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Dresdner Journal : 23.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188711236
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871123
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871123
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-23
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 23.11.1887
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V27I lm U»»»«» »«»tird«» N«iob»: Ilibrlieb! .... 18 dlurd ^Mkrlicd: 4 dlurk KO ks. Kiursln» Hanuovru: 10 k5. Itoicksi tritt ko,t- uo6 8t«oipe!-n>odli»ss dinru. TuküoatxuuxsxotMdreu r kür äon kttum oinsr 8b»pult«uso 2«il2 ^Imuor Lvkrltt 20 ?t. Ovtsr,,Lin»z«iu»u6ti" 6i« 2«Ue KO l't. üsi 1»b«IIsa- uuä ^iileru^utr outspr. ^ukooblu^ Lrscdolovur Ikxtiod mit Tuiuiutuus ävr 8ouo- auä ksisrt«^« »bsuä,. k'erusprvob-^oooblu»,: Ur. 1298. Mittwoch, den 23. November, abends. 1887. DresdnerZomMl. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratur« und Kunstgeschichte. Ustpit,: » Lra«<i«t«tt«r, Oommi«ioa»e «1« 1>r««io8r loaruul»; S»o!dur^-8«rU»-Vt«» 1»lp^ L»»«i-8r«,i»u Vnu»b«urt ». » ! L logier,- I«rU» Vi«»-S»»l»«r,- Nr»^-1^>p,ix »r»»kturr 8. ». »lluebsu: Lta«a,- k»rti Loos»» - 8«rU» - rr»ott»rl » > 8t»tt^»rt: D<x»b« <e <7o8«rUu- 0»rUt«: t,. AkiMer« S»iu>,r,r: 0. Sc-UIlttier, N»U» ». I.: üaeet -» 0a. U « r » » , U v d » r« llSnixl. Lipsliitiou 6s» DrooTaor lonruul», vremteu, lLviu^srntrusos SO. ?sr»opr«oi»-^rwotüll», I^r. 12SS. ÄmtliLer Teil. Dresden, 23. November. Se. Majestät der König sind heute früh 3 Uhr 55 Min., Ihre Maje stät die Königin gestern Nachmittag 3 Uhr 52 Min. von Sibyllenort hier wieder eingetroffen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem pensionirten Gendarmerie-Brigadier Richter in Limbach das allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Bekanntmachung. Die Untersuchung von Geheimmitteln betreffend- Durch Berordnung des Königlichen Ministeriums des Innern »st das Landes-Medicinal-Collegium be auftragt worden, bei der chemischen Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege einige der gangbarsten Geheimmittel mit der Bestimmung untersuchen zu lassen, die Ergebnisse dieser Untersuchungen zur all gemeinen Kenmniß zu bringen. Nachdem zu diesem Zwecke die deutsche Kaisertranklimonade und das von R. Retzlaff augekündigte Mittel gegen die Trunksucht einer Untersuchung unterworfen worden ist, fo wird nach Eingang des betreffenden Berichtes der chemischen Centralstelle hiermit Folgende- bekannt gegeben: 1. DaS von K. Jacobi in Berlin erfundene, früher mit dem Namen „Deutscher Kaisertrank" be zeichnete, gegenwärtig als „Deutsche Kaffertrank- liinonade" feilgebotene Geheimmittel, welches in Flaschen zum Preise von 1 und 1,bo M. ver kauft wird, ist eine schmutzigrothe Flüssigkeit von weinigem Gerüche und zimmtähnlichem Geschmacke. Der rothe Farbstoff erwies sich als Malven farbstoff und frei von Weinfarbstoff. Wein säure und Weinstein waren in dem Fabrikate nicht nachweisbar, somit das Vorhandensein von Traubenwein zweifelhaft, dagegen wurde darin Salicylsäure festgestellt. Die Mengenunter suchung ergab einen Gehalt von 76,17 Yb Wasser, b,k6 yb Weingeist und 18,17 Yb Extrakt und in letzterem 12,es yb Glycerin, 2,si yb Zucker, 0,»o freie Säure als Aepfelsäure berechnet, O,os Yb Essigsäure, 0,024 Yb Salicylsäure und 0,17 yb Mineralbestandtheile (phosphorsaure, schwefelsaure und Lhloralkalien und alkalische Erden). Den Inhalt der Flaschen bildete somit wahrscheinlich ein mit Salicylsäure, Glycerin und Zuckerlösung vermischter und mit Zimmt- aufguß versetzter, rothgefärbter Obstwein. 