der In validen- und ähnlichen Pensionen angewiesen, und so weit nicht da- Reich andere Verfügung trifft, wird auch der Rest diese« Posten- nach dem im Gesetze angenommenen Maßstabe unter die einzelnen Staaten resp. Gruppen vertheilt. Mit den Modalitäten, wie Frank reich seine Zahlungsverpflichtungen gegen Deutschland erfüllt, hat da« jetzt gesicherte Gesetz durchaus keinen Zusammenhang. Die Reichsregierung und daS Reich gehen davon au-, daß Frankreich seiner Vertragsverbindlichkeit nachkommt und am 1. März 1874 die restirenden 3 Milliarden nebst Zinsen zahlt. Ob eS zu frü heren Theilzahlungen schreiten will und sich darüber mit der Reichs regierung verständigt, ist eine für daS vorliegende Gesetz durchaus gleichgiltige Nebenfrage, wie ja bekanntlich eine frühere Zahlung ein Ausfluß des französischen und nicht des deutschen Interesses ist. — Die GesammtauSgabe deS Reiches stellt sich nach den Beschlüssen des Reichstags in zweiter Lesung durch Mehrforderungen einerseits und Abstriche andererseits aus 118,840,489 Thlr. An Matricular- Beiträgen haben die Staaten deS vormaligen norddeutschen Bunde- 13,474,684 Thlr. aufzubringen. Die Kopfzahl der Bevölkerung dieser Staaten beträgt 29,339,624. Der Gesammtbetrag der baar zu zahlenden Matricular-Beiträge pr. 1872 beträgt von sämmtlichen Bundesstaaten 24 647,867 Thlr., d. h. 7,467,917 Thlr. weniger als im Jahre 1872. — 3a der heutigen Sitzung deS Herrenhauses wurde der vom Grafen Münster gestellte Antrag auf Vertagung deS Landtage- biL zum 21. October einstimmig angenommen. — DaS Abgeordneten haus genehmigte in seiner heutigen Sitzung ebenfalls den vom Abg. Denzin gestellten Antrag auf Vertagung deS Landtag-, woraus der Minister des Innern die königliche Botschaft verla-, welche die Vertagung bis zum 21. October ausspricht. — 11. Juni. In der heutigen Buudesrath-fitzung wurde der Gesetzentwurf angenommen, wonach den Mitgliedern deS Jesuiten- ordenS oder mit denselben verwandten Congregationen, auch wenn sie deutsches Jndiguat besitzen, an jedem Orte des Bundesgebiete- der Aufenthalt von der, Polizeibehörde versagt werden kann; die erforderlichen Ausführungsverordnungen werden vom Bundesrats