2. DaS von R. Retzlaff, Fabrikant in Dresden, feilgebotene Mittel gegen die Trunksucht, welches in drei in dünner Pappe verpackten Schächtel chen von zusammen 33,3 g Inhalt im Preise von 12 M. verkauft wird, ist ein gelbrotheS, grobkörnige- Pulver, dessen Untersuchung er geben hat, daß dasselbe aus gepulverter Enzian wurzel besteht und daß dessen Werth, die Schachteln inbegriffen, auf höchstens 30 Pf. zu veranschlagen ist. Dresden, den 14. November 1887. DaS Königliche Landes-Medicinal- Collegium. Dr. Reinhard. Herzog. Nichtamtlicher Teil. Ketegraphische WacHricHten. Paris, 22. November, abends. (W. T. B.) Nach einer den Blättern zugegangenen Mitteilung der „Agence HavaS" beschäftigt sich der Präsident Grövy fortgesetzt lebhaft mit der Lösung der Feuilleton. Frieda. tkzühlung von B. Mercator. (Fortsetzung.) Frieda mußte, wohl oder übel, folgen und sah seltsamerweise sogar aus, als ob ihr ganz wohl ge schehen sei, denn sie reichte Walter Schmidt, der ihr yom Flügel her entgegentrat, mit dem glücklichsten Lächeln die Hand und setzte Wally, die dem Assessor „unsere Frieda" mit einer oberflächlichen Hand- bcwegung vorstellte, dadurch nicht wenig in Erstaunen. Dies Erstaunen wuchs noch, als Doktor Schmidt höchst belustigt erklärte: „Vorstellen ist nicht, gnädiges Fräulein, das haben wir beide heute nachmittag schon besorgt." „Heute nachmittag? Wie so?" „Ei nun, wir trafen uns im Heiligengäßchen, und denken Sie nur, erkannten einander sofort." „Wie idyllisch! und das verschweigst Du so ge heimnisvoll, Frieda?^ Walters Augen ruhten wie Verzeihung suchend für seinen Verrat, ehrfurchtsvoll fast, auf dem blonden Kinde, das schweigend und heiß errötend den Platz am Flügel einnahm. Sie sah den Blick nicht mehr, denn schon hatte Wally das Notenheft aufgeschlagen, und bald füllte die kräftige Stimme der jungen Schönheit die Gesellschaftsräume mit der reichen Melodie des Schubertfchen Erlkönigs. Rauschender Beifall lohnte den Bortrag. ministeriellen KrifiS. Derselbe empfing heute mehrere Mitglieder des Parlaments und wird morgen und an den folgenden Tagen noch weitere politische Persönlichkeiten empfangen, deren Rat- schlüge oder Mitwirkung ihn unter den gegen wärtigen Umständen unterstützen könnten. Paris, 23. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Heute taucht daS Gerücht auf, Ribot werde mit Goblet und DeveS den Auftrag der KabinetSbildung übernehmen. — DaS „ Journal deSDöbatS",schreibt, es gezieme sich, daS Resultat der Schritte Grövyt ohne zuviel Ungeduld abzuwarten, eS würde aber gefährlich sein, die Schwere deS Zustandes der Unsicherheit zu verheimlichen, dessen Verlängerung nur die Gelüste nach einer Diktatur oder nach Un ordnung begünstige. St. Petersburg, 23. November. (Tel. d. Dresdn. I urn.) Lie veröffentlichte Zollnovelle führt Zölle auf verschiedene Pflanzen and Pflan- zenteile ein und erhöht die Zölle verschiedener Ar tikel, z. B die Zölle auf Rohbaumwolle, land wirtschaftliche Maschinen, Baumwollgarn, Watte, Südirüchte, Fische, Gewürze, Holzarbeiten, Flacht- gewede, Knöpfe, GlaS-, Kurz- und Uhrmacher- waren. New-York, 22. November. (W. T B ) Im Prozeß gegen den Anarchisten Johann Most wegen Haltens einer aufrührerischen Rede begann heute die Schlußverhandlung. Dresden, 23. November. Zur Frage des Schutzes gegen geschäftliche Ausbeutung. Es handelt sich hier um eine sittlich wichtige An regung, die in der deutschen Presse noch vielfache Be sprechungen finden wird. Veranlassung dazu fehlt in keiner Großstadt, und die Gebiete, auf denen diese Giftpflanze der Spekulation üppig wuchert, sind sehr mannigfaltig. Unter der vorstehenden Überschrift wen det sich die „Post" diesem alle Recht-freunde schmerz lich anregenden Gegenstände zu und zwar in so maß voller und wohlbegründeter Weise, daß uns zur Klä rung der Frage eine Verbreitung dieser Ansichten wünschenswert scheint. Daß diejenige Wirtschaft die geordnetste ist, deren Bedürfnisse gleichen Schritt halten mit den ihr gesteck-. ten Erwerbsgrenzen, bedarf gar nicht erst der Beton ung und es kann ohne weiteres zugestanden werden, daß die Nichtbeachtung der gebotenen Ordnung zwischen Mitteln und Ansprüchen, zwischen Einnahmen und Ausgaben und in weiterer Folge die nicht notwendige Benutzung von Borg und Kredit leider neuerdings sich zu einer recht weitverbreiteten Erscheinung auS- bildet. Es sollen damit vorerst die Kreise, die dem Geschäftsleben angehören und den Kredit wie eine Ware in Anspruch nehmen, die sie für einen billigeren Preis zur Benutzung erlangen, um damit einen höheren Gewinn durch ihre Handelsunternehmungen sich zu ver schaffen, nicht ins Auge gefaßt werden, obwohl die selben, wie neuere Beispiele leider fortgesetzt beweisen, auch recht oft durch einen ungemesfenen persönlichen Verbrauch die Basis ihrer geschäftlichen Existenz er schüttern und damit den Kredit gefährden, der ihnen im Hinblick auf ihren geschäftlichen Bedarf gewährt worden war. Viel schärfer machen sich die Folgen eines derartigen bedenklichen Zuges in Verhältnisfen mit Einkommensarenzen geltend, welche der Hoffnung, durch glückliche Benutzung irgend einer Gewinn- oder Erwerbschance zu einer die Etatsüberschreitung aus- gletchenden Mehreinnahme zu kommen, kaum Raum geben und keineswegs sehr selten trägt die Schuld an dem natürlichen Ende mit Schrecken nicht nur ein Walter Schmidt sagte nur drei Worte: „DaS herr liche Lied!" ES wurde, wie Wally prophezeit hatte, „tüchtig musiziert". Ihre Freundin, Tina Neumann, sang ge nau wie sie aussah, rundlich, süßlich, glatt, da- „ganz zufälligerweise" mitgebrachte Liedchen: „Ich kitt' euch, liebe Vögelein". Zwei außerordentlich zarte Schwestern ließen sich von Frieda ein außerordentlich zartes Duett begleiten, in dessen Mitte die Älteste leider Nasenbluten bekam. Dann sang Wally: „Der Eichwald brauset", und ihre Stimme machte einen wahrhaft überwältigenden Eindruck! Nur Assessor Schmidt verhielt sich recht passiv bei der allgemeinen Bewegung. Die triumphierenden, her ausfordernden Blicke oer Gefeierten entlockten ihm kein Urteil. Sobald Frieda aufgestanden war, näherte er sich ihr, und die beiden Augenpaare grüßten einander, obgleich Friedchen eben für die Tochter des Sanitäts- rates nach einer verlegten Piece suchte. Stehend griff Walter einige Akkorde, kühn genug, um den sicheren Spieler zu verraten. „Ah, Sie sind auch musikalisch?!" rief Doktor Pinner, scheinbar sehr erbaut von der Entdeckung. „Ich liebe die Musik", sagte Walter ernst. „O, ich auch, in der That! Zwar hat mir Poly- hymnia die eigentliche praktische Ausübung ihrer Gaben versagt, mich aber zum Ersatz dafür mit kritisch feinem Verständnis für jede Leistung ihrer Schüler begabt, und darin liegt ein wahrer Hochgenuß für mich — Sie wissen, gnädigstes Fräulein, ein klassisch gebildeter Philologe" — hier wandle er sich zu Frieda, doch Walter Schmidt fragte i» selben leichtsinniger Kreditnehmer, sondern auch ein leichtfertiger oder gar auf Ausbeutung des wirtschaftlichen Unver standes bedachter Kreditgeber. Wo sich eine Gelegen heit findet, dieser Ausdeutung einen Riegel vorzu schieben und den gemeingefährlichen Ausbeuter zur Bestrafung heranzuziehen, und wo insbesondere bereits die Gesetzgebung eine dahingehende Fürsorge getroffen, da ist gewiß Schonung übel angebracht und sicherlich ist e- ein verdienstliches Beginnen, auch die sich noch hier und da für die Blutsauger bietenden Hin er- thüren zu verschließen. Der Verein für Sozialpolitik hat in seinen Gutachten und Berichten über den Wucher auf dem Lande ein sehr dankenswertes Ma terial der Öffentlichkeit unterbreitet, aus dem sich er- giebt, daß der Wucherer sein Opfer ost genug erst durch Verleitung zu überflüssigen Käufen und Anschaffungen in seine Gewalt bringt, um dann die Schraube immer fester und fester bis zur völligen Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Gefesselten anzuziehen. Auch in der Stadt mag es vorkommen, daß mit der übermäßigen Kreditgewährung solche oder ähnliche Ziele verfolgt werden, und es ist ein derartiges Ver fahren insbesondere den Warenabzahlungsgeschäften zum Vorwurf gemacht worden, allerdings mit der Einschränkung, daß eS den Inhabern dieser Geschäfte nicht darum zu thun ist, den Kreditnehmern schließlich unter Einheimsung wucherischer Gewinne Geld zu borgen, sondern daß ihr Ziel lediglich ist, sich einen hohen Absatz zu verschaffen auf Kosten wirtschaftlich schlecht gestellter und ökonomisch unerfahrener Leute, denen sie dann fo zu sagen den letzten Heller abneh men, um bezahlt zu erlangen, was jene, ohne die Folgen zu bedenken, gekauft, obwohl sie es nicht not wendig gebraucht. Die Warenabzahlungsgeschäfte sind in größerem Umfang in süddeutschen Städten vertreten und so hat denn auch die bayerische Regierung sich in erster Reihe zu Erhebungen über die Berechtigung der gegen die Abzahlungsgeschäfte vorgebrachten Klagen veranlaßt gesehen. Von einigen der daraufhin von einzelnen Behörden abgegebenen Gutachten und erstatteten Be richte ist in den Zeitungen Mitteilung gemacht und sie sind insofern von weitgehendem Interesse, als das darin geltend Gemachte auch Bedeutung für die Be antwortung der allgemeinen Fragen Hot, ob eS an fänglich ist, angesichts des Mißbrauchs und der Aus beutung des Kreditverkehrs in diesem oder jenem Falle di« Kreditquelle einfach zu verstopfen, statt sich erst noch große Mühe zu geben, sie zu reinigen und der weiteren Vergiftung zu wehren und ob auf der an deren Seite der Selbsthilfe de- Gläubigers gegenüber dem Schuldner bei dem betreffenden Abschluß des Geschäfts die weiteste Bahn gelassen werden und dun freien Spiel der Kräfte im Geschäftsbetriebe kein Zügel angelegt werden darf? Diese Fragen sind verneint worden. Es ist an erkannt worden, daß das Warenabzahlungswesen an sich kein gänzliches Verbot rechtfertige, daß aber dem Treiben, welches darauf hinausgehe, geradezu zum Borg zu verlocken, so der Gewohnheit mancher Ab zahlungsgeschäfte, leichtfertige Kreditnehmer durch Rei fende ansfindig machen zu lassen, entgegengetreteu werden müsse, und daß ebenso den Warenabzahlungs- gefchäften nicht gestattet sein dürfe, die Leichtherzig keit des Kreditsuchers zu benützen, um ihn zu einem durchaus dem Wesen eines Kreditgeschäftes wider sprechenden Vertragsabschluß zu bestimmen, näm lich zu dem, sich des Rechte- zu begeben, vor völliger Bezahlung der stipulierten Raten als Eigentümer der doch thatsächlich gekauften Waren aufzutreten und über sie zu disponieren. Es ist damit einmal denen nicht Recht gegeben worden, welche immer für Todesurteile plaidieren und jeden Baum, der auch nur einen wil den Schößling treibt, ohne weiteres abgehauen und Augenblick sehr unklassisch dazwischen: „Kennen Sie da- noch?// — und die einfach innige Weise des schottischen Volksliedes „Robin Adair/' entquoll den Tasten. Friedas Blick strahlte Bejahung, Doktor Pinners Satz blieb unvollendet, und der junge Mann versank, seiner Eigenschaft als Musikkenner gemäß, in kritisches Schweigen, das nur zuweilen von einer halblauten Bemerkung unterbrochen wurde, für deren geistreichen Inhalt Frieda v. Alten leider ebensowenig Verständ nis bekundete als Walter Schmidt. „So haben Sie trotz Examen die liebe Musik nicht vernachlässigt?" fragte er aufblickend, während feine schlanken, aber kräftig geformten Hände die Me lodie zu sanfter Variation überleiteten. „Leider hat sie das doch", antwortete Kurt v. Alten statt der Schwester. Robin Adair hatte ihn vom Nebenzimmer, wo er mit den übrigen Größen der Stadt bei schwerem Wein und Zigarren politisierte, hergezogen. „Es ist recht schade", fuhr er fort, „Du spieltest und sangst ja immer so gern und hattest doch einen ganz hübschen Anfang gemacht; jetzt be gleitest Du immer nur und singst nie mehr selbst." Frieda errötete; sie mochte nicht aussprechen, daß die Bürgermeisterin sowohl als auch Wally so lange aehohnlächelt und glossiert hatten über ibre zarte Singstimme, daß sie sich immer seltener mit einem Liedchen hervorwagte und endlich ganz verstummt war; sie mochte nicht Nagen, wie sehr sie sich oft gefehnt hatte, nach stundenlangem Begleiten auch einmal wie der die alte Lust zu genießen, und sie mochte doch gerade vor Walter Schmidt nicht gerne als träge und nachlässig dastehen! ins Feuer geworfen wissen wollen, es ist aber auch den Doktrinären nickt die Palme zuerteilt worden, welche der Schablone den Vorzug vor der Beherzigung der praktischen Verhältnisse geben und im Hinblick auf die hier beleuchteten Umstände vielleicht sagen könnten, daß das, was dem Engrosgeschäft recht sei, nämlich durch ihre Reisenden Geschäftsgelegenheiten aufsuchen zu lassen, dem Warenabzahlungsgeschäfte billig fein müsse und daß das Retentionsrecht, dessen Ausübung unter Umständen dem Kaufmann zustehe, den Schluß zulasfe, daß eine weitgehende Sicherung auch dem kre ditgewährenden Abzahlungsgeschäft zugebilligt werden könne. Es ist von Wichtigkeit, daß dem breiten und be quemen Boden des Doktrinarismus sowohl im großen wie im kleinen der schwierigere, aber zu praktischen Zielen führende Pfad der gegebenen Thatsachen mehr und mehr vorgezogen wird, daß eS insbesondere nicht mehr als gleichgiltig betrachtet wird, ob sich nn Ge schäftsverkehr routinierte Kaufleute gegenüberstehen, oder ob ein gewiegter Geschäftsmann es der Natur feines Geschäftsunternehmens nach vorwiegend mit Leuten von kleinen Mitteln, geringen geschäftlichen Er fahrungen und wenig ausgebildetem geschäftlichen Ver ständnis zu thun hat. Latzesgeslhlchie. * Berlin, 22. November. Se. Majestät der Kaiser nahm heute Vorträge und zahlreiche militärische Mel dungen entgegen, konferierte nachmittags mit dem Chef des Militärkabinetts und erledigte Regierungs angelegenheiten Unter den von Sr. Majestät em pfangenen Militärs befanden sich auch zwei Königl. sächsische Offiziere, nämlich der zum Kommandeur der 6. Königl. sächsischen Jnfantcriebrigade Str. 64 er nannte bisherige Oberst des 2. Königl. sächsischen Grenadierregiments „Kaiser Wilhelm, König von Preußen" Nr. lOl, v. Hodenberg, sowie der zum Kommandeur des nurgedachten Regiments ernannte Oberst v. Egidy. Das Befinden Er. Kaiser!, und Königl. Hoheit der Kronprinzen ist unverändert; die lokalen Be schwerden im Atmen und Schlucken sind zur Zeit gänzlich geschwunden. Der Reickskanzler Fürst Bismarck hat heute nachmittags 5 Uhr Berlin wieder verlassen und sich nach Friedrichsruh begeben. Die Anwesenheit des Kaisers von Rußland in Berlin erhält durch eine heute der „Köln. Ztg." von „unbedingt zuverlässiger/' Seite zugegangene Mittei lung nachträglich eine ungemein große Bedeutung. Die Form, in welcher das angesehene Blatt die gerade zu verblüffende Nachricht in die Öffentlichkeit bringt, berechtigt uns, die wichtige Meldung, wenn auch mit Vorbehalt, unsern Lesern miizuteilen. Der Wortlaut der Nachricht ist folgender: Die einstündige Unter redung, welche Fürst Bismarck mit dem Kaiser von Rußland gehabt hat, steht noch immer im Mittelpunkt der politischen Unterhaltung. Es ist selbstverständlich, daß dieselbe zu keinerlei Abmachungen oder gar Bünd nisabschlüssen geführt hat. Immerhin hat sie in einem wesentlichen Punkte zu einer sehr erwünschten Auf klärung geführt. Wie uns von unbedingt zuverlässiger Seite mitgcteilt wird, ist im Laufe dieser Unterredung festgestcllt worden, daß dem Zaren eine ganze Reche von Briefen und Depeschen über die Haltung des Fürsten Bismarck in der bulgarischen Frage vorgelegt worden sind, die von Anfang bis zu Ende gefälscht waren und die wenn sie echt gewesen wären, in der That dem Zaren allen Grund gegeben haben würden, erzürnt zu sein, der Politik des Fürsten Bismarck zu mißtrauen und ihn gegen dieselbe zu verhetzen. Die ursprüngliche Quelle dieser Fälschungen ist als bald ermittelt worden; es genügt vorläufig Mit- Aber er schien ihr auch ohne jede Erklärung keinen Vorwurf machen zu wollen, denn, wie er nun sagte: „Alles verlernt?" da klang es gar nicht vorwurfsvoll, nein, mitleidig klang es und so herzensgut. „Alles verlernt?" wiederholte er, „auch das?" Und schnell Tonart und Tempo wechselnd spielte ec die Riehlsche Melodie zu dem bekannten Liedchen von Claudius: „Es stand ein Sternlein am Himmel" Und er spielte nicht nur. Mit wohlklingendem, war mem Bariton sang er den ersten Vers, dabei kein Auge von Frieda verwendend, die, den blondcn Scheitel gesenkt, neben ihm stand. DaS zarte Oval ihres kindlichen Gesichtchens war ihm wie ein reiner Spiegel, der jedes Wort, jeden Klang deS Ton gemäldes verklärt zurückgab. „Du — Sie haben es nicht vergessen!" trium phierte er nach dem ersten Verse. „Nun singen Sie aber auch mit mir, wie früher?" „O nein, nein! vor allen Leuten —" „Du brauchst Dich nicht zu schämen, Friedel; singe, wenns Dir Freude macht," raunte Kurt. „Sie sollen nicht für die Leute singen. Singen Sie für mich, mir zu Gefallen!" Und er begann den zweiten Vers: „Ich wußte seine Stelle —" Aber Frieda schwieg. „Sing mit! thu- mir zu Gefallen!" baten seine Augen. „Am Himmel, wo es stand —" „Mir zu Geiallen, Friedchen!" Ta fiel sie em, die süße weiche Stimme: „Trat abends vor die Schwelle Und suchte, bi» ich» fand " (ffortssg folgt
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